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Licht fühlen und Ambiente schaffen

 
Heute staunte ich nicht schlecht, als ich von einem Projekt einer Kollegin erfuhr, die sich einen Namen mit der Erforschung von "fühlenden" Computern gemacht hat. Ihr Buch von 1997 "Affective Computing" - bitte nicht als affektierter Computer übersetzen - schlägt bis heute Wellen, weil sich viele Leute von ihrem Computer unverstanden fühlen. Der Computer von Rosalind Picard hingegen soll meine Emotionen verstehen - und sich darauf einstellen.

Das neue Projekt heißt "Lux Meter: Real-Time Feedback in Ambient Light Environment". Es geht davon aus, dass das Licht für alle möglichen circadianen Rhythmen des Körpers ein wichtiger Steuerungsfaktor sei, was stimmt, und will die visuelle Umgebung des Menschen messen, um "real-time feedback" zu geben. Leider, leider, konnte ich nirgendwo etwas über die Ergebnisse finden.

 
Reicht uns "human centric lighting" nicht mehr? Es scheint, der Wettbewerb um den Menschen nimmt an Tempo zu. Wir wollen dem Menschen ……? Ich weiß nicht, zu was man dem Menschen verhelfen will. Aber halt intelligent … Moment mal, war alles, was wir bislang getan haben, etwa nicht intelligent? Gott verhüt´s! Ich kenne Menschen, die mich Kommunist beschimpft haben, weil ich flexible Beleuchtung forderte. Das war nicht etwa eine revolutionäre Technik, sondern lediglich eine Möglichkeit, das Licht am Arbeitsplatz ein- und auszuschalten, Leuchte umdrehen und etwas zu ändern, wenn nötig - eine Arbeitsplatzleuchte etwa.

Ich erinnere mich noch, dass auf einer Firmenwebsite zu lesen stand, dass Arbeitsplatzleuchten in Deutschland verboten seien. Warum, stand nicht dabei. Berufsgenossenschaften verboten ihren Betrieb, weil dadurch die Leuchtdichteverhältnisse am Arbeitsplatz so schlimm würden, dass man vorzeitige Ermüdung befürchten müsste. Falls man so etwas installieren wollte, müsste sichergestellt sein, dass beim Einschalten des unsäglichen Objekts gleich die Allgemeinbeleuchtung angehen musste. Wer denkt sich denn so etwas aus?

 So doof, wie es sich anhört, ist das Ganze nicht. Denn eine Leuchte, die nur ein kleines Stück des Arbeitsplatzes erhellt, schafft eine Störung durch den Kontrast zur dunklen Umwelt. Stimmt! Aber seit wann ist die Umwelt im Büro bei Tage dunkel? Genau seit dem 20. März 1975. An diesem Tage erschien die Verordnung über Arbeitsstätten, aka Arbeitsstättenverordnung. Dort hatte das Tageslicht keine Funktion als Beleuchtung - fast 30 Jahre bis zur Revision im Jahre 2004. So gab es für die Berufsgenossenschaften diese Beleuchtungsart nicht.

Anders für den Staat, der nicht nur aus Bund, sondern auch aus Ländern besteht. Und die letzteren hatten und haben die Oberherrschaft über das deutsche Bauwesen. Das Tageslicht als Beleuchtung war bei deren Landesbauordnungen geregelt. Der Bund hat lediglich die Sichtverbindung vorgeschrieben, die aber halt keine Beleuchtung ist. Sie beleuchtet zwar, ist aber keine Beleuchtung. Punkt!

Noch viel intelligenter als der Staat haben es die Normer gemacht. Die hatten bereits 1935 Tageslicht und künstliches Licht getrennt. Ein genialer Schachzug. Aus damaliger Sicht sogar eine Notwendigkeit, denn niemand käme 1935 auf die Idee tagsüber die Jalousien herunterzulassen und eine künstliche Beleuchtung mit ca. 10 - 20 W pro Quadratmeter zu betreiben. Lampen wie Strom waren zu teuer, um verschwendet zu werden. Genau genommen, war 1935 die künstliche Beleuchtung eine Art Notbeleuchtung. Im Jahre 2015 hatten wir zwar Strom im Überfluss - Pardon aus der Nordsee - den man verbraten musste, weil der Großfürst von Bayern keine Leitungen erlaubte. Aber gegen das Tageslicht anstinken, war immer noch nicht möglich. Ergo: In deutschen Arbeitsstätten gibt es - Gott und Edison sei Dank - Tageslicht und künstliches dazu.

Wenn dem so ist, was macht unser Luxmeter-Projekt im Jahre 2016? Misst einmal die Umgebung, und dann die Emotionen des Menschen, und dazu seinen circadianen Zustand, und ? Regelt es die Sonne und den Mond? Nicht doch, bestenfalls die künstliche Beleuchtung. Und wie kommt man auf diese grandiose Idee, das Tageslicht wegzudenken? Hört sich blöd an, ist aber so: in US-Amerikanischen Forschungslabors scheint keine Sonne. Schiene sie doch und würde der Computer die Emotionen der Menschen richtig bewerten, um danach die visuelle Umgebung zu steuern, könnten wir schlagartig viele Kraftwerke abschalten. Tagsüber. Und  nachts? Einen Großteil der Beleuchtung auch abschalten. Menschen brauchen nachts keine große Helligkeit! Man hat sogar den begründeten Verdacht, dass nächtliche Beleuchtung bei der Arbeit Krebs fördert.

Liege ich falsch in der Vermutung, dass das Luxmeter Projekt nicht von der lichttechnischen Industrie gesponsort wird?

Wir haben ihn - den ersten Blaulichtdoktor

Doktor

Wunder gibt es immer wieder! So schaffte das Thema "Blau macht schlau" zu akademischen Ehren, so in Null-Komma-Nichts. Der erste Doktor ist fertig.  Das Forschungsvorhaben, auf dessen Boden der neue Doktor aufgewachsen ist, wurde vom BMWi gefördert und heißt: „Energieeffiziente Schulen“. Ich weiß zwar nicht, wie die Effizienz gemessen wurde, so etwa am Umsatz an Schülern oder am Lernerfolg, Egal.

Ja, über das Ergebnis werden sich die Blaulichtfreunde aus der Industrie nicht allzu laut freuen, schätze ich. Denn in dem Bericht steht zu lesen (Original hier) :

"In einem Hörsaal der Hochschule – entsprechend umgebaut und mit blau angereichertem LED-Licht ausgestattet – führte er - Anm.: der Doktorand - verschiedene Tests und Messungen durch. „Das Kohlenstoffdioxid und die Temperatur im Raum haben Auswirkungen auf die studentische Leistungsfähigkeit. Der Fensteranteil ist ausschlaggebend dafür, ob sich Kunstlicht mit einem höheren Blauanteil auszahlt. Denn die Beleuchtungsstärke von Tageslicht ist bisweilen um 300 Prozent größer als die des Kunstlichts, daher bietet sich dieses Kunstlicht in fensterlosen Räumen an“, fasst Manuel Winkler seine Ergebnisse zusammen. "

Und in diesen darf laut Arbeitsstättenverordnung kein Mensch arbeiten, auch nicht Lehrer und Professoren. Ob Schüler da rein dürfen, ist so´ne Sache …

Immerhin kann man daraus lernen, dass die schlauesten Deutschen - wer wohl, wenn die Studie an einer Müncher Uni durchgeführt wurde - CO2 nicht so einfach wie alle anderen schreiben.

Eine Begegnung der besonderen Art 

  
Heute jährt sich zum 30. Mal der Tag, als ich von einem Politiker unsanft geweckt wurde. Der Politiker hieß (und heißt immer noch) Peter Conradi und war als Bundestagsabgeordneter für die Bauten des Parlaments zuständig. Ich war Berater des Ältestenrates des Deutschen Bundestags für das Projekt Parlakom, in dessen Zuge die Arbeit der Abgeordneten und derer Mitarbeiter computerisiert wurde.

 
Zu meinen Aufgaben gehörte auch die Auswahl der Büromöbel, der Computer und der Beleuchtung der Räume. Conradi bat mich, sein Büro aufzusuchen und fragte mich, was ich denn im Bundestag tue. Ich antwortete brav, wir würden die deutschen Normen zur Beleuchtung anwenden und, da diese (vorgeblich) Mindestnormen sind, eine bessere Beleuchtung als vorgegeben aussuchen.

Da wurde mein Gegenüber robust: "Spinnen Sie? Haben Sie keine Ahnung davon, dass die Normen zur Beleuchtung das Selbstbedienungsinstrument der Elektroindustrie sind?" Als ich meine Überraschung ausdrückte, sagte er: "Gehen Sie nach Hause, und lernen Sie!" Peng!

Ich fuhr nach Hause und überlegte mir, wer von den Personen, die ich kannte, mit der Elektroindustrie verbandelt war. Lange musste ich nicht nachdenken. Der erste, der mir einfiel, war ich. Danach mein Vater, der einen Direktor der größten Firma der Industrie kannte. Meine Frau, mein Bruder, mein Onkel, zwei Schulkameradinnen … Dass mein Doktorvater von dort kam, wusste ich. Später fiel mir ein, dass auch sein Doktorvater … Die Liste wurde lang und länger. Als ich später das Buch "Die Ökologie der künstlichen Helligkeit" las, wurde mir bewusst, dass ich jede zweite Person, die darin vorkam, entweder persönlich getroffen hatte oder mindestens eine Person kannte, die diese getroffen hatte.

Dennoch musste ich dem Vorwurf begegnen, sei es dadurch, dass ich ihn bestätigen musste. Plötzlich machten meine Untersuchungen in vielen Betrieben Sinn, die gezeigt hatten, dass die Menschen mit ihrer Beleuchtung unzufrieden waren. Ich hatte versucht, sie zufrieden zu stellen, indem ich "normgerechte" Beleuchtung installiert hatte. Ohne Erfolg, freilich! Ich denke mal, die Leute haben nicht aufgemuckt, weil sie dachten, so ´ne teure Beleuchtung, und ich soll meckern?

Da aber die Möglichkeit nicht auszuschließen war, dass ich, trotz 2.000 Teilnehmern an meinen Studien, immer an die falschen geraten war, musste ich handeln. Das ist nämlich immer zu hinterfragen, weil diejenigen Firmen, die mich um Rat fragen, Probleme empfinden, und Geld zu deren Lösung ausgeben. Was ist mit dem Rest von 28.000.000 Arbeitnehmern, die ich nicht zu Gesicht bekommen hatte?

 
So führte ich eine wirklich repräsentative Studie mit Arbeitnehmern durch, deren Firmen mich garantiert nicht kannten, die selber auch nicht. Und das Ergebnis? Dasselbe! Mehr als die Hälfte der Befragten empfanden die Beleuchtung der Arbeitsstätte als eine Gefährdung der Gesundheit. Dabei wollte man aber mindestens 70% zufrieden stellen.

Es hilft nichts. Die Aufgabe eines Ingenieurs ist nicht, festzustellen, ob Menschen mit ihrer Technik unzufrieden sind. Er muss feststellen, warum  und ggf. wie man das abstellen kann. So analysierten wir nach den Ursachen.

Ein wohlfeiles Argument wäre, dass das "Neonlicht" die Menschen störe. Das würden auch heute viele glauben. Nun ist es uns aber gelungen, Dank Conradi, eine Beleuchtung zu finden, die nicht etwa die Zahl derer reduziert, die die Beleuchtung ihres Arbeitsplatzes für eine Gesundheitsgefährdung halten, sondern die, bis zu 90%  zufrieden stellte. Und das mit "Neonlicht", das wir als Ersatz für die geliebte Glühlampe installiert hatten.

Was, wenn nicht das "Neonlicht" schuld ist? Im Jahre 1990 veröffentlichten wir die Gesamtheit der Studien unter dem Titel "Licht und Gesundheit" und auch die Erklärung dazu. Überall, wo die künstliche Beleuchtung dominierte, gab es mehr Gesundheitsstörungen als dort, wo das Tageslicht dominierte. Ergo muss das künstliche Licht schuld sein! Diese Erklärung ist üblich, aber billig. Künstliches Licht besteht aus den gleichen Photonen wie das natürliche. Der wesentliche Unterschied, so schien es, besteht aber darin, dass das natürliche Licht unseren Lebensrhythmus bestimmt, während die künstliche Beleuchtung immer auf Konstanz ausgelegt ist.

So postulierte ich, dass der wesentliche Faktor die Beeinflussung des circadianen Rhythmus sein müsse. Vielmehr, die Nicht-Beeinflussung. Der menschliche Körper benötigt Veränderung, Technik der Beleuchtung strebt hingegen nach Gleichmäßigkeit, zeitlich wie örtlich. Das Letztere hatte übrigens ein in der Lichttechnik sehr bekannter Augenmediziner bereits in den 1950er Jahren gegeißelt, der Brite Weston.  Das Erstere hatte ich von einem gewissen Aschoff gelernt, der mit meinem Doktorvater befreundet war, dem Entdecker der Wirkung von Licht auf circadiane Rhythmen beim Menschen. Auch ein Wissenschaftler, den die Lichtindustrie wegen seiner Industriefreundlichkeit sehr schätzte, Erwin Hartmann, hatte sich in Büchern ähnlich geäußert und von Lichtsoße gesprochen.

Seit der Veröffentlichung von "Licht und Gesundheit" (1990) und der englischen Version davon ("Light and Health", 1991) ist ein Vierteljahrhundert vergangen. Wir haben an weiteren ca. 2.000 Arbeitsplätzen verbesserte Beleuchtung installiert und eine enorme Verbesserung der gesundheitlichen Wirkungen, zumindest subjektiv, nachgewiesen.

Zu guter Letzt haben wir eine Studie mit einem Architekten und einem Tageslichttechniker durchgeführt und veröffentlicht. Diese zeigt auch, wie man´s macht. Und übrigens, wie man es seit Jahrhunderten erfolgreich gemacht hat. Tageslicht nutzen - Das Buch stellt aber auch, wie man auch künstliches Licht "gesund" macht.

Die Zahl der bis heute abgehaltenen Kongresse, Seminare u.ä. Mit dem Titel "Light and Health" bzw. "Licht und Gesundheit" ist mittlerweile Legion. Biologisch wirksame Beleuchtung besitzt sogar eine modische Abkürzung "BioWi". Warum nicht BioLi? So weit, so gut! Warum darf man aber immer noch Beleuchtung verkaufen, die nachweislich eine Gefährdung darstellt, wo es welche gibt, die auch nachweislich das Gegenteil davon bewirkt?

Nach 30 Jahren kommen mir langsam Zweifel, ob wir in der richtigen Welt leben. Denn nach dem Arbeitsschutzgesetz ist es illegal, eine Technik einzusetzen, für die es einen gesünderen Ersatz gibt.

Das Kreuz mit der Farbtemperatur

 LED-Binning
Heute gab es für mich ein Wiedersehen mit einer Erscheinung aus meiner Jugend. Eine seligmachende war die Erscheinung indes nicht. Eher eine Malaise traf ich wieder. Anno Tobak, als der selige B. Kühl im Osram-Labor Entladungslampen mit toller Farbwiedergabe zusammentüftelte, wollte ich 4 (in Worten: vier) gleiche Lampen (des gleichen Typs) bekommen, damit ich ein großes Modell aus vier Richtungen so beleuchten konnte, dass man alle Teile in gleichem Licht sieht. An sich kein Problem, wenn man mit Glühlampen arbeitet. Man kauft vier Stück im Kaufhaus ein, Pardon man kaufte …, und schraubt die in vier Fassungen. Fertich!

 
Nicht so mit den begehrten Lampen, Halogenmetalldampflampen, kurz HCI bei Osram, CDM bei Philips und HSI bei Sylvania, in denen die Gasentladung mit vielen chemischen Mitteln "angereichert" wird, damit das gewünschte Spektrum entsteht. Mit Glühlampen konnte ich damals nichts anfangen, weil die zwar eine exzellente Farbwiedergabe haben, Ra = 100, die aber den Fernsehleuten nichts sagte. Eine Glühlampe hat nämlich eine exzellente Farbwiedergabe, wenn man sie mit einer Glühlampe vergleicht. Die Fernsehleute wollten aber das Licht mit dem Tageslicht verglichen sehen.

 
Kein Problem, wenn man den Großmeister und seine Küche persönlich kennt. Oder doch? Ich durfte mich an ein Los Lampen setzen und mir gleiche aussuchen. Man erklärte, dies sei der Innovation geschuldet, schließlich seien die Lampen erst vor fünf Jahren erfunden worden. So lange ist es her. Man erzählte mir, mein Eindruck sei subjektiv (Was sind Eindrücke sonst?) und das Problem wäre keins, weil man ein 100-prozentige Ausgangskontrolle hätte. Seitdem sind 45 Jahre vergangen, man kann immer noch unterschiedliche Lampen aus dem gleichen Los ziehen, so man die Lampen überhaupt findet. Es gibt nämlich jetzt LED!

 
Ach, ja! Da geht es gleich los mit Los ziehen … Da die Sache jetzt Methode hat, hat sie auch einen Namen: Binning. Bin heißt auf English Mülleimer, Abfallbehälter, Papierkorb u.ä. Binning ist auf Denglisch das, was Aschenputtel macht, die Guten ins Töpfchen, die Schlechten … Aber nicht doch! Man schmeißt nichts weg. Immer wenn man einen Fertigungsprozess nicht voll beherrscht, sucht man sich die Guten raus und verkauft die als Premiumware. Schlecht ist nix, sondern mehr oder weniger von der Spezifikation abweichend. Früher suchte man so Messgeräte aus, später Transistoren, Prozessoren, Solarpaneele, und sogar Zigarren (Davidoff und Petite) und Seidenteppiche. Auch Menschen werden so sortiert. Wenn ein Kind zwei Elternteile hat, die beide Arbeiter sind, stehen seine Chancen, in die gymnasiale Oberstufe zu kommen, bei 20%, bei Kindern von Angestellten steigt die Rate auf 50%. Wenn beide Eltern Beamte sind, muss man ganz schön blöd sein, um nicht in den Olymp zu kommen, die Chancen stehen bei 84%.  Nicht von schlechten Eltern! Warum soll man LEDs nicht genauso bewerten? 

 
Warum nicht? Man hat eh keine Wahl. So werden weiße LED in vier "bins" einsortiert. Und wo liegt das Problem? Es gibt sogar Standards dafür. Dumm ist nur, dass sich LED aus dem gleichen Los in mehreren Eigenschaften (ungewollt) unterscheiden können, so auch im "Spektrum" und "Intensität". Dahinter stecken leider etwas kompliziertere Eigenschaften. Man versucht, LEDs mit der gleichen farblichen Erscheinung des Lichts zu finden. Die als relevant angesehene Größe ist die "Farbtemperatur". Die hat mit der Temperatur eigentlich wenig zu tun und ist zudem irreführend definiert. Ein "kälteres" Licht hat eine höhere Farbtemperatur als ein "wärmeres".

 
Das ist aber nicht ganz so gravierend wie eine Eigenschaft des menschlichen Auges, die Diskriminierungsfähigkeit z.B. für Kontraste, Farben oder Helligkeiten. Nennt sich Unterschiedsempfindlichkeit. Und die ist am höchsten, wenn die verglichenen Objekte oder Flächen aneinander stoßen. Und dummerweise viel höher als bei der Methode der Messung der Farbtemperatur. Die ist nämlich definiert für Wärmestrahler und wird auf andere Lichtquellen angewandt mit einer mehr oder weniger großen Genauigkeit. Man spricht von der "ähnlichsten" Farbtemperatur. Ähnlichst muss aber nicht ähnlich heißen. Bei LED oder Lampen mit vom Wärmestrahlern stark abweichenden Spektren kann man eher von Missbrauch sprechen. Wie weit sich die Farben bei gleicher Farbtemperatur unterscheiden dürfen, wurde vor einer Ewigkeit veröffentlicht. Guckt sich wer solche Diagramme kritisch an? Bestimmt nicht, sonst würde der Hauptbahnhof in Stuttgart in November 2015 nicht so aussehen:

Hauptbahnhof-Stuttgart

 
Lieber Lichtplaner, kommst Du an einem Los LED vorbei, achte darauf, wie fein das Binning war, auch wenn das Verfahren von manchen vor fast einem Jahrzehnt für tot erklärt wurde. Die Preisunterschiede sind nicht hoch, sondern exorbitant hoch, wenn man in dem Töpfchen (fast) identische Exemplare finden will. Man kann aber. Ganz Kluge suchen einen intelligenten Ausweg, indem sie bei der Planung der Unzulänglichkeit der Technik ausweichen. Wie einst der Konzern VW, als man nicht in jedem Werk die exakt gleiche Farbe für die Käferteile vorhalten konnte. Worin der Trick besteht, kann man gleich erkennen, wenn man sich die Karosserie eines alten Käfers anschaut.

Binning

Von w.g. Gleichmäßigkeit

  
Es war einmal ein kleiner Lichttechniker … Klein war er allerdings nur im Wuchs, sein Intellekt war wohl so mächtig, dass man noch Jahrzehnte nach seinem Tod seinen Namen wissen muss. Er hatte das amerikanische System für die Blendungsbewertung in der Innenraumbeleuchtung aufgestellt. Als er hörte, dass ich mich auf eine Doktorarbeit zur Blendung vorbereite, sagte er, ich solle es lieber sein lassen. Er hätte so etwa 25 Jahre seines Lebens darauf vergeudet. Ich habe es trotzdem getan. So ganz vergeudet waren meine Jahre nicht. Ich sehe wenigstens klarer, was in unserem Metier falsch läuft. Und zwar bereits im Grundsatz.

Als der besagte Lichttechniker seine Arbeiten ausgeführt hatte, wurden Büroräume hauptsächlich mit Wannenleuchten beleuchtet. Ich meine, die besseren. Die anderen glänzten durch nackte Lampen an einer Fassung und brachten die Leute bereits damals aus derselben. Er sagte mir, dass die Vorstellungen von der Blendung, die er entwickelt hatte, würden nur dann gelten, wenn die sichtbare Leuchte eine  sehr gleichmäßige Leuchtdichteverteilung aufweisen würde. Der hellste Teil dürfte niemals heller als das 5fache der dunkelsten Teile leuchten. 
  

Leuchte-an-der-Decke

Dann wurde unser Metier richtig effizient. Licht wurde nicht einfach dadurch gewogen, dass eine bestimmte Wattzahl in den Raum installiert und irgendwie an die Decke, Wände und Arbeitstische verteilt wurde. Zählen tat nur noch das Licht, das in die Arbeitsebene fiel. Anstelle der gleichmäßigen Leuchtdichte alter Leuchten traten immer größer werdende Ungleichmäßigkeiten. Und das erhöht die Blendung, weil jedes sichtbare Stück heller Fläche blendet derart, dass in der Summe eine höhere Störung verursacht wird, als wenn man die gleiche Beleuchtungsstärke mit einem Objekt gleichmäßiger Leuchtdichte erzeugt. Dies war übrigens bekannt, bevor ich den kleinen Lichttechniker getroffen hatte.

 
Das tat lange nicht weh, weil die Leuchten immer noch machten, was sie wollten. Sie schickten ihr Licht irgendwohin, natürlich nur in dem Raum, in dem sie installiert waren. (Leuchten, die andere Räume beleuchten als ihren eigenen wurden später erfunden) Doch dann kamen die, die die Optiken haben schön berechnen können. Am Ende kam noch die BAP-Leuchte, die möglichst nur nach unten leuchten sollte, weil man sonst ihre Reflexe auf den Bildschirmen sehen würde. Damit war die Ausrichtung des Lichts (fast) perfekt beherrscht. Was dagegen?  

  
Eigentlich nicht. Wenn man das erreicht, was man will, nennt man das Effizienz. Dumm nur, dass das, was man erreichen wollte, nicht das war, was man erreichen sollte. Zumindest für das Büro ist die Menge des Lichts in der Arbeitsebene ziemlich schnuppe. Das haben übrigens nicht Ahnungslose erklärt, sondern die Leute, die seinerzeit für die Normung von Beleuchtung in Arbeitsstätten maßgeblich waren.

Fischer

  
Diese wussten ziemlich genau, was sie taten. Sie wussten z.B. auch, dass man Wände und Decken anstrahlen müsste, wenn man diese Leuchten mit direktem Licht in die Decke einbaut. Ansonsten blenden sie einmal direkt und nochmal indirekt über Reflexe. Nennt sich Reflexblendung. Was die einsame eingebaute Leuchte an der Decke produziert, nennt man Relativblendung. 

Die Sache mit dem Anstrahlen unterblieb fast immer. Wer soll dem Kunden erklären, was der Unsinn sein soll? (In der neuesten Version der gültigen Beleuchtungsnorm, DIN EN 12464-1, steht so etwas geschrieben. Zum ersten Mal deutlich in einer Norm.)  Nun waren die Erzeuger des visuellen Komforts, die schönen Leuchten, hauptsächlich als Störer unterwegs. Beleuchten taten sie auch, so die Mitarbeiter sie ließen. Sie wurden aber vornehmlich ausgeschaltet und erst ein-, wenn es wirklich nicht mehr ging. Auch heute - gesehen Vorgestern - gibt es Leute, die die Lampen über ihrem Arbeitsplatz ausbauen lassen, weil sie den Unsinn nicht ertragen können. 

 
Seit einigen Jahren gibt es eine noch trübere Entwicklung: Akustikpaneele. Da die Menschen von heute nicht mehr ruhig ihre Akten kauen, sondern zwischen 30% bis 80% ihrer Zeit telefonieren oder Gespräche führen, werden sie durch Stellwände oder sonstige Paneele in meist grauer Farbe voneinander getrennt. Es entstehen Licht- und Luftfallen bis zu einer Höhe von 2,10 m. Da das Licht nicht um die Ecke gehen kann, dienen die Leuchten über der Nachbarschaft nur noch der Blendung, weil ihr Licht nicht mehr den Arbeitsplatz aufhellen kann. 

Auch das Tageslicht findet nicht mehr freien Eingang je nach Fenstergröße. Man bekommt Licht nur noch von den Leuchten über dem eigenen Kopf. Und das, hatte mir der kleine Lichttechniker erklärt, darf nie sein, weil man Reflexblendung vermeiden muss. Auch ganz große Lichttechniker erzählen das.

   
Nun wollen neue Lichttechniker die Methode des ehemaligen Kollegen auf LED-Lampen anwenden, die noch viel ungleichmäßiger leuchten als frühere Leuchtmittel hätten je geschafft. Da die Industrie Interesse daran hat, die "moderne" Technik gesund zu beten, wird wieder mal die Helligkeit gemittelt. Dummerweise liegen die Spitzenleuchtdichten bei LEDs derart jenseits von Gut und Böse, dass sie so oder so blenden. Nur wird die angewendete Methode keine Blendung feststellen.

   
Die Sache hat Methode. Vor Jahrzehnten versuchte ein Computerhersteller das Flimmern seiner Geräte dadurch "erträglich " zu machen, indem er eine Truppe "flicker-looker" beschäftigte, die den Geräten bei 60 Hz Flimmerfreiheit bescheinigten, während sie auch bei 70 Hz flimmerten. Coca Cola beschäftigt Wissenschaftler, die nachweisen, dass die Jugend nicht durch den Zucker in deren Limonade fett wird, sondern durch eigene Schuld. Die bewegt sich zu wenig. Aber auch unsere alt-ehrwürdige Blendungsbewertung nach Söllner, die vor einiger Zeit in Rente geschickt wurde, diente lediglich dazu, Leuchten als blendfrei zu klassifizieren. Geblendet haben sie trotzdem. Denn Söllner hat nie Blendung durch Leute bewerten lassen, die unter den Leuchten saßen. Seine Kurven wurden mit Hilfe eines Modellversuchs ermittelt, bei dem Leute in einen Guckkasten schauten. Und seine Leuchten in dem Versuch leuchteten wie die des kleinen Lichttechnikers - äußerst gleichmäßig. 

Die Zeiten … die sind anders. Statt des angestrebten Sehkomforts ernten wir immer mehr visuelle Störungen - umso stärker, je stärker die realen Leuchten von denen abweichen, die anno tobak für die Versuche zur Blendungsbewertung benutzt wurden. Und LED-Lampen sind jenseits von Gut und Böse. Wer es wissen will, möge Räume bemustern mit gleicher Beleuchtungsstärke aber mit unterschiedlichen Leuchten: (a) LED-Lampen in Rasterleuchten, tiefstrahlend, und (b) groß LED-Paneele gleichmäßig leuchtend. Das ist klüger als Methoden zu glauben, die ein Dreiviertel Jahrhundert alt sind - und ebenso alt aussehen.