Der kleine gemeine Ichling ist der Oberbegriff für eine Spezies, die auf dem Asphalt wächst und gedeiht. Eine Unterart davon, auch als Unart bezeichnet, ist der allgemein beliebte SUV-Fahrer. Dass der Asphalt eine lebensfeindliche schwarze Welt wäre, wurde oft behauptet. Das stimmt. Dass der Ichling dort prächtig gedeiht, widerlegt die Behauptung nicht. Ist eher eine Bestätigung.
Zu den diversen Gründen für die Beliebtheit des SUV-Fahrers gehört seine Gewohnheit, den knappen Parkraum großzügig für sein fahrbares Unterteil in Anspruch zu nehmen. Schuld daran sind die anderen, vor allem die Bauämter, die nur ungenügend breite Parkplätze markieren, die die Freiheit des SUV-Piloten arg einschränken. So muss sein Besitzer eben eineinhalb davon in Besitz nehmen. Während der SUV-Fahrer eher ein Ärgernis denn eine Gefahr darstellt, entwickelt sich der Ichling zu einer wahren Gefährdung, sobald er mehrere Tausender für sein Autolicht entbehren kann.
Die Scheinwerfer für 7.500 Emmchen extra werden nicht von dem kleinen gemeinen Ichling eingesetzt. Die sind ihm zu teuer. Zudem sollen sie durch eine teure Kamera nebst Software so geregelt werden, dass sie den Gegner, Pardon, den Gegenverkehr, nicht blenden. Dazu hat der Hersteller so viel Hirnschmalz verarbeitet, dass die Scheinwerfer nicht eine Lichtverteilung haben, wie vom Gesetzgeber gefordert, sondern ein paar mehr:Wozu man 966 Millionen Lichtverteilungen braucht, verrät der Bericht im Handelsblatt nicht (hier). Ich denke, die Ingenieure sollten bisschen von ihrer Lieblingsbeschäftigung abgelenkt werden, Software für Abgasmanipulation entwickeln. Das macht einen schlechten Ruf. Dann lieber die Kerle mit Zählen von Lichtverteilungen beschäftigen. Wozu braucht man aber so viele? Was soll ich dem kleinen Ichling erzählen, welche der 966 Millionen Lichtverteilungen er braucht? Jede Lichtverteilung kostet immerhin 7,76-6 Euro.
Die Humanität der Technologie trieb mir dicke Tränen in die Augen. Die Ingenieure haben wirklich an alles gedacht. Nicht ganz alles. Es fehlt noch eine Einrichtung zum Verbiegen der Lichtstrahlen, etwa hinter den Vordermann zu leuchten. Der kleine gemeine Ichling denkt nicht daran, schlappe 7.500 Euro für so ein Klimbim auszugeben, stammt doch sein Auto mit größter Wahrscheinlichkeit aus einem Bundesland mit einem Bergvolk als Stammpopulation, bei dem die ersten Gläser Weizen nicht gezählt werden. Erst ab drei, so ein einstiger Ministerpräsident. Und ein einstiger Minister hat mit seinem Dienstmercedes einen Rentner in seinem Töfftöff einfach aus der Autobahn weggefegt. Nicht nur das Auto mit den genialen Scheinwerfern, sondern auch der Verkehrsminister von Angela Merkel stammt aus dem Bundesland. Doch wieder zurück zu unserem "geladenen" Minister, der zunächst Generalsekretär seiner Partei war. Minister sollte er noch werden. Und was für einer! Der hatte laut Zeitung 1,99 Promille (hier), als er den Fiat 500 mit einem echten Daimler 380 SE wegbaggerte. Ein Toter, ein Schwerverletzter … was macht unser Staat mit so einem? Resozialisierung ist angesagt. Denn verminderte Schuldfähigkeit gilt erst ab 2,00 Promille. Zuerst plädierte sein Anwalt für eine Bewährungsstrafe: "Zuerst sprach nur Anwalt Stiefenhofer in seinem Plädoyer angesichts des schrottreifen, überladenen, 13 Jahre alten Fiat 500 von „ungeheurem Leichtsinn, einer Rücksichtslosigkeit“." Richtig so, was hat ein Rentner mit einem 13 Jahre alten Fiat 500 auf der Rennb… Pardon Autobahn verloren? Später gab sich auch das Gericht gnädig und sprach eine milde Bewährungsstrafe aus. Aber die Resozialisierung des Gefallenen erforderte weitere Schritte.
Unser - noch nicht - Minister wurde Geschäftsführer einer mit Steuern finanzierten Stiftung. Behielt hohe Parteiämter. Wurde Staatssekretär im Staatsministerium für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst (sic!). Echt Kult, der Kerl. Da all dies zur Demonstration der Milde unseres Staates nicht ausreichte, wurde er schlappe 10 Jahre nach seiner tödlichen Alkoholfahrt … ja was? Staatsminister für Wirtschaft, Verkehr und Technologie! Hätte der noch zwei Weizen eingezogen, wäre er schuldunfähig. Und hätte damit auch Bundesinnenminister werden können wie einst sein Parteifreund Old Schwurhand. (Der hatte allerdings nur einen Meineid geschworen, war aber zum Zeitpunkt des Eides vermindert geistig leistungsfähig aufgrund einer Unterzuckerung. Unser Minister war eher überhopft.)
Was hat der Ichling aus dem Fall gelernt? Richtich, Autobahnen sind voller Idioten, die sich selbst gefährden. Aber nicht nur das. Der Dienst-Daimler war auch beschädigt. Ergo: Scheinwerfer kaufen, die so stark sind, dass sie den Vordermann wegbeamen können. Der Segen der Politik ist ihm sicher. Die Politik - bzw. unsere liebe Bundesregierung - scheint ziemlich unbeleckt von Problembewusstsein. Auf eine Anfrage von Abgeordneten (– Drucksache 17/2042 – ) antwortete die einst so:
Statement "Helle Scheinwerfer führen zwar zu einer verbesserten Sicht des Fahrers, andererseits kann für entgegenkommende Fahrzeughalter, Radfahrer, Motorradfahrer und Fußgänger durch Blendung die Sehfähigkeit vermindert werden. Dies kann zu gefährlichen Situationen und Unfällen führen." (mehr dazu hier). Und unsere Regierung?: "Wissenschaftliche Erkenntnisse oder Forschungsberichte zur Blendung durch Tagfahrleuchten mit Leuchtdioden sind der Bundesregierung nicht bekannt. "
Etwas muss ihr schon bekannt sein, denn die nächste Frage hat sie fachmännisch (bzw- frauisch) beantwortet:
"2. Wie bewertet es die Bundesregierung, dass sich zunehmend Verkehrsteilnehmer durch starke Lichteinwirkung von Leuchtdioden geblendet fühlen und dadurch im Straßenverkehr verunsichert werden?" Antwort: "In der Wissenschaft wird unterschieden zwischen physiologischer und psychologischer Blendung. Die physiologische Blendung setzt die Sehleistung des Auges herab. Bei der psychologischen Blendung wird eine Blendungserhöhung empfunden, die nicht messbar und individuell verschieden ist. Verkehrsteilnehmer können sich geblendet fühlen, ohne dass dies zu einer verringerten Sehleistung führt. Die Unannehmlichkeit der psychologischen Blendung für Einzelne führt jedoch zu einem früheren „Gesehen werden“ von Fahrzeugen mit Tagfahrleuchten und damit zur Erhöhung der Verkehrssicherheit. " Langsam zum Mitschreiben: Uns ist es sch..egal, wie sich andere fühlen. Der Autofahrer will früher gesehen werden. Und das erhöht die Verkehrssicherheit. Von wem eigentlich? Wie man sieht, wird der kleine gemeine Ichling bestens geschützt, damit er auf dem Asphalt gedeihen kann.
Wenn Ihnen also einer entgegen kommt, der Sie blendet, und in unseren Tagen vermehren die Blender schneller als Karnickel, will er nur gesehen werden. Die Technologie ist, wie alle Technologien, völlig unschuldig und steht im Dienste des Nutzers. Im Neusprech: Technologie ist human centric. Ob man den kleinen gemeinen Ichling als human bezeichnen darf?
Wie dem auch sei, human centric heißt auch, dass ein auf eigene Sicherheit achtender Bürger immer einen Putzlappen bei sich führt. Die saubere Windschutzscheibe erhöht die Sicht dramatisch. Je nach Tester mal mehr, mal weniger. Vielleicht hat man in den Tests unterschiedliche Putzlappen benutzt. Man merke: Nicht der Blender ist schuld, sondern der rücksichtslose Fahrer mit der verschmutzten Windschutzscheibe. Obwohl … beim Heckfenster ist Dreck gut, wenn der Blender von hinten kommt.
Bleibende Androhung: Diese Blogbeiträge werden so lange fortgesetzt, bis die Bedrohung des öffentlichen Verkehrs durch unsinnige Autobeleuchtung abgeschafft wird. Ab und an mal werde ich auch über blendende Fahrräder berichten. Der kleine gemeine Ichling fährt nämlich nicht nur teure Autos.
Der KAN-Workshop "Nicht-visuelle Wirkungen von Licht" war die zweite Veranstaltung zum Thema. Die erste trug allerdings einen anderen Titel: "Human Centric Lighting". Das ist eine Idee, das ein Beratungskonzern (A.T. Kearney) der lichttechnischen Industrie ans Herz gelegt hat. Das Unternehmen ging einst aus McKinsey & Co. hervor und ist wie dieser u.a. strategischer Berater. Bislang hatte sich die Lichttechnik ihre eigene "Strategie" betrieben, während sich andere Branchen schon sehr lange strategischer Beratung bedienen, stammen doch beide Unternehmen aus den 1920ern. So kam der Vorsitzende unserer "Post" seit der ersten Postreform 1990, seit 1995 Deutsche Post AG, von McKinsey. In diesem Zeitraum ist aus einer "verschlafenen" Bonner Behörde ein internationaler Logistikkonzern, Deutsche Post DHL Group, entstanden. Insofern kann man auf den Erfolg vom strategischen Rat bauen. Böse Zungen, die man schlecht zügeln kann, werden aber nicht müde zu erzählen, dass in Berlin der Postverkehr derzeit langsamer läuft als zu Zeiten von Thurn & Taxis. Manche Bereiche bekommen einmal die Woche Post. Das sind wirklich böse Zungen, bei uns kommt sie manchmal zwei Mal in der Woche.
Ob der Lichttechnik Ähnliches blüht, hie ein neues Konzept, dort eine Brache, wo einst blühende Landschaften waren, kann ich nicht sagen. Auf jeden Fall möchte ich darauf hinweisen, dass die "Lichttechnik" bzw. dass, was man darunter versteht, wie kaum eine andere Branche einen deutschen Zungenschlag in die Gegenwart gerettet hat, sprich sich von der Übermacht der englischen Sprache distanziert. Bereits seit langem veranstalten die "Lichttechnischen" Gesellschaften aus vier Ländern in Europa ihre Gemeinschaftstagung in deutscher Sprache, obwohl eine davon aus einem Land stammt, dessen Sprache zwar die Verwandtschaft zur deutschen nicht leugnen kann, sich aber bestimmt nicht deutsch nennt. Später stieß sogar Frankreich dazu. Und Lux Europe wird sowieso hauptsächlich aus diesen Ländern gespeist. Licht in Europa war recht deutlich deutsch/holländisch. Ob eine typisch amerikanisch angehauchte Strategie in diese Landschaft passt? Schaun mer mal!
Wenig Schmeichelhaftes zu dem Konzept von A.T. Kearney kann man hier sehen bzw. lesen. So beruht eine der Grundlagen des Konzepts auf einem nachweislich gescheiterten Projekt, bei dem Arbeiter bei VW nachts unter 2000 lx angeblich besser arbeiteten. Was ist daran "human centric", wenn Arbeiter gezwungen werden, drei Wochen Dauernachtschicht zu fahren und danach drei Wochen tagsüber mit Sonnenbrille herumlaufen? (Das war Voraussetzung, weil sich deren circadianer Rhythmus ansonsten von dem Tageslicht zurückgestellt worden wäre.)
Ich denke noch besser ist die Geschichte mit der zweiten Grundlage, Kosten sparen, indem man Kinder mit ADHS mit Licht ruhig stellt. A.T. Kearney berechnet pro Schüler € 6.000 Ersparnis, weil man damit den genervten Lehrern Stress und Burnout erspart. Ich habe das Ganze als Kolumnist mit (schwarzem) Humor dargestellt. Der Industrie den Rat zu geben, sie soll ihr Geld zurückverlangen, wäre der brutalere Weg.
Konzepte sind keine Produkte, sondern (Denk-)Modelle, nach denen man Produkte baut. So ist "human centric design" tatsächlich ein Konzept, wonach z.B. Autohersteller ihre Produkte dem Wunsch des Kunden entsprechend entwerfen. Bzw., bei Ignorierung dessen Pleite gehen wie weiland General Motors. Andere, z.B. Toyota, haben sich auf die Fahnen geschrieben, jede Art der Verschwendung von Ressourcen zu eliminieren, auch der Zeit. So wurde Just-in-time geboren und Toyota Weltmeister, als der Weltmeister pleite ging. Der Adressat eines strategischen Konzepts für Produkthersteller ist dieser selbst und nicht die Allgemeinheit. Wenn das Konzept aber aus allen Rohren in die Allgemeinheit gepustet wird, muss sich diese überlegen, was der Sinn dieser Übung wohl sein mag.
Ob das gut endet, wenn man sich das strategische "Konzept" der lichttechnischen Industrie vor A.T. Kearney als Indikator für die Erfolgsaussichten für die Zukunft anschaut? Nee, nich … Einer der ältesten noch lebenden Kenner der Szene pflegt in Sitzungen und sonstigen Diskussionen zu sagen "Leute, wir müssen den Arbeitsschutz als Marketingsinstrument erhalten… " Er sagt es nicht immer in gleichen Worten, aber in der gleichen Bedeutung. Wer ihm nicht glauben will, kann sich die ZDF-Dokumentation "Zwielicht -Ökologie der künstlichen Helligkeit" ansehen bzw. als Buch lesen. Damit lernt er alles, was vor 1989 war.
In jenem Jahr kam zwar für Deutschland die Wende, aber nicht für das Licht. Nachdem er zehn Jahre zuvor allen deutschen Büros eine bestimmte Leuchte, die BAP-Leuchte, mit der Norm DIN 5035-7 verordnet hatte, hat der oberste Beleuchtungsnormer von Deutschland beim Arbeitsminister den Antrag gestellt, eben diese Norm eine "Sicherheitsnorm" zu machen. Was das auch immer sein sollte. Die Aktion richtete sich gegen eine internationale Norm, die eher den Menschen in den Vordergrund stellen wollte. Der Ausschuss, aus dem diese Norm kommen sollte, arbeitet seit 1983 nach dem Konzept "human-centered design". Dessen Werk sollte in Deutschland keine Geltung bekommen.
Ohh Kay! Wie "human centric" waren deutsche Normen, die so unter Artenschutz gestellt werden sollten? Irgend einen Grund muss ja das Schutzbedürfnis haben? Ich denke, unter den Ehrlichen bricht gleich ein nicht endendes Gelächter aus, die weniger Ehrlichen laufen in den Keller zum Lachen. So denke ich, dass das Konzept von A.T. Kearney sich erst durchsetzen ließe, nachdem man alle führenden wie ausführenden Köpfe der deutschen lichttechnischen Industrie nicht nur ordentlich wäscht, sondern einer längeren Therapie unterzieht. Oder sie bleiben bei ihrem Leisten und verordnen jedem deutschen Angestellten weiterhin 500 lx, ob er will oder nicht. Ach, ja. Ältere sollen mehr als 500 lx abbekommen. Die hat man wohl bei der Erstellung der Normen vergessen. Echt "human centric" das Ganze.
Und wie "human centric" wird das Ergebnis für den deutschen Arbeitnehmer sein, wenn die Sache endlich "fertig" ist? Ich fürchte, er, der deutsche Arbeitnehmer, wird nicht allzu glücklich werden können, weil das Konzept falsch angelegt ist. Es ist nämlich über "lighting", also Beleuchtung mit Licht. US-amerikanische Experten hatten bereits vor 10 Jahren eine Expertise veröffentlicht, IES TM-18-08, dass der Begriff Licht für Aspekte benutzt werden soll, bei denen es um Sehen geht, also um Visuelles. Für nicht-visuelle Wirkungen muss man die optische Strahlung berücksichtigen. Human centric lighting ist daher ein Konzept, das bekanntes, gut begründetes Wissen außer Acht lässt. Nicht etwa aus Unwissenheit, denn die Sache ist seit über 10 Jahren offiziell bekannt. Und weniger offiziell? Wenn man einen Beitrag für eine wichtige Tagung (hier "Licht und Gesundheit" des Instituts für Lichttechnik der TU Berlin) als weniger offiziell bezeichnen darf, hatte ich diesbezügliche Kenntnisse bereits im letzten Jahrhundert veröffentlicht. Diese wiedrum hatte ich Jahre und Jahrzehnte davor u.a. durch Literaturstudien gelernt. Und Leute, die diese Literatur z.T. geschrieben hatten, haben unsere Experten entsprechend informiert. Nix Neues also. Was kann man von einem Zukunftskonzept erwarten, das längst Bekanntes ignoriert?
*IES TM-18-08
Light and Human Health:
An Overview of the Impact of Optical Radiation
on Visual, Circadian, Neuroendocrine,
and Neurobehavioral Responses
Eine schwitzende Stirn ist nicht das Kriterium für die
Qualität einer neuen Idee
Pavel Kosorin
Der lange Marsch zur Lichtqualität geht in die fünfte Folge. Ja, wo hatte ich angefangen? Mit der Exzellenz …. Wie ambitioniert muss dieser Kollege sein, damit er sich durch das Papier zur Qualität durcharbeitet?
Bitte die nachfolgende Tabelle mit den Augen dieses Kollegen sehen, wie ich das versuche. Der trägt bei der Arbeit schon lange keinen Blaumann mehr, ist vielleicht promovierter Akademiker, muss aber etwas Technisches planen und herstellen. (daher sein Outfit) Bevor er das darf, muss er "Bauherren" sein Projekt "verkaufen". Dieser muss nicht der Emir von Abu Dhabi sein, und das Projekt nicht die "Große Moschee von Abu Dhabi" heißen, wie es bei einem Projekt von Mark Major war. Der hatte aus einem Betonhaufen ein Baudenkmal mit Hilfe von Licht geformt. Vielleicht ist der Bauherr ein kleiner Angestellter eines Facility Managers. Der wird zwar anders auftreten als der Emir, will aber dasselbe, gutes Licht für sein Geld. Was gut heißt? Entweder weiß es der Bauherr oder man muss es ihm eben verkaufen.
Was denkt der Kollege, wenn er diese Tabelle sieht? Also ich …
Ich weiß nicht, ob ich so motiviert bin, um mir zuerst Anhang B1, dann Anhang B3 zu lesen, um hierher zurück zu pilgern. Sagen wir mal, ich tue es. Dann? Eigentlich müsste ich noch die Legende lesen (hier nicht sichtbar), um zu verstehen, warum manche Kürzel schwarz sind und andere diverse Rotnuancen aufweisen. Ach ja, die sind nicht beabsichtigt, sondern kommen dadurch zustande, dass die gleiche Farbe (Schrift) vor einem anderen Hintergrund anders gesehen wird. Bisschen kleinlich der Kommentar, zugegeben. Mir fielen nur die Vorschriften ein, die leichtes Erkennen von Sicherheitszeichen fordern.
Danach will ich weniger kleinlich sein. E taucht häufig auf. Was war das? Ein Lichttechniker wird auf die Beleuchtungsstärke tippen. Stimmt das? Weiß ich nicht, also suchen … Suchfunktion hilft nicht. Also durchblättern. Auf Seite 14 werde ich fündig, da taucht "E" zum ersten Mal auf. Dort lese ich, ich soll bei B4 gucken. Das ist ein Anhang. Also eingeben "Anhang B4" … Fündig, der Suchbegriff wird gefunden, aber nicht die gesuchte Stelle. Die steht nämlich unter Anhang B, Unterpunkt B 4. Bisschen kleinlich der Kommentar, wieder zugegeben. Aber E muss sehr wichtig sein. Taucht überall auf.
Irgend wann mal ist es gefunden. Es ist wirklich die Beleuchtungsstärke, aber die "im Bereich der Sehaufgabe". Was ist das schon wieder? Das finde ich auf Seite 100, wo geschrieben steht: "Die Beleuchtungsstärke ist eine grundlegende Voraussetzung zur Erfüllung einer Sehaufgabe. Als Maß dient die Beleuchtungsstärke im Bereich der Sehaufgabe." Und was ist das? Spätestens hier wird der geduldigste Motivierte aufgeben. Was der Bereich der Sehaufgabe ist, wird man erst erfahren, wenn man DIN EN 12464-1, welche Ausgabe immer, kauft. Es ist aber nicht egal, welche Ausgabe man nimmt. In der ersten von 2003 war die Größe nicht angegeben. Man muss also die letzte nehmen. Hat vielleicht der Kunde die Norm?
Nein, der Kunde hat die Norm nicht. Man wäre glücklich, wenn der Kunde wüsste, dass es die überhaupt gibt und was die besagt. Der besitzt aber womöglich die Aufbereitungen, die die DGUV für Betriebe erstellt. So z.B. BGI 856, die der Praktiker nach Aussagen der Autoren gleich zur Hand hat. Die kennt leider den Begriff "Bereich der Sehaufgabe" nicht. Weder in der Ausgabe von 2003 noch als DGUV-I 215-442. Ich weiß den Grund, verrate aber nur gegen Honorar.
Nun, ja. Die Beleuchtungsstärke im Bereich der Sehaufgabe ist sehr wichtig, habe ich gelernt. Dummerweise gibt es die Beleuchtungsstärke nur im Labor. Im normalen Leben tritt sie nur in Gesellschaft anderer auf, also etwa als Mittelwert oder als Gleichmäßigkeit. So steht es auch in der nächsten Rubrik auf Seite 100. Dort lese ich "Die Gleichmäßigkeit der Beleuchtungsstärke ist das Verhältnis zwischen minimaler und mittlerer Beleuchtungsstärke im Bewertungsbereich." Huch, stimmt das, die hieß doch anders? Stimmt! Gemeint ist hier die Gleichmäßigkeit U0 , die man früher anders bezeichnete. Zudem gab es zwei davon. (Anm.: Hier ist dargestellt, warum die zweite für den "Bereich der Sehaufgabe" mehr Sinn macht.)
Ich mache mich auf die Suche nach U0. Die taucht tatsächlich an vier Stellen auf. Leider steht nirgendwo, was die ist. Ich hatte nämlich gelernt, dass die Gleichmäßigkeit mit g abgekürzt wird, und zwar mit dem Index 1 oder 2. Was macht die Null hier? Fragen wir BGI 856 … Dort steht aber was von g1. Was mache ich da? Zudem ist die Rede von Wartungswerten. Vielleicht mitteln die die Gleichmäßigkeit über die Zeit? Kann nicht sein, denn so doof ist keiner. Obwohl … bis zum Jahr 2003 hat man die allerwichtigste Größe der Beleuchtungstechnik als "örtlich-zeitlichen Mittelwert" angegeben und nannte sie Nennbeleuchtungsstärke (s. DIN 5035-1 ab 1972).
Bei der Suche nach Uo und dessen Bedeutung dürfte unser Kollege sich endgültig von der Welt der Qualität verabschiedet haben. Vielleicht liest er zufällig meinen Beitrag "Abschied von der Gleichmäßigkeit" (hier) und kommt dahinter, dass U0 und g1 dasselbe sein können, wenn man Glück hat. Wenn man Pech hat, trifft man noch viel präzisere Angaben, die man noch schlechter verstehen kann. (Quelle hier screenshot), bei anderen Quellen fehlt der Strich über Emin, der eh keinen Sinn macht):
Wenn man sich endlich durch Beleuchtungsstärke und Gleichmäßigkeit durchgearbeitet hat, bleibt nur noch die Kleinigkeit übrig, die Sache einem Architekten klar zu machen. Die halten nämlich nichts davon. Eine aus sich von Architekten anmutige Beleuchtung ist ungleichmäßig. Das wird in der Lichttechnik zwar nicht geleugnet, aber seit Jahrzehnten anders gelehrt. Der Grund ist sehr einfach, aber offenbar schwer zu verstehen. Der Begriff "Gleichmäßigkeit" erhielt seine Bedeutung in der Zeit, als man sich nur noch mit der Allgemeinbeleuchtung von Großraumbüros oder Hallenbeleuchtung beschäftigte. So sollte jeder Arbeitsplatz, der irgendwo steht, die gleiche Beleuchtungsstärke abbekommen. Was denn sonst? Das ganze hat mit Qualität wenig zu schaffen, außer dass man dies als Qualität verstehen will. Relevant ist das Ganze im Vertragsverhältnis zwischen Lieferant und Kunde, wenn der das eben so bestellt, weil er normierte Arbeitsplätze hat. Und jeder muss gleich beleuchtet sein.
Jetzt habe ich aus meiner Tabelle den Anfang von F1 = "Sehen und Identifizieren von Details" mühsam abgearbeitet. Gleich kommt das nächste, in dem neue Begriffe auftauchen. Da es hierbei um meine wichtigste Aufgabe handelt, "Anzahl, Anordnung und Position der Lichtquelle", muss ich wohl ran. Uo hatten wir bereits. Aber was bedeutet BRe, CRF und SS? Keine Sorge, ich bin gleiiiich fertich! Das mach ich gleich mit den nächsten Begriffen, weil die die "Lichtverteilung" betreffen. Die hängt doch mit "Anzahl, Anordnung und Position der Lichtquelle" eng zusammen. Oder? Dafür muss ich noch herausfinden, was Bal, Bpsy und Bphy sind. Bei Bpsy und Bphy kann ich mir schon was vorstellen, schließlich habe ich sogar eine Doktorarbeit darüber geschrieben, aber Bal? Da hilft die Suchfunktion. Es ist die "(Ausgewogene) Leuchtdichteverteilung". Die kannte ich schon, aber unter einem anderen Namen. Was war mit SS? Ach, ja, Schlagschatten. Die kenne ich nur als verboten.
Aber "Mod" und "Q" muss ich noch nachschlagen. Die sollen wichtig sein für "Sehen und Identifizieren von Formen". Gefunden! Mod ist Modellierung. Kennt doch jeder, der Beleuchtung macht, z.B. bei der Bühnenbeleuchtung oder beim Fotografen. Was macht das aber hier? Sei´s drum. Die Mod aber ist, wie ich hier lernte, eine quantitative Größe, weil es auch qualitative gibt. Und ob! Die Suchmaschine wirft 212 Fundstellen raus, die mit "Q" bezeichnet sind. Die muss ich unbedingt anführen. Leider reicht der Platz nur für ein Detail aus:
Ufff! Früher hat man Leute, die etwas individuelle Beleuchtung haben wollten, über den Hof gejagt. Die Homepage einer sehr bekannten Firma präsentierte ein Laufband, das besagte "DIN 5035-7 ist eine gesetzliche Bestimmung". Und nun das! Ich soll eine Beleuchtung planen, die jedem erlaubt, das "persönliche Territorium" zu markieren (P5). Die Autoren kennen vermutlich den Trend in der Bürobeleuchtung nicht. Der heißt "Business Club" und bedeutet, dass niemand einen festen Arbeitsplatz hat. So spart man teure Fläche, auch wenn das Sparen viel teurer kommt, weil die Arbeitsplätze verdichtet werden und Störungen zunehmen, obwohl sie hoch genug sind.
Mein Produkt soll auch dazu dienen, "Mentale Aktivierung" durch Steuern des Lichts zu bewirken (P5). Auch mentale Erholung ist angesagt (P10). Das macht auch meine Beleuchtung. Die ist zum Glück nur abends notwendig. Da sind die meisten Büroleute zu Hause oder in der Disco, und Bandarbeiter brauchen keine mentale Erholung, weil sie mental nix leisten. Aber immerhin, es gibt ja Wissensarbeiter, die in langen Nächten solche Papiere schreiben.
Nun bin ich nach vielen Mühen bis F2 von einer Tabelle gekommen. Bis F9 ist noch eine Weile hin. Danach gibt es jede Menge Tabellen abzuarbeiten. Insgesamt sind es 29 Tabellen, von denen ich wohl 21 abzuarbeiten hätte. Zum Glück ist der Winter noch lang. Dann mache ich mich an die Frage, warum Lichtfarbe bei "Sehen und Identifizieren von Formen" ohne Belang ist (oberstes Bild F2). Ganz zum Schluss werde ich noch verstehen, was "Sehen und Identifizieren über die Zeit" bedeutet und warum man dazu nur qualitative Angaben machen kann (F5).
Eine schwitzende Stirn ist nicht das Kriterium für die
Qualität einer neuen Idee
Pavel Kosorin
Nachdem in drei Blogs über Qualität i.S. der Autoren des Papiers "Lichtqualität - ein Prozess statt einer Kennzahl" sinniert wurde, mal eine andere Idee, die sie gar nicht angegangen sind: Qualität als Exzellenz. Selbst mit einer sehr entspannten Haltung zur Realität kann ich nicht leugnen, dass die Idee jemand anders geboren hat. Der ist zwar nicht bekannt, aber wann er gelebt haben muss: in der Antike. Denn beide "Qualitäten" sind lange vor unserer Zeit geboren worden. Exzellenz kann man auch als hervorragende Beschaffenheit übersetzen. Und die ist, woran der kleine gemeine Normalsterbliche denkt, wenn er Qualität hört oder sagt.
Um welchen Betrag bin ich schlauer geworden, indem ich dieses Papier gelesen habe? Nehmen wir an, mein Kunde möchte, dass ich ihm eine Beleuchtung liefere, die "allen Vorschriften" genügt. Der Anspruch ist zwar nie erfüllbar, aber das kann ich dem Kunden nicht erzählen. Also versuche ich, auf die empfohlenen Unterlagen zuzugreifen. Es steht ja geschrieben "Auf nachfolgend zusammengestellte Unterlagen greift ein Experte vorrangig zu. …" Fangen wir mit der ersten an, ASR A3.4. Da fällt mir ein, nach der kann man ja gar nicht planen. Also müsste ich die genannten Normen anwenden. DIN EN 12464 steht als erste da. Die wird so gelobt "Beleuchtung von Arbeitsstätten im Innen- und im Außenraum, die die grundlegenden Kriterien der Beleuchtung und Grenzwerte beinhalten". Dumm nur, dass DIN Normen keine Grenzwerte angeben dürfen, die die Sicherheit und Gesundheit des Menschen betreffen. Das hat sich der Staat ausdrücklich verbeten. Außerdem sehen die "grundlegenden Kriterien der Beleuchtung" darin so aus: "Für eine gute Beleuchtungspraktik ist es erforderlich, dass zusätzlich zu den geforderten Beleuchtungsstärken quantitative und qualitative Anforderungen erfüllt werden." Verzeihung, ich hatte die frühere Version zitiert. Man hat die Sache in der jetzt gültigen Ausgabe 2011 schon eleganter formuliert: "Gute Beleuchtung bedingt, dass zusätzlich zu den geforderten Beleuchtungsstärken quantitative und qualitative Anforderungen erfüllt werden."
Heißt für mich, erst mal die geforderte Beleuchtungsstärke realisieren und sich danach sonstige Anforderungen angucken, qualitativ und quantitativ, was das auch sein mag. Dummerweise geht das Qualitätspapier aber von anderen Dingen aus, die nichts mit der Beleuchtungsstärke zu tun haben sollen (steht so geschrieben):
• "Lichtqualität ergibt sich aus der Summe von Faktoren, die eine Lichtlösung beschreiben und in keinem Zusammenhang zur Beleuchtungsstärke stehen (Stein, Reynolds und McGuiness, 1986).
• Lichtqualität ist Teil eines ganzheitlichen Ansatzes, dem dann entsprochen ist, wenn die Anforderungen individueller Nutzer erfüllt sind (Veitch, Newsham, 1995, 1998, 2006, 201 0). Dabei soll je Installation eine Balance zwischen Wohlbefinden, Wirtschaftlichkeit und Architektur gefunden werden."
Entweder haben die Autoren DIN EN 12464 nicht gelesen oder diese Zitate unverstanden angeführt. Es könnte sein, dass ihnen eher nach der nächsten Norm ist, die hat es in sich: DIN 5035-7 "Beleuchtung von Räumen mit Bildschirmarbeitsplätzen, die Beleuchtungsarten und Beleuchtungskonzepte aufführen". Tut sie das? Muss wohl, denn der als nächster angeführte Leitfaden BGI 856 ist voll davon. Mehr noch, die Gütekriterien für Beleuchtung, also woran man die Güte der Beleuchtung misst, stammen von DIN 5035-7. Also gucke ich mir die schönen Bilder dieses Leitfadens an. Die sagen nämlich jeweils mehr als 1000 Worte (oder Wörter?). Bei 67 Seiten mit Beispielen kommt da was zusammen. Zu dumm, dass die beispielhaften Beleuchtungen alle Nachtsituationen zeigen. Und die Räume haben keinen Sonnenschutz. Braucht man ja in der Nacht nicht.
Jetzt fällt mir ein: DIN 5035-7 gibt es ja gar nicht. Die wurde zurückgezogen, weil sie sich mit DIN EN 12464-1 beißt. BGI 856 gibt es eigentlich auch nicht. Was haben die Autoren nun gemeint? Diese Broschüre wurde im Jahre 2003 von einer Berufsgenossenschaft veröffentlicht, die sich sehr bei vier Herren der Industrie bedankt, die den Inhalt geliefert haben. Da die Industrie, die Vorhänge liefert, nicht dabei war, und die Leuchtenfirmen nur Software betrieben, die künstliches Licht zeichnen, sah die Info-Schrift eben so aus. Paar Jahre später wurde der Inhalt "modernisiert", die Fenster erhielten Sonnenschutz, und die Nacht wurde zum Tag umgezeichnet. Prima, sieht gut aus.
Doch damit nicht Schluss. Da die BGn mittlerweile unter DGUV firmieren, wurde BGI 856 noch einmal modernisiert und heißt nunmehr DGUV-I 215-442. Sie hat jetzt 70 Seiten mit Beispielen. Die tristen Bilder haben weitgehend viel lustigeren Platz gemacht. Dass man bei der Renovierung der Bilder nicht allzu sehr auf die Aktualität der Normen geachtet hat - geschenkt. So gibt es z.B. DIN EN ISO 9241-7 seit mindestens einem Jahrzehnt nicht mehr. Man darf ja nicht immer so kleinlich sein. Immerhin ist der Geist erhalten geblieben. Er ist derselbe wie 1988, als DIN 5035-7 zum ersten Mal das Licht der Welt erblickte.
OK! Ich habe verstanden und lese, was relevant zu sein scheint: "DGUV-I : Schriftenreihe, in der die richtige Anwendung von Licht in verschiedenen Anwendungen aufgeführt ist". Das ist eine wahre Fundgrube. Man findet sogar unerhört Nützliches darin, so etwa "DGUV Information 203-043 Beeinflussung von Implantaten durch elektromagnetische Felder". Immerhin, ich wusste bislang, dass bei Schweißern auch mal die Plomben selbständig machen können. Jetzt weiß ich, dass sich auch meine Hüftprothese erwärmen kann, so ich welche habe und mich in die Nähe eines Induktionsofens begebe. Will ich aber nicht, sondern nur die DGUV-I mit Beleuchtung lesen. Wo man die findet? Finde ich noch heraus. Es gibt nur 18 Rubriken, die jeweils bis 999 nummeriert sind. Schöne Beschäftigung für die kommenden langen Winternächte.
Aber bis dahin kann ich mich dem namentlich genannten widmen, BGI 856 alias DGUV-I 215-442. Die muss ja nach so viel Renovierungen aktuell sein. Dort lese ich z.B. wie ich eine Leuchte aussuchen muss: "Die Grenzwerte der mittleren Leuchtdichte von Leuchten müssen erst ab einem Ausstrahlungswinkel γ = 65° (Abbildung 11) rund um die Leuchte (in den Ebenen C0, C15, C30 bis C345 mit Δϕ = 15°) eingehalten werden." Klare Kante. Landet mein Kunde vor dem Arbeitsrichter, wenn nicht rund um die Leuchte in der Ebene C345 mit Δϕ = 15° die Grenzwerte der mittleren Leuchtdichte eingehalten werden? Bitte klare Ansage!
So klar ist die Sache aber ansonsten nicht. Denn ich will meinem Kunden integrative Lichtqualität bieten (hier), und die besagt: "Tageslicht ist Ausgangspunkt und Maß einer integrativen Lichtplanung, welches durch Kunstlicht ergänzt werden muss. »INTEGRATIVE LICHTQUALITÄT« umfasst daher die kombinierte Tages- und Kunstlichtplanung." Wo liegt das Problem? Hier: BGI 856 ist laut Seitenfuß "Hilfen für die Planung von Beleuchtungsanlagen von Räumen mit Bildschirm- und Büroarbeitsplätzen", DGUV-I 215-442 ist hingegen "Hilfen für die Planung der künstlichen Beleuchtung in Büroräumen". Jetzt weiß ich endlich, warum die Autoren die Uralt-Version des Papiers empfehlen. Die hatte die integrative Lichtplanung vorweggenommen. Ihre Beispiele zeigen zwar nur Nachtsituationen, aber immerhin. Den bösen Gedanken, dass man 1988 Lichtplanung mit Planung von Kunstlicht gleichgesetzt haben könnte, habe ich gleich vertrieben. So doof waren sie wohl nicht - obwohl, mir liegen schriftliche Beweise von zwei der Verantwortlichen vor, die den Verdacht bestätigen. Der eine hat sich sogar im öffentlich-rechtlichen Fernsehen damit verewigt.
Ja, wo hatte ich angefangen? Mit der Exzellenz … hat wohl nicht ganz so geklappt. Wie ambitioniert muss dieser Kollege sein, damit er sich durch das Papier zur Qualität durcharbeitet? Vielleicht sollte er mal beim Qual-Ausschuss bei der Deutschen Lichttechnischen Gesellschaft melden.
Ich schreibe Dir einen langen Brief,
weil ich keine Zeit habe,
einen kurzen zu schreiben.
Goethe oder Pascal oder Voltaire
oder ein anderer Wichtiger
Ein Mensch malt, von Begeisterung wild,
Drei Jahre lang an einem Bild.
Dann legt er stolz den Pinsel hin
Und sagt: "Da steckt viel Arbeit drin."
Doch damit war´s auch leider aus:
Die Arbeit kam nicht mehr heraus.
Eugen Roth
Der Praktiker, der ambitioniert nach Lichtqualität strebt, soll folgende Gruppen von Anforderungen berücksichtigen, an deren Erfüllung sich die Lichtqualität ergibt.
Funktionale Anforderungen
Biologische Anforderungen
Psychologische Anforderungen
Architektonische Anforderungen
Weiterhin heißt es: "Lichtqualität ergibt sich aus dem Abgleich von Anforderungen und ihrer Erfüllung." Dafür werden folgende Bewertungsgrößen angeführt, die der Praktiker, so er ambitioniert ist, zum Abgleich der Benutzeranforderungen anwenden soll:
• Beleuchtungsstärke im Bereich der Sehaufgabe (E)
• Gleichmäßigkeit der Beleuchtungsstärke (U0)
• Farbkontrast (FK)
• Helligkeitskontrast (gestalterisch) (HK)
• Psychologische Blendung (Bpsy)
• Physiologische Blendung (Bphy)
• Reflexblendung (BRe)
• Lichtfarbe (CCT)
• Farbwiedergabe (Ra)
• Kontrastwiedergabe (CRF)
• Schlagschatten (SS)
• (Ausgewogene) Leuchtdichteverteilung (Bal)
• Modelling (Mod)
• Fehlen von Flackern/Flimmern (Fl)
• Melanopischer Wirkungsfaktor (ame,v)
• Schädigungspotenzial (Hdm)
• Qualitative Faktoren (Q)
Ich versuche es mir vorzustellen, wie ambitioniert ein Praktiker sein muss, um all diese Faktoren überhaupt zu kennen. Egal, wie der Mann oder die Frau gebildet ist, wird er/sie schön ins Schwitzen kommen, wenn es darum geht, Farbkontrast und Helligkeitskontrast (gestalterisch?) verstehen zu wollen. Nehmen wir an, die Ausbildung zum "zertifizierten Lichtplaner" + die Voraussetzungen, die man für diese mitbringen muss, hätte all jene Faktoren einem beigebracht, die der gemeine Lichttechniker häufig nennt, spätestens beim "melanopischer Wirkungsfaktor" wird der Spaß aufhören. Was war das nochmal? Kann man ja nachsehen. Steht in DIN SPEC 67600 "Biologisch wirksame Beleuchtung - Planungsempfehlungen". Bisschen dumm, die lehnt nämlich der Arbeitsschutz derzeit ab. Also weiter gucken. Z.B. in einer weiteren angeführten Norm, DIN EN 12464, die gilt für Arbeitsstätten. Noch etwas dümmer. Dort steht, dass die nicht so ganz mit dem Arbeitsschutz vereinbar ist: "Grundsätzliche Anforderungen an die Beleuchtung hinsichtlich der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit werden in Deutschland nicht in dieser Norm, sondern in der Arbeitsstätten-verordnung (ArbStättV) geregelt." Gut, was sagt die? Wer da drin den "melanopischer Wirkungsfaktor" sucht, wird nie fündig. Die Arbeitsschützer mögen den nämlich nicht. Ich durfte in einer Zeitschrift, die von Arbeitsschutzexperten - sagen wir mal - qualitätsüberwacht wird, um das böse Wort zensieren zu vermeiden, nicht einmal erwähnen, dass es so etwas gibt. Deswegen ist der Artikel in einer anderen Zeitschrift erschienen (hier). Außerdem sagt die Arbeitsstättenverordnung nie, was ein Praktiker machen muss oder soll, um ihre Schutzziele zu erreichen. So etwas steht in der jeweiligen ASR (aus früher "Arbeitsstättenrichtlinie"). Die ASR für die Beleuchtung heißt A3.4 und sagt dummerweise auch nichts zum melanopischen Wirkungsfaktor. Noch viel dümmer: Nach Expertenmeinung eignet sich die ASR A3.4 nicht für eine Beleuchtungsplanung. Also nehmen wir in voller Verzweiflung die letzte der genannten Normen: DIN 5035-7 "Beleuchtung mit künstlichem Licht - Teil 7: Beleuchtung von Räumen mit Bildschirmarbeitsplätzen". Superdumm: Licht.de hatte gemeldet, dass die zum ersten März 2017 zurückgezogen worden war (hier). Als Grund wird dort angegeben: "Hintergrund für die Zurückziehung war, dass die Anforderungen der DIN 5035-7 teilweise der gültigen Norm DIN EN 12464-1:2011-08 widersprachen, wodurch eine eindeutige Anwendung nicht gegeben war."
Was für eine Qualität ist das, die man mit Hilfe einer zurückgezogenen Norm (DIN 5035-7) ermittelt, die einer anderen (DIN EN 12464-1) widerspricht, die wiederum für Arbeitsschützer nicht satisfaktionsfähig ist?
Ergo: Um die Lichtqualität ist es nicht gerade gut bestellt im Jahre 2017. Wie erklärt der Praktiker in einem Projekt mit den unten abgebildeten Beteiligten, die bei weitem nicht ohne weitere Akteure (z.B. Betriebsrat, Sicherheitsingenieur) verhandeln, was er will? Und vor allem: Wie setzt er sich gegen die Energiesparer durch?
Für wirklich Ambitionierte:
Lichtqualität - ein Prozess statt einer Kennzahl
Methodik zum Erfassen der Anforderungen an eine
Lichtlösung und zu ihrer Bewertung zur Bestimmung
ihrer Qualität
Veröffentlichung der
Deutschen Lichttechnischen Gesellschaft e.V.