Dieses Prachtstück von einer Tischleuchte ging mir gestern ins Netz, etwa zu der Zeit, als die SPD den großen Propagandisten (s. hier) der Lampe abwatschte. Es ist tatsächlich in Gebrauch! Wie verzweifelt müssen die Leute sein, die dieses Objekt der üblichen Beleuchtung vorziehen, die sie abschalten, wenn sie arbeiten?
Solche wunderlichen Exemplare der Energiesparlampe hängen eigentlich in armen Ländern über Salatständen u.ä. Sie beleuchten z.B. Trinklokale, in denen Kakerlaken Wettrennen auf dem Boden veranstalten, zuweilen Einsiedlerkrebse im Müll wühlen u.ä. Dieses Prachtstück steht aber in einem deutschen Büro betrieben von einem nicht allzu armen Unternehmen.
In eingeweihten Lichttechnikerkreisen gibt es ein nicht totzuschlagendes Gerücht, dass Tischleuchten verboten seien. Diese hier muss verboten werden, weil es verboten ausschaut. (Die Farbe der Lampe ist nicht echt, sondern gephotoshopped) Echt verboten hatte sich die Branche Tischleuchten durch eigene Weisheit: Man war in den 1970ern der Meinung, in einer Beleuchtungsanlage dürfte nur eine Lichtfarbe vorhanden sein, sonst würde Zwielicht entstehen. Da die schön effizienten Stablampen eine Länge von mindestens ein Meter hatten, und in der Branche ein zweites nicht-totzuschlagendes Gerücht herumlief, dass nur 1,5 m Lampen wirtschaftlich seien, sahen die Tischleuchten mit solchen Lampen ganz schön schlimm aus. Die Intelligenzbestien hatten aber die Wirtschaftlichkeit mitgenormt.
Eigentlich kann man nicht von aussehen sprechen - sie sahen verboten aus. Die einschlägige Beleuchtungsnorm DIN 5035-1 enthielt etwas, was auch verboten aussieht: Sie verlangte allen Ernstes "Die Einzelplatzbeleuchtung ist so auszulegen, dass sie ohne Berücksichtigung der Allgemeinbeleuchtung auf der gesamten der jeweiligen Tätigkeit dienenden Fläche des Arbeitsplatzes mindestens eine Gleichmäßigkeit der Beleuchtungsstärke Emin:E von 1:6 erreicht."
Da soll mal einer probieren, wie er mit einer Leuchte in mäßiger Höhe über dem Tisch von einem Ende eines 160 cm Tisches zum anderen diese Gleichmäßigkeit erreicht. Es geht! Allerdings blendet das Zeug so schlimm, dass das tatsächlich realisierte Produkt (der Firma Siemens) namens 2K wie Blei in den Verkaufsregalen lagerte. Das 1K Exemplar mit der Energiesparlampe ist auch nicht verachten. Allerdings ein No-Name Produkt!
Die historische Wunderlampe, die einem Jüngling gehörte, der heutzutage nur unter abenteuerlichen Wege in unser schönes Land käme, wenn überhaupt, reagierte auf Streicheln und leerte ihr Füllhorn. Der kaum als gelungen zu bezeichnende Nachfahre hier schüttet bestenfalls Entsetzen aus.
Wer hätte geglaubt, dass zum Ende des Internationalen Jahres des Lichts dieses Designwunder in einem zivilisierten Land noch in Betrieb ist? Es ist!
Wer möchte im Alter nur noch Schatten sehen? Dumme Frage, wer will das schon! Es will bestimmt auch niemand, dass er nach einer Session an seinem Computer nicht mehr richtig einschlafen kann. Warum benutzen sie dann Monitore, deren Licht in die Physiologie des Körpers eingreift?
Seit einige Zeit weiß man, dass blaues Licht den Grad an Wachheit erhöht. Zur falschen Zeit verabreicht, tut es noch Schlimmeres. Es gibt Firmen, die ihren Mitarbeitern eine Dusche in Blau morgens vor der Arbeit verabreichen. Schulkinder will man mit blauem Licht intelligenter machen, mit rötlichem eher ruihigstellen. Ein Fraunhofer Institut hat ein Display patentieren lassen, das einem die Körperzeit ein oder zwei Stunden verstellt. Z.B. heute Nacht, wenn die Sommerzeit beginnt.
Super Idee! Der Hersteller des Monitors, auf dem ich gerade diesen Text schreibe, meint aber, er müsse mich schützen. Er hat eiine "Low Blue Light"-Technologie implementiert.
Ernst beiseite: Die Sache mit dem Schattensehen heißt bei Fachleuten AMD (altersbedingte Makuladegeneration) bzw. neuerdings nur noch MD, weil auch jüngere Leute davon betroffen sein können. Sie wird von blauem Licht gefördert. Man vermutet, dass die Generation "Neonlicht", also die Menschengeneration, die ihr gesamtes Arbeitsleben unter Leuchtstofflampenlicht verbracht hat, viel häufiger von AMD betroffen ist.
Nicht minder schlimm ist der Eingriff in das Tagesgeschehen des Körpers: Die Ausschüttung des Hormons Melatonin wird nachweislich durch blaues Licht verringert bzw. verhindert. Die denkbaren Auswirkungen reichen vom schlechteren Schlaf bis hin zur Bildung von Krebsgeschwüren auf lange Sicht.
Was hat das mit der Technologie von Computermonitoren zu tun? Viel. Diese werden sehr häufig mit einer Farbtemperatur von 9300 K betrieben. Gegenüber eine Glühlampe (ca. 2900 K) und Lampen, die man in Experimenten benutzt hat (ca. 5500 K, 8000 K), um Blaulichteffekte zu erzeugen, bedeutet das eine Potenzierung des Blauanteils im Licht. Während die Alten durch die Vergilbung ihrer Augenmedien etwas geschützt sind, sind jüngere Menschen mit klareren Augenmedien voll offen für das Blau.
Wir haben es geschafft, das Tageslicht steht im Fokus der politischen Auseinandersetzungen. Den Vogel hat soeben RP Online geschafft abzuschießen: "Bundesregierung streitet über Tageslicht in Firmentoiletten" lautet die Meldung von 10:20. Es geht um die Novelle der Arbeitsstättenverordnung.
Die Reaktionen aus der Politik beweisen, dass der Entzug von Tageslicht akut zu den befürchteten Folgen führt und nicht erst als Spätfolge (Krebs, Alzheimer u.ä.) in Erscheinung tritt. So muss ein gewisser Ingo Kramer seit seiner Wahl ins Amt des Präsidenten der BDA in November 2013 seine Zeit im Dunkeln verbracht haben. Denn Herrn Kramer soll am 22. Januar 2015 plötzlich aufgefallen sein, dass die Arbeitsstättenverordnung der Bundesrepublik Deutschland novelliert werden soll. Doch die Vorarbeiten zu der Novelle waren da längst angelaufen, als er sein Amt antrat. Auch die Meldungen, dass das Bundeskabinett den Entwurf verabschiedet hätte, haben ihn nicht wecken können. Aber jetzt! (Bitte: zu den tatsächlichen Umständen unten den vorletzten Absatz lesen)
Er soll sich letzten Donnerstag über manche Bestimmungen der neuen Arbeitsstättenverordnung mokiert haben (zu lesen in der Stuttgarter Zeitung hier): "Wirtschaft schüttelt über Arbeitsschutzregeln den Kopf". Die Zeitung fragt sich "Blendet daheim die Sonne?" Gemeint ist, dass der Arbeitgeber für die häuslichen Arbeitsplätze seiner Telearbeiter (natürlich auch für die der Telearbeiterinnen) verantwortlich sein soll. Es müsse beispielsweise geklärt werden, ob dort die Sonne blende … Der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände fühle sich an Schilda erinnert und in Absurdistan. Stimmt! Ich fühle mich auch so. Denn wer auch immer als Person der BDA vorsteht, wird über wichtige Vorhaben der Politik, die Einfluss auf Arbeitsbedingungen haben könnten, zeitig offiziell informiert, sofern ihm seine Helferlein nicht bereits im Vorfeld die Warnzeichen übermittelt haben sollten. Oder er selbst hat die Änderungen angeregt. Was im vorliegenden Fall eigentlich nicht von der Hand zu weisen ist, weil die deutschen Arbeitgeber seit mindestens zwei Jahrzehnten fleißig an der Bildschirmarbeitsverordnung sägen. Genau dies soll mit der Novelle der Arbeitsstättenverordnung aber geschehen. Entweder hat der Präsident der BDA dazu nichts gesagt oder der Presse ist's lieber, seine Empörung über Vorschriften zu Kleiderhaken zu Papier zu bringen. Die Sache mit dem Tageslicht in Firmentoiletten war ein längst ausgemerzter Fehler im Text gewesen, den die Presse hätte bereits letztes Jahr merken können. Hat aber nicht.
Die Echos in der Medienwelt ließen nicht lange auf sich warten. Bereits am Sonntag meldete sich Michael Fuchs, der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag. "DEUTSCHLAND Unionsfraktionsvize Fuchs empört über neue Arbeitsstättenverordnung" steht es in Zeitonline (hier), als Replik der in der Märkischen Allgemeinen Zeitung bereits am Sonntag gemeldeten Empörung (hier "CDU wirft Nahles Regulierungswut vor"). Mit einiger Verspätung folgten die üblichen Verdächtigen, Focus, NOZ, Yahoo.com u.ä. Auch der Donaukurier hat sich nicht lumpen lassen. Man kann die diversen Variationen des Unfugs hier und dort und da und da lesen. Man merke: getretener Quark wird breit aber nicht stark.
Auffällig ist, dass die meisten Medien die Nachricht von Ingo Kramer auf Freitag datieren, obwohl sie bereits am Donnerstag in der WELT zu lesen war (hier). Von Freitag hatte später ein Nachrichtenportal gesprochen. Viele scheinen zu kopieren, ohne zu zitieren. Kramer wird auch nicht mehr so häufig zitiert, sondern ein angeblicher Koalitionskrach, der interessanter zu sein scheint als die Meinung des Präsidenten der BDA zu gesetzlichen Regelungen über Arbeitsstätten. Die heißeste Nummer hat Focus Online geschafft: "Unions-Fraktionsvize: "Irrsinn stoppen" Neue Verordnung: Nahes will Handflächen-Freiraum vor PC-Tastatur vorschreiben" Nahles will überhaupt nichts! Die Vorschrift gibt es seit 1990 in der EU-Bildschirmrichtlinie. Als deutsche gesetzliche Bestimmung in der Bildschirmarbeitsverordnung seit 1996. Was das Ministerium von Frau Nahles will, ist die Abschaffung dieser Verordnung und deren Eingliederung in die Arbeitsstättenverordnung. Dabei darf die deutsche Gesetzgebung eine Bestimmung der EU-Richtlinie nicht außer Kraft setzen. So einfach ist es. Mehr Cakir CuA_15_01.
Während die erste Meldung in der WELT mit Zitaten und Anmerkungen des BDA Präsidenten noch ganz nüchtern klangen, ist vier Tage später ein Skandal, aber zumindest ein Skandälchen geworden. Ich denke, ein Skandal. Denn ein hoher Funktionär (Präsident der BDA) kommt in den Verdacht, seine Aufgaben verschlafen zu haben. Ebenso die Politik, weil sie ihn hätte rechtzeitig informieren müssen. Und die Täter? Entweder der Politiker, der den Sturm im Fingerhut verursacht hat, oder die Presse (online, offline, Gott-weiß-was-line), die schneller kopiert als Nachrichten entstehen. Wenn ich alle Beiträge mir Revue passieren lasse, wundert mich das Wissen von Journalisten über politische Usancen in dieser Republik. Ob, das Unwissen wollte ich schreiben.
Wie dem auch sei. Die Öffentlichkeit wird aus allen Richtungen mit Meldungen versorgt, die sich mit Tageslicht und Sichtverbindung nach außen beschäftigen. Wer als Politiker oder Journalist an der Sichtverbindung rührt, den trifft zwar nicht der Blitz. Aber viel besser geht es ihm bestimmt nicht, wenn die Leute merken, woran diese herumkritteln. Als Strafe muss man nicht die Peitsche herausholen. Es genügt, die Herrschaften einige Tage ohne Tageslicht zu lassen.
(Anm.: Diese Strafe gab es tatsächlich in Alcatraz als ultimative Strafe für die schlimmsten Verbrecher der USA, die man dort konzentrierte. Der prominenteste Häftling, den man durch Lichtentzug läutern wollte, hieß Al Capone. Später wurde sie insbesondere wegen dessen Bestrafung abgeschafft, weil sie sehr inhuman gewesen sein soll. Inhuman zu Al Capone! Das will was heißen …)
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