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Licht verhindert Sehen - aber effizient

 

Neulich hatte ich vom Redesign meines Lieblingsladens erzählt (hier). Gestern war ich wieder da und nahm die neu beleuchteten Vitrinen genauer unter die Lupe. Die neue LED-aufgepeppte Einkaufswelt scheint eher geschäftsschädigend ausgefallen zu sein. So'ne Ladenvitrine wird nicht zufällig mit Waren gefüllt. Es fängt ganz unten an, wo die Ware lagert, die der Kunde immer sucht. Deswegen bückt er sich ganz unaufgefordert. Kartoffeln, Zwiebeln u.v.a.m. (Ist aber keine Bückware. Die gab es in der verblichenen DDR unter'm Tresen. Sich bücken tat der Verkäufer) Etwa in Augenhöhe findet man Ware, die einem ins Auge springen soll. Teure Käsesorten, Edelschinken u.ä. In der Höhe von Kleinkinderaugen findet man die Quengelware. Meist in der Nähe der Kasse.

Der Glanzeffekt der LED-Beleuchtung trifft nicht das, was glänzen soll, sondern je nach Größe des Kunden und Abstand vom Regal alle verpackte Ware. Nur die Billigware unten bleibt verschont. Sack Kartoffel muss nicht glänzen. Tut auch nicht. Wenn die verpackte Ware auch noch kühl gehalten werden muss, sieht man zuerst die Reflexe auf de Abdeckung, dann auf der Verpackung. Visueller Müll. Die meisten Dinge, die mich interessieren, sehen so aus:

Wer macht denn sowas? Amateure? Nein, die Lichtlein wurden im Rahmen eines Milliardenprogramms installiert in und für Läden, die die effizientesten der Welt sein wollen. Der Händler heiß nicht Tante Emma. Der Ladenbauer liest wohl keine Broschüren von licht.de. Wozu auch, die sind für Amateure. LED holt nicht nur deutsche Tornados vom HImmel (hier). Sie ist für mehr gut.

Der wahre Profi bringt mit Licht Leben in die Bude. Mit LED klappt dies besonders dynamisch. Wenn man an den Tresen entlang geht, guckt und was sucht, bewegt sich die Lichterkette unablässig mit. Mal vorwärts, mal rückwärts. Wie man den Kopf bewegt. Wer was sehen will, muss still halten. (mehr hier)

Man merke: Braucht man bling-bling, nimmt man kleine Lichtquellen mit hoher Leuchtdichte, will man beleuchten, braucht man großflächige Leuchten. Wenn man Deutsches Corned Beef wie Pretiosen beleuchtet, kommt eben das heraus.

Blenden als moderner Sport

 

Der Beitrag im Berliner Tagesspiegel über blendend schönes Radfahren (hier) zog eine deftige Debatte der Betroffenen nach sich. Bislang über 170 Beiträge. Das Interessante: In der Debatte findet man praktisch alle Argumente, die in diesem Blog zur Fahrzeugbeleuchtung angeführt worden sind. Als die da wären

  • grelle Straßenbeleuchtung (hier)
  • der gemeine Ichling - will gesehen werden und blendet (dort)
  • Scheinwerfer blenden (da)
  • Vorschriften helfen nicht (wieder hier)

u.v.a.m. Den knappsten und umfassendsten Beitrag lieferte der Leser macthepirat "LED ist als Fahrzeugbeleuchtung grundsätzlich abzuschaffen da viel zu grell. Das gilt auch für Straßenlaternen."

mellibehse schreibt zu der Feststellung "sofern die Lampen richtig justiert sind. Einige Scheinwerfer blenden derart, ..": "Einige? Fast alle LED-Scheinwerfer!"

klaus 14513 schreibt: "Ich empfinde allerdings die LED Autoscheinwerfer als viel unangenehmer, sie sind ja grundsätzlich schonmal vielfach lichtstärker als jede Fahrradlampe. Selbst bei richtiger Einstellung blenden sie schonmal durch die pure Helligkeit und vor allem durch die "Wippbewegung" eines Autos während der Fahrt. Das fühlt sich für den Gegenverkehr dann wie ein ständiges aufblenden an." Stimmt auch (s. hier). Kfz-Beleuchtung wird im Stand gemessen, aber manche Kfz. fahren manchmal, wenn der Verkehr es zulässt. Als der Lichtstrahl der Scheinwerfer nicht so eng gebündelt war, war das Wippen nicht so tragisch. Aber seit es Xenon-Scheinwerfer gibt. Schön schlimm. Der Gesetzgeber hat deswegen einst vorgeschrieben, dass sie nicht allein als Fernlicht benutzt werden dürfen (hier), Und dass deren Abdeckungen schön sauber bleiben müssen. Daher müssen Waschanlagen für solche Scheinwerfer vorhanden sein. Wenn so einer mit seinen modernen Lichtern einem entgegen kommt, wirkt das nicht entgegenkommend sondern brutal. Wenn er vorbei ist, fällt man erst einmal in ein dunkles Loch. Nannte sich Sukzessivblendung. Ist aber nicht in, seit das Blenden zum täglichen Handwerk des Autofahrerts gehört.

Klappleiterin schreibt: "Komisch, ich fahre viel Fahrrad, aber sowohl als Radfahrer wie auch als Fußgänger fühle ich mich durch falsch eingestellte Fahrradscheinwerfer viel öfter geblendet als durch Autoscheinwerfer." Stimmt (hier). Als Fußgänger geht man nicht oft Autos auf der Gegenfahrbahn entgegen. Mich blenden selbst Kinderfahräder, wenn ich aus einem Fenster im ersten Stock gucke.

"Ich erlebe es so oft, daß vor mir einer fährt, der mit seinem Scheinwerfer die Baumkronen darüber ausleuchtet anstatt den Weg vor ihm. Unlängst bin ich hinter einer durch eine Unterführung gefahren, die mit ihrem Scheinwerfer einen Lichtkegel fast direkt über sich an die Decke der Unterführung warf." Stimmt (hier oder da). Tagfahrlichter scheinen eher den Himmel anzuleuchten als die Fahrbahn. Der Autofahrer will auffallen und erkannt werden. Dafür erkennt man den Rest der Welt nicht mehr so gut. Nennt sich Blendung. Kommt von "blind machen".

Mostrichmeister meint: "Meine Sicht als Radfahrer: Falsch eingestellte Fahrradscheinwerfer sind schon nervig, doch die Blendwirkung von Autoscheinwerfern ist immer noch unübertroffen. Es sei denn, jemand ist mit diesen Lichtern ausgerüstet, die in der Werbung einen halben Canyon ausleuchten. Aufgrund des Preises dieser Minisonnen ist das aber verdammt selten." Stimmt (hier): Asphalt Cowboys und LED. Exzellente Sicht für 7.500 Euro extra. Die Sache mit der Minisonne: Die Leuchtdichte der LEDs reicht bald an die der Sonne (dort): "Egoistenlicht gehört nicht auf die Straße".

daily_mirror meint zu: Fachleute sehen das Problem relativ gelassen angesichts dessen, was sich sonst im Straßenverkehr abspielt. "Das ist wohl wahr: z.B. zunehmend bei Autoscheinwerfen. Ich frage mich regelmäßig, wie einige Xenon-Scheinwerfer eine Zulassung bekommen haben, da mich diese - vor allem bei Kleinlastern (SUV) - teilweise derart blenden, dass ich da eindeutig eine Verkehrsgefährdung sehe." Stimmt (hier und da)

N.N. (nicht angeführt, weil behindert): "Als sehbehinderter Mensch, dessen Auge auf unterschiedliche Lichtstärken nicht reagieren kann (Akkomodation) mache ich ständig die Erfahrung, dass Fahrradnutzer, die auf der falschen Seite den Radweg mit grellem Scheinwerfer nutzen oder auf dem Bürgersteig entgegen kommen, mich so stark blenden, dass mitunter mir die Orientierung fehlt." Stimmt (hier): Die EU hat eine Kommission, die die Wirkung von LED auf den Menschen beurteilen soll. Die findet, dass gesunde Menschen mit guten Augen keine Probleme hätten, nur Alte und Kinder. Wenn das keine dolle Kommission ist (kompletter Bericht hier abzurufen).

Die Kommission heißt übrigens SCHEER, hier kann man sehen, wo die Weisen sitzen, die die Kommission bilden. Eine in der Walachei. Echt. Was die EU sonst zu der Frage sagt "Gesundheitliche Auswirkungen von künstlichem Licht" steht hier. Ausgearbeitet haben das Ganze zum Thema LED: Ana Proykova (Chair)University of Sofia, Sofia, Bulgaria (Physik-Professorin), Rodica Mariana IonNational Institute of R&D for Chemistry and Petrochemistry – ICECHIM, Bucharest, Romania (Professorin für Nanomaterialien, Leiterin Forschungsgruppe Nanomedizin), Theodoros SamarasAristotle University of Thessaloniki, Thessaloniki, Greece (Asistenzprofessor für medizinische Physik) . Wer der Meinung ist, nie eine dieser Personen auf einem Kongress für Lichttechnik oder Lichtplanung gesehen zu haben, hat keinen Alzheimer.

 

 

Grelle Straßenbeleuchtung hält Anwohner wach - ein Gastbeitrag

 

Der Blog-Beitrag von Vorgestern (hier) scheint bei vielen den Nerv getroffen zu haben. Uns hat Thom Haeger, freischaffender Autor in Sachen Licht, seine Meinung zu dem Fall der beiden Rentner geschrieben, die sich die nächtliche Ruhe vor dem Licht einklagen mussten. Den wichtigen Inhalt irgendwo in die Kommentarfunktion zu stecken, finde ich zu schade. Deswegen wird dieser - als Meinungsäußerung des Autors - wiedergegeben. Er geht auf einen Sachverhalt ein, der eine beliebte Krankheit ist: sich hinter DIN-Normen verstecken anstelle seine Aufgabe zu erfüllen. DIN-Normen (und auch sonstige) sind Empfehlungen, die man zwar immer berücksichtigen sollte. Sie sind aber keine Vorschriften. Und Überraschung: In Deutschland muss man nicht einmal Gesetze einhalten - sondern das, was sie wollen. Da dieser seit Ewigkeiten geltende Grundsatz immer wieder vergessen wurde, wird er z.B. in allen neu erstellten ASR (Regeln für Arbeitsstätten) eingangs eingeführt: " … Wählt der Arbeitgeber eine andere Lösung, muss er damit mindestens die gleiche Sicherheit und den gleichen Gesundheitsschutz für die Beschäftigten erreichen. …" Thom Haeger spricht somit eine grundsätzliche Frage an. Deswegen dieser Beitrag, für dessen Inhalt der Autor verantwortlich ist. (Adresse für Nachfragen unter dem Beitrag)

Kommentar zum Artikel „Grelle Straßenbeleuchtung hält Anwohner wach“

(Quelle: lokale Abendzeitung vom 28.11.2018//Spiegel Online SPIEGEL ONLINE - Panorama - 28.11.2018)(bbr/dpa)

Dieselskandal war gestern – der nächste Skandal wartet schon seit mehr als 20 Jahren – der Skandal ums künstliche Licht!

Grelle und meist auch flimmernde urbane Beleuchtung ist eine wesentliche  Ursache, dass Abermillionen Menschen des Nachts ihre Fenster – lichtdicht- machen müssen. Teure Jalousien oder ausgefallene Techniken sollen dann gesunden Schlaf ermöglichen. Ein Zustand, der leider kein deutsches, sondern ein weltweites Problem ist. Und nun haben es doch tatsächlich zwei Betroffene und von diesem Zustand genervte Rentner aus Bayern geschafft, ein Verwaltungsgericht zu einem Urteil zu bewegen, das eigentlich der Startschuss zu einer bürgerlich technischen Revolution in Sachen Umgang mit Energie (hier insbesondere Licht) sein könnte.

Zitat: Deren Anwältin sagte, dass sonst jeden Tag jemand ins Rathaus käme und etwas anderes wolle. Außerdem solle ein Präzedenzfall vermieden werden. Die Gemeinde sieht sich außerdem im Recht, da sie DIN-Normen einhalte.

Wie hier die „Experten“ de jur. und kommunale Verantwortliche auf diese Klage reagieren, ist im Grunde ein Armutszeugnis, welches bedauerlicher Weise auf (zu) viele andere Kollegen dieser Branche ebenfalls zutrifft. (Der Autor dieser Zeilen kann unzählige gleiche Situationen aus mehr als 20-jähriger Erfahrung mit einschlägigen Fakten bestätigen.)

Dass jemand jeden Tag ins Rathaus kommt und etwas anderes will – ja wozu ist denn ein Rathaus da??? Wird hier etwa die Amts-Ruhe gestört? Und „Recht“ wegen DIN Normen? Die einzigen Länder auf dieser Welt, wo Normen dieser Art jemals Gesetzes-Charakter besaßen oder besitzen, waren die DDR und Nord-Korea. Ersteres Land ist an seinen eigenwilligen Normen zu Grunde gegangen und Nordkorea - naja warten wir´s ab.

Hierzulande gibt es Rechtsprechungen, welche die hier geschilderte Situation eigentlich aufklären könnten, wenn der Mensch eben mal die Dinge recherchieren, lesen und anwenden würde. Hier Beispiele aus der Ecke unserer deutschen Rechtsprechung.

DIN-Normen sind Empfehlungen und können angewendet werden, allerdings müssen sie nicht benutzt werden. Grundsätzlich handelt es sich um „private Regelwerke mit Empfehlungscharakter“[1]. Als solche können sie hinter dem Stand der Technik zurückbleiben, haben aber die Vermutung für sich, dass sie den Stand der Technik abbilden…[2].

[1]   BGH Urteil vom 14. Juni 2007, Az. VII ZR 45/06

[37] bb) ... Der Senat hat wiederholt darauf hingewiesen, dass DIN-Normen keine Rechtsnormen sind, sondern nur private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter…

[2]   BGH Urteil vom 24. Mai 2013, Az. V ZR 182/12

[36] bb) ... DIN-Normen sind keine Rechtsnormen, sondern private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter, die hinter den anerkannten Regeln der Technik zurückbleiben können (BGH, Urteil vom 14. Mai 1998 - VII ZR 184/97, BGHZ 139, 16, 19 f.; Urteil vom 14. Juni 2007 - VII ZR 45/06, BGHZ 172, 346, 355 f. mwN), weil technische Entwicklung und wissenschaftliche Erkenntnis in einem ständigen Wandel begriffen sind (… vgl. auch BGH, Urteil vom 14. Juni 2007 - VII ZR 45/06, aaO). Von daher liegt es in der Natur der Sache, dass in DIN-Normen empfohlene Maßnahmen … nicht mehr die anerkannten Regeln der Technik beschreiben, wenn aufgrund neuer Erkenntnisse andere,  geeigneter erscheinende - Methoden an deren Stelle treten. Auch wenn das zu einer Verteuerung, aber auch zur Verbilligung … führen kann.

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Das Ganze nun einmal speziell für unwissende Juristen, Elektriker und kommunale Licht-Verantwortliche in fünf Fakten verkürzt auf einen Nenner gebracht:

  1. Selbst wenn ein Gemeinderat beschließen würde, Fackeln und Kerzen zur urbanen Beleuchtung zu verwenden - so ist das sein gutes Recht.
  2. Aus einer stringenten Einhaltung der DIN-Normung beim Thema „Licht“ ergibt sich in keinem Fall eine Haftungsentlastung bei evtl. Schäden.
  3. Man stelle sich vor, aus einer laut DIN lichttechnisch unvollkommenen Straßenleuchte soll eine Haftung des Betreibers generiert werden. Wenn dies Erfolg haben würde, bräuchte man doch keine Unfallversicherung mehr! Oder? Wie viele „Verunfallte“ würden sich doch dann unter eine laut DIN schlecht ausgeleuchtete Laterne schleppen und laut „auweh“ brüllen?
  4. Dass der, allseits von Verkäufern und Installateuren der Lichtbranche bekannte Spruch „Wenn die Beleuchtung nicht der Norm entspricht und es passiert was, gehen wir ins Gefängnis.“ im Grunde gesetzesanmaßend ist, und diese Behauptung – allein- sogar eine Straftat darstellt, wurde bisher tunlichst übersehen.
  5. Urbane Beleuchtung soll dem Menschen dienen. Gesundheit, Sicherheit und Wohlbefinden stehen heutzutage vorn an.

Abhilfe könnte eine  für >Mensch & Tier<  und nicht Maschinen- und Profitfreundliche urbane Beleuchtungssituation schaffen. Der jeweiligen Situation und dem Bedürfnis aller Lebewesen angepasst.  Sich hinter veralteten Richtlinien zu verstecken, bringt also nichts.

Doch wo kommt diese (falsche) Meinung über Normierungen des Lichtes und deren Folgen? Man könnte nun unsere typisch deutsche Art im Umgang mit Regeln und Vorschriften, weltweit als preußisches  „Ordnungs- und Obrigkeitsdenken “ bekannt, an erster Stelle stellen. Aber dem ist nicht so. Der Zopf ist alt: Die bis heute anhaltenden Verkaufsstrategien der meisten „Lampenhersteller“  ist für jedermann nachvollziehbar.

Nr.: 1  > und Hauptverursacher dieses Denkens. Viele Lampen mit begrenzter Lebenszeit, hohem Verbrauch und hoher Licht-Leistung, bringen Umsatz in die Kassen der Hersteller und der offensichtlich kooperierenden Energieversorger. Dass zu Zeiten von Thomas A. Edison bei der Einführung der ersten elektrisch betriebenen urbanen Beleuchtung, noch eine Straßenmitte als hauptsächlich zu beleuchtende Region zu verstehen war, ist klar. Für die damaligen Hauptnutzer der Straßen - Kutschpferde mit Scheuklappen - mussten ja die Schlaglöcher zu erkennen und somit beleuchtet werden.  Heute sind die Pferde von der Straße. Aber die Scheuklappen bei Planern und Anwendern scheinen immer noch da zu sein.

Es wird z.B. lt. DIN 13201 immer noch bei Lichtplanungen die Straßenmitte als die Fläche mit dem höchsten Lichtniveau (zwar nicht gefordert) meist praktiziert. Obwohl ausnahmslos alle Fahrzeuge über superhelle moderne Lichttechnik verfügen und jeder Mensch (entgegen einschlägiger Gutachten großer Unternehmen der Lichtbranche) im Praxistest feststellen kann, dass ein aus dem Hellen kommendes Wesen besser zu erkennen ist, als ein Wesen, welches die helle Bühne der Straßenmitte vom dunklem Rand aus betreten möchte. Die DIN als Gefahrenquelle? Gibt’s denn so etwas?

Normen sind für eine Gesellschaft wichtig und gut, wenn Ihre Anwendung  flexibel und mit Verstand erfolgt. Wenn Neues nicht Jahre braucht, um Einzug in Normierungen zu halten. Es gibt in Deutschland einige Erfindungen in der Lichtbranche, die die hier genannten Probleme alle lösen würden. Hier hat sich insbesondere die von einem sächsischen Erfinder entwickelte, und in mehr als 20 Ländern weltweit erfolgreich patentierte, Technologie der „P-Lampe“ als Leuchtmittel bestens bewährt. Mit 0,16 KWh Verbrauch, als Straßenleuchte mit eingebauter  Nachtabschaltung  auf 0,08 KWh reduzierbar,  liefert sie blendfreies gesundes Licht. Sie und mehrere Hundert ihrer Schwestern haben bereits seit über 10 Jahren ihren Praxistest ohne nennenswerte Wartung mit Bravour bestanden.

Aber grell, blendend und vor allem billig sind – leider – immer noch die führenden Adjektive der meisten, insbesondere kommunalen Kunden und Konsumenten. ..

Ein Bravo noch für das Rentner-Ehepaar aus Bayern, was den Schneid hatte, zu diesem Thema zu prozessieren.

Ihr Thom Haeger
Freischaffender Autor in Sachen Licht.

direkte Fragen bitte an  thomhaeger(at)gmail.com, Kommentare, Diskussionsbeiträge über die Kommentarfunktion an healthylight

 

DGUV-I 215-220 Nichtvisuelle Wirkungen von Licht auf den Menschen erschienen

 

Nach längerem Warten ist die Informationsschrift der DGUV zu nichtvisuellen Wirkungen von Licht erschienen. Wie immer bei komplexeren Sachverhalten, kein Kommentar zum Inhalt. Die Schrift gibt es hier abzurufen (DGUV-I 215-220). Das Inhaltsverzeichnis ist unten abgebildet.

Ein Kommentar in eigener Sache zum Tenor: Nach dieser Informationsschrift ist die beste Medizin das Tageslicht. Künstliches Licht soll zur Tageslichtergänzung eingesetzt werden, "Wenn an Arbeitsplätzen kein oder nur wenig Tageslicht zur Verfügung steht …". Da sagt mein Herz hurra. Denn als wir das Projekt "Licht und Gesundheit" 1990 präsentierten (kompletter Bericht hier), lachten sich nicht wenige Experten kaputt, was man verschmerzen kann. Aber die Berufgenossenschaften kannten per Gesetz kein Tageslicht als Beleuchtung, weil es in der Arbeitsstättenverordnung fehlte. Das ging von 1975 bis 2004 so.

Die Sache mit Tageslichtergänzung ist noch viel älter und ist nicht auf meinem Mist gewachsen. Der Erfinder des Begriffs war entweder mein seliger Kollege Dr. Georg Roessler oder unser beider Doktorvater Prof. Jürgen Krochmann. Oder vielleicht beide. Das Projekt wurde 1971 auf Geheiß der Lichtindustrie begraben, weil die auf dem Trip zum Großraumbüro und zum fensterlosen Arbeitsraum war. In Berlin wurden sogar 15 fensterlose Schulen gebaut. Damals fand die Arbeitsmedizin solche Ideen toll. Die Architekten, die welche gebaut hatten, bereits nicht mehr. Es hat lange gedauert, bis die Wahrheit den Experten um die Ohren gehauen wurde. Das waren unzählige Menschen, die niemand kennt. Aber auch die Mitarbeiter der Gewerbeaufsichten, die mit großer Vehemenz die Sichtverbindung nach außen in Betrieben durchsetzten. Bis ... ja bis sie 2004 aus der ArbStättV flog. 2016 war sie wieder zurück, und 2019 wird es eine ASR dazu geben. Selten haben zwei Forscher dem ganzen Volk einen solchen Dienst erwiesen.

Mein AMpelmann

Von Wahrheit zu Wahrheit hangeln

 

So ein Anwendungsbereich liest sich doch gut an? Oder? Für Leute, die gewöhnlich keine Normen lesen -- und das sind fast alle -- der Anwendungsbereich legt fest wozu eine Norm gut ist. Die hier gemeinte (DIN EN 12464-1) regelt die Beleuchtung von Arbeitsstätten in ganz Europa einschließlich aller, an denen Leute am Computer arbeiten. Wie löblich!

Leute, die Normen lesen oder gar anwenden, lassen sich von solchen Paragraphen nicht irritieren. Sie lesen eher die Anforderungen, da stehen knackige Zahlen, wie ein Fachmann es mal genannt hatte. So etwa 25 Seiten lang. Mich interessierte, wie man diese 25 Seiten mit Daten gefüllt hat. Na klar -- man bestimmt die Sehleistung, die man für eine bestimmte Sehaufgabe benötigt. Dann berechnet man, wie die Beleuchtung sein muss, damit der Sehleitung genüge getan wird. Tatsächlich hatte das mal einer getan. Der hieß Blackwell und untersuchte, wieviel Licht Piloten von Bombern benötigen, um nachts ihre Ziele erkennen zu können. So lange mussten die Phosphorbomben brennen. Blackwell bekam für seine Verdienste Medaillen von der US Luftwaffe und Navy. Dass die Ziele vornehmlich deutsche Wohnhäuser waren -- bitte vergessen. Spätere Untersuchungen von Bodmann zeigten, dass ein solcher Ansatz in der Arbeitswelt nur wenig Aussicht auf Erfolg hatte. Deswegen hat man in der deutschen Normung 1972 einen anderen Ansatz verfolgt (z.B. hier). Wer den Ansatz nicht mag, kann sich an die Arbeit machen und alle üblichen Sehaufgaben "Arbeitsplätze am Kupolofen und am Mischer" feststellen und die jeweils nötige Sehleistung. Abzuarbeiten sind 49 Tabellen mit 4 bis 26 Räumen/Arbeitsplätzen, die auf den Forscher warten.

Die Norm sagt aber auch heute noch Sehleistung. Sei's drum. Aber welche Sehleistung? Die für Menschen mit "normalem" Sehvermögen. Schön wär's, wüsste man was Sehvermögen ist. Heute sitzen am Bildschirm Mannschaften -- Pardon Frauschaften -- mit bis zu 70% Brillen bewaffnet, ohne die sie nicht mehr arbeiten können. Normales Sehvermögen?

Na, schön. Man wird doch nicht so zimperlich sein. Sehleistung ist Sehleistung! Oder? Leider nicht, die ist nämlich weicher definiert als sämtliche Gummiparagraphen der Welt: "Leistung des visuellen Systems, wie sie beispielsweise durch die Geschwindigkeit und die Genauigkeit gemessen wird, mit welcher eine Sehaufgabe gelöst wird" So steht es im Internationalen Wörterbuch der Lichttechnik geschrieben. Da alle Autoren davon weiße Haare und teilweise auch weiße Bärte hatten, muss das stimmen.

Man nimmt also alle "üblichen" Sehaufgaben - einschließlich solcher am Bildschirm -, Menschen mit "normalem" Sehvermögen, die es nur noch selten gibt, misst "beispielsweise" die Geschwindigkeit und Genauigkeit, mit der sie "übliche" Sehaufgaben lösen. Und leitet daraus 25 Seiten Anforderungen für alle möglichen Arbeitsstätten? Nein doch! Es kommt dazu noch Sehkomfort. Was das ist, steht in keinem Buch der Lichttechnik.

War das alles? Immer noch nicht. Die Norm sagt nämlich, dass zur Bestimmung der Anforderungen noch etwas berücksichtigt werden muss: "Die Anforderungen an die Beleuchtung werden bestimmt durch die Zufriedenstellung von drei grundsätzlichen Bedürfnissen des Menschen:

  • Sehkomfort, bei dem die Arbeitspersonen ein Gefühl des Wohlbefindens haben; dies trägt auf indirekte Art auch zu einer höheren Produktivität und einer höheren Arbeitsqualität bei;
  • Sehleistung, mit der die Arbeitspersonen in der Lage sind, ihre Sehaufgaben auszuführen, selbst unter schwierigen Umständen und über längere Zeiträume;
  • Sicherheit.

Die hatte ich vergessen, die Sicherheit. Was ist bitte schön Sicherheit? Der Begriff ist derart klar, dass die internationale Normungsorganisation ISO die Verwendung des Wortes ohne weitere Bezeichner nicht zulässt. Man könnte z.B. betriebliche Sicherheit schreiben. Da man gemeinhin behauptet, Licht hätte was mit der Sicherheit bei der Arbeit zu tun, müsste man annehmen, der Arbeitsschutz wäre gemeint. Dummerweise steht in der Norm im Anwendungsbereich geschrieben, der Arbeitsschutz darf nicht gemeint sein. Den zu regeln, behält sich der Staat vor. Und in seiner ASR A3.4 steht ausdrücklich geschrieben, dass die Norm nicht satisfaktionsfähig ist: "ie DIN EN 12464 Teil 1 und 2 legen Planungsgrundlagen für Beleuchtungsanlagen fest, berück­ sichtigen aber nicht die Anforderungen, die an Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit zu stellen sind."

Bei so viel Klarheit kommen einem die Tränen. Vielleicht haben die Autoren der Norm doch was Haltbares zuwege gebracht. So z.B. einen Beitrag zur Nachhaltigkeit von Arbeitsstätten. Da wurde ich fündig (hier). Den Sehkomfort haben sie wohl nicht umsonst in den Katalog der Beliebigkeit aufgenommen. Ein leibhaftiges Ministerium beschäftigt sich damit (mehr hier). Leider, leider schätzt das Ministerium die Norm nicht allzu hoch, hier die Bewertungsliste:

  1. 14 Kombinierte Beleuchtung aus direktem und indirektem Anteil mit individueller Einzelplatzregelung
  2. 10 Kombinierte Direkt-Indirektbeleuchtung
  3. 7  Einhaltung der Normen
  4. 0  Keine individuelle Beleuchtung

Ergo: Wenn man die Normen einhält, bekommt man bei dem Sehkomfort die halbe Punktzahl. Eigentlich gar keine Punkte, denn in der gennanten Norm gibt es keine Spur von individueller Beleuchtung. Also 0 Punkte, setzen! (zu dem Kriterien für visuellen Komfort Übersicht DGNB Visueller-Komfort)

Es geht hier nicht um den Bart des Propheten, sondern um 40% der elektrischen Energie, die ein Büro verbraucht oder 15% des Stroms, den Deutschland verbraucht. Man verspargelt die Republik, um Strom aus dem Wind zu machen, baut 3000 km Tunnel, um den in den Süden zu bringen. Oder vernichtet 12.000 Jahre alten Forst, um Futter für Kraftwerke zu fördern. Und dann schüttet man den ganzen Strom über den Büroteppich. Wofür? Steht oben! Was hier nicht steht, ist die Empfehlung Ihrer BG (DGUV-I 215-220), die genau an diesem Tag veröffentlicht wurde: Wollen Sie, dass Ihre circadiane Rhythmik in Takt bleibt, hilft z.B. das Abschalten nicht benötigter Lichtquellen. Das ist aber ganz schön individuell.

Warum soll eine Beleuchtung überhaupt individuell sein? Man könnte einfach darum sagen. Wenig höflich. Einen simplen Grund hat die Lichttechnik vor über einem halben Jahrhundert erarbeitet: Die Präferenz von Menschen für Beleuchtungsstärke variiert von 20 lx bis 20.000 lx. Allein diese Erkenntnis dürfte als Grund für die Anforderung nach Individualität reichen. Aber auch die Sehaufgaben ändern sich ständig während des Tages, die Augen während der Jahre. Man sollte eher den Spieß umdrehen und fragen, darf die Beleuchtung von Arbeitsstätten für alle gleich sein? Von mir aus. 0 Punkte dann.