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Adieau mein kleines Blaulicht!

 

Was haben wir uns nicht alles erhofft von der Gesundheitswelle in der Lichttechnik! Was vor 30 Jahren milde belächelt wurde, wuchs zu einer wahren Industrie heran, Licht und Gesundheit. Nicht wenige fragen sich, wovon sie früher so gelebt haben? Da wurden auf Kongressen Kataloge von Herstellern von Lampen und Leuchten rezitiert, alle Unzufriedenheit mit Licht auf Nicht-Beachtung von Beleuchtungsnormen erklärt, Doktoranden, die neue Ideen vorbringen wollten, mit leisen Drohungen mit dem Entzug an Liebe durch den Doktorvater diszipliniert. Und dann … Licht beeinflusst Gesundheit! Welch eine Erkenntnis! Dass es die Sonne war, wussten schon die Alten Römer. Vielleicht auch die Assyrer? Egal, jetzt wusste man, dass man mit künstlichem Licht die Gesundheit beeinflussen kann.

Schwubdibus wurde aus Licht Licht mit Blaustich. Die neuen Stars am Himmel, LEDs, haben so ein Licht. Also stellen wir dies eben als positiv heraus und posaunen dies in die Welt hinaus. Was macht blaues Licht? Unterdrückt Melatonin… Also erklären wir genau das zur Gesundheit! Die neu bekannt gewordenen Wirkungen heißen jetzt melanopisch, und alle lichttechnischen Größen müssen auf melanopisch umgestellt werden. Wer nicht verstehen kann, was Ёz,μ bedeutet, soll halt einen neuen Beruf erlernen. Das ist die mittlere melanopische zylindrische Beleuchtungsstärke und ist sehr gesund. Vielleicht. Die Lichttechniker können aber nur über den Ort mitteln. Um gesund zu sein, muss die mittlere melanopische zylindrische Beleuchtungsstärke noch über die Zeit gemittelt werden. Leider bietet kein Alphabet ein E mit Ober- und Unterstrich. Daher kann ich das Ergebnis nicht formelmäßig darstellen. Aber was das bedeutet: Vergessen Sie die alte Lichttechnik, wo man Dinge beleuchtete, um sie sichtbar zu machen. Jetzt zählt, was ins Auge geht. Die nannte man früher Blendung und musste stets vermieden werden. So war seit 125 Jahren Beleuchtung betrieben worden. Jetzt aber machen wir nur noch gesundes Licht!

Offensichtlich wurde das Treiben auch höheren Orts erhört. Alles was Rang aber keinen Namen hatte, wollte sich einen machen. Jetzt darf nur noch mit gebremstem Schaum gesundes Licht geprädigt werden. Der ASTA (nicht AStA wie allgemeiner Studierendenausschuss sondern ASTA - Ausschuss für Arbeitsstätten) hat die Notbremse gezogen. Dieser entwickelt und betreut die Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR) zur Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) und müsste eigentlich als erster bestimmen, was gesundes Licht ist. Und so sieht es ASTA heute. Ähnlichkeiten mit dem Ergebnis unseres Forschungsberichts von 1990 sind entweder gewollt oder beabsichtigt (hier):

Earth Hour 2019 - Super Beitrag aus der Lichttechnik

 

Ein Licht ging gestern nicht um die Welt, sondern eher ein Schatten. Für eine Stunde, angefangen auf Samoa, wurden die Lichter auf prominenten Plätzen abgeschaltet. Damit man das Klima rettet.

Nicht jeder denkt so. Ein sehr bekannter Mensch, sogar der mächtigste auf Erden, glaubt einfach nicht, dass es einen Klimawandel gibt. Vielleicht müsste ein Tornado seine Frisur ordentlich durcheinander bringen, damit er mal anders denkt. In guter Gesellschaft befindet er sich, der Europäischen Lichtbranche ist eine einmalige Innovation gelungen: die Wiederbelebung der 1000 lx-Bewegung aus den 1960ern. Jetzt darf das Licht an europäischen Arbeitsplätzen nicht mehr nie nie unter 500 lx fallen - nein, nie nie unter 1000 lx. Jedenfalls, wenn man tippt, schreibt oder liest. Begründung? Das ist gesund!

Die neue Größe, die die heilige 500 lx ablöst, ist die neue obere Untergrenze (hier). Man erhöht die Beleuchtungsstärke einfach um 50% oder 100 % - und schon hat man gesundes Licht. Wie gesund? Wenn man in einer Warte eines Kernkraftwerkes die Beleuchtungsstärke so einfach von 300 lx Nennwert (bis 2001) auf 500 lx Wartungswert steigert, dann ist das real 108% mehr, also mehr als das Doppelte. Wenn man dann demnächst auf 1.000 lx geht, ist das ein atemberaubender +216%. Ist doch gesund? Von wegen! Die hatten schon bei 300 lx Probleme mit den Spiegelungen auf ihren Instrumenten und Bildschirmen. Wenn man das Licht nun verdreifacht oder gar vervierfacht, sehen die womöglich gar nichts mehr. Und wenn die Helden in der Warte eines Atomkraftwerks mal nichts sehen …?

Bei manchen Leuten - so scheint's - ist das ganze Jahr Karneval. Doch, wenn wir Aschermittwoch haben, ist die Party aus. So wie gestern Nacht, aber nicht nur für eine Stunde.

P.S.: Wir haben zur Feier des Übergangs von DIN 5035-2 auf EN 12464-1 berechnet, wie viel mehr man an Licht installieren muss, ohne dass es dafür einen Grund gibt. Bitte die Werte aus der Studie (hier) merken. Wenn die neue Version der Norm erscheint, können Sie die Daten aktualisieren. Da geht Ihnen ein Licht auf.

Wie viel Licht braucht man?

 

Der nachfolgende Text ist 10 Jahre und 40 Tage alt. Der sieht aber gar nicht so alt aus. Mittlerweile umfasst dieser Blog weit über 400 Beiträge. Ich habe inzwischen einige Tausend Literaturstellen gelesen, gesichtet, bewertet. Die Frage stelle ich dennoch neu.

Wenn man nach der „Strahlenschutzverordnung“ geht (das ist die nach dem Atomgesetz, sondern nach EU-Richtlinie Optische Strahlung), müssten die Bauarbeiter auch im Sommer die Straßen unter einem Zelt bauen, weil sie sonst der Sonne ausgesetzt wären. Sobald sie aber Urlaub bekommen, düsen sie nach Malle oder Antalya und knallen sich in die Sonne. Krebsspezialisten hingegen empfehlen, sich mit Faktor 50 zu schützen, sobald die Sonne um die Ecke guckt.

Die Lichttechnik erzählt, es müssen 500 lx sein. Wo sie diese heilige Zahl hernehmen, wäre eine Untersuchung wert. Das Ergebnis wird aber nicht erheiternd sein, oder vielleicht eher Lachsalven auslösen. Diese Zahl, die viele Milliarden Investitionen in Lampen und Leuchten verursacht hat, ist eine reine Erfindung. (Wer sich wirklich dafür interessiert, wie die 500 lx entstanden sind, kann hier die gesamte Historie lesen: Basis der Festlegung von Beleuchtungsstärkewerten in Beleuchtungsnormen)

Ich meine eher, die Menschen brauchen bei der Arbeit tagsüber mehr, viel mehr Licht und abends sehr viel weniger. Das mit dem Tage ergibt sich aus unseren Studien. Je mehr Licht die Leute in ihrer Umgebung haben, desto gesünder fühlen sie sich. Die Sache mit der Nacht hat Heinrich Kramer thematisiert.

Auf jeden Fall zeigt die heute von mir analysierte Studie von Youngstedt et al, dass es nicht gleichgültig ist, wann man den Menschen Licht verabreicht. Eigentlich müsste man dies wissen, wenn man behauptet, Licht übe eine Wirkung auf den Menschen aus wie eine Droge oder ein Lebensmittel. Die nimmt man doch nicht jederzeit und in beliebigen Mengen in sich. Oder?

Wohnen ohne Sonne nicht erlaubt

Es ist so weit! Ich wartete jahrelang, dass einer eine Besonderheit des deutschen Normenwesens entdeckt. Der betreffende Satz schlummerte viele Jahrzehnte unentdeckt in einer DIN-Norm. Jetzt macht eine Behörde in Köln ernst. Ein Wohnungseigentümer besitzt in bester Innenstadtlage eine Wohnung, die er gerne recht günstig an Studenten vermietet. Bis er einen Brief vom Amt wegen mangelnder "Besonnung" bekam. Den Rest zeigt der Film vom NDR. Der könnte jedem blühen, der eine Wohnung besitzt, die zum Norden guckt. Da kommt bekanntlich keine Sonne hin - jedenfalls nicht außer Hochsommer. Besonnung heißt gemäß DIN 5034-1 (hier Ausgabe 1999-10): "Ein Raum gilt als besonnt, wenn Sonnenstrahlen bei einer Sonnenhöhe von mindestens 6º in den Raum einfallen können." Das "können" bedeutet, auch bei verhangenem Himmel gilt der Wohnraum als besonnt. Die Strahlen müssen sich halt einen anderen Weg suchen als durch die Wolken (das hier ist damit garantiert nicht gemeint.).

Ist doch schön? Von wegen! "Ein Wohnraum gilt als ausreichend besonnt, wenn seine Besonnungsdauer am 17. Januar mindestens 1 h beträgt." heißt es dort. Und "Eine Wohnung gilt als ausreichend besonnt, wenn in ihr mindestens ein Wohnraum ausreichend besonnt wird." Auch ohne Rechenschieber kann man feststellen, ob eine Wohnung ausreichend besonnt wird. Und die Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesbauordnung 2018 – BauO NRW 2018) vom 21.07.2018 sagt in § 47 Abs. (2) deutlich: "Eine reine Nordlage aller Wohn- und Schlafräume ist unzulässig". Seit wann die das sagt, kann ich nicht zuverlässig sagen. Bei der Suche danach habe ich zwar Erhellendes über 1. MWurzBohrVÄndV vom 19.12.2008 gefunden (mehr hier). Den Ursprung konnte ich leider nicht finden. Im Jahr 2000 war die Vorschrift in § 49 untergebracht. Im Jahre 1970 in § 60, aber deftiger denn je: "Jede Wohnung muß eine ihrer Größe entsprechende Zahl besonnter Wohnräume haben. Reine Nordlage aller Wohn- und Schlafräume ist unzulässig."

Jetzt weiß ich nicht einmal, worüber ich lachen soll! Die Sendung im NDR lief letzten Donnerstag. Der Moderator war zur Zeit der Veröffentlichung der Vorschrift noch nicht einmal in der Planung. Er kam 1972 in einer hoffentlich reichlich besonnten Wohnung in NRW auf die Welt. Wohnt auch in NRW. Deswegen Vorsicht. Er will vermutlich irgendwie das Nest beschmutzen. Oder?

Ich halte die Vorschrift nicht nur wegen des Satiregehalts sehr nützlich. Menschen in Löcher zu stopfen, in die keine Sonne kommt, muss endlich aufhören. Wohnungen in Nordlage sind ab sofort - ach was, seit mindestens 1970 - einfach verboten. Sehen Sie doch selbst:

 

 

Darf man einen zu Tode schützen?

Der Arbeitsschutz ist ein diffiziles Handwerk. Er muss zuweilen sehr trickreich den zu Schützenden vor dem sicheren eigenen Untergang bewahren. Die diversen Schutzvorrichtungen an gefährlichen Maschinen und auch die z.T. skurilen Unfälle, die beim Ungehen entstehen, liefern wunderbare Beispiele dafür, dass der Mensch zuweilen einfach zu dumm ist.

In Sachen Licht und Strahlung muss man aber anders denken. So versuchen Arbeitschützer seit Jahrzehnten, die Arbeitnehmer mit Beleuchtungsnormen zu schützen, die in Deutschland auch das Gegenteil bewirkt haben (hier). Da sitzt der dumme anderswo. Weniger spaßig wird es mit Strahlung, insbesondere UV. Sie hat das Leben auf Erden mitgeschaffen. Allerdings hatte sie zuvor das Leben unmöglich gemacht. Deswegen hat sich Leben auf Erden im Wasser entwickelt, geschützt vor der UV. Erst die Ozon-Schicht hat ein Leben auf Land ermöglicht. Allgemein müssen Menschen vor Strahlung jedweder Art geschützt werden. Sie brauchen aber Strahlung zum Leben. (Keine Besonderheit, es gibt kein Leben ohne Wasser, zu viel Wasser ist tödlich.). Anders als bei der "bösen" radioaktiven Strahlung, deren Beitrag zum Leben nicht positiv ist, wirken sich Licht, UV und IR - optische Strahlung - je nach Intensität oder Dosis unterschiedlich aus.

Gegen die negativen Wirkungen gibt es den Schutz durch die Verordnung OStrV (hier). Das Bundeamt für Strahlenschutz (BfS) wacht über diese. Und es sagt: "Die einzig bekannte positive biologische Wirkung von UV-Strahlung ist die Anregung der Bildung des körpereigenen Vitamin D durch UV-B-Strahlung". Darüber hatte ich mich schon gestern aufgeregt. Aber: Was ist, wenn das wahr wäre? Die einzig bekannte positive Wirkung …

Vitamin D hält nicht nur unser Knochengerüst zusammen, das unseren Körper aufrecht hält. Alle Kommunikation zwischen den Körperzellen benötigt Vitamin D. Es ist nämlich gar kein Vitamin, sondern ein Hormon. "Es konnte nachgewiesen werden, dass Menschen mit höheren Vitamin-D-Werten langsamer Altern […] und dass Vitamin D bei mit der Alterung zusammenhängenden Krankheiten (z.B. Krebs) einen schützenden Effekt hat“, kommentiert der leitende Wissenschaftler Brent Richards die Ergebnisse seiner Studie aus dem Jahr 2007 (hier).

Vitamin D ist genaugenommen eher ein Hormon als ein Vitamin. Rezeptoren für Vitamin D wurden mittlerweile in praktisch allen menschlichen Geweben gefunden. Deshalb ist es auch nicht überraschend, dass Vitamin D auch an nahezu allen Geweben und Organen Wirkungen hat. Die Wirkungs- und Funktionsweise von Vitamin D im Körper ist entsprechend vielfältig.

Wissenschaftler der Universität Kopenhagen haben herausgefunden, dass Vitamin D wesentlich für das Immunsystem ist. Fehlt das Vitamin im Körper, können die Killerzellen des Immunsystems – die T-Zellen – nicht reagieren und sind nicht imstande, Krankheitserreger im Körper zu bekämpfen.

Damit die T-Zellen eindringende Erreger, etwa Bakterien oder Viren, ausfindig machen und beseitigen können, müssen sie erst eine Wandlung durchmachen von harmlosen Immunzellen zu den aktiven Killerzellen, die in der Lage sind, Angreifer unschädlich zu machen. Für diese Verwandlung benötigen sie Vitamin D. Fehlt das Vitamin, bleiben die T-Zellen inaktiv.(hier).

Wer vor der optischen Strahlung schützen will, sollte sich etwas meh Mühe geben, als zu sagen, die einzig bekannte positive Wirkung sei ... Diese (angeblich) einzige positive Wirkung ist der Schlüssel zum Leben. Von Amts wegen …