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Träumen vom natürlichen Licht - Ein langer, langer Traum

 

Am 10/11 März fand das Light Symposium von Wismar, aber nicht in Wismar, statt. Das Programm hatte es in sich (hier). Nach und nach werde ich die Ergebnisse kommentieren. Ich denke aber, das Interessanteste an der Veranstaltung war die Teilnehmerschaft. Es waren 753 Teilnehmer aus aller Welt. Aber zum größten Teil Lichtdesigner oder Studenten davon. Damit dürfte sichergestellt sein, dass interessante Aspekte der Vorträge sich nicht in Regalen wiederfinden, sondern draußen in der Wildnis, Pardon in den Städten. Immerhin war einer der Referenten (Mark Major), der nicht nur eine der berühmtesten Kirchen der Welt, Westminster Abbey, beleuchtet hat, sondern auch eine der interessantesten Moscheen des Islam, die Grand Mosque von Abu Dhabi. Auch einer der Entdecker des neuen Empfängers im Auge, Prof. George C. Brainard, sprach zu dem Event.

Meinen Vortrag - allerdings ohne Worte - füge ich bei. Er handelt vom ewigen Streben nach dem natürlichen Licht - heute nicht weniger wichtig als zur Zeit der Pharaonen. Die Message ist klar: Menschen, die einst die Sonne anbeteten, haben sie in der Industrierevolution hinter Rauchschwaden verborgen (bitte nicht an China denken, dort ist es Realität). Die Hohepriester der Kirche verboten die Solarien, Treffpunkt und Heilstätte zugleich, weil die Menschen ihrem Gott dienen sollten. Der Versuch, das Sonnenlicht in die Städte und Häuser zu holen, endete in den 1960ern mit fensterlosen Bauten. Ein Berliner Lied dazu klingt bitter. Die Stadt verballerte eine Milliarde DM für 15 fensterlose Schulbauten, und dieselbe Menge Geld, um die zu sanieren. In den 1920ern versuchten die Ingenieure die heilende Sonne im Innenraum zu simulieren. Ihre Erfindung hieß "dual purpose light". Heute heißt es "integrative light". Mal sehen, wo das Ganze endet. (unten Vortrag als Film oder zum Selbst-Durchblättern)

Wo hängt man die Leuchten hin, damit sie gesund leuchten?

 

Das Dümmste, was die Lichttechniker gemacht haben, war es, die Leuchten an die Decke zu hängen. So kommt das Licht immer von oben. Das entspricht zwar einem himmlischen Vorbild. Man darf aber trotzdem erwarten, dass man kreativ agiert, wenn man eine neue Technologie schafft. Auch wenn herkömmliche, sprich altertümliche, Leuchten auch früher oben hingen, so z.B. in der Burg Eltz. Und auch wenn der liebe Gott mit gutem Beispiel voran gegangen war, indem er seine Himmelslaterne nach oben hing.

Allerdings scheint er mit dem Ergebnis nicht so glücklich geworden zu sein. Denn er probiert den ganzen lieben Tag die Position. Morgens ist die Sonne im Osten, d.h. etwa. Abends findet man sie im Westen, auch etwa. Dazwischen wird dauernd eine neue Position ausprobiert. Das Ergebnis ist enttäuschend. Morgens sieht das Licht schön rot aus, bleibt aber nicht so. Mittags hat man zwar viel Licht, aber keine Schattigkeit. Abends sieht es wie morgens aus, nur aus der umgekehrten Richtung.

Genervt bricht der Herr den Versuch ab. Ruht sich eine Weile und fängt wieder mit einem etwas veränderten Startpunkt an. So geht es seit meiner Geburt. Vermutlich war es schon früher so. Ich konnte allerdings keinen Reim darauf machen, weil nicht vorhanden. Die Lichttechnik verbesserte die Lage derart grundlegend, dass die Lichter immer dort hängen, wo man sie einmal angebracht hat. Sie gehen auf Kommando an, um zu leuchten. Und hören erst damit auf, wenn die Arbeit zu Ende geht. An manchen Orten brennen sie daher ewig.

Ganz wichtige Menschen, die Chronobiologen, sehen darin eine Störung des circadianen Rhythmus. so genannt nach dem Rhythmus, den Gott, Pardon die Sonne vorgibt. Der heißt circa... , weil es mit der Genauigkeit hapert, wie oben dargestellt. Was für eine Lösung könnte nun besser sein als das, was die Natur, zugegebenermaßen nicht perfekt, vorgibt?

Die besten ihrer Profession haben sich nun zusammen getan und sagen, der Mensch brauche melanopische Lux. Und das viel mehr als heute üblich. Also muss man dafür sorgen, dass die Lux ins Auge gehen. Kein Problem, wenn die Menschen bei der Arbeit sich hinlegen würden wie z.B. auf Malle am Strand. Dann kommt das Licht vom Himmel, Pardon von der Decke, direkt ins Auge. Ergo würden die Leuchten mal den Aktenordner des Beamten beleuchten und mal den Beamten selbst, wenn er brav seinen täglichen Dreikampf, Lochen, Bumsen, Abheften, absolviert.

Dummerweise ist das physikalisch nicht möglich, weil sich der Beamte für den Dreikampf aufrichten und sitzen muss. Da gucken seine Augen so um 35º nach unten. Das ist wissenschaftlich gesehen circa waagrecht. Also schreiben wir die melanopischen Lux waagrecht vor. Die heißt Vertikalbeleuchtungsstärke. Zwar schreiben nicht wenige vertikale Beleuchtungsstärke. Das lehnt der Fachmann entschieden ab, weil die horizontal einfällt. In welcher Position auch immer sich der Beamte befindet, sein Blick fällt optimal senkrecht auf die Akte. Dann kann eine Leuchte aber nie Auge und Akte zusammen beleuchten. Das Licht fliegt geradeaus, bis es etwas trifft. Notfalls bis zum Ende des Universums.

So weit so gut! Wie kriegen wir aber die Leuchten dazu, ihr Licht waagrecht abzustrahlen? Man könnte sie z.B. an die Wand hängen. Oder dort Spiegel anbringen. Egal, Wissenschaftler geben sich nicht mit lästigen technischen Details ab. Gott hat's auch nicht soo mit der Genauigkeit … Und der Praktiker macht die Industrieleuchten seit etwa einem Jahrhundert so, dass sie die Arbeitsebene beleuchten und nicht die Augen der Arbeitenden. Seit 1970 gibt es in Deutschland Blendungsbegrenzungskurven, die verhindern, dass das Licht einem ins Auge fällt, sprich blendet.

Auftrag: Man muss es also irgendwie schaffen, dass das Licht von der Decke nunmehr direkt ins Auge fällt, ohne dass sich sein Spektrum ändert. Denn für die melanopischen Lux ist nicht nur die Menge des Lichts entscheidend, sondern auch die Qualität, nämlich das Spektrum. Wenn die Decken melanopisch strahlen, wird das Licht weniger melanopisch, wenn es auf Wände, Tische oder Bildschirme fällt.

Richtig gelöst ist nur die Sache mit dem dritten Aspekt, Zeit. Melanopisch soll das Licht von 06:00 Uhr bis 19:00 Uhr brennen. Danach ist Schluss. Die Nacht gehört zu dem Ruhe suchenden Menschen.

Wem das Ganze Spanisch vorkommt, möge das ganze in Englisch lesen (hier). Wer nicht ewig auf die Realisierung des melanopisch wirksamen Lichts warten will, kann zu einem altmodischen Mittel greifen. Fenster. Nicht seit immer, sondern etwa seit 8.000 Jahren kommt dessen Licht waagrecht eingefallen. Und scheint auch allen zu gefallen.

Leider funktioniert das Ding nur wenn die Sonne scheint. Wenn die aber nicht mehr scheint, muss sich der Mensch zwischen 19:00 und 22:00 auf den Schlaf vorbereiten. Danach ist endlich Schluss. Da reichen Kerzen oder Taschenlampen. Aber bitte nicht melanopisch. Wo bleiben da die Körperrhythmen, wenn das melanopische Licht den ganzen Tag blau bleibt? Das erzähle ich ein andermal.

Wie lange dauert der Tag mit der amerikanischen Sonne?

Zu meiner großen Überraschung ist seit Jahren der meist geklickte Artikel in diesem Blog "Wie lange dauert die Nacht?". (hier) Eine an sich dämliche Frage. Jeder weiß es doch! Oder? Wenn einer aber etwa ein Jahr seines Lebens am Äquator verbracht hat, viele am 30º Breitengrad, noch mehr am 50º, um dann im arktischen Winter zu landen, klingt die Frage so dämlich nicht. Der Artikel entstand am 16.12.2010 in Tromsø, 69° 39′ 6.58″ N um Mitternacht. Damals nannte ich die Frage nur dumm. Um diese Zeit ist in aller Welt gleich nur die Mondphase. Sehen tut man aber selbst den Mond von jedem Ort aus anders.

So richtig dämlich klingt es, wenn einer fragt, wie lange der Tag der Chronobiologen dauern soll, den sie uns verschreiben wollen (z.B. hier). Ich habe vorgestern geschrieben, dass sie >250 lx M-EDI am Tag für alle vorschreiben wollen. Wie man von Lux auf melanopische M-EDI kommt, habe ich gestern dargestellt (hier). Wie man weiß, wird in Lux die Beleuchtungsstärke beschrieben. Und die ist vergänglich. Knipst man das Licht aus, ist es 0 lx egal wie es vorher war. Nicht so das circadian wirksame Licht. Sie wirkt verdammt lange nach. Bis etwa einen Tag. Nimmt man nicht nur die circadiane, sondern die circannuale Wirkung, kann die Wirkung etwa ein Jahr dauern. Circa. Damit sich das Ganze nicht so bierernst anhört, habe ich versucht, den Vorgang mit der Intelligenz der Möhre zu erklären (hier). Woher weißt die, wann sie wachsen und blühen soll?

Die schöne neue Lösung der Chronobiologen, die sie mit Erkenntnissen aus der Schlafforschung und Depressionstherapie begründen, erinnerte mich an die Amerikanische Nacht. Das ist ein Film von François Truffaut mit der bezaubernden Jacqueline Bisset, der eben diese, die Amerikanische Nacht erläutert. Sie ist eine Technik der Filmaufnahme, die auch Day-for-Night heißt. Dazu sagt Wikipedia "Die Filmszenen wirken meistens künstlich, besonders durch noch vorhandene harte Schatten …"

Der Anlass der Erinnerung war das Buch American Sunshine von Daniel Freund, in dem dargestellt wird, wie die Menschen versuchten, den Tag im Innern der Häuser einzufangen. Als es dann nicht gelang, erfanden Lichttechniker die Amerikanische Sonne. Im Haus sollte die gesamte Strahlung der Sonne simuliert werden, um gesundes Licht zu erzeugen. Ende 1950 war damit Schluss. So kam man auf die Idee, dass man die Natur überhaupt nicht mehr brauche. Man könne unterirdisch bauen und das Licht mit Schläuchen dahin befördern, wo es leuchten soll (hier oder da oder dort). Noch 1989 hat der Vorsitzende des Normenausschusses Innenraumbeleuchtung gesagt, man könne Tageslicht im Innenraum in Qualität und Quantität besser simulieren. (Zweiflern an dieser Aussage sei gesagt, ich besitze ein Video davon aus dem ZDF Archiv mit seinem Gesicht.)

Im Jahr 2021 soll die circadiane Rhythmik des Menschen etwa so geregelt werden:

Der gute Mensch bekommt seine 250 lx ab 6:00 Uhr bis 19:00 Uhr. Danach folgt die Vorbereitung auf den Schlaf mit maximal 10 lx, aber EDI. Um 22:00 ist Schluss. Kommt mir bekannt vor. Den Rhythmus hatte ich in der Jugendherberge und beim Militär. Später ist er mir in einem Gewerkschaftsheim begegnet, wo der Klassenkampf geübt wurde.

Allerdings habe ich nach diesem Schema präzise gesagt 2 Tage im Jahr gelebt. Am 21.03. und am 23.09. haben wir Äquinoktien weltweit. Auf Deutsch Tag-und-Nacht-Gleiche. Und die Sonne geht an diesen Tagen überall auf der Erde fast genau im Osten auf und im Westen unter. Das ist aber alles. Nicht einmal der Begriff Tag-und-Nacht-Gleiche stimmt. Am Äquator ist es etwa 13 Stunden hell, 11 Stunden dunkel. Je weiter man in den Norden kommt, desto länger dauert die Dämmerung. Von wegen 6 Monate Tag und 6 Monate Nacht am Nordpol. Das gilt nur dann, wenn man als Nacht die Zeit versteht, in der die Sonne nicht über den Horizont guckt. Also direkt vom Tag in die Nacht fallen? Das dauert am Äquator ca. 25 Minuten täglich. Am Nordkapp dauert die Dämmerung schlappe 2,5 Monate.

An jedem anderen Tag des Jahres außer den Äquinoktien dauert der Tag länger oder kürzer. Nur nicht der circadiane Tag. Dort herrscht immer mel-EDI > 250 lx. Und bleibt so. Ob sich das mit den Vorstellungen vom dynamischen Licht verträgt? Nicht? Dann lassen wir die mel-EDI mal 500 sein und mal 150. Dann haben wir auch die Dynamik simuliert.

Wer bewusst lebt, weiß, dass sie/er im Sommer viel früher aufsteht als im Winter, wenn er/sie denn darf. Kleine Kinder quaken auch sonntags früh im Bett, während man die Jugendlichen zum Frühstück aus dem Bett prügeln muss. Deswegen hat manche deutsche Schule sogar die Schulzeiten geändert. Der circadiane Rhythmus hält sich an den circannualen, allerdings nach Altersstufen getrennt.

Kann es sein, dass der circadiane Tag den Weg geht, den der künstliche Tag mit American Sunshine gegangen ist?

Wie circadian wirksam ist mein Licht?

 

Seit letztes Jahr kann man die circadiane Wirkung von einem Licht mit dem simulierten Tageslicht vergleichen. Damit man sich nichts Neues merken muss, wird Lux in Lux umgerechnet, allerdings in melanopische. Zum Schreiben muss man den Word-Formeleditor verwenden. Wer das nicht kann, hat fortan keine Ahnung von Licht. Vom melanopischen.

Die Umrechnung von Lux (visuell) in M-EDI (Melanopic Equivalent Daylight Illuminance) erfolgt auf der Basis der Farbtemperatur. Eine Lampe mit 2700K (Glühlampe, LED) ergibt etwas unter 50 melanopische Lux. Die Kurven zeigen für 4 LEDs das Ergebnis der Umrechnung. Das bedeutet, dass 100 lx von der jeweiligen Lampe erzeugt dem Skalenwert entsprechend viel circadiane Wirkung zeigt. So wirkt L. 1 bei 4000K wie 75 lx Tageslichtäquivalent.

Wenn man 100 lx (visuell) auf einem Blatt Papier sieht, weiß man wie hell es etwa ist (25,477 cd/m2). Was sieht man aber, wenn man die 75 melanopische Lux auf das Blatt schickt? Dasselbe. Die melanopischen Lux wirken nur, wenn sie ins Auge gehen. Etwas problematisch?

Seit Prometheus gucken sich die Menschen beleuchtete Objekte an bzw. sie beleuchten Objekte, die sie sehen wollen. Auf die Idee, das Auge zu beleuchten, um die circadianen Rhythmen des Menschen zu ändern, ist man viel später gekommen. Bis dato galt Licht direkt von der Lampe zum Auge als Blendung. Mal sehen, wie viele Menschen es schaffen, noch in diesem Jahrzehnt den Sinn der Sache zu verstehen.

Wenn Sie also der Wissenschaft folgend über 250 lx M-EDI an Ihrem Arbeitsplatz haben, fühlen Sie sich frischer und wohler. Aber nur am Vormittag. Wenn dasselbe nachts kommt, können Sie anschließend nicht mehr schlafen. Theoretisch! Also die Lampe runterregeln auf 2500K (schön rötlich). Irgendwie kommt mir das bekannt vor.

Minimale melanopische Beleuchtungsstärke für Jedermann

Demnächst erscheint ein Artikel, der es in sich hat. Die Autoren gehören zur Weltspitze der Chronobiologie. Sie verlangen dreierlei:

  • mindestens 250 lx "melanopic EDI" am Auge vertikal in 1,2 m Höhe
  • maximal 10 lx "melanopic EDI" am Auge am Abend
  • maximal 10 lx "melanopic EDI" in der Nacht, wenn man unbedingt sehen muss, sonst 1 lx

Zuerst zu EDI. Die heißt so, weil man das Licht am Tageslicht messen will, auch wenn es künstlich daher kommt. EDI ist die Abkürzung von "equivalent daylight illuminance". Melanopisch wird EDI bezeichnet, weil man sie nicht nach der Augenempfindlichkeit für Licht messen will, sondern nach der Empfindlichkeit von Melanopsin. Das ist die Substanz in den melanopsinhaltigen Zellen der Retina. Und diese finden bläuliches Licht reizend.

Man will also mehr - und blaues - Licht am Morgen und weniger in der Nacht. Da will man ja in Ruhe schlafen. Was ist eigentlich, wenn man nicht schlafen darf, sondern arbeiten muss? Die Frage bitte vergessen … Denn man weiß seit Jahrzehnten, dass Schichtarbeit gesundheitsschädlich ist. Leider hat niemand eine schlaue Lösung des Problems gefunden. Man braucht auch nicht lange warten, dass eine gefunden wird. Es wird nicht. Dennoch macht es Sinn, sich Gedanken über Leute zu machen, die nachts nicht arbeiten müssen. Und mit denen, die arbeiten müssen, beschäftigt sich nicht mehr nur die Krebsforschung, sondern auch die Chronobiologie.

Als Begründung für ihr Vorgehen führen die Wissenschaftler an, dass die Einführung künstlicher Beleuchtung zu einem verringerten Lichteinfluss bei Tage geführt hat. Dafür erhält man nachts mehr Licht (…als nötig). Und man schläft viel kürzer. Und vor Allem, schlechter.

Mehr natürliches Licht tagsüber am Arbeitsplatz habe sowohl das Schlafverhalten als auch die mentale Leistungsfähigkeit der Menschen im Büro verbessert. Allerdings scheinen die Experten auf einem anderen Planeten geforscht zu haben. Denn an Büroarbeitsplätzen gibt es kein natürliches Tageslicht.

Wenn das jemand liest, der an einem schönen Fensterplatz sitzend arbeitet, wird sich über die Aussage wundern. Ich sehe es doch, das Tageslicht! Das stimmt. Bloß, dieses Licht, das er sieht, stammt von der Sonne, wird aber durch das Fenster auf ca. 1% vermindert und dazu noch durch das Fensterglas gefiltert. Allein wenn er aufsteht, sieht er ein anderes Licht, weil dann der von ihm gesehene Himmel kleiner wird und der untere Teil größer. Das natürliche Licht gibt es nur im Freien.

Dieses natürliche Licht ist aber nicht "Tageslicht". Denn die Definition der CIE vom Tageslicht besagt seit 1938, dass es "Anteil der Solarstrahlung, der eine Sehempfindung hervorruft" ist. Also: Egal, wo man sich befindet, im oder vor dem Gebäude, das Tageslicht ist ein anderes, als man denkt. Draußen enthält es UV und IR, in das Gebäude lässt das Glas nicht einmal alle Strahlung hinein, die zum Sehen dient. So kann man wissenschaftlich genau dafür sorgen, dass selbst alltägliche Dinge (Tageslicht) nicht verstanden werden.

Was sagen die Beleuchtungsnormen dazu? Nach Meinung der Autoren gilt: "This leaves us with an indoor light environment that is potentially suboptimal for supporting human health, performance and well-being." Auf Deutsch gesagt, das Licht reicht nicht, um die Bedürfnisse der Menschen bezüglich Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden zu erfüllen. Das erinnert mich daran, dass ich böse angegriffen wurde, als ich behauptete, der Mensch im Büro lebe in der biologischen Dunkelheit. Wegen einer Veröffentlichung "Direktblendung widerspricht dem Arbeitsschutz" (hier) wollte uns die lichttechnische Industrie sogar verklagen. Jetzt haben wir es "amtlich" bestätigt bekommen.

Noch etwas, was jetzt "amtlich" bestätigt wurde, ist ein Verbot der Bildschirmarbeit in den Abendstunden und in der Nacht. Natürlich schreiben die Autoren das nicht so. Sie verlangen EDI < 10 lx abends, und in der Nacht soll es < 1 lx sein, wenn man schlafen will. Und sie schreiben auch : "For example, a significant source of evening light exposure is from visual displays, which in the absence of any other illumination, can provide melanopic EDI levels of >70 lx (above the typical level of exposure required to produce half-maximal subjective alerting, melatonin suppressing and circadian phase-shifting responses in laboratory studies …" Im Klartext: Bildschirme beeinflussen abends und nachts Ihre Körperrhythmen stark. Wie stark? Es sollen weniger als 10 lx (EDI) sein, es können aber mehr als 70 lx (EDI) betragen.

Jetzt verstehe ich, warum bei meinen ersten Studien zur Bildschirmarbeit die Probanden berichteten, sie könnten abends nach der Arbeit nicht sofort einschlafen und müssten deswegen erst einmal in die Kneipe. Und ich dachte, das käme davon, dass es Journalisten der DPA waren, die in der zweiten Schicht des Tages viel Aufregendes aus den USA berichten mussten. Das war vor 45 Jahren, und damals saßen nur DPA Journalisten in großer Zahl abends vor Bildschirmen, weil dort die Nachrichten aus den USA kamen, wo es Tag war. In Zeitungsredaktionen saß hingegen ab und an mal ein Redakteur bei gedimmter Beleuchtung vor einem Glas Rotwein und redigierte gemächlich etwas. 24/7 Fernsehen war noch nicht erfunden. Schon gar nicht MoMa (Morgenmagazin) ab 05:30 Uhr und Nachtmagazin um 00:00 Uhr. Bei einigem Optimieren kann man denselben Moderator für beides einsetzen. NaMa endet um 01:00 Uhr, Moma-Vorbereitungen gibt es ab 04:00 Uhr. Die drei Stunden wird man schon irgendwie sinnvoll um die Ohren schlagen können. Teleshopping moderieren, z.B. Da die Zuschauer genauso bedröppelt sind wie der Moderator, fällt die Sache nicht weiter auf.

Auch noch nicht erfunden waren Smartphones und Tabletts, die einen bis ins Bett verfolgen. Vermutlich kein Arbeitgeber der Welt würde es schaffen, jemanden dazu zu bringen, paar Stunden hintereinander konzentriert kleine Pünktchen auf dem Bildschirm zu jagen.

Büroschlaf ist gesund

Wer sich bei den Autoren für die tiefen Einsichten in die circadianen Rhythmen von ihm oder ihr bedanken will, kann hier den Artikel aufrufen und unkommentiert in voller Länge lesen.

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