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… und unsere Enkel werden blind werden …

Das ...licht ist zu rein für das menschliche
Auge, und unsere Enkel werden blind werden.
Ludwig Börne

Ich wette, nicht wenige werden bei ... auf LED tippen, denn Gefahren sehen viele und gerne, wenn sie LED hören. Börne hat aber lange vor der Erfindung des elektrischen Lichts gelebt und (vor)urteilte über das Gaslicht. Als Kind durfte ich Gaslicht noch bei Nachbarn erleben, die in alten Häusern lebten. Bei uns gab es eher Petroleumlampen, die aber eher selten in Gebrauch waren. Eher was für den Stromausfall.

Was ich erleben durfte, war die Gefahr des Verlusts des Augenlichts durch das Fernsehen. Die zählte zu den Highlights der bürgerlichen Horror-Lyrik über die Gefahren der Technik. Die Stories waren etwa so alt wie die Technik, und sie wurden nach der Erfindung von Computerbildschirmen neu aufgewärmt. Der Onkel, der die Gefahr am heftigsten zu Herzen genommen hatte, kaufte sich noch einen der letzten Schwarz-Weiß-Fernseher aus Angst. Seinen Lebensabend verbrachte er aber vor einem Farbfernseher, notgedrungenermaßen. In hohem Alter war sein Augenlicht tatsächlich stark eingeschränkt. Aber an seine alten Worte bezüglich der Gefahren für das Auge durch den Fernseher hat er nie wieder erinnert. 

Ähnlich wie mein Onkel hatte mein Vater Angst um seine Augen, und zwar exakt seit jenem Tag, an dem er nach Hause gekommen war, um über seine Augenbeschwerden zu klagen. Er hatte gesagt: "Heute haben wir neue Neonbeleuchtung im Büro bekommen. Mir tun die Augen weh." Da war ich gerade zehn geworden. Mein Vater hatte noch 25 Jahre mit dieser Beleuchtung zu leben. Seine Augen wurden im Laufe der Jahrzehnte schlechter, die Beschwerden nahmen nicht ab, aber die Frequenz, mit der er sie ausdrückte. Als er pensioniert wurde, hatten wir auch zu Hause "Neonlicht". Irgendwie hatte sich mein Einfluss durchgesetzt, den mehrere Gutachten hochgestellter Professoren im Auftrag der Lichttechnischen Gesellschaft verursachten. Die hatten jegliche negative Einflüsse des Leuchtstofflampenlichts ins Reich der Märchen verwiesen. Auch den Vorwurf, dieses verursache potentiell Krebs. Da ich sie alle persönlich kannte, und das als honorige Persönlichkeiten, war mir jeder Zweifel an ihren Ansichten fremd. Der Vorwurf, Licht können etwas mit Krebs zu tun hätte, wiese auch der Normalbürger von sich, hätte er was davon gehört.

Wie ich später feststellte, kannte ich auch die Person, auf die sich die Gutachten allesamt bezogen: Prof. Hollwich, ein Augenmediziner, der so ziemlich alles, was heute als biologische Wirkung des Lichts vermarktet wird, kurz nach dem Krieg erforscht und veröffentlicht hatte. Der Professor war unter uns Studenten durch seinen Vortrag über den Einfluss des Leuchtstofflampenlichtes auf das Hodenwachstum von juvenilen Erpeln bekannt geworden. Da wir zwar an einer Universität studierten, aber die Usancen in der medizinischen Forschung nicht kannten, waren somit alle seine Erkenntnisse uns suspekt. Wie könnte sich das schöne Licht an den Hoden von Erpeln zu schaffen machen? Was wenn die Sache doch stimmte? Hoden von Erpeln und Menschen? Die einschlägige Industrie machte ohnehin alle seine Erkenntnisse nieder, weil er mal "Leuchtstoffröhre" gesagt hatte. Für einen Eingeweihten hätte es sich gehört, "Leuchtstofflampe" zu sagen. Welch ein Verbrechen!

Dazu muss ich noch ergänzen, dass wir jegliche Probleme mit Licht gerne verneinten. Dort, wo wir arbeiteten, gestalteten wir das Licht mehr oder weniger selbst. In den Hörsälen machten wir eher die Klimatisierung denn das Licht für unsere Wehwehchen verantwortlich. Tatsächlich hatte ich nach den Ferien oder dem Urlaub eine Woche lang rasende Kopfschmerzen. Der Name dafür harrte noch der Erfindung: Sick building syndrome. Er fiel mir ein, als ich in der Zeitung las, der Gruner & Jahr Verlag gäbe die vor 25 Jahren gebauten Häuser seiner Zentrale auf. Vor 24 Jahren hatten die mich gefragt, ob ich bei denen die Ursachen für das sick building syndrome untersuchen wollte. Ich war der Meinung, man solle nach Bezug neuer Büros erst einmal paar Monate verstreichen lassen, damit sich der Mief im Neubau legt. Hat wohl offensichtlich nicht. Jetzt übernimmt die Stadt Hamburg die Gebäude. Ob sich der Verlag traut, noch einmal neu zu bauen? Sollte ich mich als Petze betätigen und die Stadt Hamburg warnen?

Vielleicht doch. Denn die Angestellten von heute sind nicht mehr die von Gestern. Angeblich sind sie viel fortschrittlicher, aber meistens nur zeitlich befristet beschäftigt. Da nimmt man manchen Kopfschmerz in Kauf und fristet sein Dasein in Gebäuden, die krank machen. Man kann ja schnell den Arbeitgeber wechseln. Und dann? Der neue wird wie der alte LED-Licht haben, weil spätestens in 2022 in der EU keine anderen Leuchtmittel mehr zugelassen werden. So es die EU noch gibt …

So macht es Sinn, sich mit den Gefahren des LED-Lichts zu beschäftigen. Das haben lustigerweise zunächst die Marketingleute getan. Bereits im letzten Jahrzehnt gaben sie Studien in Auftrag, die die Vorteile des Technologie bedingten Blaustichs des LED-Lichts herausstreichen sollten. Macht schlau, aktiviert die Alten, beruhigt Schulkinder u.ä. Später hat sich die französische Arbeitsschutzbehörde für die Gefahren von LED alias Laserdiode stark gemacht (in diesem Blog hier). Da musste die LED ihren Namen als Laser ändern (Erläuterungen zu den Gefahrenklassen hier). Eine Lampe ist doch etwas anderes als ein Laser, von der keine photobiologische Gefahr ausgeht! Ob Lampe oder Laserdiode, ohne Risiko eingestuft, ist zwar dasselbe. Aber Menschen handeln irrational, wenn sie das Wort Strahlung hören. Und noch dazu der Name Laser, Laser, mit dessen Licht man 50 mm Stahl schneiden kann wie Butter.

Die ganz Gewieften haben gar die HCL erfunden. Das ist nicht Salzsäure, sondern human centric lighting. Und gesund. So jedenfalls nach Aussagen der Industrie. Allerdings war normgerechte Beleuchtung gemäß dieser Quelle seit 70 und mehr Jahren gesund. Sehr gesund sogar. Jetzt plötzlich nicht mehr? Sagen wir mal, HCL ist gesünder. Man kann z.B. die Lichtfarbe dem Tagesverlauf anpassen. Die Idee ist zwar älter als die LED in der Beleuchtung, verspricht aber ungeahnt hohe Umsätze. Hat jemand früher ein Sixpack an Glühlampen für € 1,50 im Baumarkt gekauft, muss er oder sie jetzt mindestens ein Steuergerät zu der nicht allzu billigen LED-Leuchte einsetzen. Wenn man noch auf die sehr sachkundigen Gebäuenergieffizienzsteigerungsfachleute hört, kauft man noch viel mehr Equipment, das das Ganze okölogisch tageslichtabhängig steuert. Dessen Energiekonsum soll angeblich den Verbrauch für die Lichterzeugung übersteigen. Aber, man darf nicht so kleinlich sein. Es geht um eine Zukunftstechnologie!

Ob LED-Licht der Gesundheit schadet oder nicht, werden wir eher in einigen Jahrzehnten merken. Anders als bei der Leuchtstofflampe, die man zumindest in Deutschland aus Wohnbereichen herausgehalten hatte, wird man bei LED in allen Lebensbereichen in den Genuss des Lichts kommen. So wird man die Gefährdung, sollte sie real sein, gar nicht feststellen können. Vielleicht machen wir es wie bei der Alterung des Gehörs, von der alle betroffen sind, mit Ausnahme der Naturvölker, die nicht einem ständigen Lärmeinfluss ausgesetzt sind. Wie man weiß, altern deren Ohren nicht wie bei den Industrienationen, deren Angehörige in allen Lebenslagen Lärm ausgesetzt sind. Leider wird auch der Weg wohl nicht funktionieren, weil es keine Naturvölker mehr geben wird. Übrigens, die Gebäude von G&J in Hamburg sind nicht die einzigen, die wg. sick building syndrome verlassen wurden. In ganz City Nord von Hamburg waren aus den modernen Großraumbürohäusern der 1970er Jahre zu Beginn des 21. Jhdts entweder Ruinen oder Sanierungsobjekte übrig geblieben. Über so ein syndrome lässt sich trefflich reden, bis der Bagger kommt. Das LED-Syndrome wäre doch ein schönes Schlachtfeld für das kultivierte Halbwissen!

Schritt für Schritt an Begriffe der Lichttechnik geführt

Alles, was die Arbeitsschützer bislang an Papierwerk erstellt haben, wird Schritt für Schritt an die neue Realität angepasst, weil die nicht-staatlichen Organisationen (z.B. Berufsgenossenschaften, Unfallkassen) 2007 zur DGUV zusammengefasst worden sind. Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung … Die hat im September 2016 sich des Problems der Beleuchtung angenommen - und keine leichte Aufgabe damit. Früher hatte womöglich jede BG eine andere "Vorschrift" zur Beleuchtung, dazu kam der Staat mit seiner ASR (Arbeitsstättenrichtlinie), nicht zu vergessen diverse DIN-Normen, die die Beleuchtung von ein- und demselben Arbeitsplatz irgendwie anders regelten. Da die BRD mit DIN einen Vertrag hat, wonach nur DIN Normen aufstellen darf, fragte sich mancher, ob es doch nicht besser wäre, das Ganze ganz sein zu lassen.

Nun fällt der DGUV die gar nicht so einfache Aufgabe zu, aus dem Ganzen etwas Sinnvolles zu zimmern. (Die Information heißt DGUV Information 215-210 und ist kostenlos zu beziehen. Lesen empfohlen.) Nichts Neues, aber immer wieder wichtig zu erinnern: Tageslicht. Früher kannten die Berufsgenossen kein Tageslicht, weil es nicht als Beleuchtung anerkannt war. Heute wird sogar die lokale Sprechweise für deutsche Länder geübt.dageslicht

Mir geht allerdings nicht darum, sondern um den Umgang mit einem Fehler, der in einem offiziellen Dokument aufgetaucht war (ASR A3.4 Beleuchtung). Mit den ASR gibt der Staat die Zusicherung, dass Arbeitgeber, die danach handeln, von staatlichen Stellen nicht belangt werden: "Dabei sind die Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR) zu berücksichtigen. Bei Einhaltung der ASR kann davon ausgegangen werden, dass die in der Verordnung (Anm.: ArbStättV) gestellten Anforderungen erfüllt sind (Vermutungswirkung)."

Soweit, so gut. Aber: wie erfüllt man etwas, was man nicht erfüllen kann? vertikal

Wieso nicht? Das kann man schnell verstehen, wenn man versteht, was eine "vertikale" Beleuchtungsstärke ist:beleuchtungsstarken

Während es nur eine einzige horizontale Ebene gibt, die sich bestenfalls in der Höhe unterscheidet, gibt es unendlich viele vertikale Ebenen. Irgendwie dumm. Die Bearbeiter der Informationsschrift haben das gemerkt und versucht zu reparieren, indem sie die einst (in der BGR 131) vorhandene zylindrische Beleuchtungsstärke in die neue Schrift hinein geschmuggelt haben:zylindrisch

Demnächst in diesem Theater: Vorschriftenquiz: Wo ist die Ebene für zylindrische Beleuchtungsstärken?

Wer sie nicht findet, sollte sich keinen Kopf machen. Auch Fachleute finden sie nicht. Und wenn einer es doch schafft, wird er den Sinn der Sache nicht verstehen. Denn die einzelnen Beleuchtungsstärken aus den vier Richtungen addieren sich:berechnung-zylindrischDas soll man einem Fotografen weiß machen: Licht und Gegenlicht ergeben mehr Licht! Das stimmt schon irgendwie, aber nur, wenn man in dem eingezeichneten Zylinder Milch mit Licht aufwärmt.

Warum man in Betrieben dauernd Zombies begegnet

Wer sich wundert, dass ihm im Betrieb nur Kolleginnen und Kollegen begegnen, die wie Zombies aussehen, möge sich die folgenden Zahlen angucken. Selbst Mitmenschen, die im eigenen Arbeitsraum ganz passabel aussehen, können so einen Zombie ergeben:

verkehrszonen

Das sind die (Kenn)Zahlen, die die Qualität der Beleuchtung in den Fluren und Gängen von professionell genutzten Gebäuden beschreiben. Sie sind entnommen DIN EN 12464-1 und der fast identischen CIE S 008, also Normen, die für Europa und für den Rest der Welt gelten.

Was bedeutet 100? Das sind 100 lx 20 cm über dem Fußboden gemessen, horizontal. Im schlimmsten Fall steht der Kollege direkt unter der Leuchte, Kopf nicht einmal einen halben Meter tiefer und sieht aus eben wie Zombies mit tiefen Augenschatten und einer glänzenden Nase. Den noch schlimmeren Fall, Beleuchtung von unten, findet man zum Glück aus praktischen Gründen nur in bestimmten Bereichen. (So werden z.B. Hexen im Theater gemacht).

ugr-scaleWas bedeutet 28? Das ist die sog. "psychologische" Blendung. Für Büroräume gilt "19", und das ist zufriedenstellend für 47 % der fiktiven Benutzer. Was der Rest denkt, ist der Lichttechnik erst einmal egal. Was ist denn 28? Das lässt sich in gutem Deutsch schlecht ausdrücken. So wird die Zahl von der CIE kommentiert: Uncomfortable. Auf Deutsch: einfach störend. Ende der Skala.

Und die letzte Zahl 40? Das ist die Güte der Farbwiedergabe. Für Büros wird meistens 80 empfohlen, was für mich eine ziemlich miserable Farbwiedergabe bedeutet. (Wer es besser haben möchte, muss leider viel mehr Watt in die selbe Menge Lux stecken.) Was die 40 bedeutet, kann man wohl so schlecht demonstrieren, dass man in der Literatur keine prägnanten Bilder oder sonstige Abbildungen findet. Das liegt vermutlich daran, dass Lampen mit einer solchen Farbwiedergabe in Gebäuden unüblich sind. Daher zeige ich erst, wo die Lampen zu finden sind, die eine solche Farbwiedergabe ermöglichen (!)

ra

Wer in etwa einen Eindruck von dieser Farbqualität haben will, ist auf seine Fantasie angewiesen. Dazu muss man wissen, dass auch Ra von 100 nicht bedeutet, dass ausgeprägte gesättigte Farben so wiedergegeben werden wie bei Tageslicht. Bei Ra = 90 spricht man von einer sehr guten Farbwiedergabe, was man gelten lassen kann. Wenn der Wert bei 80 liegt, muss man wissen, dass der so hingebogen wurde, dass auch Dreibandenlampen noch ein "Gut" bekommen, obwohl sie die meisten Farben gar nicht so gut wiedergeben. Das kann aber kein Mensch nachvollziehen, weil die Testfarben nicht mehr verfügbar sind. Die waren wohl irgendwann mal in den 1960ern diesseits der Realität zu verorten gewesen.

Und ein Ra von 40 war etwas, wogegen sich mein Chef mit Händen und Füßen gewehrt hatte (s. hier). Offensichtlich hat er nur verhindern können, dass solche Leuchtmittel in Büros selber verbaut werden, aber nicht in Bürohäusern. Also, wenn man die genormte Qualität vom Licht auf den Fluren von Büros vorstellen will, muss man auf dem unteren Bild den Unterschied von CRI = 90 und CRI = 50 nach unten verlängern und ...

cri-comparison

Was man auch will, niemand wäre vermutlich imstande, sich ein Bild von der Flurbeleuchtung zu machen, die nur die geschriebenen Anforderungen erfüllen würde. Es lässt sich vermutlich auch kein Planer finden, der eine solche Beleuchtung entwerfen würde. Wenn - dann nicht mehr lange, denn bei einem solchen Referenzobjekt wäre es sein letztes Projekt gewesen.

Dennoch: Selbst wenn nur eine der "Qualitätsmerkmale" der Beleuchtung, Konzentrieren auf nur horizontale Beleuchtungsstärke, Beschränken der Blendung nur so weit wie erforderlich, Begrenzen der Farbwiedergabe auf die Fähigkeiten unterhalb der einer Quecksilberdampf-Hochdrucklampe, realisiert würde, entstünde eine Beleuchtung, deren Urheberschaft kein Lichtplaner gerne zugeben würde. Und solche Objekte gibt es zuhauf.

Ergo: Wenn Sie demnächst auf dem Flur einem Zombie begegnen, handelt es sich nicht um eine(n) verzauberte(n) Prinzen oder Prinzessin. Das Wesen könnte bei ordnungsgemäßer Lichtplanung tatsächlich zauberhaft aussehen.

Ist Deutschland doch eine Provinz von Absurdistan?

Doch Tageslicht auf deutschen Firmenklos? (siehe Bundesregierung streitet über Tageslicht in Firmentoiletten) Die Arbeitsstättenverordnung, auf der der Buddha gesessen hat, wurde endlich vom Bundesrat befreit. Dat weer ook Tied! Der, Buddha alias Altmaier, hatte sich eigenmächtig (?) darauf gesetzt, nachdem sich ein gewisser Herr Kramer beschwert hatte, dass Arbeitnehmern abschließbare Spinde als Recht zugewiesen würden und vor allem, weil alle Firmentoiletten eine Sichtverbindung nach Außen haben sollten. Gott verhüt´s! Sichtverbindung vom gemütlichsten Ort auf dem Planeten nach Außen bedeutet auch eine Sichtverbindung von außen zur gemütlichen Sitzung! Da gleich zwei Ministerinnen das Ganze heimlich vorbereitet haben sollten, protestierte Herr Kramer heftig über die Presse. Er ist nämlich nicht irgendein Kramer, sondern der leibhaftige Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Der oberste deutsche Arbeitgeber also. Und der war über die Entstehung der neuen Arbeitsstättenverordnung nicht informiert worden. Wie die Ministerinnen Ursula von der Leyen und Andrea Nahles (hier und dort) wohl haben ihn übergehen können? Nur in Absurdistan ist alles möglich. Daher hat der BDA-Präsident seinem Ärger Luft gemacht, indem er erzählte, er käme sich vor wie in Absurdistan. Recht hat er, meistens jedenfalls. Daher muss ich annehmen, dass auch Deutschland zum intergalaktischen Staat Absurdistan gehört. So war es auch den Pressemeldungen zum Thema zu entnehmen, deren schnelles Wachstum wir dokumentiert haben. (Von wegen Grimms Märchen, in denen ein Körnchen Wahrheit stecken soll. In der besagten Story steckte etwa ein halbes Körnchen und von der Wahrheit nicht einmal die Hälfte.) Am meisten hat sich der Vizefraktionsvorsitzende der Christlichen Sozialen (!) Union aufgeregt und den Vizekanzler öffentlich aufgefordert, Frau Nahles "bei diesem Irrsinn zu stoppen". Anscheinend hatte Frau Nahles fertig. An die Frau von der Leyen wagten sich die Kritiker nicht mehr, denn sie befehligt mittlerweile die drittgrößte Armee der NATO. (Wenn dies nicht ganz stimmen sollte, schwer bewaffnet sind die Ihrigen schon, auch wenn über deren Treffsicherheit sich trefflich streiten lässt.) 

Nu können sich die deutschen Arbeitnehmer freuen! Die vermutlich kürzeste, aber umso wichtigste Vorschrift kommt zurück: Die Sichtverbindung nach draußen. Die ist ein Alleinstellungsmerkmal des deutschen Arbeitsrechts - und wenn alle noch so laut schreien "Alle Politiker raus" und "Alle Gesetze auf die Müllkippe" - mit Ewigkeitswirkung. Wer nicht glaubt , dass ein gewisser Dr. Lammert, seines Zeichens der Präsident des Deutschen Bundestages, gestern in der Semper Oper die Wahrheit sagte, als er behauptete, dass Deutschland zwar nicht das Paradies auf Erden sei, aber von vielen Menschen dafür gehalten werde, hier ist der Beweis: Selbst Amerikaner beneiden uns wegen dieser Vorschrift. Und selbst die Dänen, die die heiligsten Sozialgesetze ihr eigen nennen, dürfen sich nur auf ihr Recht auf Tageslicht am Arbeitsplatz berufen, aber nicht auf eine Sichtverbindung zur Natur. (Na, ja, manchmal auf die verbaute bzw. versaute Natur)

Jetzt zurück zum Absurdistan. Dem BDA-Präsidenten war die Regelungswut der beiden Ministerinnen übel aufgestoßen. Stimmt, da sind jede Menge ganz neue Vorschriften in der ArbStättV, die vorher nie da waren. Stimmt voll und ganz, oder auch nicht? Die waren nämlich in der Bildschirmarbeitsverordnung und regelten z.T. die gleichen Dinge. Ein bürokratisches Unding! Ergo hat das Arbeitsministerium die beiden Verordnungen zusammengepackt. Das nennt sich Deregulierung - alle überflüssigen Vorschriften entfernen, vor Allem Doppelregelungen. Wer solche heilsamen Bereinigungen von Vorschriften verhindert, soll von mir aus König von Absurdistan werden. Aber wie soll man es nennen, die BRD zum Absurdistan auszurufen, weil nicht nur einer geschlafen hat? Vielleicht schlafen sie immer noch, weil sie denken, diese Vorschriften aus der ehemaligen BildscharbV könnte man so einfach weglassen. Dann hätten wir das nächste Verfahren der EU-Kommission am Halse. Die hatte nämlich diesbezügliche Vorschriften schon 1989 erlassen und geklagt, weil der deutsche Bundeskanzler so schlappe 7 Jahre für die Umsetzung eines Teils gebraucht hatte. Die EU-Arbeitsstättenverordnung gar musste bis 2004 warten, ehe das deutsche Arbeitsrecht entsprechend renoviert wurde. Das lag bestimmt nicht an der Überlegenheit des alten deutschen Rechts. Aber an dem neuen Bundeskanzler. Leider habe ich von dem keine Karikatur. (Man wird auch sobald keine bekommen. Der Herr hat einfach keinen Humor.)

Die gute Nachricht für die Beleuchtung ist, es gibt nicht mehr zwei Verordnungen, die Beleuchtung und Sehen regeln. Wenn wir Glück haben, gibt es eine neue ASR Beleuchtung. Die alte kann man nämlich nicht anwenden. Die schlechte Nachricht trifft die Bildschirmhersteller. Jetzt können sie nicht mehr Normen machen, in denen drin steht, dass Bildschirme ruhig glänzen dürfen, da die EU gesagt haben soll, dass man dann andere Beleuchtung vorsehen muss. (Wenn die wüssten, wie einer am Bahnhof denkt, wenn sein Handy die Straßennamen für sich behält, weil das Display glänzt.)

Da ich in vorauseilendem gehorsam die kommende ArbStättV schon 2015 kommentiert hatte, füge ich den Beitrag hier  (cua_15_01-arbstattv) ein. Fast alles dürfte weiterhin so bleiben. (Bitte in den nächsten Monaten CUA nach dem Nachfolgeartikel absuchen.)

 

Büroschlaf ist gesund

Setz´ ma´ Zahlen ein

20.05.2016

 
Wie viele Pleiten hätte man wohl vermeiden können, wenn man ein theoretisches Gebilde rechtzeitig nachrechnen würde, so mit echten Zahlen, soweit möglich. Es geht um Tageslicht und um den Spruch im Titel "Setz´ ma´ Zahlen ein". Der Spruch war in meinen Unizeiten ultima ratio, das letzte Argument, wenn wir beim Theoretisieren irgendwie ins Wolkige entfleucht waren. Dann sagte irgend ein Kollege eben diesen Spruch auf. Und alle kamen von der Wolke herunter.

Was das mit Tageslicht zu tun hat? Viel bis alles, was die Technik angeht. Dem Tageslicht selber tun solche Sprüche natürlich nicht weh. Es ist göttlich. Was der Ingenieur macht, ist hingegen bestenfalls profan, zuweilen unterirdisch. Es sei denn, der Ingenieur nimmt die antike Bezeichnung seines Metiers ernst: techne = Kunst, Gewerbe, Geschick, List, sogar Betrug. List und Betrug? Diese waren aber nicht böse gemeint, sondern in dem Sinne, dass der Techniker auch mal das Material oder die Natur listig verändert, so  wie man den Wind dazu benutzt, um gegen ihn zu segeln. Den obigen Spruch hörte ich das erste Mal aus dem Mund meines Doktorvaters, als ein russischer Forscher die Welt in Verzückung versetzt hatte mit der Vorstellung, Licht in Schläuchen in die Erde zu leiten. Die Architekten waren entzückt und träumten von unterirdischen Städten, die man mit Sonnenlicht versorgen würde.
 

Als der Russe auch die Anwesenden in einem Seminar beeindruckt hatte, fragte unser Professor, man möge doch mal rechnen. Das war Anfang der 1970er Jahre. Und der letzte Auftritt des russischen Wissenschaftlers in dieser Sache. Unser Chef sagte, die Solarkonstante bestimme das Maximum an Energie, das man bei günstigsten Bedingungen abernten könne. Und die betrüge 1367 W/m2 im Weltraum.  Tut es übrigens immer noch. Wenn man die Verluste einrechnet, kämen 1025 W/m2 bei Cirrusbewölkung und klarem Wetter heraus. Um eine Stadt zu beleuchten, müsste man einen riesigen Spiegel bauen, der die Energie einfangen täte. Den muss man aber ständig putzen. Als er die etwa erforderliche Größe des Spiegels vorrechnete, hatten viele Anwesende das Gefühl, die unterirdische Stadt wäre besser ohne Dach. Ob man die dann unterirdisch nennen darf? Ich denke, die Idee darf man auf jeden Fall so nennen.

Solarkonstante

Dieser Herr mit seiner Lichtschlauchidee war erst einmal erledigt. Aber die Idee nicht, denn sie ist viel älter als der russische Kollege und stammt aus einer kleinen Stadt aus der Schweiz, in der den Bürgern ein böser Streich gespielt worden sein soll. Solche Aktionen, böse Streiche zu Lasten von Bürgern,  sind zwar auch sonstwo üblich, aber diese Stadt hat es zu einer großen Berühmtheit gebracht. Die Idee hat ein Bürger eines benachbarten Kleinstaates auch mit vielen Alpengipfeln darauf weiterverfolgt. Dieser - der Kleinstaat - war nicht immer klein gewesen, und stand viele Jahre im Witzkrieg mit der Schweiz. Die Idee des Bürgers dieses Kleinstaates war ungewöhnlich groß: Man könne das Tageslicht ins Innere von Gebäuden leiten und so die wenig geliebten Arbeitsplätze im Rauminnern aufwerten. Dazu entwarf er monströse Spiegelkonstruktionen, die das Licht vom Fenster nähmen und ins Rauminnere brächten. (Bitte keinen Kommentar, ob dies als Kunst, Gewerbe, Geschick, List, sogar Betrug gemeint war.)
 

Die Idee passte gut zu der Zeit, weil die EU dabei war, die Energieeffizienz von Gebäuden durch Tageslichtnutzung fördern zu wollen. Damals hat keiner die Realisierungschancen gerechnet. Erst ma´ forschen … Doch einer, ein schnöder Kaufmann einer Versicherung, wollte etwas wissen, was anscheinend nur dumme Kaufleute interessiert: ROI, return on investment bzw. wie lange dauert es, bis ich mein investiertes Geld einspare, wenn ich sparen will? Der Mann war so dumm, dass er nicht merkte, was für ein Glücksfall ihm zu Füßen lag: Die Investition würde sich, kaufmännisch gesehen, in 42 Jahren lohnen. Die Gelächter vom Kaufmann und seiner Kollegen sollen bis Bad Godesberg zu hören gewesen sein, obwohl sich die Geschichte in der Nähe des Bonner Hauptbahnhofs abgespielt hat.

Unweit dieser Stadt, in Düsseldorf, kam der schlaue Bürger des kleinen Landes mit vielen Alpengipfeln darauf nicht bis zum Kaufmann durch. Er wurde durch die Mitarbeiter abgebremst, die gerochen hatten, wie der wundersame Lichttransport funktionieren soll: Man deckt etwa ein Drittel der Fenster zu, sammelt das Licht dort ein, und bringt es ins Rauminnere, wo freilich keiner sitzt. Dafür fehlt vorne ein Drittel des Lichts und der Ausblick ist wörtlich grottenschlecht. Die Mitarbeiter gingen zu ihrem Arbeitsdirektor und der rief bei mir an. Wir würfelten, ob wir einen doofen Kaufmann engagieren sollten oder besser einen Professor für Psychologie. Erledigt hat die Sache der Professor, denn Kaufleute sind so doof, dass sie sich nicht mit so einem Unsinn abgeben wollen. Seine Meinung nach dem Ganzen: Dem Mann, dem Bürger des Kleinstaates in den Alpen, muss das Handwerk gelegt werden. Leicht gesagt. Der Mann ist Ingenieur und techne heißt …Bitte nicht Betrug sagen, List kann ich mir gefallen lassen.
 

Danach soll der Bürger des Kleinstaates mit vielen hohen Alpengipfeln darauf einer Stadt - nicht der mit den Lichtsäcken - angeboten haben, eine echt unterirdische Einkaufspassage mit einem Heliostaten zu beleuchten. Das sind Dinger, die oben einen Spiegel darauf haben, den sie immer nach der Sonne drehen, so sie scheint. Deren natürliches Vorbild ist die Sonnenblume. Was dem Heliostaten fehlt, ist die Speicherwirkung. Die Sonnenblume speichert die Energie als Fett ab. Der Heliostat könnte seinen Strom in einem Akku speichern. Der müsste aber ziemlich groß sein, um ein Einkaufszentrum zu beleuchten. Außerdem müsste genügend Strom da sein. Man setze Zahlen ein: Wie groß muss ein Spiegel sein, der bei rund 1 kW je qm ein Einkaufszentrum mit Licht versorgt? Ich denke, die Rechnerei kann man sich sparen, wenn man sich die Prozessakten anschaut. Es war zappenduster im Einkaufszentrum, und der Ingenieur soll angeboten haben, mit einer Lampe nachzuhelfen. Die soll eine Leistung von 2 kW haben. Dann kann sich jeder vorstellen, wie so ein Einkaufszentrum ausschaut, das man mit 2 kW beleuchtet. Ich denke, es schaut überhaupt nicht aus.

Was bei solchen Spielerien herauskommen kann, lässt sich in Baunetz Wissen oder DEUTSCHES ARCHITEKTENBLATT lesen: "Lichtkamine fangen das Tageslicht ein und transportieren es weiter. Die Systeme werden dort eingesetzt, wo es sonst im Gebäude zu dunkel ist. … •    

  • Röhre bis 1 Meter: Es ist hell bis sehr hell. Das Licht ist ausreichend zum Arbeiten, Lesen und Wohnen.
  • Röhre 1 bis 2 Meter: Es ist hell, aber Lesen und Arbeiten ist nur direkt unter der Streulinse möglich.
  • Röhre 2 bis 4 Meter: Diese Länge macht Sinn bei Räumen völlig ohne Tageslicht, wo es ansonsten stockdunkel ist."

     

Da seinerzeit das Architektenblatt noch nicht im Internet war und Internet den meisten Leuten unbekannt, hat sich eine akademische Institution der Sache angenommen. Die kümmern sich immer um Dinge, für die es Forschungsmittel gibt. Während wir mit einer glorreichen Idee abblitzten, Lichtkuppeln optimieren zu wollen, bekam die akademische Institution Forschungsgelder, um einen Lichtschlauch zu untersuchen. Lichtkuppeln u.ä. gab es schon im Alten Rom, aber Lichtschläuche? Für Dinge, die man seit mehreren tausend Jahren baut, gibt es keine Forschungsgelder. Basta. Dummerweise war ich selbst von der Idee des Lichts im Schlauch begeistert, weil ich die Sache mit dem Russen schon lange vergessen hatte. Auch ein Kollege, der sagte "Setz´ ma´  Zahlen ein" vermochte nicht, mich aufzuwecken.

Erst Jahre später, als die Sache mit den 2 kW mir durch den Kopf ging, wurde ich wach. Also: Man fängt mit einem Spiegel die Sonne  (1 kW oder deren 2) ein und leitet die durch ein ganzes Haus. Wie viel Licht kommt in einem der 50 oder 100 Arbeitsräume an? Wieder duster! Also installieren wir viel mehr Spiegel auf dem Dach. Wie viele muss ich denn installieren? Und wie viele Schläuche muss ich durch das Haus ziehen? Der doofe Kaufmann würde wieder mit seinem ROI kommen. Was nützt mir ein Gebäude, wenn 10% davon mit Schläuchen gefüllt ist? Doch bevor der in die Sache einsteigt, kommt ein noch dooferer Lichtingenieur und rechnet vor, dass man vielleicht so vorgehen möge wie bei der Berechnung des Tageslichtquotienten. Will man 10% des Wertes außen haben, muss mindestens 10% des Tageslichts ungehindert in den Raum kommen. Oder 15% des Dachs muss offen sein. Ein Bisschen mehr, und man wohnt und arbeitet in einem Cabriolet. Und um die Sonne in einem ganzen Gebäude scheinen zu lassen, muss man so umme 50 m2 Spiegel auf dem Dach montieren und eine Menge Lichtschläuche verlegen. Ob da in dem Gebäude noch viel Platz für die Leute bleibt? 
 

Ob die Bevölkerung von Rattenberg immer noch unter Lichtmangel leidet, ist nicht bekannt (s. Statistik der Bevölkerungsentwicklung). Eigentlich war der dumme Schlossberg vermutlich noch vor den Menschen von Rattenberg da gewesen. Warum die ihre Stadt genau dorthin gebaut haben, müsste ein Historiker ergründen. Die Schweizer würden gerne mit einem Ösi-Witz antworten, gäbe es nicht die dumme Geschichte mit dem Licht in Säcken. Die stammt aus der Schweiz. Lassen wir lieber unseren Kaiser die Sache ergründen "Jo, mei …"

Rattenberg-Bevoelkerung

Anm.: Ein Satiriker, den ich gerne lese, hatte die Story von Rattenberg in den Orient verlegt, wo ein Sohn des Dorfes das Leben ohne Sonne nicht aushält und auswandert. Die Jungs des Dorfes beten morgens die Sonne hoch, die leider zu spät kommt. Als er Jahrzehnte später nach Hause kommt, weinen die kleinen Jungs immer noch der Sonne nach. Er, der Heimkehrer, packt die Spitzhacke und reisst das Vaterhaus nieder und baut es auf der anderen Seite des Berges auf. Die Nachbarn tun ihm nach, und das Dorf hat bereits morgens Sonne. Wenn man die Sache so löst, haben allerdings die Ingenieure aus dem kleinen Alpenland keine Butter auf dem Brot. Auch nicht mit List und …