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Lange aufgehalten - Jetzt nicht mehr aufhaltbar - Die Zukunft will kommen

Im Forum von HighLight 3/4 2018 findet sich unter dem obigen Spruch eine Zukunftsvision oder ein Menetekel, wie man gerade aufgelegt ist. Es heißt dort "Die Substitution herkömmlicher Lampen durch LEDs hat einen tiefgreifenden Wandel in der Branche nach sich gezogen. Denn nun buhlen auch Unternehmen aus der Halbleiterindustrie um Marktanteile." Wie schön zu lesen, dass meine alten Prognosen doch nicht so falsch gelegen haben (Osram wird Elektronik Bude von 2015).

Da gibt es noch ältere Prognosen, die da sagten: "„Der Wandel im Lichtmarkt von traditionellen Leuchten zu LED-Lampen habe sich weiter beschleunigt. Damit droht den Beschäftigten ein weiterer Stellenabbau über das laufende Programm hinaus.“ (dpa-AFX)  Das war vor etwa vier Jahren (hier). Wie wahr (geworden) . Leider. Aber in Deutschland, d.h. im besseren Teil von Deutschland, in Bayern, sollen demnächst 1000 Leute neu eingestellt werden. Wetten, dass das keine Lichttechniker sein werden? Oder "neue" Lichttechniker, die unter Chips nicht Cerealien verstehen?

Andernorts liest man "Der Osram-Vorstand muss entscheiden, wie er das marode Leuchtengeschäft wieder auf Kurs bringen will. Er prüft nun die Optionen – in aller Ruhe." (hier) Wir müssen zum Glück nicht darüber entscheiden, welchen Beitrag wir zu diesem "maroden Leuchtengeschäft" beigetragen haben, indem wir alle Jahre wieder die Kongresse der LiTG besucht haben, bei denen der Katalog der Firma verlesen wurde, die das jetzt als marode bezeichnete Geschäft betrieb. Damals war ich noch jung, schlief aber regelmäßig bereits zu Beginn jeder Sitzung ein. Der konsultierte Arzt bescheinigte mir, ich sei kerngesund. Das Einschlafen müsse andere Gründe haben. Hatte wohl auch. Der - einstige - Branchenprimus verhalf mit seinen Inhalten nicht nur den Kongressteilnehmern zu einem Tiefschlaf. Gesund war der allerdings nicht.

Mal sehen, wie das weiter geht mit Leuten, denen das Wort Schlaf recht fremd ist. Willkommen im Nerdistan! Die neuen Akteure essen Pizza, haben Pickel und keine Freundin. So jedenfalls einem üblichen Gerücht nach. Sie residieren auch nicht am Grünwalder Stadion sondern in Co-Working Spaces um den Globus. (Ach, ja. OSRAM seit ein paar Jahren auch nicht mehr.) Den Leuten sind offensichtlich auch solche Probleme wie Flicker fremd. Kein Wunder, die hatten schon die Altvorderen vernünftig gelöst, bevor ich mit dem Lichtstudium angefangen hatte. Auf ein Neues! 

In der Lichttechnik kehrt Ehrlichkeit ein

Pánta chorei kaì oudèn ménei
Heraklit

Es gibt eine schlechte Nachricht und eine sehr schlechte. Zuerst die schlechte: In der Lichttechnik wurde ein Verein "Lauterer Wettbewerb e.V." gegründet. Und die sehr schlechte: In der Lichttechnik wurde ein Verein "Lauterer Wettbewerb e.V." gegründet. Warum soll das so schlecht sein? Weil man solch einen Verein nicht braucht! Man ist ja über ein Jahrhundert ohne ausgekommen. So haben z.B. Lampenhersteller 1924 ein Kartell (Phoebus) nicht gegründet. Die Nichtgründung erfolgte in Genf. Es hat auch nie die Lebensdauer von Glühlampen auf 1.000 Stunden begrenzt und 100 Jahre Lichtingenieure nicht ausgebildet, die glauben sollten, dass die Zahl aus einer Optimierungsbetrachtung entstanden sei. Wie die Herren das Kartell nicht gegründet haben, kann man in der ARTE-Dokumentation "Kaufen für die Müllhalde" verfolgen (hier, ab Minute 2:30, aber der Rest ist auch empfehlenswert). Dort wird z.B. dargestellt, wie das Kartell monatlich Strafen für die Mitglieder berechnete, deren Lampen doch länger brannten als vereinbart.

Bei den Leuchtenherstellern war die Kartellbildung ungleich schwieriger. Es gab zu viele davon, war doch das Leuchtenbiegen ein gutes Geschäft seit tausend und mehr Jahren, auch wenn man damit eher das Backen von Ton gemeint hat. Da hilft aber, dass die Branche relativ klein ist und jeder jeden kennt. Wozu denn ein Kartell bilden, bei dessen Bildung oder später man erwischt werden kann? Also wozu muss es einen "Verein Lauterer Wettbewerb e.V." geben?

Den wichtigsten Grund hatte ein sehr guter Kenner der Branche, Prof. Wout van Bommel, seines Zeichens früherer CIE President und Chefentwickler der Firma Philips, auf einer Konferenz gegeben: Er bezeichnete LED als "Lügenlampe", nicht weil das Licht uns was vorschwindelt, sondern weil man keinem der Daten Glauben schenken kann bzw. soll. Die "objektiven" Messwerte können um den Faktor 3 falsch sein. Das ist zum einen der Tatsache geschuldet, dass die erforderliche Messtechnik noch "im Entstehen" ist. Und zum anderen, dass man mit den Daten "kreativ" umgeht.

Den gesamten Bericht kann man im Licht Heft 2/2018 lesen. Hier ein Highlight: Licht: "Ist unlauterer Wettbewerb im Lichtsegment stark ausgeprägt?" Vorstand des Vereins: "Ja und stark wachsend …" Dazu folgt warum. Durch den vielen Online Handel und Plattformen wie eBay oder Amazon. Dass die eigenen Mitglieder zur Misere beigetragen hätten? Nööö, sind alles weiße Engel.

Zum Thema Engel, hier ein Kracher: Licht: "Ist es nicht schwierig, Werte wie z.B. die Lebensdauer einer Leuchte oder Lampe juristisch anzufechten?" Vorstand Verein Lauterer Wettbewerb: "Nein. Juristisch gibt es zu den klaren gesetzlichen Bestimmungen eindeutige Urteile …" Wo ist der Kracher? Es gibt nur zu den klaren gesetzlichen Bestimmungen Urteile. Wenn Großverbraucher wie Bahn und Post Jahrzehnte ein eigenes Lampenlabor betreiben, weil den Angaben der Hersteller zur Lebensdauer nicht zu trauen ist? Ist klar. Wie klar ist es, wenn man so Lebensdauerangaben wie hier macht: L80B10C20? Will sagen: wenn das Ergebnis 50.000 h ist, haben 10 % danach 80% des Lichtstroms und 20% weilen in den ewigen Jagdgründen. Wenn ich in einem Array 100 LEDs habe, wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei dem Ding alle 100 beisammen leuchten?

Die Super-Formel L80B10C20 ist leider, leider auch nicht die einzige, die man benutzt. Vor Jahren hatte ich festgestellt, dass Philips und Osram jeweils eine eigene benutzten und deren Verband eine dritte. Man stelle sich die Doofen vor, die bei dieser klaren Sachlage 1.190 € + MWSt + Reisegeld (Düsseldorf Hilton) ausgeben und zwei Tage vor Ort opfern, um die Veranstaltung "Lebensdauer und Zuverlässigkeit in der LED-Beleuchtung" zu besuchen. (hier). Wer den Nachweis braucht, dass die nicht doof sind, kann hier lesen warum. Zu den Super-Doofen gehörte ich ebenso wie ein sehr erfahrener Planer. Wir beide, beide mit einem Doktor-Titel in dem Metier, glaubten an eine bestimmte Formel für die Berechnung von Lampen. Denkste, man hatte die geändert, ohne viel Aufhebens zu machen. Selbst der amtierende und gewesene Umweltminister, die damals Werbung für die Energiesparlampe machten, wussten nichts davon.

Noch lustiger wird es, wenn man die Angaben zum Lichtstrom ansieht. Seit Ewigkeiten plant der Lichtplaner nach den Katalogangaben und schlägt 10% darauf, weil den Katalogangaben nicht zu trauen ist. Seit jeher ist der Lichtstrom ein Geheimnis der Hersteller. Nu wissen wir, dass die einen Verein für den lauteren Wettbewerb gründen mussten, weil sie von anderen schwarzen Schafen bedrängt werden. Aber das Lichtgeschäft birgt noch viel mehr dunkle Geheimnisse. Hier etwas, was bestimmt keiner dachte, außer dass er im Keller Omas alte Bettlampe gefunden hat:

Was denn Nu? OSRAM weg oder nicht?

Nicht lang ist es her. Da hatte ich geschrieben: OSRAM muss weg! (hier) Gemeint war der Herr, der für den FC Bayern München nicht gut genug war, weil er nur das Triple geschafft hatte. Was hätte er sonst noch an Pötten holen sollen? Etwa den Intergalaktic Cup? Gnadenlos ersetzte man ihn durch ein Mannsbild, das nie einen roten Kopf kriegt, weil er alles erreicht, was zu erreichen ist. Sagen wir mal, häufig. Da er doch nicht alle Töpfe holte, die zu holen waren, ist er entfleucht und wurde durch einen smarten Italiener ersetzt. Der wiederum erwies sich doch nicht so anziehend für die Pötte. Zuletzt gab es ein 0:3 Klatsche in Paris. Und Nu war der auch weg. Da besann sich der Vorstand auf OSRAM. Der kommt wieder.

Der Namensgeber, Osram, war einst gut erzogene Tochter von AEG, Siemens und Int. GE, International General Electric, also von feinsten Eltern. Nach vielen erfolgreichen Jahrzehnten, die nicht zuletzt durch Kartellbildungen wie Phoebus zum Wohlergehen beitrugen, war der Niedergang Anfang der 1970er Jahre eine ziemlich klare Zukunftsaussicht. Der klare Anfang vom trüben Ende, dem Greifen nahe in 1976, wurde 1978 gestoppt, indem Siemens die in die Jahre gekommene Tochter ganz übernahm. Die AEG hat es noch ein paar Jahre überlebt. Für OSRAM kam der Aufschwung, nachdem die Mutter alle Führungskräfte, die nicht zu führen wussten, absägte. Das waren so ziemlich alle FK. Das Leuchten mussten die anderen überlassen.

In dem fein gesponnenen Netz der Elektroindustrie spielte OSRAM den Platzhalter für Leuchtmittel. Allein leuchten durften die aber nicht. Die erforderlichen Leuchten kamen meist aus den Siemenswerken in Traunreuth. Man wähnte sich Kerngeschäft des Konzerns. Nicht mehr sehr lange, denn die Mutter beschloss eines wunderbaren Tages, die Leuchten leuchten sein zu lassen. Die Firma wurde SiTeCo benannt und verkauft. Nu war OSRAM ziemlich allein und durfte doch ein bisschen Leuchte um die Leuchtmittel herum bauen. Dann aber kam der Tag, an dem OSRAM den Leuchtenhersteller kaufen durfte. Und sie waren wieder unter dem Dach der Mutter, allerdings mit vertauschten Rollen.  

Als dann ein neuer Stern am Leuchtmittelhimmel zu (be)leuchten begann, die LED, schien nach außen, im Leuchtmittelhimmel sei der Jahrmarkt ausgebrochen. Doch die Mutter präsentierte eine Überraschung: OSRAM wurde den Aktionären verschenkt. Möglichst schnell weg. Und fast auf den Tag genau, als FC Bayern OSRAMs Rückkehr verkündete, stand in den Wirtschaftsblättern:

Erleichtert? Ich verstehe erst mal nichts. Denn hinter mancher Meldung konnte man lesen, der Kurs der OSRAM-Aktie hätte sich seit der Trennung von der Mutter verdreifacht. Stimmt fast genau. So ein schönes Pleiteunternehmen möchte ich auch mal geschenkt haben.

Schlaflos durch die Nacht - Wer hat das gemacht?

Die heutige Meldung über Deutschland ohne Schlaf zielt nicht auf die Fans von Helene Fischer, die atemlos zuhören, wenn sie singt, oder beim Anblick ihrer Bilder den Schlaf vergessen, wenn sie nicht gleich in Ohnmacht fallen. Es geht um germanus simplicus, also um Herrn und Frau Mustermann, die schlecht schlafen. Deren Zahl hat in den letzten sieben Jahren um 60% zugenommen.

Neu ist die Erscheinung indes nicht. Sie hat in der Urzeit der Menschheitsgeschichte angefangen, als die Uhrzeit nur bei Sonnenschein ablesbar war. Man wollte aber auch in der Nacht etwas sehen - und erfand das künstliche Licht. Der Sage nach war es Prometheus, der den Göttern das Feuer stahl und den Menschen schenkte. Seitdem muss er leiden. Und die Menschen? Das elektrische Licht hat denen den sozialen Jetlag gebracht. Das ist die Differenz zwischen der Körperzeit eines aufwachenden Menschen und der Zeit, zu der er aufwachen muss. Nach Chronobiologen beträgt sie in Westeuropa ca. 2 Stunden. Das Licht, das wir am Tage in unbegrenzten Mengen genießen können, wird in der Nacht zum Stressfaktor - auch wenn wir es mögen. Je stärker wir die Nacht zum Tage machen, desto stärker nehmen also die Schlafstörungen zu. 

Mancher Bürger dieses Staates könnte ja auch etwa gleichermaßen zugenommen haben, aber das nebenbei. Warum schlafen Arbeitnehmer schlechter als früher? Darauf hat die ARD einige Antworten:

Büroschlaf ist gesund

Lärm in der Nacht? Stimmt bestimmt. Stress in der Familie? Ganz bestimmt. Stress am Arbeitsplatz? Stimmt auffällig! Doch warum denn 60% Zunahme in nur 6 Jahren? Da fiel mir der selige John Ott ein, der Erfinder der True Light. Zwar hat die Industrie sein Licht unter den Scheffel gestellt, aber selber Lampen verkauft, die Biolux oder so heißen. Ott´s Theorie hörte sich abenteuerlich an wie meine Erklärung zum Nicht-Schlaf in Germanien: Die Aufruhr der Jugend Ende der 1960er Jahre sei auf das unsichtbare Flimmern von Fernsehern in den USA zurückzuführen. Zehn Jahre später, die Fernseher sind besser geworden, und die AMi-Jugend nicht mehr so aufsässig. Vielleicht lag es eher daran, dass der Vietnam Krieg zu Ende war und Joan Baez und Bob Dylan etwas älter? Man soll ja nicht jede Theorie gleich verdammen, vor allem, wenn sie selber braucht.

Meines Erachtens kann die Schlafstörung mit Licht zusammen hängen. Denn seit mehr als 25 Jahre haben Forscher in unterschiedlichsten Ländern ermittelt, dass schlechtes Licht am Arbeitsplatz die Qualität des Schlafs beeinträchtigt. Wer sucht, findet viele Zeugnisse. Was hat sich aber seit 2010 so dramatisch verändert?

Erst mal etwas, was man nicht gleich unter Beleuchtung verbucht: Bildschirme. Diese sind viel größer geworden, viel heller und werden jetzt mit LED beleuchtet. Ihre Lichtfarbe ist blauer als einst. Und blaues Licht soll laut Philips und Osram den Menschen so anregen, dass man gleich alle Schulen und Altersheime damit pflastern will. Zudem sind diverse neue "Bildschirme" in Erscheinung getreten, die früher kleiner waren, anders beleuchtet und vor allem, viel viel seltener benutzt. Die Nachfolger von Handies mit kleinen Displays. Smartphones, erfunden etwa 2007, haben die Welt im Handstreich erobert und verfolgen uns bis dahin, wo der Kaiser zu Fuß hingeht. Dass die Monitore den Hormonausstoß des Körpers beeinflussen, hat ein Schweizer Institut im Auftrag eines deutschen Instituts nachgewiesen.

Schweizer Studie von Ahmet Cakir bei Vimeo.

Was haben die Gerätchen mit der Beleuchtung gemeinsam? Sie, die Beleuchtung und auch die Autos und Verkehrsschilder werden mit LED bestückt. Alle haben gemeinsam, dass das Licht nicht stetig ist, sondern scharf abgehackt. Für das stehende Auge geben sie flimmerfreies Licht ab. Dummerweise stehen die Augen nur still, wenn einer tot ist. Bei allen lebenden Menschen - und auch Tieren - vollführen sie Bewegungen, um die Umwelt zu erfassen. Was dabei so alles entstehen kann, steht hier zu lesen (hier und dort)

Da wirkt sich zeitlich veränderliches Licht mehr oder weniger heftig aus. So haben wir z.B. vor ein- und demselben Modell eines Monitors Leute erlebt, die ihn als flimmerfrei bezeichnen, während andere zu 35% eine erhebliche Störung erleben. Der Unterschied lag in dem Zwang, ständig auf dem Bildschirm was suchen zu müssen (s. auch hier LED und Krätze). Die Monitore, die zu Ott´s Zeiten die Jugend aufgestachelt haben sollen, wurden bei unseren damaligen Studien zu etwa 10% beanstandet. Zu sehen war das Flimmern für fast alle - die Apparate hießen ja nicht ohne Grund Flimmerkisten. Die heutigen sind viel gefährlicher, weil sie ihre Sünden besser verstecken. Wenn man aber die Hirnströme der Menschen anzapft, sieht man, wie Licht und vor allem Lichtwechsel - Flimmern - unser wichtigstes Organ beschäftigen. Leider nicht mit etwas Vernünftigem. So kann Stress entstehen.

Hier langsam mit Mitschreiben:

  • Wir benutzen Bildschirme, die unsere Körperrhythmen nachweislich verändern, und zwar so, dass man aktiviert wird auch wenn man schlafen gehen wollte.
  • Unsere Umgebung ist beleuchtet mit Licht, das das bewegte Auge als Flimmern erfasst.
  • Die Störungen der Hirnströme lassen sich messen.
  • Wir benutzen den ganzen lieben Tag Informationsmittel, deren Licht das Gehirn beeinflusst, der Inhalt sollte es aber eher sein.
  • Und wenn sich die Erregung auf den Inhalt zurückführen lässt: Wir beschäftigen uns ständig mit Informationsaufnahme.

Babylux, Papalux, Opalux oder gendergerecht Babylux, Mamalux, Omalux

 

Der Laie flucht, der Experte sucht den Bösewicht: Warum blenden die neuen Scheinwerfer mit LED so schlimm? Selbst Kinderfahrräder blenden am Tage. Mancher Radfahrer fährt ohnehin als Weihnachtsbaum blinkend durch die Gegend. Früher blendeten nur die "Drängler", die sich die teuren Xenonscheinwerfer leisteten. Heute womöglich alle. Der Verband der Augenmediziner hat die Oldies als Ursache ausgemacht: Dass sich viele Leute im Straßenverkehr geblendet fühlen, liegt demnach am Alter der Verkehrsteilnehmer. Richtig so. Sollen wir alle über 60 aus dem Verkehr ziehen, damit die freien Bürger freies Schussfeld vor ihren Scheinwerfern haben?

Scherz beiseite. Das Thema ist "aktenkundig" und wurde z.B. bei Lux Junior 2013 vorgetragen. Fazit: "Der Beitrag zeigt, dass die aktuelle Bewertung lichttechnischer Komponenten im Automobilbereich nicht die tatsächlich resultierende Blendung erfasst. Die angeführten Literaturquellen in Verbindung mit den Ergebnissen aus durchgeführten Voruntersuchungen verdeutlichen, dass ein Scheinwerfer ein wesentlich höheres Blendpotential aufweisen kann, als durch die gesetzeskonforme Abnahme ermittelt wird." Die armen Autoren! Sie wissen nicht, dass der Verkehrsminister von der CSU ist. Bis der reagiert, gibt es Lux Senior 2033.

Neue Erkenntnis? Nö! Wusste man schon anno tobak. Ich weiß nicht mehr genau, wann die Gesetze und Vorschriften der BRD zum Thema Kfz-Beleuchtung erstellt wurden. Aber bereits 1973, als ich mich genau damit beschäftigen musste, gab es die x-te Änderungsverordnung zur y-ten Fassung des Paragraphen so und so. Die ältesten davon waren wohl in der Weimarer Republik geschrieben worden. Es waren die Chaosjahre der Straßenverkehrordnungen der Welt. Die Deutschen fuhren Autos mit Scheinwerfern von Hella, bestückt mit Zweifadenlampen von Osram, die aber in den USA verboten waren. Deswegen mussten die Autos, die man in den USA verkaufen wollte, auf amerikanische Scheinwerfer umgebaut werden, die mit sealed beam ausgestattet werden mussten. Die haben zwar schlimmer geblendet als die europäischen. Aber Vorschrift ist eben Vorschrift. Am schlimmsten hat es die Franzosen erwischt. Denn ihre Autos mussten gelbes Licht haben. Einem Gerücht zufolge, das man für eine wissenschaftliche Erkenntnis hielt, erhöht gelbes Licht die Sehkraft. Ginseng Wurzeln auch. Der Unterschied ist, dass Frankreich mit Hilfe von derart begründeten Normen die Konkurrenz vom Halse hielt. Und das ist kein Gerücht. Die schlimmste aller elektrischen Verbindungen, das Scart-Kabel, ist Ergebnis solcher Bemühungen. Man sah ihm nicht an, was es verband, man fummelte zuweilen stundenlang hinter dem Fernseher herum, der vor der Wand stand, und hatte am Ende doch die falsche Verbindung hergestellt, wenn überhaupt. Mit dem gelben Licht haben sich die Franzosen aber ein Bein gestellt. Die schöne Große Citrone mit mitlenkenden Scheinwerfern musste für die USA regelrecht verunstaltet werden.

Allen diesen Bemühungen lag zugrunde, dass man die Blendung des Gegenverkehrs verringern wollte, aber für den Besitzer der Scheinwerfer möglichst viel Sehleistung erzeugen. Eine Quadratur des Kreises oder eher Kubatur der Kugel? Egal. Problem ist, wie man so etwas schafft. Da ganz weise Kollegen aus dem Südwesten der Republik ermittelt hatten, dass die Blendung eine Funktion der Lichtstärke sei, begrenzte man die Lichtstärke der Scheinwerfer in Abhängigkeit der Höhe über dem Boden. Damit ist auch die Beleuchtungsstärke in einer bestimmten Entfernung begrenzt. Und die misst man. So heißt es in der StVZO (für Legastheniker Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung) §50: "Die Blendung gilt als behoben (Abblendlicht), wenn die Beleuchtungsstärke in einer Entfernung von 25 m vor jedem einzelnen Scheinwerfer auf einer Ebene senkrecht zur Fahrbahn in Höhe der Scheinwerfermitte und darüber nicht mehr als 1 lx beträgt." Aber davor steht unter (5): "Die Scheinwerfer müssen bei Dunkelheit die Fahrbahn so beleuchten (Fernlicht), dass die Beleuchtungsstärke in einer Entfernung von 100 m in der Längsachse des Fahrzeugs in Höhe der Scheinwerfermitten mindestens beträgt
...
1,00 lx bei anderen Kraftfahrzeugen.

Das ist es. 1 Lux! Und wie erzeugt man das? Dazu braucht man - klar - eine leuchtende Fläche mit einer bestimmten Helligkeit und Größe. Dabei ist es egal, wie groß jeder der beiden ist. Es kommt auf das Produkt an. Bei einer vorgegebenen Helligkeit (z.B. Glühlampenfaden in alten Scheinwerfern) muss die Fläche eine bestimmte Größe erreichen. Ist die Helligkeit viel größer, darf die Fläche viel kleiner werden. In gutem Deutsch: Die Beleuchtungsstärke an einem bestimmten Punkt wird durch das Produkt der Leuchtdichte und der Größe der leuchtenden Fläche bestimmt.

So weit, so gut. Wo liegt das Problem mit der Blendung? Mit Lux oder Lichtstärke kann man nur die sog. "physiologische" Blendung vorhersagen. Die empfundene Störung heißt aber "psychologische" Blendung, und die steigt mit dem Quadrat der Leuchtdichte, während die Lichtstärke nur mit der einfachen Potenz zunimmt. Reduziert man also die Fläche eines Scheinwerfers und erhöht dessen Leuchtdichte im gleichen Maße, steigt die Blendung überproportional an.

So weit die Lichttechnik als Erklärung für die gestiegene Blendung. Dummerweise ist die aber nicht die einzige Erklärung. Dummerweise … sind Autos keine Objekte, die im Regal stehen, sie fahren auf Straßen. Und Straßen sind weder eben noch schön glatt, so dass sich die Scheinwerfer bei einer Bewegung mitbewegen. Da kommt es auf die Bündelung des Lichts an. Ist diese so unvollkommen wie bei alten Scheinwerfern, macht es nicht viel aus, dass das Auto etwas schwingt. Sind die Schweinwerfer aber nahezu perfekt gebündelt, ändert sich die Blendung bereits bei kleineren Bewegungen. Das ist dem Gesetzgeber schon seit langem bewusst gewesen, Deswegen wurde die Verwendung von "Dränglerlicht" an technische Bedingungen geknüpft:

"(10) Kraftfahrzeuge mit Scheinwerfern für Fern- und Abblendlicht, die mit Gasentladungslampen ausgestattet sind, müssen mit
1. einer automatischen Leuchtweiteregelung im Sinne des Absatzes 8,
2. einer Scheinwerferreinigungsanlage und
3. einem System, das das ständige Eingeschaltetsein des Abblendlichtes auch bei Fernlicht sicherstellt,
ausgerüstet sein."

Daraus kann man ablesen, dass allein die Verschmutzung der Scheinwerfer ein Risiko darstellt. Zudem muss man zu den gut gebündelten Scheinwerfern für das Fernlicht das Abblendlicht zuschalten, weil sich sonst ein schwarzes Loch vor dem Auto breit macht. Und wie sieht es mit der Regelung für LED-Scheinwerfern aus? In der StVZO habe ich dazu nichts gefunden. Dabei haben die LED-Scheinwerfer die mit Xenon schon 2005 überholt, jedenfalls, was die Helligkeit angeht. Wenn also einem ein gut begüterter, Pardon beleuchteter, Autofahrer entgegen kommt, hat man es nicht nur mit einem Paar Scheinwerfer zu tun, sondern zwei. Wenn der vorbei ist, fällt man in ein schwarzes Loch. Das ist schlimmer als psychologische Blendung, nicht nur psychologisch gesehen. Man könnte es auch eine Verkehrsgefährdung nennen. Oder man sollte es.

Also gibt es neue Aufgaben für Herrn Dobrindt, denn die LED blenden mittlerweile bereits am Tage. Das haben nicht nur die Laien gemerkt, sondern auch Fachleute. Der Augenarzt hat nicht nur das Problem geschildert, sondern auch gegen welche Vorschriften die Kfz-Laternen verstoßen: "The Convention Concerning the Power of Authority, The Law in Respect of the Protection of Infants (969), The Obligation of Protection, The Principle of Equality, The Declaration of Human Rights (948) Article Three, The Laws of Logic, Public Ethics and Morals." (der gesamte Artikel hier). Allerdings scheint die Politik - bzw. die Bundesregierung - ziemlich unbeleckt von Problembewusstsein. Auf eine Anfrage von Abgeordneten (– Drucksache 17/2042 – ) antwortete die einst so:
"Helle Scheinwerfer führen zwar zu einer verbesserten Sicht des Fahrers, andererseits kann für entgegenkommende Fahrzeughalter, Radfahrer, Motorradfahrer und Fußgänger durch Blendung die Sehfähigkeit vermindert werden. Dies kann zu gefährlichen Situationen und Unfällen führen.
1. Über welche Kenntnisse verfügt die Bundesregierung über verkehrsgefährdende Blendwirkung von Leuchtdioden an Fahrzeugen beim Tagfahrlicht?"
Und unsere Regierung?: "Wissenschaftliche Erkenntnisse oder Forschungsberichte zur Blendung durch Tagfahrleuchten mit Leuchtdioden sind der Bundesregierung nicht bekannt. " Mein Name ist Hase.

Etwas muss ihr schon bekannt sein, denn die nächste Frage hat sie fachmännisch (bzw- frauisch) beantwortet:
"2. Wie bewertet es die Bundesregierung, dass sich zunehmend Verkehrsteilnehmer durch starke Lichteinwirkung von Leuchtdioden geblendet fühlen und dadurch im Straßenverkehr verunsichert werden?" Antwort: "In der Wissenschaft wird unterschieden zwischen physiologischer und psychologischer Blendung. Die physiologische Blendung setzt die Sehleistung des Auges herab. Bei der psychologischen Blendung wird eine Blendungserhöhung empfunden, die nicht messbar und individuell verschieden ist. Verkehrsteilnehmer können sich geblendet fühlen, ohne dass dies zu einer verringerten Sehleistung führt. Die Unannehmlichkeit der psychologischen Blendung für Einzelne führt jedoch zu einem früheren „Gesehen werden“ von Fahrzeugen mit Tagfahrleuchten und damit zur Erhöhung der Verkehrssicherheit. " Langsam zum Mitschreiben: Uns ist es sch..egal, wie sich andere fühlen. Der Autofahrer will früher gesehen werden. Und das erhöht die Verkehrssicherheit. Von wem eigentlich?

Ja, unsere Bundesregierung kann ja nicht alles wissen. Ihr sollte aber bekannt sein, dass die Strahlenschutzkommission (SSK) im Jahre 2006 sie aufgefordert hat, was zu tun (s. Bericht "Blendung durch natürliche und neue künstliche Lichtquellen und ihre Gefahren", im Bundesanzeiger veröffentlicht). Dass die "psychologische" Blendung nicht messbar sei, ist ausgemachter Unsinn. Wahr ist, dass ein Zollstock dazu nicht ausreicht. Ein Luxmeter auch nicht. Und dass man sie außer Acht lassen darf, dürfte sich spätestens mit der Veröffentlichung von CE Regulation 98 "Uniform provisions concerning the approval of motor vehicle headlamps equipped with gas-discharge light sources" in 2012 erledigt haben.

Die Antwort stimmt nicht einmal halb: Die (frühere) Sichtbarkeit des Autos wird mit hellen Scheinwerfern erkauft. Und diese verhindern, dass andere Verkehrsteilnehmer überhaupt gesehen werden. Wer vor sich oder im Rückspiegel die hellen Scheinwerfer sieht, ist anschließend blind. Zwar nicht für immer, sondern nur für einige Zeit, je nach Alter. In der Zeit legt ein alter Porschefahrer etwa 100 Meter zurück. Müssen wir die Alten aus dem Verkehr ziehen, bis die Wirtschaftskommission für Europa ECE eine Lösung findet? Den Alten die Porsche wegnehmen, wäre auch eine Lösung. Leider gibt es keine Enten mehr, und die lahmsten Familienkutschen kommen lässig über 140 km/h.

Wenn die Regierung denn eine Lösung finden will, sollte sie bereits die Basis der Zulassungsvorschriften aus dem Verkehr ziehen. Denn 1 Lux kann je nach Alter ganz unterschiedlich groß ausfallen, vor allem, wenn das Licht jede Menge blau enthält. Denn Licht ist nach der Augenempfindlichkeit bewertete Strahlung, und Kinderaugen haben eine andere als die von Erwachsenen, wovon die jüngeren wiedrum eine andere haben als die älteren. Die Basisfunktion (V-Lambda genannt) ist eine etwa 100 Jahre alte Kurve, die nur für jugendliche Männer gilt. Daher die obigen Bezeichnungen Babylux, Papalux, Opalux. Ob sich Mamalux und Papalux unterscheiden, außer dass der Genderbeauftragte darauf besteht? Ich denke mal ja, weil Frauen Farben anders sehen (s. hier). Das hatten wir in 2015 thematisiert, worauf sich der Autor der Studie meldete und die Unterschiede erklärte (sein Beitrag hier). Danach ist bei Frauen die Anzahl der Stäbchen und Zapfen anders als bei Männer und auch die Verteilung der 3 Arten der Zapfen.

Übrigens, so lustig ist das Ganze nicht immer, wenn man das Problem nicht begriffen hat. Nach Untersuchungen, die mir leider entfallen sind, sollen Babies im Krankenhaus erblindet sein, weil sie auf dem Rücken lagen und der Beleuchtung voll ausgesetzt waren. Und Menschen in der Arbeitswelt haben sehr häufig Probleme mit der Beleuchtung, weil diese nur die jüngeren Menschen berücksichtigt. Besonders krass und gefährlich kann es im Straßenverkehr werden, weil hier das Auge mehr als voll beansprucht wird. Wir fahren in der Nacht ständig weit unterhalb der vollen Leistungsfähigkeit der Augen mit Geschwindigkeiten die zu meiner Jugend nur Formel-1 Wagen vorbehalten waren. Die Leuchtdichten der LED können sich mit der Sonne messen. Und von der weiß man, wie sie blenden kann.

Wem das zu viel wird mit Babylux, Mamalux und Papalux: Es ist zwar wahr, dass wir nur 1 Kfz-Beleuchtung haben können und auch nur 1 Straßenbeleuchtung. Man kann - eher muss - aber immer diejenige Gruppe verstärkt berücksichtigen, die entweder mehr Schaden davon trägt oder mehr Schaden verursachen kann. Gleiches Licht für alle Volksgenossen - das war einst.