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Wunderbare Nachrichten für die überlebenden Insekten

14.06.2024
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Heute las ich im Berliner Tagesspiegel eine wunderbare Nachricht, die alle Insekten freuen wird, so sie noch leben. Sie berichtet, ein Forschungsteam vom Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) habe zusammen mit dem Berliner Leuchtenproduzenten Selux auf die jeweilige Straße abgestimmte LED-Lampen entwickelt. Diese seien aus der Distanz praktisch unsichtbar und würden keine Insekten mehr anlocken. Sehr erfreulich.

Beim Lesen der Meldung habe ich an die Methode gedacht, mit der die Forscher festgestellt haben, dass keine insekten angelockt werden. Sie haben die angelockten Insekten gezählt und praktisch keine gefunden. Könnte auch daran liegen, dass kein Insekt mehr vorhanden war, der den Verlockungen des Lichts folgen könnte. Wollen wir das Beste hoffen.

Meine früheren Erfahrungen zeigten deutlich, was für ein Massaker das Licht in der Nacht anrichtet. Dieses Bild hatte ich in einem Hafen in Griechenland gemacht. Heute kann man es wohl nicht mehr machen, der Hafen ist praktisch frei von Fluginsekten. Auch die Lampen von meinem verein am Wannsee in Berlin sind praktisch frei von Insektenleichen. Früher flog nachts immer eine Wolek um die herum.

Entdeckt hatte ich die Sache etwa 2014, als meine Windschutzscheibe nach einer langen Fahrt insektenfrei war. Früher standen an jeder Autobahnraststätte Batterien mit Eimern und Kratzern für die Windschutzscheibe, die alle 200 km gereinigt werden musste. Die Motorhaube konnte nicht gekratzt werden, daher wurde sie zu Hause mit einem Spezialreiniger von ihrem Dasein als Insektenfriedhof befreit.

Heute scheint das Problem dahinten in der fernen Türkei angekommen zu sein. Diese Karikatur stammt aus einer türkischen Facebook-Seite. Sie ist lustig gezeichnet, ist aber nicht lustig. Bis ich dieses Bild sah, dachte ich, das Problem bestehe nur in Deutschland, wo nach einer Studie, eigenständig erarbeitet von Mr. FDP Himself, dem Vorsitzenden Christian L., schnelleres Fahren auf der Autobahn keineswegs zu einem Mehrverbrauch an Treibstoff führe. Er hatte festgestellt, dass sein Porsche 911 SC bei 200 km/h viel weniger verbraucht als ein Volvo FH16 bei nur 100 km/h. Aber dort in der Türkei fahren eher Volvo Trucks denn Porsche, und die Zahl der Autos ist viel geringer.
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Von dem heute veröffentlichten Projekt hatte ich  bereits am 18. September 2019 berichtet (hier). Auch damals hieß es: "Die übriggebliebenen Insekten von Deutschland können sich freuen: …" Aus aktuellem Anlass noch einmal der Bericht von damals:


Was mögen die zukünftig noch zu installierende Lampen gegen die Lichter bringen, die sinnlos den Himmel anstrahlen? Die Bilder rechts sind schon 10 Jahre alt und zeigen, was eigentlich nicht sein darf. Sie hängen an der Brücke über dem Bosporus, die einst so beleuchtet wurde, dass die Schifffahrt ohne Blendung fahren konnte. Dem Volk hatte die Regierung vor dem Bau versprochen, die natürliche Schönheit des Bosporus würde erhalten bleiben. Und dann das!

Ich bin gespannt, wann die etwa 9.000.000 Straßenlaternen in Deutschland, die sich jede Nacht den Mast in den Bauch stehen, um ein paar Fußgängern heimzuleuchten, aus einiger Entfernung nicht mehr zu sehen sein. Allerdings werden gerade diese nicht allzu glücklich, denn die Funktion der Straßenbeleuchtung ist eigentlich irrelevant gegenüber der Signalwirkung der Leuchten. Und diese entfällt. Da wäre es vielleicht besser, eine noch ältere Idee aufzugreifen (hier). Sie stammt aus dem alten Rom. Wenn jemand nachts seine Geliebte aufsuchen wollte, bestellte er den Laternarius. Dieser führte ein Lichtlein. Damit konnte man sicher zum Ziel gelangen. Die moderne Version davon funktioniert elektronisch. Die Straßenlaternen leuchten dann, wenn einer ihr Leuchten benötigt.

An sich sehr praktisch: Die Laternen warten zwar immer noch am Straßenrand, aber nicht in voller Pracht. Ein Bewegungsmelder sorgt dafür, dass Licht wird, wenn einer kommt. Fiat lux. Bekanntlich reagieren diese Dinger auf Körperwärme, sodass Dracula immer noch seine Nacht unentdeckt genießen kann. Wer reglos herumsteht, wie ein Ofen, wird auch nicht registriert, z.B. Clochards, die auf einer Parkbank schlafen. Liebespärchen auch nicht, sofern sie sich nicht regen. Ob der moderne Laternarius das Licht proportional zur Regung steuert, steht nicht in der Zeitung. Finstere Gestalten, die auf nächtliche Jagd gehen, müssen sich cool anziehen, wollen sie nicht entdeckt und angeleuchtet werden. Polaranoraks würden z.B. helfen.

Nur den Insekten ist garantiert gedient. Bis sie nämlich auf die Idee kommen, dass es sich bei der Laterne um eine standhafte Version des Mondes  handelt, ist der Spuk längst vorbei, ich meine der Lichterschein.

Irren ist menschlich - Künstliches Licht wird gesund- Irgendwann …

24.04.2024
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Heute ist mir ein historisch wertvolles Dokument in die Hände gefallen, das für viele von uns den Alltag im Arbeitsleben mitbestimmt. Es wurde von zwei Herren geschrieben, die ich einst gut kannte. Sie berufen sich auf einen anderen Herrn, den ich auch mal kennenlernen durfte. Dessen Titel nimmt in der Publikation eine ganze Zeile ein: Herr Prof. Dr. phil. Dr. med. Dr. med. h. c. Herbert Schober. Einst ein Name wie Donnerhall! Da muss man vor Ehrfurcht erstarren, zumal die anderen Herren, die als Autor genannt werden, auch nicht über viel kürzere Titel verfügten, Herr Prof. Dr. rer. nat. Erwin Hartmann und Herr Prof. Dr. med. Wolf Müller-Limmroth. Echte Pandits ihrer Zunft. Bei so viel Kompetenz muss man deren Schrift als so eine Art Bibel betrachten. Da steckt Wahrheit drin!.
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Das Dokument stammt vom Juni 1981 und baut auf einem einem Gutachten von Schober von 1971 auf. Wer Schober war? Die Koryphäe was Sehen und Physiologie angeht. Bereits 1950 hatte er sich zu Worte gemeldet. Sein Artikel in Lichttechnik hieß "Die angeblichen Sehstörungen bei Beleuchtung durch Entladungslampen". Übrigens, die angeblichen Störungen gibt es heute 75 Jahre später noch. Bei mir steht er mit dem folgenden Satz im Gedächtnis: „Erst die Einführung der Leuchtstofflampen hat es ermöglicht, zwei alte Wünsche der Technik zu erfüllen, nämlich die Arbeit in fensterlosen und genau klimatisierten Räumen auf der einen Seite und die von der Tageszeit unabhängige kontinuierliche Maschinenarbeit auf der anderen Seite.“ Wenn das so allein da stünde, hätte ich nichts dagegen. Ist ja nur ein Statement, auch wenn nicht ganz so unparteiisch. Das Wörtchen genau vor "klimatisierten Räumen" hätte ich gerne erklärt bekommen. Prof. Schober hat wohl nie in einem klimatisierten Raum gesessen.

Auf dem Kongress, wo diese Worte von 1961 wiederholt wurden, gab es aber noch ein Statement: „Menschen in fensterlosen Fabrikationsräumen haben - sofern diese in arbeitshygienischer Sicht optimal gestaltet sind - keine gesundheitsschädigenden Einflüsse zu befürchten.“ Das war die 6. Arbeitstagung der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und dokumentiert, dass die deutschen Arbeitsmediziner dem Tageslicht keine hygienische Bedeutung beimaßen. Diese Tagung lief zum Thema "Der fensterlose Arbeitsraum". Könnte auch "Eine Welt ohne Sonne" heißen.
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Schobers Gutachten von 1961 wurde 1971 aufgefrischt und besagte, dass alle Behauptungen zu gesundheitlichen Wirkungen vom Leuchtstofflampenlicht irgendwie falsch seien. Leider liegt mir das Urdokument nicht vor. Aber darauf kommt es nicht an, weil weitere zwei hochdekorierte Herren im Jahre 1981 seine Ausführungen wieder aufnahmen. Das Jahr 1971 war übrigens nicht so eine Zahl wie jede andere. In dem Jahr veranstaltete die LiTG eine Sondertagung "Auge-Licht-Arbeit" in Karlsruhe, bei dem es um fensterlose Arbeitsräume ging. Auf dieser Tagung ging der spätere Vorsitzende des Normenausschusses Beleuchtung, H.-J. Hentschel, sogar noch weiter als andere: „Hohe Ansprüche an die Beleuchtung, wie sie in der künstlichen Beleuchtung gestellt werden, können nicht befriedigt werden.“ Ergo: Die Menschen haben es besser, wenn man das Tageslicht aussperrt und ihre Arbeitsräume nur noch künstlich beleuchtet. Hentschel wusste im Übrigen nicht, dass sinngemäß dasselbe in einem Buch von Luckiesh und Pacini im Jahre 1926 gestanden hatte. Und der im Bild an der Seite dozierende Prof. C. T. Larson bereits 1965 diese Weisheit wissenschaftlich ermittelt zu haben glaubte.

Dummerweise bauen Menschen Fenster nicht wegen der Beleuchtung in ihre Behausungen ein. Diese dienen vornehmlich der Belüftung. Während man ohne Licht leben kann, auch wenn nicht allzu fröhlich, ist ein Leben ohne Luft nur in der Tiefsee möglich, wo riesige Würmer an schwarzen Schloten vom Schwefel leben. Naturverbunden, aber nicht ganz menschenwürdig. Aber die Lösung war längst da. Die künstliche Klimatisierung war zu Beginn des 20. Jahrhunderts erfunden worden. In den USA war man bereits in den 1930ern dabei, unterirdische Städte zu entwerfen. Aber ein gewisser Georg Rössler vom Institut für Lichttechnik in Berlin war der Meinung, Menschen bräuchten eine Kommunikation mit ihrer Umwelt. Dem widersprach ein gewisser Weber, Autor von "Praktische Erfahrungen bei fensterlosen Arbeitsräumen", und stellte die glanzvolle Zukunft so dar: "… richtige Dosierung folgender Reize: Eine Luftbewegung durch die Klimaanlage, akustische Reize durch die Maschinen, stärkere optische Gestaltung durch die Farbgestaltung sowie letztlich durch die Tätigkeit am Arbeitsplatz selbst." Was braucht der Mensch noch? Rösslers Idee (mehr dazu hier) kam 1975 in die Arbeitsstättenverordnung und ist im Jahr 2024 immer noch dort. Vom Herrn Weber mit dem Ideenreichtum ohnegleichen fehlt bis auf die zitierte jede Spur.  .

Eine Luftbewegung durch die Klimaanlage, um ein Frühlingslüftchen ins Büro zu holen? Mindestens zwei Generationen von deutschen Büromenschen, die das besondere Los gezogen hatten, in einem Großraumbüro zu arbeiten, würden dem Herrn Weber nichts Gutes wünschen. Er dürfte sich in einem Großraumbüro auch nicht als Autor dieser Weisheiten outen, ohne sich Sorgen um seine Sicherheit zu machen. Aber Hentschel und ähnlich Denkende kamen ungeschoren davon, weil sie nur in Fachkreisen auftraten. Ihr wichtigstes Problem bildeten ein Prof. Hollwich und dessen Anhänger. Dieser behauptete, Leuchtstofflampenlicht erzeuge Stress und stünde im Verdacht, die Stoffwechselprozesse im Körper zu stören. Sie hätten ein falsches Spektrum. Seine diesbezüglichen Arbeiten füllen eine lange Liste.

In den Jahren ist auch irgendwie der Verdacht entstanden, Leuchtstofflampen könnten Krebs erzeugen. Da musste die Lichttechnische Gesellschaft dagegen halten. Das ganze Gutachten von Hartmann und Müller-Limmroth von 1981 kann kostenlos im Internet abgerufen werden. Ich will nur einige Passagen anführen und kommentieren. Hollwich wird da nicht etwa als ein irregeleiteter Ahnungloser hingestellt, sondern so: "Hollwich hat, und das ist zweifellos verdienstvoll, immer wieder darauf hingewiesen, daß Licht, das vom Auge aufgenommen wird, nicht nur der visuellen Information dient, sondern auch indirekt über den Hypothalamus und die Hypophyse das vegetative Nervensystem und das Endokrinum beeinflussen kann. Damit steht heute zweifellos fest, daß Licht eine stimulierende Wirkung besitzt."

Über 40 Jahre später verändert die hier subsumierte Erkenntnis von Hollwich die Lichtwelt. Allzuweit kann er also nicht daneben gelegen haben. Dennoch wird mit großen Aufwand erläutert, warum seine Vorstellung vom falschen Spektrum grundsätzlich falsch sei: "Das Farbensehen des Menschen basiert also darauf, daß der Lichtreiz, wie immer er auch spektral zusammengesetzt sein mag, von den drei Zapfenpigmenten entsprechend ihren Absorptionskurven absorbiert wird und daraus drei entsprechende Rezeptorsignale resultieren. Aus den Rezeptorsignalen kann nicht mehr eindeutig auf die spektrale Zusammensetzung der erregenden Strahlen zurückgeschlossen werden. Es ist seit langem bekannt, daß das Auge nicht in der Lage ist, die spektrale Zusammensetzung des Lichtes zu erkennen."
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Wie dumm, dass etwa zwei Jahrzehnte später die Chronobiologie nachweist, dass das menschliche Auge so gut mit dem Spektrum umgehen kann, dass alle lichttechnischen Größen eine vom Spektrum der Beleuchtung abhängige Variante bekommen haben. "Bei gleicher Hellempfindung und Lichtfarbe ist es daher nicht vorstellbar, daß biologische Funktionen unmittelbar von der spektralen Zusammensetzung des Lichtes abhängig sind." hieß es 1981 in dem Gutachten. Das Unvorstellbare ist wahr. Kann das wahr sein?

Es geht noch weiter: "Ein Zusammenhang biologischer Funktionen mit der spektralen Zusammensetzung des Lichtes ist aber bei gleicher Hellempfindung und Lichtfarbe nach heutigen Erkenntnissen nicht gegeben." Aber ja, doch! Manche Aussage lässt sich später doch als ziemlich dummes Geschwätz vorführen. So z.B. dieses Statement: "Nachdem es heute wohl kaum noch einen Wissenschaftler gibt, der im Ernst behauptet, daß durch Licht über das Auge, den Hypothalamus und die Hypophyse Krebs entsteht, bleibt aber immer noch die Frage nach der „Streßwirkung durch Licht” zu klären." Erstens gibt es nicht nur einige Wissenschaftler, die das Licht in der Nacht (light at night bzw. LAN) als ernsthafte Forschung betreiben, weil es bis heute nicht aufgeklärte Wirkungen des Lichts gibt, die die Entstehung mehrerer Krebsarten begünstigen. LAN = light at night hat sich zu einem Dauerthema in der Medizin entwickelt. Allerdings zu keinem erfreulichen. Es gibt einen Wirkungspfad, der realistisch erscheint: Licht in der Nacht ist mit einer Unterdrückung des Melatonin im Blut verbunden. Da Melatonin u.a. als Jäger von Krebszellen gilt, bedeutet weniger Melatonin im Blut länger am Tag freie Fahrt für Krebserreger.  Bei bestimmten Berufen ist die WHO davon überzeugt, dass Nacht- und Schichtarbeit Krebs fördert. Und als ein möglicher Faktor gilt Licht. (mehr z.B. hier)
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Lassen wir die großen Krankmacher und reden wir vom Stress. Hartmann und Müller Limmroth haben dazu etwas geschrieben, was heute ebenso bedeutsam ist wie damals. Die Herren wollten eigentlich einen Persilschein für das künstliche Licht ausstellen und fingen die Sache mit dem Stress so an: "Leider ist es heute Mode geworden, bei jeder möglichen und unmöglichen Gelegenheit von Streß zu sprechen …" Sie schreiben weiterhin, dass man Stress am Arbeitsplatz nicht einem einzelnen Faktor anlasten kann. Auch heute würde niemand etwas anderes behaupten als damals: "Infolgedessen ist bei der Bewertung irgendeines Umweltfaktors am Arbeitsplatz immer die Gesamtheit aller Stressoren zu berücksichtigen. Das sind physische Stressoren wie Lärm, Klima, Beleuchtung, Geruch, Arbeitsposition usw., psychomentale Stressoren wie nervliche Beanspruchung, Aufmerksamkeitsanforderungen, Wachsamkeitsprobleme, Schichtarbeit usw. sowie soziale Stressoren …" Wie wahr! Was hat aber die Lichttechnik von dieser von ihr selbst veröffentlichten Weisheit gemacht?

Es gibt einen einzigen Faktor, den man bei der Beleuchtungstechnik in dieser Hinsicht systematisch berücksichtigt hat: Blendung. (Den zweiten Faktor nenne ich weiter unten). Die Art und Weise, wie dies geschehen ist, ist zum junge Hunde kriegen. In zwei Laboren von Lichtherstellern (GE und Philips) hat man 1947 bzw. 1960 Versuche gemacht. In deren Folge wurden zwei Verfahren zur Blendungsbewertung (Luckiesh und Guth bei GE, Söllner bei Philips) aufgestellt. Schlappe 50 Jahre später wurde daraus - auf dem Papier - ein drittes Verfahren errechnet. Das nennt sich UGR wie unified glare rating. Jede Leuchte, die man kaufen kann, erhält zwei Werte, einen für Blick in Querrichtung, einen für 90º gedrehten. Im Lampenkatalog stehen die Werte dreistellig, z.B. UGR l = 16.2, UGR q = 16.3 (l = längs, q = quer). Die Verfahren erlauben aber nicht einmal eine einstellige Angabe, weil keines der drei Verfahren validiert werden konnte.

Nicht nur das. Validieren heißt, dass ein angegebener Wert eine nachweisbare Bedeutung hat. Dafür muss das Verfahren reliabel sein, d.h. für eine bestimmte Lichtsituation muss es immer den gleichen Wert ergeben. Dazu heißt es, die Versuche seien nicht wiederholbar. Aber auch die Ergebnisse, die Angaben zu Leuchten, sind kaum wiederholbar, denn es heißt:"Ein einzelner UGR-Datenblattwert ist nur dann eine Eigenschaft der Leuchte, wenn diese sich in dessen speziellem Standardraum mit definierten Eigenschaften befindet. In der Praxis kann der UGR-Wert wesentlich anders aussehen, er dient lediglich als eine Art grobe Orientierung für den Planer." (aus ZVEI Positionspapier - UGR-Verfahren Anwendung und Grenzen - Unified Glare Rating", Oktober 2021). In diesem Positionspapier werden insgesamt 12 Grenzen der UGR-Verfahrens aufgezeigt, die von den Grenzen der Basis (UGR-Formel) bis Grenzen durch Alterung der Anlage reichen. Fragt sich, wozu sich das Verfahren überhaupt eignet. Der ZVEI meint genau dazu: "Der einzelne UGR-Datenblattwert für den überschlägigen Leuchtenvergleich". Und das nach 110 Jahren Forschung zu Blendung. Alao mea culpa. Wir haben unser Bestes gegeben. War aber nicht gut genug.

Immerhin besteht Hoffnung, denn die LiTG hat sich nach 111 Jahren umbenannt in "Deutsche Gesellschaft für LichtTechnik und LichtGestaltung". Es kann also nicht mehr sehr lange dauern, bis man von Blendungsvermeidung zu einer menschengerechten Gestaltung kommt. Das Ziel ist bereits ausgemacht: "Beleuchtung dient der Schönheit und Gesundheit", so nach DIN 5035 Innenraumbeleuchtung mit künstlichem Licht von 1935. Die Umsetzung folgt auf dem Fuß!

Dass die Verfahren von Luckiesh und Guth sowie Söllner nicht reliabel waren, wussten die Leute, die das UGR-Verfahren ausgearbeitet haben. Und Versuche, UGR zu validieren, sind fehlgeschlagen. Kein Wunder, denn alle Versuche waren ohne irgendwelche zusätzliche Belastung durchgeführt worden. Nach Hartmann und Müller-Limmroth hätten sie daher nie zu einem validen Ergebnis führen können: "… bei der Bewertung irgendeines Umweltfaktors am Arbeitsplatz immer die Gesamtheit aller Stressoren zu berücksichtigen." Da den beiden Herren aber die Situation bekannt war, hätten sie durchaus den Umstand nennen müssen. So etwa könnte es lauten "Trotz der bereits von Thomas Edison erkannten herausragenden Bedeutung der Blendung wurden bislang keine adäquaten Studien angestellt, um die Beleuchtung von Arbeitsstätten stressfrei zu gestalten." Stress durch einen systematischen Mangel an der Beleuchtung war durchaus gegeben. Und dies war direkt mit der Leuchtstofflampe verbunden, weil alle Versuche mit der Blendung einer geräuschlosen Einführung dieser Lampe dienten.
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Es gab mindestens einen weiteren Stressfaktor, das war Flimmern. Der Effekt war bereits bei der Einführung der Leuchtstofflampe bekannt. Man argumentierte aber, dass das menschliche Auge das Flimmern nicht sehen könne, weil dies mit hinreichend hoher Frequenz geschah (100 Hz und Europa, 120 Hz in den USA). Tatsächlich kann das ruhende menschliche Auge Schwankungen mit dieser Frequenz nicht auflösen. Warum beschwerten sich aber so viele Menschen? Erstens, weil das menschliche Auge bei der Arbeit nicht ruht. Und zweitens die Ermittlung der FVF (Flimmerverschmelzungfrequenz) fehlerhaft war. Diese wurde mit kleinen Lichtquellen im Zentrum des Auges ermittelt. Beleuchtungsanlagen erstrecken sich aber über den ganzen Himmel von Arbeitsräumen. Der Faktor Flimmern wurde so lange geleugnet, bis es eine richtige Lösung gab: Elektronisches Vorschaltgerät. Dass die Beschwerden einen realen Hintergrund hatten, wurde in einem EU-Projekt experimentell nachgewiesen (Wilkins, A.J.; Nimmo-Smith, I.; Slater, A.I.; Bedocs, L.: Fluorescent lighting, headaches and eyestrain, Lighting Research and Technology, 1989, S. 11-18). In einem Bürohaus verschwanden die Hälfte der Kopfschmerzen durch flimmerfreies Licht.

Übrigens, Flimmern ist wieder zurück, als flicker. In Brüssel ringt die Lobby der Lichttechnik mit der EU-Kommission darum, wie hoch LEDs flimmern dürfen. Dabei war es bereits vor der Einführung der LED als Beleuchtung bekannt, wie man sie flimmerfrei betreibt. Wer keine persönliche Begegnung mit Flimmern hatte, möge zu einer belebten Straße in einer deutschen Stadt gehen oder zu einem Bahnhof. Dort flimmern die Fahrradlichter, wenn einer langsam fährt oder schiebt. Gestern kamen mir bei Sonnenschein Dutzende Fahrräder einer Öko-Gruppe an einem Berg entgegen. Die Lahmen flimmerten, die Schnellen machten eine Weiterfahrt unmöglich. Sie blendeten schlimmer als die viel beschimpften SUVs. Langsam wird mir klar, warum die "Fachleute" der EU, die die neue Richtlinie bearbeiten, nicht vom Fach sind, aber mindestens einer aus der Walachei.

Wie man sieht, hatten unsere Väter gar keinen Grund, sich über das Licht der Leuchtstofflampe zu beschweren. Die Pandits von damals, Schober, Hartmann und Müller-Limmroth, haben sich echt Gedanken darüber gemacht. Sie sagten abschließend: "Es gilt auch heute noch die alte Feststellung [von 1961], daß Sehstörungen bei Leuchtstofflampenlicht auf nicht einwandfrei korrigierte Refraktionsanomalien, auf unzweckmäßige Installation der Beleuchtungsanlage oder auf Sehanforderungen zurückzuführen sind, denen der betreffende Mitarbeiter auch bei einwandfreier Korrektur nicht gerecht werden kann." Wir müssen nur noch auf eine zweckmäßige Installation der Beleuchtunganlage warten! Ansonsten eine andere Brille kaufen oder die Arbeit wechseln.

Alternativ kann man darauf warten, dass die Wissenschaft der Technik hilft, das Phänomen Blendung zu verstehen und ihre Produkte danach zu bauen. Es besteht berechtigte Hoffnung darauf, wie der Beitrag von Prof. Völker, TU Berlin, zum 100, Jubiläum der Deutschen Gesellschaft für Lichttechnik (LichtGestaltung fehlte noch für weitere 11 Jahre) zeigt. Er führt aus: "Der vorliegende Beitrag zeigt, dass es möglich scheint, die vorhandenen Blendungsbewertungsmodelle auf ein Modell zurückzuführen. Zurzeit fehlen noch einige Einflussgrößen, welche aber bereits in Kürze vorliegen dürften. Diese müssen anschließend für alle Anwendungsfälle (Innen-, Außen-, Kfz-, Sportstättenbeleuchtung, etc.) validiert werden.“ Die Entwicklung eines Blendungsmodells würde nach Meinung von Völker gar noch mehrere Dissertationen erfordern. Will sagen, wir wissen nicht, was Blendung ist. Welche dieser Dissertationen heute nach 10 Jahren entstanden sind, steht nicht in der Literatur. Man wird aber hoffen dürfen.

Im Jahre 2021 veröffentlichte eine erlauchte Medizinergruppe, die erste Garde der internationalen Forschenden zu nichtvisuellen Wirkungen der Beleuchtung, ein Memorandum, das zu diesem Schluss kommt: "Ocular light exposure has important influences on human health and well-being through modulation of circadian rhythms and sleep, as well as neuroendocrine and cognitive functions. Current patterns of light exposure do not optimally engage these actions for many individuals, but advances in our understanding of the underpinning mechanisms and emerging lighting technologies now present opportunities to adjust lighting to promote optimal physical and mental health and performance." (In Klartext : Die Lichtexposition des Auges hat einen wichtigen Einfluss auf die Gesundheit und das Wohlbefinden des Menschen, indem sie den zirkadianen Rhythmus und den Schlaf sowie die neuroendokrinen und kognitiven Funktionen moduliert. Die derzeitigen Lichtexpositionsmuster wirken sich bei vielen Menschen nicht optimal auf diese Funktionen aus. Fortschritte im Verständnis der zugrundeliegenden Mechanismen und neue Beleuchtungstechnologien bieten nun jedoch die Möglichkeit, die Beleuchtung so anzupassen, dass eine optimale körperliche und geistige Gesundheit und Leistungsfähigkeit gefördert wird." Vorerst gelten die Empfehlungen nur, wenn die Sonne scheint. Zwischen 19:00 Uhr und 06:00 morgens darf man nur wenig Licht machen. Für die Arbeitnehmer, die nachts arbeiten und alle Leute, die auf ihrem Handy rumfummeln, wird man sich was überlegen. Echt! Versprochen.

Es besteht also Hoffnung!

 

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Beleuchtungsstärken reichen nicht, weil …

28.03.2024
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Meine letzten Blogs haben sich um einen fundamentalen Fehler in der Normung der Beleuchtung gedreht, die Vorgabe der Lichtqualität über Beleuchtungsstärken. Dabei habe ich mich darüber amüsiert, dass man Helligkeit erzeugen will, indem man Beleuchtungsstärken in allen vier Richtungen zu den Wänden vorgibt und dazu noch eine in Richtung Decke. Machbar ist es schon, aber praktisch in allen Arbeitsstätten kommt das Licht aus der Decke, auch wenn man mit Stehleuchten indirekt beleuchtet. Vertikalbeleuchtungsstärken an den Wänden sind daher Rechenkonstrukte. Und Licht in die Deckenrichtung zu schicken braucht es Lichtquellen anderswo.

Um den Unsinn zu dokumentieren, was dadurch entstanden ist, dass nur das Licht auf der Arbeitsebene zählt, habe ich das Bild rechts oben präsentiert. Kein Highlight der Lichtarchitektur. Was würde aber passieren, wenn man davon ausgeht, dass die neue Arbeitsebene der Bildschirm ist? Funktionell gesehen, braucht man an den meisten Arbeitsplätzen keine Sehleistung. Ergo? Was dann entstünde, sieht man unter dem Bild eines modernen Büros. Modern ist es auch. Will da etwa jemand arbeiten?
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Wo liegt der Unterschied? Im Prinzip existiert kein Unterschied. Das erste Bild zeigt, was passiert, wenn man die horizontale Fläche bevorzugt, weil dort angeblich die Sehaufgabe zu finden ist. Die Ausleuchtung des Raumes entsteht zufällig. Das zweite Bild zeigt die wahre Sehaufgabe, die Computerbildschirme, und überlässt die Beleuchtung des restlichen Raumes wieder dem Zufall. In beiden Fällen ist der Missetäter die funktionelle Denkweise. Seit wann hat man wissen müssen, dass dies falsch ist?

Wann das entsprechende Wissen im Ausland entstanden ist, kann ich nicht präzise sagen, Aber bei uns war das entweder 1961 oder 1962. Da hat Bodmann zwei Papiere veröffentlicht, das eine in Lichttechnik (Bodmann, H.-W.: Kriterien für optimale Beleuchtungsniveaus. Lichttechnik, 1961). Darin hat er Versuche beschrieben, ein Beleuchtungsniveau auf der Basis der Sehleistung im Büro zu ermitteln. Sein Entsetzen muss groß gewesen sein, denn man brauchte nach diesem Papier nur ein paar Lux zum Lesen. Nur wenn man dunkle Schrift auf noch dunklerem Papier lesen muss, braucht es etwas um 50 lx. Bodmann aber empfahl 400 lx, mit der Begründung, dass die Menschen eine helle Umgebung bräuchten.

Bodmann war damals Laborleiter bei Philips, bevor er Professor in Karlsruhe wurde. Etwa 35 Jahre später habe ich ihn bei einem Kongress öffentlich mit den Aussagen von 1961 konfrontiert. Er sagte nüchtern, die Aussagen wären noch gültig. Das Einzige, was ich 2024 korrigieren würde, wäre dass es nicht 400 lx sein muss. Man könnte auch 300 lx oder 2000 lx empfehlen, so sie realisierbar wären. Hauptsache man erzeugt ein Gefühl der Helligkeit. Der später etwa ab 1970 entstandene Fehler besteht darin, dass man den Bedarf an Licht mit angeblichen funktionellen Erfordernissen begründete. Diese sind für industrielle Arbeitsplätze z.T. noch vorhanden, aber für Büros ergeben sich daraus viel geringere Werte als solche, die man mit einer angenehm hellen Umgebung begründen kann.

Etwa 10 Jahre nach Bodmann sollte Prof. Dietert Fischer die Sache noch einmal aufgreifen (Faximile der betreffenden Aussage rechts, ebenfalls in Licht erschienen). Was einer der Großen der Lichtforschung weitere 20 weitere Jahre danach von der Sache hielt, sagt der Titel seines Papiers deutlich aus: "Illuminance Selection Based on Visual Performance - and Other Fairy Stories" (Von der Bestimmung von Beleuchtungsstärken nach Sehleistung – und andere Märchen). Kaum zu glauben, dass im Jahre 2024 viele kluge Köpfe daran  arbeiten, das Märchen diesmal in eine globale Norm zu gießen. Eigentlich historisch gesehen richtig. In jedem Märchen steckt ein Körnchen Wahrheit. Das Problem ist, sie herauszufinden.

Wann- 

Altersweisheit oder späte Einsicht?
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27.02.2024

Es hat nur 111 Jahre gedauert. Aber es ist so weit! Die LiTG hat im November 2023 beschlossen, ihren Namen zu ändern. Auf Wikipedia heißt sie am 27. Februar 2024 noch Deutsche Lichttechnische Gesellschaft e. V. Aber das kann sich ja noch ändern. Offiziell heißt sie aber Deutsche Gesellschaft für LichtTechnik + LichtGestaltung.

Damit soll das Ende einer Ära eingeläutet werden, in der die Sicht auf die Welt, die bekanntlich nur Licht vermitteln kann, nicht mehr parzelliert beackert wird. Mit dem Parzellieren meine ich die arbeitsteilige Behandlung von Wissen und Techniken, die uns das Erkennen unserer Umwelt ermöglichen sollen. So erkennen wir Dinge um uns herum durch ihre Gestalt, Helligkeit, Farbe und ihren Glanz. Zum Erfassen gehören noch mehr dazu, aber die haben mit Sehen nichts zu tun. Was ist der Beitrag von Lichttechnik zum Erleben der Umgebung?

Fangen wir von hinten an. Glanz… Was ist das eigentlich? Physikalisch gesehen ist Glanz "eine optische Eigenschaft einer Oberfläche, Licht ganz oder teilweise spiegelnd zu reflektieren." Damit ist eigentlich alles gesagt, was die Behandlung von Glanz in der Technik angeht. Man könnte nur dazu addieren, dass Glanz der Feind von Farbe ist. Denn glänzende Stellen sehen weiß aus. Glanz verhindert auch das Erkennen der Gestalt. Was sich hinter einer glänzenden Fassade verbirgt, erkennt man schlecht. Und eine glänzende Nase sieht weder beim Opernball noch in einer Frittenranch anziehend aus.

Indes das alles sagt nichts über die gesamte Wirkung von Glanz aus. Sie ist janusköpfig. Ein Portrait ohne Glanz auf den Augen zeigt meistens einen Toten. Würde jemand eine sechsstellige Summe für ein Auto hinlegen, das einem matt daher kommt? Kann die Lackindustrie existieren ohne Töpfe voller Farben, die Oberflächen funkeln lassen? Könnte ein Juwelier auch nur einen einzigen Diamanten verkaufen, der eine Oberfläche hätte wie ein Ziegelstein? Was wäre Weihnachten ohne Lametta?
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Wenn man sich die Bedeutungen des Glanzes anguckt, die u.a. mit den besagten Wirkungen verbunden sind, erkennt man den Begriff Glanz noch deutlicher. Glänzende Aussichten …, eine glanzvolle Gala …, Hochglanzprospekte … Wer einer solch bedeutsamen Erscheinung nur eine Nebenrolle einräumt, dazu noch eine negative, kann nicht auf eine glänzende Zukunft hoffen. Die Lichttechnik beschäftigt sich vornehmlich mit der Physik des Ganzen und mit dem Vermeiden störender Wirkungen. Das Geschäft mit Glanz machen andere.
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Gehen wir weiter nach hinten. Farbe! Es gibt nur wenige Menschen, die keine Farbe sehen. Vermutlich noch weniger Menschen wollen in einer farblosen Welt leben. Dennoch gehört die Farbenlehre in der Lichttechnik ins Nebenfach. Das hat einen sachlich wichtigen Grund. Denn die Beleuchtungstechnik für allgemeine Umgebungen will "farbneutral" sein. D.h. Farben sollen durch die beschienenen Objekte entstehen und nicht durch das Licht vorgezeichnet. Daher ist in der Beleuchtungstechnik das bevorzugte Licht weiß, was das immer heißen mag. Farbiges Licht benutzt man für beabsichtigte Effekte.

Der Umgang mit Farbe erfolgt noch arbeitsteiliger als der mit dem Glanz. Die Farbenlehre, also die Lehre von der Ordnung und Beschreibung von Farben, sowie deren Wirkung und Anwendung, ist nicht Thema einer Disziplin. Die Farbtheorie und Farbforschung beschäftigt sich mit der wissenschaftlichen Untersuchung von Farben, z. B. mit der Entstehung von Farbempfindungen im Auge oder der physikalischen Beschaffenheit von Licht. Wenn man sich aber anguckt, was für Menschen sich damit beschäftigen und wie viele Farbsysteme es gibt, kann einem schwindlig werden. Den berühmtesten davon, einen J.W.v. Goethe, kennt man eigentlich als begnadeten Literaten. Er selbst hielt aber seine Farbenlehre als sein wichtigstes Werk. Bei einer weit weniger bekannten, aber nicht minder bedeutsamen Person, Manfred Richter, maßgeblicher Entwickler des DIN-Farbsystems, habe ich studiert. Im Gegensatz zu den beiden stand eine Frau, die ich gerne kennengelernt hätte, Eva Heller. Sie hat die Bedeutung von Farben im Alltag hervorgehoben und ein größeres Bewusstsein für ihre subtilen psychologischen Effekte geschaffen. Sie war vom Beruf Sozialwissenschaftlerin. Ansonsten war ihre Hauptbeschäftigung dieselbe wie bei Goethe, Literatin ("Beim nächsten Mann wird es anders") 

Bei den Farbsystemen und Farbmodellen mischen Technik, Wissenschaft und vielleicht auch Kultur mit. So ist es garantiert nicht die Physik, die Newton dazu bewegt hatte, im Regenbogen genau 7 Farben zu erkennen. Es sind unendlich viele. Farbsysteme, abstrakte Konzepte zur Organisation von Farben, bilden die Grundlage für Farbmodelle, also konkrete Anwendungen dieser Systeme in bestimmten Medien. Kein Wunder, dass es mehrere davon gibt.

Der Umgang in der Technik mit dieser Komplexität fällt indes ernüchternd aus. Die Beleuchtung soll Farben sichtbar machen. Der einstige Traum vor 100 Jahren, den ein gewisser Luckiesh geträumt hatte, ein künstliches Tageslicht zu schaffen, weil Menschen ein Recht darauf hätten, natürliche Farben zu sehen, ist ausgeträumt. Die Lichttechnik schlägt sich mit einem Konzept des Farbwiedergabeindex aus den 1960ern herum. Etwas Neueres lässt sich leider nicht in die Praxis bringen. An einem Mangel an Ideen liegt es nicht.
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Bevor wir uns zum Hauptbetätigungsfeld der Lichttechnik begeben, der Helligkeit, noch ein Wort zu Gestalt. Das ist die Form der Dinge, die wir z.B. mit den Händen erfassen könnten. Man kann diese auch messen, weil sie physikalisch existiert. Ob diese Messung etwas bringt, sei dahingestellt. Wer anders denkt, kann sich z.B. daran machen, den David von Michelangelo mit dem Zollstock zu vermessen.

Wie nimmt einer den David wahr? Sehr unterschiedlich! Denn es gibt drei davon. Sie stehen in Florenz in drei Umgebungen. Der echte David muss wetterbedingt in ein Museum (Galleria dell’Accademia). Eine Kopie steht vor dem Palazzo Vecchio, die andere auf einem Sockel auf der Piazzale Michelangelo. Der letztere David ist aus Bronze, hat aber dieselbe Gestalt. Das Licht in der Galleria wechselt über den ganzen Tag. Zu später Zeit ist es auch elektrisch. Auf dem Palazzo Vecchio kann man von morgens bis abends einen David unter Tageslicht bewundern, zu später Zeit naturgemäß im Lichterschein der Cafes drumherum. Den David in Bronze sieht man vor dem Panorama der Stadt Florenz, aber gegen den Himmel. Wie David einst, vor einer Ziegelmauer lieblos aufgestellt, ausgesehen hat, will man besser nicht wissen. Ich zeige das Bild dennoch, damit es deutlich wird, was eines der wichtigsten Kunstwerke der Geschichte mit seiner Umgebung gewinnt oder verliert.

Welchen Anteil an den Eindrücken, die die Menschen erleben, bestimmt der Beitrag der Lichttechnik? Erleben sie nur das, was sie sehen? Die Bibelschüler, die Taliban, die Touristen auf dem Platz, die Kunstschüler?

Die Lichttechnik liefert zum einen die Technik, also die Lampen und Leuchten, und zum anderen die Sehleistung, das ist was man braucht, um etwas zu erkennen. Um David zu erleben, braucht man nur wenig davon. Wer hingegen Oberflächenfehler auf dem Blech suchen will, bevor es zum Auto wird, kann es ohne den Beitrag der Lichttechnik nicht. Wir verbringen aber unser Leben nicht in solchen Umgebungen und trennen nicht scharf zwischen einem Privatleben, wo uns wohlgeformte Produkte unter die Nase gehalten werden, wenn wir als Käufer auftreten, und einem Berufsleben, wo sich alles einer Leistung unterordnet. Schon gar nicht einer Sehleistung, von der niemand weiß, was sie ist, bis man den Faden durch die Öse ziehen muss.
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Die Lichttechnik hat sich auf die Helligkeit konzentriert, die das Erkennen der Dinge ermöglicht bzw. erleichtert. Diese Aufgabe ist keine Kleinigkeit. Vielmehr hat sie mit dem Beitrag dazu Industriegeschichte geschrieben. Allerdings musste man zu diesem Zweck erstens von den Umgebungen für das Privatleben verabschieden. So gehört der Bereich "Wohnraumleuchten" nicht zum harten Bereich von Lichttechnik. Die Unternehmen, die auf dem Gebiet tätig sind, dürfen sich Leuchtmittel kaufen und diese in ihre Produkte einbauen, die man verächtlich als Lichttöter bezeichnet. Die Normen der Lichttechnik sparen diesen Bereich aus: „Die Gestaltung der Beleuchtung lässt sich nicht in Richtlinien festlegen.“, sagte DIN 5035-1 von 1979.

Von dem Rest der Nichtwohngebäude will man auch nicht alles wissen. Die dort angesiedelten Räume werden in zwei Gruppen geteilt: sog. stimmungsbetonte Räume und … (Ich lästere oft, das seien stimmungstötende Räume). Dementsprechend unterschiedlich fällt der normative Rat aus, an dem die LiTG seit etwa 1935 beteiligt war: „In den stimmungsbetonten Räumen spielen gestalterische Gesichtspunkte und solche der Behaglichkeit eine Rolle.“, hieß es in der Norm. Wie man bei solchen Räumen gestalterische Gesichtspunkte behandelt, umschreibt, regelt…? Fehlanzeige. Das überließ man an ungenannte andere. Gestalterische Aspekte und Behaglichkeit spielen in Arbeitsräumen keine Rolle.

Und man sah die Hauptaufgabe darin, die Arbeitsräume zu beglücken: "In Arbeitsräumen muß die Beleuchtung eines müheloses Erkennen der Sehobjekte ermöglichen." Man konnte übrigens mühelos erkennen, was für Künstler da am Werk waren.

Just darum geht es im 112. Lebensjahr der LiTG. Mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer arbeitet am Computer und pfeift auf die Sehleistung. Für viele von ihnen bietet die Beleuchtung das Gegenteil von Sehleistung - Störungen des Sehens. Zudem ist die einst wohlbegründete Trennung zwischen dem Arbeitsraum und dem Wohnraum unwiderbringlich entfallen. Viele Arbeitgeber kämpfen darum, ihre Angestellten in die Büros zu locken.
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Sollen die Leute doch mit ihren geliebten Wohnraumleuchten glücklich werden! Leider war es dem nie so, dass Menschen in ihrer Wohnumgebung auf eine hohe Sehleistung verzichten konnten, während sie in ihrer Arbeitsumgebung diese unbedingt gebraucht hätten. Die Trennung war nur durch den Marktsegment bedingt, den bestimmte Firmen bedienen wollten. Auch in Wohnbereichen braucht man funktionelle Leuchten. Sie dürfen nur nicht nach lieblos gebogenem Blech ausschauen. In diesem Zusammenhang sagte einst ein bekannter Leuchtenentwickler seufzend: "Loch an der Decke braucht kein Design."

Die Namensänderung der LiTG bedeutet nichts anderes als die Anerkennung der Sachlage: Wir brauchen Lichtprodukte von 100% dekorativ bis 100% funktional. Dass man so etwas nicht normativ regeln kann, ist nur der Phantasiearmut der einstigen Protagonisten zu verdanken. Es geht. Nur nicht so, wie es gemacht wurde.

 

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ISO/TR 21783 HCL neu aufgelegt, auch gut aufgelegt?
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29.09.2022

Dieser Tage erschien ein bemerkenswertes Werk. Es ist ein ISO-Dokument, das die biologischen Wirkungen von Licht auf den Menschen dokumentieren wollte. Nun darf man nicht mehr biologische Wirkungen sagen, weil auch das Sehen ein biologischer Vorgang ist. Und was für einer! Das Gehirn verbraucht die Hälfte seiner Energie für visuelle Prozesse. Der Lichttechnik ist aber nicht genug, sich allein damit zu beschäftigen. Man wollte auch die nicht-visuellen Wirkungen normen. Das ist sogar dringend nötig, denn gutes Sehen fördert nicht immer die Gesundheit. Abendliches Licht kann sogar Krebs verursachen, so man den Forschenden glaubt. Diese Theorie ist so neu nicht. Bereits in den 1960ern behauptete jemand, Licht erzeuge Krebs. Die LiTG konterte mit medizinischen Gutachten, die das Gegenteil behaupteten. So wurde die Sache erst einmal Glaubenssache. Seit etwa 20 Jahren weiß man es etwas besser. Die Lichtanwendung, und nicht Licht, kann zur Krebsentstehung beitragen, würde man heute behaupten. Denn man weiß seit 2002, wie Licht Lebensrhythmen beeinflussen kann. Und dass eine falsche Beeinflussung negative Folgen zeitigen kann. Bis zur Krebsentstehung.

Man kann das Wissen auch positiv anwenden und nach Wegen suchen, wie man Licht und Beleuchtung so gestalten kann, dass davon positive Wirkungen herrühren. Die früheren Bemühungen dazu hatte ich vor einger Zeit kommentiert (hier) Jetzt ist ein ISO-Dokument fertig, ein Technical Report. Das ist ein normatives Dokument, das die Fachwelt über ein bestimmtes Thema informiert, ohne dabei Empfehlungen auszusprechen. Das Papier heißt "ISO/TR 21783 Light and lighting — Integrative lighting — Non-visual effects". Das "integrative" Licht ist nicht etwa eine ganzheitliche Betrachtung aller Wirkungen von Licht, sondern es handelt sich um eine Beleuchtung, bei der man neben den visuellen Wirkungen die nicht-visuellen mitbetrachtet, die dann zusammen Vorteile physiologischer und/oder psychologischer Art für den Menschen ergeben. In Deutschland versteht man unter integrativ, eher integriert, eine Lichtplanung, die künstliches und natürliches Licht gemeinsam berücksichtigt, wie sie in der Arbeitswelt auch auftreten.

So etwas wie integratives Licht kennt man schon länger. Z.B. wirken sich manche Farben positiv auf die Psyche aus. Wenn man dies bei der Planung berücksichtigt und auch auf die messbaren Effekte achtet, hätte man schon eine integrative Beleuchtung. Das ist aber nicht gemeint, sondern die Wirkung des Lichts, das in das Auge eindringt und den Tagesverlauf der Hormonausschüttung beeinflusst. ISO/TR 21783 gibt bislang bekannte Erkenntnisse wieder und belegt diese mit Literatur. Womit sollte man sonst neue Erkenntnisse belegen?

Leider, leider ist es verdammt schwer, physiologische Erkenntnisse in der Arbeitswelt zu ermitteln. Etwa die Körperkerntemperatur während der Arbeit messen. Wer will schon bei der Arbeit mit einem Rektalthermometer herum laufen? So musste man auf Studien ausweichen, die mit der Arbeitswelt relativ wenig zu schaffen haben, so z.B. auf Studien aus der Schlafforschung. Man könnte zwar als Lästermaul meinen, die Anwendbarkeit auf Büroarbeit wäre schon gegeben. Das kann ich mir nicht leisten. Allerdings habe ich mich nicht schlecht gewundert, wie die Erkenntnisse zusammen gekommen sind:

  1. Man werte 212 Studien aus und schreibt einen Entwurf der Norm auf deren Basis.
  2. Der Entwurf wird sehr positiv aufgenommen.
  3. Man findet die Erkenntnisse gut, aber die Studien weniger. So verschwinden 183 Studien (-86%) von 212.
  4. Da die restlichen 29 Studien für eine weltbewegende Neuheit zu wenig sind, nimmt man 34 neue, belässt es aber bei den Erkenntnissen, die sind ja gut!
  5. Da jetzt Erkenntnisse und Studien nicht mehr so gut  zusammen passen, beseitigt man die Beziehungen. Es gibt eine Liste von Erkenntnissen und eine LIteraturliste.

Der geneigte Leser kann sich nun damit amüsieren, woher welche Erkenntnis stammt. Da dies auch dem gewieftesten Leser nicht gelingen wird, habe ich eine Analyse selbst gemacht. Hier eine Auflistung der Quellen nach Thema:

  • Therapie: 3 Objekte, davon eines Delirium
  • Krebsrisiko: 3 Objekte
  • Demenz: 4 Objekte
  • Lernerfolg: 3 Objekte
  • Hormonforschung: 2 Objekte
  • Gemütszustände: 6 Objekte
  • Schlaf und Schläfrigkeit: 21 Objekte (von insgesamt 63)
  • Gesundheit: 10 Objekte (im Titel oder Publikationsorgan)

Alle diese Publikationen haben zuweilen Signifikantes dieser oder jener Art ergeben. Was sagen sie aber zur Beleuchtung von Arbeitsplätzen aus? Keine dieser Studien wurde übrigens von Lichttechnikern erstellt. Ich weiß nicht so richtig. Aber manches Statement in dem Dokument lässt aufhorchen: "Integrative lighting could increase academic performance and concentration. There is some evidence from animal models, but limited evidence in human populations …" (etwa "Integrative Beleuchtung kann Konzentration und akademischen Lernerfolg fördern. Es gibt dazu bestimmte Evidenzen aus Tiermodellen, aber nur begrenzt Aussagefähiges aus Humanpopulationen"). Ich schätze, das ist wahr, denn mir ist kein Tiermodell bekannt, das eine akademische Leistung, welche auch immer, erklären hilft.

Die Autoren scheinen ihre eigenen Statements mit Vorsicht zu genießen, Denn sie warnen eindringlich davor, dass Hinz und Kunz eine integrative Beleuchtung planen könnte: Die hier gestellten Bedingungen entsprechen in der Medizin etwa der Apothekenpflicht. Schlimmer noch: Apotheker gibt es an jeder Ecke, Spezialisten für medizinische Wirkungen von Beleuchtung, die sie planen könnten, müssen hingegen noch geboren werden. Sollte es davon doch welche geben, müsste jeder Betrieb echte Spezialisten einstellen, um eine solche Beleuchtung zu betreiben. Und alle Beteiligten müssten unglaublich einfache Dinge berücksichtigen bei ihrem Tun:

  • Benutzereigenschaften (z.B. Altersverteilung, Sehfähigkeit, Gesundheitszustand)
  • Tätigkeitsprofil (vorwiegend stehend, vorwiegend sitzend oder in nur einer Position)
  • Kontrollierbare oder Nicht-kontrollierbare Benutzerpopulation

Was macht eigentlich die Expertentruppe mit diesbezüglichem Wissen, wenn sie es denn bekäme? Sie muss sie beachten, um Folgendes zu bewerten:

  • vorhersehbare Gesundheitsbedingungen, die zu erwarten sind;
  • generalisierte Schlafrhythmen (es ist zu erwarten, dass Teenager andere Schlafgewohnheiten haben als ältere Insassen);
  • die Menge des Lichts am Auge, die benötigt wird, um eine circadiane Aktivierung zu erzeugen, was sich von Person zu Person unterscheidet.

Generalisierte Schlafrhythmen bewerten? Die Lichtmenge am Auge bewerten, die die circadiane Aktivierung zu erzeugen? Diese Aufgabe werden Lichtplaner einem mit Handkuss abnehmen. Solches Wissen nehmen sie mit der Muttermilch auf. Von dem Lichtdesigner wird etwa eine ähnliche Fähigkeit erwartet wie von Clark Kent beim Heben von Lokomotiven samt Brücke, die einstürzen will. Z.B. muss dieser Folgendes können:

  • Es können Konflikte eintreten durch unterschiedliche Bedürfnisse (z.B. durch unterschiedliche Benutzer des gleichen Ortes). Der Designer muss das Problem lösen, ohne die Qualität der Beleuchtung zu beeinträchtigen.

Können vor Lachen. Niemand hat sich bislang die Mühe gemacht, die schützenswerte Qualität der Beleuchtung zu beschreiben. Die Experten sind offenbar lieber auf anderen Gebieten unterwegs, wo sie nicht viel beitragen können.