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Wie circadian wirksam ist mein Licht?

 

Seit letztes Jahr kann man die circadiane Wirkung von einem Licht mit dem simulierten Tageslicht vergleichen. Damit man sich nichts Neues merken muss, wird Lux in Lux umgerechnet, allerdings in melanopische. Zum Schreiben muss man den Word-Formeleditor verwenden. Wer das nicht kann, hat fortan keine Ahnung von Licht. Vom melanopischen.

Die Umrechnung von Lux (visuell) in M-EDI (Melanopic Equivalent Daylight Illuminance) erfolgt auf der Basis der Farbtemperatur. Eine Lampe mit 2700K (Glühlampe, LED) ergibt etwas unter 50 melanopische Lux. Die Kurven zeigen für 4 LEDs das Ergebnis der Umrechnung. Das bedeutet, dass 100 lx von der jeweiligen Lampe erzeugt dem Skalenwert entsprechend viel circadiane Wirkung zeigt. So wirkt L. 1 bei 4000K wie 75 lx Tageslichtäquivalent.

Wenn man 100 lx (visuell) auf einem Blatt Papier sieht, weiß man wie hell es etwa ist (25,477 cd/m2). Was sieht man aber, wenn man die 75 melanopische Lux auf das Blatt schickt? Dasselbe. Die melanopischen Lux wirken nur, wenn sie ins Auge gehen. Etwas problematisch?

Seit Prometheus gucken sich die Menschen beleuchtete Objekte an bzw. sie beleuchten Objekte, die sie sehen wollen. Auf die Idee, das Auge zu beleuchten, um die circadianen Rhythmen des Menschen zu ändern, ist man viel später gekommen. Bis dato galt Licht direkt von der Lampe zum Auge als Blendung. Mal sehen, wie viele Menschen es schaffen, noch in diesem Jahrzehnt den Sinn der Sache zu verstehen.

Wenn Sie also der Wissenschaft folgend über 250 lx M-EDI an Ihrem Arbeitsplatz haben, fühlen Sie sich frischer und wohler. Aber nur am Vormittag. Wenn dasselbe nachts kommt, können Sie anschließend nicht mehr schlafen. Theoretisch! Also die Lampe runterregeln auf 2500K (schön rötlich). Irgendwie kommt mir das bekannt vor.

Minimale melanopische Beleuchtungsstärke für Jedermann

Demnächst erscheint ein Artikel, der es in sich hat. Die Autoren gehören zur Weltspitze der Chronobiologie. Sie verlangen dreierlei:

  • mindestens 250 lx "melanopic EDI" am Auge vertikal in 1,2 m Höhe
  • maximal 10 lx "melanopic EDI" am Auge am Abend
  • maximal 10 lx "melanopic EDI" in der Nacht, wenn man unbedingt sehen muss, sonst 1 lx

Zuerst zu EDI. Die heißt so, weil man das Licht am Tageslicht messen will, auch wenn es künstlich daher kommt. EDI ist die Abkürzung von "equivalent daylight illuminance". Melanopisch wird EDI bezeichnet, weil man sie nicht nach der Augenempfindlichkeit für Licht messen will, sondern nach der Empfindlichkeit von Melanopsin. Das ist die Substanz in den melanopsinhaltigen Zellen der Retina. Und diese finden bläuliches Licht reizend.

Man will also mehr - und blaues - Licht am Morgen und weniger in der Nacht. Da will man ja in Ruhe schlafen. Was ist eigentlich, wenn man nicht schlafen darf, sondern arbeiten muss? Die Frage bitte vergessen … Denn man weiß seit Jahrzehnten, dass Schichtarbeit gesundheitsschädlich ist. Leider hat niemand eine schlaue Lösung des Problems gefunden. Man braucht auch nicht lange warten, dass eine gefunden wird. Es wird nicht. Dennoch macht es Sinn, sich Gedanken über Leute zu machen, die nachts nicht arbeiten müssen. Und mit denen, die arbeiten müssen, beschäftigt sich nicht mehr nur die Krebsforschung, sondern auch die Chronobiologie.

Als Begründung für ihr Vorgehen führen die Wissenschaftler an, dass die Einführung künstlicher Beleuchtung zu einem verringerten Lichteinfluss bei Tage geführt hat. Dafür erhält man nachts mehr Licht (…als nötig). Und man schläft viel kürzer. Und vor Allem, schlechter.

Mehr natürliches Licht tagsüber am Arbeitsplatz habe sowohl das Schlafverhalten als auch die mentale Leistungsfähigkeit der Menschen im Büro verbessert. Allerdings scheinen die Experten auf einem anderen Planeten geforscht zu haben. Denn an Büroarbeitsplätzen gibt es kein natürliches Tageslicht.

Wenn das jemand liest, der an einem schönen Fensterplatz sitzend arbeitet, wird sich über die Aussage wundern. Ich sehe es doch, das Tageslicht! Das stimmt. Bloß, dieses Licht, das er sieht, stammt von der Sonne, wird aber durch das Fenster auf ca. 1% vermindert und dazu noch durch das Fensterglas gefiltert. Allein wenn er aufsteht, sieht er ein anderes Licht, weil dann der von ihm gesehene Himmel kleiner wird und der untere Teil größer. Das natürliche Licht gibt es nur im Freien.

Dieses natürliche Licht ist aber nicht "Tageslicht". Denn die Definition der CIE vom Tageslicht besagt seit 1938, dass es "Anteil der Solarstrahlung, der eine Sehempfindung hervorruft" ist. Also: Egal, wo man sich befindet, im oder vor dem Gebäude, das Tageslicht ist ein anderes, als man denkt. Draußen enthält es UV und IR, in das Gebäude lässt das Glas nicht einmal alle Strahlung hinein, die zum Sehen dient. So kann man wissenschaftlich genau dafür sorgen, dass selbst alltägliche Dinge (Tageslicht) nicht verstanden werden.

Was sagen die Beleuchtungsnormen dazu? Nach Meinung der Autoren gilt: "This leaves us with an indoor light environment that is potentially suboptimal for supporting human health, performance and well-being." Auf Deutsch gesagt, das Licht reicht nicht, um die Bedürfnisse der Menschen bezüglich Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden zu erfüllen. Das erinnert mich daran, dass ich böse angegriffen wurde, als ich behauptete, der Mensch im Büro lebe in der biologischen Dunkelheit. Wegen einer Veröffentlichung "Direktblendung widerspricht dem Arbeitsschutz" (hier) wollte uns die lichttechnische Industrie sogar verklagen. Jetzt haben wir es "amtlich" bestätigt bekommen.

Noch etwas, was jetzt "amtlich" bestätigt wurde, ist ein Verbot der Bildschirmarbeit in den Abendstunden und in der Nacht. Natürlich schreiben die Autoren das nicht so. Sie verlangen EDI < 10 lx abends, und in der Nacht soll es < 1 lx sein, wenn man schlafen will. Und sie schreiben auch : "For example, a significant source of evening light exposure is from visual displays, which in the absence of any other illumination, can provide melanopic EDI levels of >70 lx (above the typical level of exposure required to produce half-maximal subjective alerting, melatonin suppressing and circadian phase-shifting responses in laboratory studies …" Im Klartext: Bildschirme beeinflussen abends und nachts Ihre Körperrhythmen stark. Wie stark? Es sollen weniger als 10 lx (EDI) sein, es können aber mehr als 70 lx (EDI) betragen.

Jetzt verstehe ich, warum bei meinen ersten Studien zur Bildschirmarbeit die Probanden berichteten, sie könnten abends nach der Arbeit nicht sofort einschlafen und müssten deswegen erst einmal in die Kneipe. Und ich dachte, das käme davon, dass es Journalisten der DPA waren, die in der zweiten Schicht des Tages viel Aufregendes aus den USA berichten mussten. Das war vor 45 Jahren, und damals saßen nur DPA Journalisten in großer Zahl abends vor Bildschirmen, weil dort die Nachrichten aus den USA kamen, wo es Tag war. In Zeitungsredaktionen saß hingegen ab und an mal ein Redakteur bei gedimmter Beleuchtung vor einem Glas Rotwein und redigierte gemächlich etwas. 24/7 Fernsehen war noch nicht erfunden. Schon gar nicht MoMa (Morgenmagazin) ab 05:30 Uhr und Nachtmagazin um 00:00 Uhr. Bei einigem Optimieren kann man denselben Moderator für beides einsetzen. NaMa endet um 01:00 Uhr, Moma-Vorbereitungen gibt es ab 04:00 Uhr. Die drei Stunden wird man schon irgendwie sinnvoll um die Ohren schlagen können. Teleshopping moderieren, z.B. Da die Zuschauer genauso bedröppelt sind wie der Moderator, fällt die Sache nicht weiter auf.

Auch noch nicht erfunden waren Smartphones und Tabletts, die einen bis ins Bett verfolgen. Vermutlich kein Arbeitgeber der Welt würde es schaffen, jemanden dazu zu bringen, paar Stunden hintereinander konzentriert kleine Pünktchen auf dem Bildschirm zu jagen.

Büroschlaf ist gesund

Wer sich bei den Autoren für die tiefen Einsichten in die circadianen Rhythmen von ihm oder ihr bedanken will, kann hier den Artikel aufrufen und unkommentiert in voller Länge lesen.

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Wunder der Lichttechnik - Wie aus einer Grundgröße viele werden

Es war einmal … So fangen orientalische Märchen an. Es wird einmal … So ähnlich lauten Märchen, die Technokraten erzählen. Heute will ich erzählen, wie ein orientalisches Märchen nicht erzählt werden durfte. Und stattdessen dasselbe Märchen immer wieder neu aufgewärmt, Pardon, gezeichnet wurde. Wenn sie noch nicht gestorben sind, zeichnen sie heute noch …

Zunächst zu dem Märchen, das nicht erzählt werden durfte. Ein Mensch aus dem Orient, ein türkischer Professor für Lichttechnik, wollte auf dem CIE-Kongress zu Washington D.C. anno 1967 einen Vortrag halten. Das hätte er sogar gedurft, wäre sein Thema ein vernünftiges. Der dumme Kerl wollte aber einen Vortrag über die "Grundgrößen der Lichttechnik" halten. Gott verhüt's! Die sind 1924 festgelegt und im Heiligen Buch, Pardon, im Internationalen Wörterbuch der Beleuchtung 1938 definiert worden. Endgültig. Und damit basta! Wie kann man nach nur 40 Jahren prüfen wollen, ob sie stimmen? So kam es nicht zu einer Wiederholung des wunderbaren Ereignisses von 1909, von dem Antoine de Saint-Exupéry in "Der kleine Prinz" berichtet.

Der Erzähler des kleinen Prinzen berichtet, dass der Asteroid B 612, der Heimatplanet des kleinen Prinzen, von einem türkischen Astronomen entdeckt worden sei: „(…) Dieser Asteroid wurde bisher nur ein einziges Mal mit dem Fernrohr erblickt, und zwar im Jahre 1909 von einem türkischen Astronomen.“ Dieser veröffentlichte seine Entdeckung über den Asteroiden in einem großen Vortrag auf einem internationalen Astronomie-Kongress. Bedauerlicherweise schenkte ihm, aufgrund seiner traditionellen Kleidung, bestehend aus Fez und Gewand, niemand Beachtung.

„Die Erwachsenen sind halt so“, erklärt der kleine Prinz, „dass der Asteroid B 612 nun nicht völlig in Vergessenheit geriet, verdankt er einem türkischen Diktator. Der nämlich befahl seinem Volk bei Androhung der Todesstrafe, sich europäisch zu kleiden. „Der Astronom wiederholte seinen Vortrag 1920 in einem hocheleganten Anzug. Und diesmal überzeugte er alle.“

Übrigens, Ende 2020 hat die CIE die Aufgabe der Beleuchtung geändert. Noch vier Jahre und die wär' 100 geworden.

 

Es war einmal … Man wollte einfach mal illustrieren, wie man sieht - nur mit Hilfe der künstlichen Beleuchtung. Die Abbildung mit die Omma fiel aber etwas zu altmodisch aus, daher kam eine "technische" Abbildung. Leider noch ohne Blendung. Das sollte sich noch ändern.

So hat man für die 1 Größe ganze Bücher geschrieben. Und welche das ist, und woher sie kommt, wurde richtich technisch aufs Auge gedrückt. Es gibt nämlich nur eine, die Lichtstärke. Das ist aber zu einfach. Außerdem kann man sie nicht verkaufen. Auf die Beleuchtungsstärke kommt es an! Und die kommt aus einem gewaltigen Topf mit Lampe drin.

Manche gaben sich ganz präsize und schmückten das Ganze mit Formeln u.ä und vergaßen dabei die Physik. Wie Beleuchtungsstärke in der Richtung der Pfeile fällt? Das ist wirklich egal. Hauptsache, es sieht präzise aus.

Man kann die Sache auch mal anders ausdrücken. Und für Leute, die es genauer haben wollen, die eine Lichtquelle verdoppeln. Man merke, die Grundgrößen gelten auch für Tageslicht. Allerdings darf der Leser nicht erfahren, dass dieses Tageslicht so nicht existiert. Das macht aber nichts.

Variationen zum Thema … Warum nicht mal eine Frau unter die Sonne stellen? Nee, die Lampe ist doch besser. Und dass die Richtung nicht stimmt, ist wieder egal. Die Zeichnung ist klar, nur die Leute sind zu dumm sie zu verstehen. Also noch einmal das Ganze … Jetzt auch mit Blendung!

Zuweilen wurde kräftig kopiert. Leider nicht perfekt. Der Lichtstrom mit Richtung? Ufff! Mit Copy-and-Paste wäre das nicht passiert. Was Blendung hier zu suchen hat? Muss halt betont werden, sonst kommt einer auf die Idee, dass dies eine Story zu Reflexblendung ist.

Hier stand am Anfang noch ein Arbeiter an der Drehbank. Mit dem Verschwinden der Arbeiterklasse wurden die Männer schicker. Die Leuchten übrigens auch. Die linke Leuchte hing einst an Werkbänken, die rechte nie. Man findet sie in schicken Architektenbüros. Für übliche Menschen am Bildschirm war sie nach Meinung der Industrie verboten. Wg. Reflexblendung. Die entsteht nämlich so.

Eine Anpassung an die EU durfte nicht fehlen. Arbeitnehmer in Deutschland können auch aus dem Süden stammen. Wie die Beleuchtungsstärke senkrecht vom Himmel fällt, weiß nur der Zeichner. Oder Leser davon.

Es war einmal … Nein! So eine Schweinerei war nie. Oder doch? Doch, doch! Es gibt nicht nur PsyLux sondern auch SauLux. Man muss nur auf healthylight.de suchen. Auf die Gefahr hin, dass man begreift, dass die Beleuchtungsstärke immer platt vom Himmel auf platte Objekte auf dem Tisch fällt. Wenn die Dinger nicht platt sind, gilt die Beziehung nämlich nicht. Wenn kümmert aber das außer der Sau?

So wurden aus 1 Grundgröße etwa 4. Eine skalare Größe bekam eine Richtung. Die Bahn des Lichts wurde stärker verbogen als nach Einstein nur bei schwarzen Löchern möglich. Und anstelle die Omma begreift jetzt Antonio da Moustache, was Sache ist. Ein Fortschritt in 55 Jahren trotz des ausgefallenen Vortrags einer orientalischen Lichtgestalt.

Morgen nehme ich die Bilder und zeichne sie auf Reflexblendung um. Man muss sie nur wenig ändern.

Von Milchmädchen und Sehleistung …

Moderne (und zuweilen sehr alte) Märchen erzählen von wundersamen Dingen, die wir sehr gerne glauben. Ist der Märchenerzähler mit einem Turban verkleidet oder - wie in diesen Tagen - mit einem Aluhut, wissen wir, woran wir sind. Man kann zuhören, wenn man nichts Besseres zu tun hat. Anders hingegen, wenn immer wieder dasselbe Märchen von anständig gekleideten Ingenieuren mit ernsthafter Miene verbreitet wird. Eines dieser Märchen ist mittlerweile über 100 Jahre alt. Eigentlich Zeit, dass man es überdenkt.

Das Märchen handelt von Sehleistung, die wie alles, was Leistung hat, hoch geachtet wird. Ob man es glauben will oder nicht, das Dritte Reich betrachtete die als "systemrelevant" und wollte damit den Krieg gewinnen. Nicht nur damit, aber auch damit. Gutes Licht sollte die Leistung des deutschen Arbeiters steigern. Allerdings waren die Betreiber der Idee nicht dumm, sie hatten aus einem Debakel gelernt. Das Debakel wird dieser Tage exakt 100 Jahre alt und ist in Kreisen der Wissenschaft berühmt-berüchtigt. In einem Werk in der Stadt Hawthorne versuchte man damals, mit einer Steigerung der Beleuchtungsstärke die Leistung der Mitarbeiter:innen zu steigern. (mehr z.B. hier) Das ist so gewaltig in die Hosen gegangen, dass der Begriff Hawthorne Effekt die Sozialforschung fundamental beeinflusste. Und beeinflusst. Bis heute sucht man in der Lichttechnik den Nachweis dafür, dass eine höhere Beleuchtungsstärke auch eine bessere Leistung bedeute. Und in hundert Jahren werden sie dasselbe wie 100 Jahre davor singen: wenn sie noch nicht gestorben sind, suchen sie immer noch. Einer, der es wissen muss, Prof. Peter Boyce, hat es in einem Vortrag hervorragend charakterisiert. Der Titel lautet: Von der Festlegung von Beleuchtungsstärken nach der Sehleistung - Und andere Märchen.

Das hält aber die Auguren nicht davon ab, immer noch die Beleuchtung von Arbeitsstätten auf der Basis der Beleuchtungsstärke zu normen. Allerdings dürfen sie nicht mehr behaupten, die Basis der Gestaltung sei der Arbeitsschutz. Den darf nämlich nur der Staat regeln. Ergo? Man schreibt "Dieses Dokument legt Beleuchtungsanforderungen für Menschen an Arbeitsplätzen in Innenräumen fest, die den Anforderungen an den Sehkomfort und die Sehleistung von Personen mit normalen oder auf normal korrigiertem Sehvermögen entsprechen." Und was legt man fest? "Für eine gute Beleuchtung ist es notwendig, dass neben den erforderlichen Beleuchtungsstärken zusätzliche qualitative und quantitative Anforderungen erfüllt werden." … Und diese sind Sehkomfort, Sehleistung und Sicherheit.

Man vergesse zunächst Sehkomfort. Denn der ist nicht definiert. Wenn er denn definiert wäre, wüsste man nicht, wie man den gewährleisten soll, z.B. wenn man den ganzen Tag am Bildschirm sitzt. Noch besser ist es, auch Sicherheit schnell zu vergessen. Diese ist zwar sehr wichtig, macht aber nur Sinn, wenn man mit angibt, was für eine Sicherheit denn gemeint ist. Dieser Aspekt ist derart wichtig, dass es bei der Normung ein eigenständiges Regelwerk dafür gibt. Denn es beginnt schon bei dem Wort Sicherheit. Die gibt es nämlich im Prinzip nicht, sondern nur Schutz. Man kann einen Arbeitsschutz organisieren. der der Sicherheit bei der Arbeit dient. Aber die Arbeitssicherheit kann man nicht gewährleisten, sondern nur anstreben. Das steht sogar im Arbeitsschutzgesetz. Summa summarum: wer das Wort Sicherheit benutzen will, muss gleichzeitig angeben, was er damit erreichen will. Sonst steht der Verdacht nahe, dass es sich um Bla Bla handelt. Mit der Beleuchtung kann man z.B. Erkennungssicherheit anstreben, was plausibel klingt. Wenn man auch schafft, dass z.B. Treppenstufen erkannt werden, dient die Beleuchtung auch der Arbeitssicherheit. Wenn man dadurch Unfälle vermeiden kann, die die Beleuchtung auch der Betriebssicherheit. U.s.w… Lichttechnische Normen sind die einzigen, die das Wort Sicherheit ungestraft so benutzen dürfen. Dafür werden die Benutzer der so entstehenden Arbeitsplätze bestraft.

Bleibt Sehleistung. Die ist so fundamental wichtig, dass man sie gut definiert und perfekt festlegt. Oder? Was soll man sonst denken, wenn man eine Norm von 86 Seiten schreibt, hauptsächlich der Sehleistung halber? Weit gefehlt! Sehleistung ist nämlich auf zweierlei Art und Weise definiert, was man allein deswegen genial nennen muss. Sehleistung "ist die Leistung des visuellen Systems." So nach DIN EN 12665. Das internationale Wörterbuch der Lichttechnik geht da umfangreicher daran, aber kaum klarer: "Sehleistung - Leistung des visuellen Systems, wie sie beispielsweise durch die Geschwindigkeit und die Genauigkeit gemessen wird, mit welcher eine Sehaufgabe gelöst wird.” Einen Grundpfeiler einer Technik mit Beispielen zu definieren, zeugt von gründlicher Ingenieurs-Arbeit.

Lassen wir die handwerklichen Fehler beiseite. Wie steht es mit der technischen Ausführung, die jeder Ingenieur beherrschen müsste. So wurde vor über 50 Jahren diskutiert und festgelegt, wie man die Wirkung einer Lichtquelle gegen die Störungen, die sie erzeugt, verrechnet. Eine solche Störung ist die Blendung, die eine Lampe (unbeabsichtigt) verursacht. In der Straßenbeleuchtung kennt den Effekt jeder. Die Laterne, die den Bereich unter sich beleuchtet, blendet je nach Ausführung die Verkehrsteilnehmer mehr oder weniger stark. Man kann den Effekt gegen den Nutzeffekt berechnen. In der Innenraumbeleuchtung ist der Blendeffekt indes subtiler. Er wird durch den Kontrastverlust auf Sehobjekten, meist schlecht erkennbar, sichtbar. Der sog. Kontrastwiedergabefaktor berechnet, wie der Kontrast auf einem Sehobjekt reduziert wird.

Neu ist dies nicht, eher sehr alt. Der Faktor wurde vor über 50 Jahren schon definiert: "Der Kontrastwiedergabefaktor (für eine Beleuchtungseinrichtung) ist das Verhältnis des Kontrasts einer Sehaufgabe zu dem Kontrast unter vollkommen diffuser Beleuchtung." Da der Kontrast die wichtigste Größe für die Erkennbarkeit der Schrift ist, leidet z.B. die Lesbarkeit von Text dramatisch unter einem ungünstigen Kontrastwiedergabefaktor. So hat Hartmann (1970)  ermittelt, dass die Informationsaufnahme vom Papier bei glänzender Druckfarbe und glänzendem Papier gegenüber matter Farbe auf mattem Papier etwa um den Faktor 10 zurückgeht.

Die Berechnung einer Störung gegen die Nutzwirkung der Beleuchtung kann man wie hier berechnen.

Das Bild zeigt eigentlich, was Hartmann vor 51 Jahren publiziert hatte. Fällt das Licht ungünstig ein, wirkt es u.U. wie ein günstiger einfallendes Licht mit einem Zehntel der Beleuchtungsstärke. Und Hartmann war ein hoch geschätzter Sehphysiologe, der überall in der Lichttechnik und sogar in der Politik bekannt war. Warum wurde sein Rat nicht befolgt?

Es wäre unfair, zu behaupten, sein Rat wäre nicht befolgt worden. Man hat ihn auf eine sehr eigentümliche Weise befolgt. Alle Betriebe mögen alle Sehgegenstände matt gestalten. Sagen die Beleuchtungsnormen. Außerdem sollen die Betriebe keine Arbeitsplätze unter den Leuchten einrichten, sondern daneben. Wenn man allerdings überlegt, wie teuer Arbeitsraum ist - bei Büros ist die Miete der zweitgrößte Faktor nach dem Gehalt -, kann man eher was von zynisch reden. Denn kein Arbeitgeber schert sich um Vorgaben der Lichttechnik zur Aufstellung von Arbeitsplätzen. Wie sollte er das überhaupt können? Der Arbeitgeber kann meistens nicht einmal verstehen, warum er so etwas tun soll. Denn Designer erklären ihm, Licht gehört dahin, wo gesehen wird. Was auch stimmt. Dann kommt der Lichtplaner und erzählt, da wo Licht erzeugt wird, darf kein Arbeitsplatz stehen. Und der Marketing-Mann sagt, man kann Arbeitsplätze überall hinstellen, wo keine Blendung entstehen kann. Ja, eben!

Des Rätsels Lösung? Die Beleuchtung, die der diffusen am nächsten kommt, die Indirektbeleuchtung. Man kann über den Daumen gepeilt sagen, dass 1 lx Indirektbeleuchtung etwa so wirksam ist wie 2 lx Direktbeleuchtung. Das ist eher untertrieben. Dass man mit der Beleuchtungsstärke - ohne nähere Beschreibung - die Sehleistung erhöht, ist ein altes Märchen. Wird aber immer neu aufgetischt.

Wie intelligent darf eine Leuchte sein?

Zunächst zur Beschwichtigung aller: Ihre Laterne wird garantiert nicht intelligenter werden als ihre Schöpfer. Damit ist erst einmal das obere Ende der Skala der Intelligenz festgelegt. Das untere Ende kennt jeder, weil es jahrzehntelanger Praxis entspricht: doof wie Kommissbrot. Womit ich nichts gegen das Brot sagen will, sondern gegen die Praxis. Man nimmt zwei Leuchten pro Kopf, hängt sie an die Decke und sagt, die Beleuchtung ist aber normgerecht. Und was ist normgerecht? Das ist, was die Hersteller von Leuchten dafür halten. Dies geht seit Edison so.

Nun hat sich die Erde seitdem einige Male gedreht, und man ist seit etwa 20 Jahren begeistert von der Idee, eine neue Beleuchtung zu schaffen. Was die sein will, muss man nicht im Detail wissen. Aber eine Sache sticht besonders hervor, weil sie auch dem Wunsch der Beleuchteten entspricht: individuelles Licht. Hersteller wie die geblendeten Mitarbeiter hätten gerne ein Licht, das dem Bedarf des Menschen entspricht. Nicht etwa dem Bedarf des Manns auf der Straße - Pardon, der Frau auf der Straße bzw. Frau Mustermann - sondern des Einzelnen. Personal Light hieß und heißt eines der Produkte - entspricht dem Personal Computer. Und das ist kein Zufall, denn der Hersteller beschäftigt sich schon immer mit Ideen, die einem das Licht angenehmer machen wollten. Ich kannte dessen Labor in Aachen schon 1968, aus dem z.B. die Blendungskurven stammen. Die Ambilight-Technologie, eine Einrichtung das ein zum Bildinhalt passendes Umgebungslicht an die Wand hinter dem Fernseher wirft, ist weder das erste noch das letzte Produkt aus dem Haus mit einem ähnlichen Anspruch. Ich glaube, dass die in 1947 aufgekommene Idee, den Fernseher nicht im Dunklen reinzuziehen, sondern die Wand dahinter etwas aufzuhellen, könnte auch von dort stammen.

Die Idee war gut, aber die Technologie doof. Sie bestand aus einem Schalter, der das Licht anmachte. Nun soll das Licht nicht etwa etwas intelligenter werden, sondern richtig intelligent. Und natürlich teurer. Ob das intelligent ist, will ich weiter unten beleuchten. Der Verband der Elektriker wie auch der Weltverband der Lichttechniker hat die Losung auf die Fahnen geschrieben: Richtiges Licht zur richtigen Zeit.

Wie intelligent ist das? Als Idee erst mal nicht schlecht. Sie wird, wenn man intelligent beleuchtet, schon immer praktiziert. So empfängt einen z.B. das Opernhaus mit einer festlichen Fassade, die nachts nur dann festlich ausschaut wenn entsprechend beleuchtet. Ansonsten sähe sie zappenduster aus, und gut nur tagsüber. Aber da geht man nicht in die Oper. Wenn man das Foyer betritt, wird es noch festlicher. Lüster über Lüster. Das Licht bricht sich nicht nur in den Lüstern, es holt auch das Feuer aus den Brillanten der Damen, die ohne das Licht aussähen wie jeder Stein. Dann geht man etwas nüchtern beleuchtet in den Saal. Dort wird kaum noch beleuchtet, denn die Musik spielt da vorne. Wenn das Orchester allein spielt, sieht man in dem Graben im Wesentlichen die Instrumente, die Musiker sind ja schwarz gekleidet. Dann geht der Vorhang auf … Jetzt sieht man erst, war es bedeutet, "Richtiges Licht zur Richtigen Zeit" und am richtigen Ort. Hunderte Scheinwerfer, vom Computer gesteuert. Nicht so einfach, sondern nach System:

  • Vorderlicht (ca. 45° zur Objektachse)
  • Oberlicht (ca. 60° zur Objektachse)
  • Kopflicht (ca. 0° zur Objektachse)
  • Gegenlicht (ca. 60° zur Objektachse)
  • Seitenlicht (ab ca. 3 Meter Höhe, ca. 45° zur Objektachse)
  • Gassenlicht (0–3 m Höhe)
  • Fußlicht (Rampenlicht)
  • Horizontlicht/Hintergrundlicht (von unten und von oben)

Das Licht macht einen Großteil der Kunst aus. Mehr noch, es ist eine Kunst für sich. Leute, die so etwas haben schaffen können, werden doch das bisschen Intelligenz in die Beleuchtung einpflanzen können. Oder? Hoffnung stirbt zuletzt. Es gibt "Personal Light" schon, und massenhaft. Dieses befindet sich aber in privaten Bereichen und wird von den Menschen selbst gehegt und gepflegt. Der Lichttechniker redet angewidert von Lichttötungsmaschinen, die die Energie nur so verschleudern. Sein genormtes Licht beruht etwa auf dem geistigen Niveau der 1930er, als jemand behauptet hatte, die Allgemeinbeleuchtung erhöhe die Produktivität. Später wurde daraus "Gleiches Licht für alle Volksgenossen". Der Spruch wurde nach dem Krieg zwar aus den Büchern getilgt, aber der Geist blieb.

Damit dieser, der Geist, nicht das Geschäft mit dem schönen Licht verdarb, erfand man das Wort "stimmungsbetonte Räume", mit deren Beleuchtung sich der Lichttechniker (Gott sei Dank) nicht beschäftigt. Falls er es doch tut, nennt er sich Lichtdesigner. So werden die wunderbarsten Beleuchtungen auch von Lichttechnikern gemacht, die sich anders nennen. Das technische Licht, das unsere Beleuchtung der Arbeitsstätten beherrscht, glänzt durch eine Anmutungsqualität wie ein Gummihammer. Praktisch, preiswert und sehr nützlich, gelegentlich. Bis wir daraus eine Kunst machen, die dem Individuum dient, statt einen Lichtteppich über alle zu legen, müssen wir viel Hirnschmalz zubuttern. Das, das wir etwa vier Jahrzehnte gespart haben, ist leider verdorben. Und so sieht ein Büroraum 140 Jahre nach der Erfindung der Glühlampe aus. Chapeau!