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Retro Normen in der Lichttechnik

 

Retro bedeutet in Kunst und Design, dass man Vergangenes wiederbelebt, weil es gut war. Das hält für die Masse eine Zeitlang, während für Spezialisten wie Elvis Fans die Zeit stehen bleibt. So ist seine Tolle ein Muss für alle, und sein Outfit von dem legendären Auftritt in Las Vegas ein Muss für Elvis Lookalikes.

In der technischen Normung sieht die Sache anders aus. Technik ist Fortschritt in einer Richtung, und wer Regeln rückwärts einführt, könnte im mildesten Fall Gelächter ernten. In der Regel ist ein Scheitern programmiert. Es sei denn, die Protagonisten gehören zu einer mächtigen Lobby. Die können sogar Normen schaffen, über die einem das Lachen vergeht.

Dieser Tage spielte mir jemand einen Normenentwurf zu, die die Beleuchtung in allen Europäischen Arbeitsplätzen von der Türkei bis Island in der Ost-West Richtung und Lampedusa bis Nordkapp in der Süd-Nord-Richtung regelt. Was die wenigsten wissen, ist, dass Europa bzw. die EU im Süden nicht in Lampedusa anfängt, sondern auf der Insel Reunion östlich von Madagaskar. Im Westen endet die EU in Maripasoula. Das ist die westlichste Siedlung in Französisch Guayana, wo der Archipel der Verdammten liegt. Dort überall soll EN 12464-1 gelten und gesundes Licht regnen lassen. Und der Industrie gesunde Gewinne absegnen.

Ist was? Das kennt doch Jeder, der sich mit Europa befasst. Offensichtlich tun sich aber manche schwer damit. Denn die Norm will auch NIF (= non-image forming) Wirkungen der Beleuchtung berücksichtigen und sagt dazu im Geltungsbereich: „… In addition recommendations are given for good lighting practice including visual and non-visual (non-image forming) lighting needs.“ Also alle Bedürfnisse bezüglich nicht visueller Wirkungen, sonst genannt “biologische” Wirkungen, werden behandelt. Was in der Norm gefordert wird, kann durch Tageslicht, künstliches Licht oder eine Kombination von Beiden erfüllt werden. So eben nach Geltungsbereich. Das Dumme an der Geschichte ist allerdings, dass das Tageslicht im südlichen Afrika völlig anders ist als am Nordkapp, wo über zwei Monate Nacht herrscht, dafür auch zwei Monate die Sonne nie untergehen will. Reunion kennt keine Jahreszeiten, Guayana auch nicht. In Mitteleuropa fallen die jahreszeitlichen Unterschiede moderat aus, in Nordeuropa und Island hingegen sehr heftig.

Im Prinzip stammt die Norm aber aus der Geisteswelt von Traunreut, wo das Siemens Leuchtenwerk stand (Der Name bedeutet Rodung an der Traun) . Dort wurde DIN 5035-2 geschrieben, die Mutter der neuen Norm. Das ist nur 249 km vom „Mittelpunkt“ Europas in Čečelovice entfernt. Tatsächlich sind viele Begriffe, Größen oder Vorstellungen in der Lichttechnik durch Europa – davon den Bauch des Kontinents – geprägt. So entspricht das Tageslicht nach CIE – D65 – etwa dem Spektrum des Tages an einem mittleren Tag in Mitteleuropa. Die Bedürfnisse des Menschen bezüglich Licht, aber auch sonst, werden durch die lokalen Bedingungen bestimmt, die je nach Jahreszeit unterschiedlich sein können. Und auch immer sind.

Die kommende Norm für alle Arbeitsplätze in Europa atmet den Geist von anno Tobak. Da sie aber biologische Bedürfnisse, die nicht nur angeblich sondern nachgewiesenermaßen lebenswichtig sind, berücksichtigen will, kann sie bestenfalls einen kleinen Schaden anrichten. Schlimmstenfalls auch einen großen.

Vor zwei Jahren hatte ich dargelegt, warum internationale Normen für Beleuchtung Mist sind (hier). Jetzt wird der Mist noch vertieft. Wegen der biologischen Wirkungen soll ja die Beleuchtungsstärke – und damit der Energiekonsum mindestens verdoppelt werden (hier). Und der für die gesunde Arbeitsumgebung zuständige Ausschuss findet schon die jetzigen Beleuchtungen für bedenklich, weil sie nachts zu viel Licht erzeugen (hier). Da war die Idee vom Leinenzwang für Lichttechniker (hier) so falsch nicht.

Was hat HOAI mit Sehen zu tun?

 

Ist schon richtig geschrieben, HOAI und nicht AHOI. Gemeint ist die Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen  bzw. Honorarordnung für Architekten und Ingenieure. Was hat die mit dem Sehen zu tun? Die regelt doch die Entgelte für Architekten- und Ingenieurleistungen, also was der Architekt wie in Rechnung stellt oder stellen darf. Wenn man die Verordnung durchliest, findet man Lichtplanung nicht, Beleuchtung kommt zwar vor, aber nicht an prominenter Stelle. Man muss suchen. (Wer nicht suchen will, kann die betreffende Serie in Licht lesen, allerdings behandelt die die Neufassung von HOAI, gültig seit dem 17.07.2013, dafür aber sehr gründlich).

Früher half §10 Absatz 5 Nummer 6 HOAI. Danach dürfen die Kosten der Beleuchtung in die anrechenbaren Kosten einbezogen werden, wenn der Architekt die Beleuchtung plant oder bei ihrer Beschaffung mitwirkt oder ihre Ausführung oder den Einbau überwacht. Was ist, wenn er nicht mitwirkt? Sehr seltsam. Denn der Architekt ist der Generalist, der ein Gebäude erstellt. Freunde der Lichttechnik behaupten immer wieder, ohne Licht keine Architektur. Wer's nicht glaubt, kann sich selbst ein Bild machen. Bzw. er kann es nicht, weil … kein Bild ohne Licht. Also: der Verantwortliche für das Gesamtwerk Gebäude bekommt nicht immer Geld für eine Leistung, die Feind und Freund gleichermaßen wichtig scheint.

Vor 30 Jahren wollte ich in eine Entwicklung eines Beleuchtungssystems die wichtigsten Macher eines Bürohauses einbinden, nach meiner Erfahrung Organisatoren, die Gebäude (mit)planen und Architekten, die es planen und ausführen. Es sollten jeweils 15 Fachleute beteiligt werden und nach der Delphi Methode in drei Wellen befragt werden. Am Ende sollte ein Workshop mit Leuchtendesignern das Werk vollenden. Dem Auftraggeber war die Sache einen sechsstelligen Betrag Wert. Um genügend Teilnehmer zu bekommen, habe ich jeweils 30 angeschrieben. Bei Organisatoren: Punktlandung! 18 von 30 wollten mitmachen. Bei Architekten: Bruchlandung. Niemand wollte mitmachen. Also schrieb ich 300 Architekten an, die ein Bürohaus gebaut hatten. Bingo: ein Teilnehmer hat sich gemeldet.

Der machte aber nur die erste Welle mit und schied aus. Um die Pleite zu verstehen, fragte ich einen Architekten, der an Licht mehr interessiert war als Lichttechniker selbst. Seine Erklärung: Wir bekommen kein Geld für die Beleuchtung, und wenn wir sie doch (mit)planen, haben wir hinterher nur Ärger. Warum? Das hat einer der bekanntesten Architekten von Deutschland so erklärt: " Als wir begannen, Architektur zu entwerfen und größere Bauten zu realisieren, war uns nicht bewusst, dass die Gestaltung mit künstlichem Licht vornehmlich eine konzeptionelle Frage und keine technische ist. … Ansonsten vertrauten wir den Ingenieuren – zumeist Elektrotechnikern – mit ihren Berechnungen. Diese beschränkten sich – und tun dies  auch heute noch – darauf, geforderte Luxzahlen rechnerisch nachzuweisen und dementsprechend Lichtquellen zu verteilen.“ (Meinhard von Gerkan in „Die Gestaltkraft des Lichts in der Architektur“).

HOAI hat offensichtlich verdammt viel mit Sehen zu tun. Wenn man Leuten, die sehr gut über die „Gestaltkraft des Lichts in der Architektur“ Bescheid wissen, nichts oder wenig zahlt, ist auf „Ingenieure“ angewiesen. Dummerweise zahlt man denen auch nicht gerade viel, am besten gar nichts. Ergo: die „Ingenieure“ holen sich das Geld vom Leuchtenhersteller. Fertig ist die Lichtplanung vom Nicht-Lichtplaner.

Der hungrige Bär tanzt nicht.
Orientalische Weisheit

Anm.: Wer wissen will, welche Leistung nicht bezahlt wird, möge die Beiträge in diesem Blog zur Lichtqualität lesen (hier, da und dort, vielleicht auch mal woanders)

Adieau mein kleines Blaulicht!

 

Was haben wir uns nicht alles erhofft von der Gesundheitswelle in der Lichttechnik! Was vor 30 Jahren milde belächelt wurde, wuchs zu einer wahren Industrie heran, Licht und Gesundheit. Nicht wenige fragen sich, wovon sie früher so gelebt haben? Da wurden auf Kongressen Kataloge von Herstellern von Lampen und Leuchten rezitiert, alle Unzufriedenheit mit Licht auf Nicht-Beachtung von Beleuchtungsnormen erklärt, Doktoranden, die neue Ideen vorbringen wollten, mit leisen Drohungen mit dem Entzug an Liebe durch den Doktorvater diszipliniert. Und dann … Licht beeinflusst Gesundheit! Welch eine Erkenntnis! Dass es die Sonne war, wussten schon die Alten Römer. Vielleicht auch die Assyrer? Egal, jetzt wusste man, dass man mit künstlichem Licht die Gesundheit beeinflussen kann.

Schwubdibus wurde aus Licht Licht mit Blaustich. Die neuen Stars am Himmel, LEDs, haben so ein Licht. Also stellen wir dies eben als positiv heraus und posaunen dies in die Welt hinaus. Was macht blaues Licht? Unterdrückt Melatonin… Also erklären wir genau das zur Gesundheit! Die neu bekannt gewordenen Wirkungen heißen jetzt melanopisch, und alle lichttechnischen Größen müssen auf melanopisch umgestellt werden. Wer nicht verstehen kann, was Ёz,μ bedeutet, soll halt einen neuen Beruf erlernen. Das ist die mittlere melanopische zylindrische Beleuchtungsstärke und ist sehr gesund. Vielleicht. Die Lichttechniker können aber nur über den Ort mitteln. Um gesund zu sein, muss die mittlere melanopische zylindrische Beleuchtungsstärke noch über die Zeit gemittelt werden. Leider bietet kein Alphabet ein E mit Ober- und Unterstrich. Daher kann ich das Ergebnis nicht formelmäßig darstellen. Aber was das bedeutet: Vergessen Sie die alte Lichttechnik, wo man Dinge beleuchtete, um sie sichtbar zu machen. Jetzt zählt, was ins Auge geht. Die nannte man früher Blendung und musste stets vermieden werden. So war seit 125 Jahren Beleuchtung betrieben worden. Jetzt aber machen wir nur noch gesundes Licht!

Offensichtlich wurde das Treiben auch höheren Orts erhört. Alles was Rang aber keinen Namen hatte, wollte sich einen machen. Jetzt darf nur noch mit gebremstem Schaum gesundes Licht geprädigt werden. Der ASTA (nicht AStA wie allgemeiner Studierendenausschuss sondern ASTA - Ausschuss für Arbeitsstätten) hat die Notbremse gezogen. Dieser entwickelt und betreut die Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR) zur Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) und müsste eigentlich als erster bestimmen, was gesundes Licht ist. Und so sieht es ASTA heute. Ähnlichkeiten mit dem Ergebnis unseres Forschungsberichts von 1990 sind entweder gewollt oder beabsichtigt (hier):

Earth Hour 2019 - Super Beitrag aus der Lichttechnik

 

Ein Licht ging gestern nicht um die Welt, sondern eher ein Schatten. Für eine Stunde, angefangen auf Samoa, wurden die Lichter auf prominenten Plätzen abgeschaltet. Damit man das Klima rettet.

Nicht jeder denkt so. Ein sehr bekannter Mensch, sogar der mächtigste auf Erden, glaubt einfach nicht, dass es einen Klimawandel gibt. Vielleicht müsste ein Tornado seine Frisur ordentlich durcheinander bringen, damit er mal anders denkt. In guter Gesellschaft befindet er sich, der Europäischen Lichtbranche ist eine einmalige Innovation gelungen: die Wiederbelebung der 1000 lx-Bewegung aus den 1960ern. Jetzt darf das Licht an europäischen Arbeitsplätzen nicht mehr nie nie unter 500 lx fallen - nein, nie nie unter 1000 lx. Jedenfalls, wenn man tippt, schreibt oder liest. Begründung? Das ist gesund!

Die neue Größe, die die heilige 500 lx ablöst, ist die neue obere Untergrenze (hier). Man erhöht die Beleuchtungsstärke einfach um 50% oder 100 % - und schon hat man gesundes Licht. Wie gesund? Wenn man in einer Warte eines Kernkraftwerkes die Beleuchtungsstärke so einfach von 300 lx Nennwert (bis 2001) auf 500 lx Wartungswert steigert, dann ist das real 108% mehr, also mehr als das Doppelte. Wenn man dann demnächst auf 1.000 lx geht, ist das ein atemberaubender +216%. Ist doch gesund? Von wegen! Die hatten schon bei 300 lx Probleme mit den Spiegelungen auf ihren Instrumenten und Bildschirmen. Wenn man das Licht nun verdreifacht oder gar vervierfacht, sehen die womöglich gar nichts mehr. Und wenn die Helden in der Warte eines Atomkraftwerks mal nichts sehen …?

Bei manchen Leuten - so scheint's - ist das ganze Jahr Karneval. Doch, wenn wir Aschermittwoch haben, ist die Party aus. So wie gestern Nacht, aber nicht nur für eine Stunde.

P.S.: Wir haben zur Feier des Übergangs von DIN 5035-2 auf EN 12464-1 berechnet, wie viel mehr man an Licht installieren muss, ohne dass es dafür einen Grund gibt. Bitte die Werte aus der Studie (hier) merken. Wenn die neue Version der Norm erscheint, können Sie die Daten aktualisieren. Da geht Ihnen ein Licht auf.

Verstehen Sie Spaß? Vielleicht? Dies verstehen Sie aber garantiert nicht …

 

Heute versuchte ich, die Definition der wichtigsten Größe der Lichttechnik zu finden. Die kenne ich so seit 1967, wollte aber nachsehen, ob es eine gibt, die man verstehen könnte. Ich selbst hatte so schlappe 7 Jahre gebraucht, bis ich begriffen hatte, was die bedeutet. Da hatte ich fast meinen Doktor in Lichttechnik in der Tasche. Andere sollen es schneller und leichter können.

Mein erster Versuch, in einer Norm die Größe Leuchtdichte verständlich auszudrücken, schlug grandios fehl. Man sagte, man dürfe diese heilige Größe nicht anders definieren als die CIE. Im Lichte besehen, haben die Leute recht. So wurde meine Erklärung gestrichen und durch die Definition aus dem CIE Wörterbuch von 1970 ersetzt.

Im Jahr 1987 würde sich eine Gelegenheit ergeben, den Begriff besser verständlich auszudrücken, Aber, njet, die CIE bestand auf ihrer Definition. So musste ich Noch viele Jahre warten, bis die CIE ihren Schatz ins Internet gestellt hat. Jetzt kann jeder sehen, wie die CIE Begriffe definiert. Eine wahre Heldentat, denn andere Normer kneifen da. Auch heute ist nicht gewährleistet, dass Sie Käse bekommen, wenn Sie nach der ISO Definition Käse bestellen. Jede ISO Norm darf für den eigenen Bedarf Begriffe anders definieren. Muss nur sagen, dass dem so ist. Das ist Käse. Nur in der Lichttechnik werden alle relevanten Begriffe international definiert, und das seit 1938! Die Elektriker behaupten gar, deren Begriffe wären seit 1905 einheitlich definiert. (Die Gerätestecker allerdings nicht!)

So sieht die Definition der Leuchtdichte also aus. Wer sie versteht, soll mir bitte eine Mail schicken und erklären, was er/sie verstanden hat. Und warum er auch die Anmerkungen 2 bis 7 zu radiance lesen musste. Leider kann ich etwas Besseres nicht bieten. Egal wie man sie beschreibt, ist etwas falsch. Kein Wunder, es gibt keine andere wissenschaftliche oder technische Disziplin, die dieses Wort benutzt. Die müssen sich auch nicht mit dem Sehen beschäftigen.

(Anm.: Die Leuchtdichte ist selbst Physikern und Elektrotechnikern ein Rätsel, die sich mit Strahlung oder Antennen beschäftigen. Denen fehlt nicht nur die Größe, sondern auch noch der Begriff.)