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Von der Sau und ihrem Lichtbedarf

Gestern fiel mir beim Sinnieren über die Farbe der Ehre unter dem Licht von Energiesparlampen ein bekanntes Bild auf. Es versinnbildlicht die Grundgrößen der Lichttechnik aus schweinischer Sicht. Somit wird das Schwein dem Menschen gleichgestellt. (Wer das Gegenteil herauslesen will, soll sich bei anderen Blogs herum tummeln. Hier geht es nur um Fakten.) Da der Mensch und das Schwein auch mal nebeneinander gestellt werden, im Stall, gelten für Schweineställe Regeln, die für Menschen aufgestellt sind. So lese ich in der Broschüre, aus der das Bild stammt: "Da der Stall ebenfalls als Arbeitsplatz für den Menschen dient, gelten die Technischen Regeln für Arbeitsstätten ASR 3.4 aus der Arbeitsstättenverordnung."

Die Broschüre gibt eine DLG aus. Ich vermute, D steht für DE, L für Landwirtschaft. G könnte viele Bedeutungen haben. Die kümmern sich um jedes Tier extra. Das Bild ist aus der Broschüre für den Schweinestall. Nun, so etwas gibt es zu Hauf, so z.B. für Kuhställe, aber den Gedanken, dass eine Szenerie aus mehrerer Sicht zu betrachten ist, hingegen weniger häufig. Die Broschüre nimmt den Schweinestall sorgfältig auseinander: Da arbeiten neben dem Bauern auch der Tierarzt und der Eber - nicht dauernd, aber häufig. Die Sau residiert samt Ferkelschar. So muss die Beleuchtung neben den Bedürfnissen der Sau und den Ferkeln eben die von diesen Akteuren erfüllen:
• Behandlungsbereich ➝ > 200 lx; Abferkelung, hinter der Sau zur Geburtskontrolle. Deckzentrum,  hinter der Sau zur Erkennung der Vulvarötung etc.
• Kontrollbereich ➝ > 50 lx; Wartungsgänge zur Tierkontrolle

Wenn die sprichwörtlich doofen Bauern derart intelligent handeln können, muss man sich Gedanken über die Intelligenz anderer machen. Oder eher Sorgen? Es geht um die Intelligentmachung von Schulkindern mit Hilfe blauen Lichts. Die Story hat klein angefangen (hier aus dem Jahr 2009, da aus 2010, dort und dort aus 2012) und hat es in die wissenschaftliche Literatur geschafft. Wer da wie nachgeholfen hat, weiß ich nicht. Aber den Eingang der tollen Erkenntnis in das Normenwerk habe ich präzise studiert. Auch den gesamten Werdegang rückwärts, nachdem man beschlossen hatte, die Errungenschaft in 1.000 Hamburger Schulklassen einzuführen. Was da passieren soll, kann man hier sehen (bitte sich die Uhrzeiten genau ansehen):

Was hat das mit dem Schweinestall zu tun? Eigentlich wenig, außer dass in einem Klassenraum neben den Schülern, denen die Behandlung gilt, auch Lehrer - nicht herumstehen - arbeiten. Die Chronobiologie sagt, die hätten einen anderen Rhythmus als Kinder. Und wenn sie den gleichen hätten? Will der Lehrer nach dem Tief in der Mittagspause aktiviert werden? Wenn nicht, kommt er in die Strahlenschutzkabine wie Röntgenassistentinnen? Darf man den Lehrer um des Lernerfolgs der Kinder Willen einer physikalischen Behandlung zuführen, die seine Hormone beeinflussen kann? Erst recht die Lehrerin. Die ist auch mal schwanger. Und die Chronobiologie hat noch keine Weisheiten über die Wirkung von Licht auf die Entwicklung von Ungeborenen produziert.

Warum das wohl die Forscher nicht bedacht haben? Da fällt mir ein, dass der Projektleiter öffentlich erklärt hatte, er hätte nichts von hormonellen Wirkungen des Lichts gewusst. Er würde sie ohnehin für unmöglich halten. Das war bei einer Anhörung mit einigen hundert Teilnehmern, darunter alle Schulen, die an der Untersuchung teilgenommen hatten. Später hat er sogar noch öffentlicher, in einer Fernsehsendung mit Millionen Zuschauern, stolz das Gegenteil erzählt. Vermutlich hatte er zu viel Blau abgekriegt.

Millionen empörter Bürger wie bei Affenversuchen, die eine reichlich bekloppte Industrie veranstaltet hatte, ist nicht zu erwarten. Kinder und Lehrer sind ja keine Autos. Nachdem die Empörung der Allgemeinheit wg. der Ruhigstellung von Kindern mit Licht überschaubar blieb, wird sich wohl die Masse des Volkes der Stimme enthalten, zumal der Lehrer - vormittags hat er Recht, nachmittags frei - nicht mehr den Respekt genießt wie weiland Professor Unrat - vor dem Fall mit bzw. vor dem blauen Engel. Nur die Erleuchteten werden ablehnend nicken. Davon gibt es laut Blog der spirituell Erleuchteten weltweit nur 20 - 30.000. (Bitte dort nicht weiter lesen, denn da werden auch  "Die Macken und Irrtümer der Erleuchteten" behandelt. Vorerst genügt es mir, wenn deutsche Schweineställe ordnungsgemäß beleuchtet sind, so dass der Tierarzt die Vulvarötung gut erkennen kann, > 200 lx, hinter der Sau. Vor der Sau geht es auch mit 50 lx.) Der Rest interessiert keine S.

Licht auf krummen Wegen - Wenn das Einstein wüsste!

 

Genau von einem Jahrhundert heute: Eine britische Expedition weist nach, dass Einstein recht hatte, Masse krümmt den Raum und das Licht des Universums gerät auf die schiefe Bahn, Pardon, krumme Bahn. Das Foto aus Wikimedia weist das nach.

Nur Stunden, bevor ich die Meldung las, hatte ich einen anderen Beweis dafür, dass Masse Licht auf die krumme Bahn bringt. Eine Masse Geld, die man verdienen könnte, verursacht heftigsten - und unwürdigen - Streit zwischen honorigen Berufsvereinigungen wie IES, der Welt größten Ansammlung von Lichttechnikern, "The Lighting Authority" nach eigener Auffassung, und UL wie Underwriters Laboratories, also eine Prüfgesellschaft für Sicherheit. Sie nennt sich "a global safety certification company". Bischen älter als IES is UL auch (1894 gegen 1906). Der dritte im - unwürdigen - Bunde ist WELL. Und was ist das bitte? Dazu kommen wir noch. Erst aber zum Streit, die sich in der Tagespresse so meldet:

Nun möchte UL sog. RP (recommended principles) ausarbeiten - für sich. Wie soll ich mein Baby unter die Laterne halten, damit sein Körperrhythmus gesund wird? So dumm werden sie und IES nicht argumentieren. Es geht eher um Erwachsene, die in dunklen Höhlen ihrer Arbeit nachgehen. Wer täglich sich die Augen reiben muss, weil es im Büro zu hell ist, wird sich wundern. Es ist nämlich häufig biologisch Nacht. IES will auch eigene RP ausarbeiten und beanstandet Nu, dass sich UL nicht an die Usancen hält.

Es geht darum, wer bitte schön die Normen setzen darf, wonach das Licht meine circadiane Rhythmik steuern hilft. Da die beteiligten Auguren meinen, Licht wirke so etwas wie Medizin oder Droge -- was dasselbe ist -- hat das Ganze schon die Ausmaße eines Handelkriegs in der Pharmaindustrie. Die selbst wird natürlich nie so öffentlich betreiben wie die Lichttechniker. Die Pharmaindustrie betreibt ja das Geschäft mit der Gesundheit schon Jahrhunderte. IES - Illuminating Engineering Society of North America - ist da Neuling. Sie sagt von sich ihre Mission sei "to improve the lighted environment by bringing together those with lighting knowledge and by translating that knowledge into actions that benefit the public." Glauben täte ich's schon, wäre da nicht die Tatsache, dass dieser Spruch sehr sehr alt ist, aber der Begriff Beleuchtung ohne Information von "public" heimlich geändert worden ist. Die Missionare schummeln, denn sie sind ein industrienaher Verein und der Gründer dieser Industrie hatte eine sonderbare Vorstellung von dem, was der Allgemeinheit nützt. Er, Thomas A. Edison, wollte nicht Licht verkaufen, sondern Strom. Und der musste Gleichstrom sein. Als sein Konkurrent George Westinghouse mit Wechselstrom daher kam, zog er sich den Auftrag an Land, den elektrischen Stuhl zu erfinden. Anders als alle von ihm belieferten Kunden, hat der Henker von Sing Sing einen Wechselstromverbraucher benutzt. So viel zum Profitieren des Verbrauchers vom Tun und Handeln in der Branche. Die Ära hieß War of Currents. Bei dem Stromkrieg handelte es sich um den ersten Formatkrieg der Industriegeschichte – eine wirtschaftliche Auseinandersetzung um einen technischen Standard. Da fällt mir was ein …

UL macht in Sicherheit. Manche Aktivitäten entsprechen denen der VDE-Prüfstellen. Wie auch der VDE, „genehmigt“ UL keine Produkte. Vielmehr prüft die Organisation Produkte, Komponenten, Materialien und Systeme, ob sie spezifischen Ansprüchen genügen. Wenn dies der Fall ist, dürfen diese Erzeugnisse das kostenpflichtige UL-Prüfzeichen tragen, solange sie die vorgegebenen Standards einhalten. UL entwickelt Normen und Verfahren, um Produkte, Materialien, Komponenten, Bauteile, Geräte, Systeme und Ausrüstungsgegenstände sicherheitstechnisch zu prüfen. Dabei sind die wohl auf den Geschmack gekommen. denn sie prüfen u.a. Systeme zur Gemüseanzucht. Etwas untertrieben - es sind lebenswichtige Nahrungserzeugungssysteme, deren Ausmaße keiner kennt. Wenn man das Wachstum von Gemüse prüfen und zertifizieren kann, warum nicht die biologischen Wirkungen auf den Menschen? Das machen die Klimatechniker und Lichtechniker doch schon Jahrzehnte (z.B. hier). Den meisten fällt nicht mal auf, dass sie zur Gestaltung von Büros und von Mastanlagen für Hühner nach denselben Kriterien vorgehen. Eine nette Zusammenfassung der Vorstellungen über den Lichtbedarf einer Sau und deutschen Kindern kann man hier lesen.

Worum geht es bei dem Streit? Wir werden die "RP", also empfohlene Praxis, vulgo Norm, sehen. Bereits sehr deutlich zu sehen ist, was sich WELL darunter vorstellt. WELL ist eine amerikanische Organisation abgekürzt von International WELL Building Institute. Sie veröffentlicht "Standards" wie manch anderer auch. Das Problem mit Standards ist nicht das Schreiben derselben, sondern die Anerkennung. In Deutschland gibt es ca. 150 Organisationen, die "Standards" ausgeben dürfen. Von denen kennt kaum jemand mehr als DIN, VDE oder VDI. Auch die letzteren müssen, soll ihr "Standard" in ganz Deutschland für alle gelten, DIN um HIlfe bitten. Denn DIN ist die Normungsorganisation für Deutschland, vom Staat anerkannt. Während es hier eine klare Ordnung gibt, machen sich in den USA vielerlei Organisationen munter Konkurrenz. So hat eben auch WELL Beleuchtungsnormen. Aber nicht nur. Sie vergibt Zertifikate für Gebäude. Wie die vergeben werden, kann man hier lesen.

Es wird immer bildhaft dargestellt, welche Körperfunktionen von einem Thema, z.B. Luftqualität betroffen sind, und wie die entsprechenden Normen aussehen. Bei der Luftqualität heißt es z.B. Formaldehyde weniger als 27 ppb, Kohlemonoxyd weniger als 9 ppm und so weiter. Es werden also nichts weniger als Grenzwerte gesetzt, die für die Gesundheit und "well being" wichtig sind. Bei uns dürfen solche nur vom Staat gesetzt werden, es sei denn, jemand geht unter die staatlich festgesetzten Grenzwerte und empfiehlt diese. Der muss allerdings irgend ein Interesse daran haben. Worin das Interesse von WELL besteht, kenne ich nicht. Ich kannte allerdings die Firma Healthy Buildings, deren Chef weltweit Tamtam wg. Sick Building Syndrome machte und Microfilter als Lösung verkaufte. Die bietet WELL Managementhilfe, steht auf ihrer Website.

WELL scheint aber anders gestrickt zu sein. Sie hat sogar selbständige Empfehlungen für öffenbare Fenster, die gesund sein sollen. In deutschen Norman habe ich so etwas bislang nicht gesehen. Auch nicht was sie für Beleuchtung tun. Von "visual lighting design" bis "daylighting fenestration" haben sie 11 Standards, davon eins zu unserem Thema, circadian lighting design. Damit man alle Teile zu Licht gemeinsam sehen kann, habe ich diese kopiert (WELL Lighting) Das Gesamtwerk gibt es hier. Wie man sieht, geht die circadiane Beleuchtung den ganzen Körper an. Ich denke, daran äußert kaum jemand Zweifel. Die Frage ist, wie man die Sache angeht. Denn niemand hat Zweifel daran, dass ein starkes Medikament den ganzen Körper beeinflussen kann. Dennoch ist starker Tobak rezeptpflichtig. Die stärksten davon werden unter ärztlicher Aufsicht im Krankenhaus verabreicht.

Was für eine Medizin wird unter "Circadian Lighting" nu verschrieben?

Also, es muss 150 EML oder mehr sein. Dann bekommt das Gebäude die Auszeichnung. Was EML sind? Das steht dahinter: 136 melanopic equivalent daylight D65. Und was ist das? Wer das nicht versteht, kann ja die Option nehmen. Das Projekt möge 120 EML mit Kunstlicht erreichen und 2 Punkte für einen verbesserten Zugang zum Tageslicht erhalten. Und was ist das? Egal, man kriegt sowieso nur einen Punkt. Da gucken wir lieber zu der Auszeichnung mit 3 Punkten. Dafür muss es 240 EML geben.

Schon müde? Warten Sie ab, was IES auf den Markt bringt.