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ISO/TR 21783 HCL neu aufgelegt, auch gut aufgelegt?
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29.09.2022

Dieser Tage erschien ein bemerkenswertes Werk. Es ist ein ISO-Dokument, das die biologischen Wirkungen von Licht auf den Menschen dokumentieren wollte. Nun darf man nicht mehr biologische Wirkungen sagen, weil auch das Sehen ein biologischer Vorgang ist. Und was für einer! Das Gehirn verbraucht die Hälfte seiner Energie für visuelle Prozesse. Der Lichttechnik ist aber nicht genug, sich allein damit zu beschäftigen. Man wollte auch die nicht-visuellen Wirkungen normen. Das ist sogar dringend nötig, denn gutes Sehen fördert nicht immer die Gesundheit. Abendliches Licht kann sogar Krebs verursachen, so man den Forschenden glaubt. Diese Theorie ist so neu nicht. Bereits in den 1960ern behauptete jemand, Licht erzeuge Krebs. Die LiTG konterte mit medizinischen Gutachten, die das Gegenteil behaupteten. So wurde die Sache erst einmal Glaubenssache. Seit etwa 20 Jahren weiß man es etwas besser. Die Lichtanwendung, und nicht Licht, kann zur Krebsentstehung beitragen, würde man heute behaupten. Denn man weiß seit 2002, wie Licht Lebensrhythmen beeinflussen kann. Und dass eine falsche Beeinflussung negative Folgen zeitigen kann. Bis zur Krebsentstehung.

Man kann das Wissen auch positiv anwenden und nach Wegen suchen, wie man Licht und Beleuchtung so gestalten kann, dass davon positive Wirkungen herrühren. Die früheren Bemühungen dazu hatte ich vor einger Zeit kommentiert (hier) Jetzt ist ein ISO-Dokument fertig, ein Technical Report. Das ist ein normatives Dokument, das die Fachwelt über ein bestimmtes Thema informiert, ohne dabei Empfehlungen auszusprechen. Das Papier heißt "ISO/TR 21783 Light and lighting — Integrative lighting — Non-visual effects". Das "integrative" Licht ist nicht etwa eine ganzheitliche Betrachtung aller Wirkungen von Licht, sondern es handelt sich um eine Beleuchtung, bei der man neben den visuellen Wirkungen die nicht-visuellen mitbetrachtet, die dann zusammen Vorteile physiologischer und/oder psychologischer Art für den Menschen ergeben. In Deutschland versteht man unter integrativ, eher integriert, eine Lichtplanung, die künstliches und natürliches Licht gemeinsam berücksichtigt, wie sie in der Arbeitswelt auch auftreten.

So etwas wie integratives Licht kennt man schon länger. Z.B. wirken sich manche Farben positiv auf die Psyche aus. Wenn man dies bei der Planung berücksichtigt und auch auf die messbaren Effekte achtet, hätte man schon eine integrative Beleuchtung. Das ist aber nicht gemeint, sondern die Wirkung des Lichts, das in das Auge eindringt und den Tagesverlauf der Hormonausschüttung beeinflusst. ISO/TR 21783 gibt bislang bekannte Erkenntnisse wieder und belegt diese mit Literatur. Womit sollte man sonst neue Erkenntnisse belegen?

Leider, leider ist es verdammt schwer, physiologische Erkenntnisse in der Arbeitswelt zu ermitteln. Etwa die Körperkerntemperatur während der Arbeit messen. Wer will schon bei der Arbeit mit einem Rektalthermometer herum laufen? So musste man auf Studien ausweichen, die mit der Arbeitswelt relativ wenig zu schaffen haben, so z.B. auf Studien aus der Schlafforschung. Man könnte zwar als Lästermaul meinen, die Anwendbarkeit auf Büroarbeit wäre schon gegeben. Das kann ich mir nicht leisten. Allerdings habe ich mich nicht schlecht gewundert, wie die Erkenntnisse zusammen gekommen sind:

  1. Man werte 212 Studien aus und schreibt einen Entwurf der Norm auf deren Basis.
  2. Der Entwurf wird sehr positiv aufgenommen.
  3. Man findet die Erkenntnisse gut, aber die Studien weniger. So verschwinden 183 Studien (-86%) von 212.
  4. Da die restlichen 29 Studien für eine weltbewegende Neuheit zu wenig sind, nimmt man 34 neue, belässt es aber bei den Erkenntnissen, die sind ja gut!
  5. Da jetzt Erkenntnisse und Studien nicht mehr so gut  zusammen passen, beseitigt man die Beziehungen. Es gibt eine Liste von Erkenntnissen und eine LIteraturliste.

Der geneigte Leser kann sich nun damit amüsieren, woher welche Erkenntnis stammt. Da dies auch dem gewieftesten Leser nicht gelingen wird, habe ich eine Analyse selbst gemacht. Hier eine Auflistung der Quellen nach Thema:

  • Therapie: 3 Objekte, davon eines Delirium
  • Krebsrisiko: 3 Objekte
  • Demenz: 4 Objekte
  • Lernerfolg: 3 Objekte
  • Hormonforschung: 2 Objekte
  • Gemütszustände: 6 Objekte
  • Schlaf und Schläfrigkeit: 21 Objekte (von insgesamt 63)
  • Gesundheit: 10 Objekte (im Titel oder Publikationsorgan)

Alle diese Publikationen haben zuweilen Signifikantes dieser oder jener Art ergeben. Was sagen sie aber zur Beleuchtung von Arbeitsplätzen aus? Keine dieser Studien wurde übrigens von Lichttechnikern erstellt. Ich weiß nicht so richtig. Aber manches Statement in dem Dokument lässt aufhorchen: "Integrative lighting could increase academic performance and concentration. There is some evidence from animal models, but limited evidence in human populations …" (etwa "Integrative Beleuchtung kann Konzentration und akademischen Lernerfolg fördern. Es gibt dazu bestimmte Evidenzen aus Tiermodellen, aber nur begrenzt Aussagefähiges aus Humanpopulationen"). Ich schätze, das ist wahr, denn mir ist kein Tiermodell bekannt, das eine akademische Leistung, welche auch immer, erklären hilft.

Die Autoren scheinen ihre eigenen Statements mit Vorsicht zu genießen, Denn sie warnen eindringlich davor, dass Hinz und Kunz eine integrative Beleuchtung planen könnte: Die hier gestellten Bedingungen entsprechen in der Medizin etwa der Apothekenpflicht. Schlimmer noch: Apotheker gibt es an jeder Ecke, Spezialisten für medizinische Wirkungen von Beleuchtung, die sie planen könnten, müssen hingegen noch geboren werden. Sollte es davon doch welche geben, müsste jeder Betrieb echte Spezialisten einstellen, um eine solche Beleuchtung zu betreiben. Und alle Beteiligten müssten unglaublich einfache Dinge berücksichtigen bei ihrem Tun:

  • Benutzereigenschaften (z.B. Altersverteilung, Sehfähigkeit, Gesundheitszustand)
  • Tätigkeitsprofil (vorwiegend stehend, vorwiegend sitzend oder in nur einer Position)
  • Kontrollierbare oder Nicht-kontrollierbare Benutzerpopulation

Was macht eigentlich die Expertentruppe mit diesbezüglichem Wissen, wenn sie es denn bekäme? Sie muss sie beachten, um Folgendes zu bewerten:

  • vorhersehbare Gesundheitsbedingungen, die zu erwarten sind;
  • generalisierte Schlafrhythmen (es ist zu erwarten, dass Teenager andere Schlafgewohnheiten haben als ältere Insassen);
  • die Menge des Lichts am Auge, die benötigt wird, um eine circadiane Aktivierung zu erzeugen, was sich von Person zu Person unterscheidet.

Generalisierte Schlafrhythmen bewerten? Die Lichtmenge am Auge bewerten, die die circadiane Aktivierung zu erzeugen? Diese Aufgabe werden Lichtplaner einem mit Handkuss abnehmen. Solches Wissen nehmen sie mit der Muttermilch auf. Von dem Lichtdesigner wird etwa eine ähnliche Fähigkeit erwartet wie von Clark Kent beim Heben von Lokomotiven samt Brücke, die einstürzen will. Z.B. muss dieser Folgendes können:

  • Es können Konflikte eintreten durch unterschiedliche Bedürfnisse (z.B. durch unterschiedliche Benutzer des gleichen Ortes). Der Designer muss das Problem lösen, ohne die Qualität der Beleuchtung zu beeinträchtigen.

Können vor Lachen. Niemand hat sich bislang die Mühe gemacht, die schützenswerte Qualität der Beleuchtung zu beschreiben. Die Experten sind offenbar lieber auf anderen Gebieten unterwegs, wo sie nicht viel beitragen können.

 

BIOWI MEETS LILE - WEIMARER LICHTTAGE 2022
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10.07.2022

Zwei hoffnungsvoll gestartete Lichtevents gehen endgültig nach Weimar. Und bleiben dort? Warum nicht? Weimar ist nicht irgendeine deutsche Stadt. Nicht nur zwei Männer, deren Name in keiner deutschen Stadt fehlen darf, Schiller und Goethe, haben hier gewirkt. Im Straßenatlas findet man deren Namen fast so häufig wie die "Dorfstraße" oder "Bahnhofstraße". Während Schillers Ode an die Freiheit "An die Freude" eine steile Karriere mit Hilfe eines anderen großen Deutschen, Ludwig van Beethoven, hinlegte, die mit dem Aufstieg zur Europahymne noch nicht am Ende der Fahnenstange angekommen ist, hat Goethe ein Vermächtnis an alle Menschen hinterlassen - verkaufe Deine Seele nicht an den Teufel.

Doch Weimar hat mehr zu bieten - sagen wir mal hätte - als die beiden großen Namen. Viel internationaler fiel ein Weimarer Export aus, das Bauhaus. Da dieses - Das Staatliche Bauhaus in Weimar - manchem dort nicht gefiel, zog es nach Dessau. Wer dort lehrte, gilt heute noch als Who-is-Who der Modernen, so etwa Gropius, Lyonel Feininger, Gerhard Marks, Wassili Kandinsky, Paul Klee … Später zog das Bauhaus nach Berlin. Da es manchen nicht Deutsch genug war, zog es von dort in die weite Welt. An ihm arbeiteten sich gleich zwei deutsche Staaten ab, das Tausendjährige Reich und die DDR. Allerdings erfolglos. Das Bauhaus bestand zeitlich parallel mit und in der Weimarer Republik von 1919 bis 1933 und gilt heute weltweit als Heimstätte der Avantgarde der Klassischen Moderne auf allen Gebieten der freien und angewandten Kunst und Architektur.

Lile und BioWi, die die Weimarer Lichttage ergeben sollen, sind naturgemäß mit dem Beitrag von Bauhaus zur Kunst und Architektur nicht vergleichbar. Eher eine Folge der Weimarer Thesen (hier). LiLe steht für Licht- und Lebensqualität. Sie erblickte das Licht der Welt in Lüneburg im Jahre 2007 und sollte die Gestaltung von Licht für eine bessere Lebensqualität thematisieren. Da die Veranstalter sich aber eher zur Förderung der LED-Technik zuwandten, wurde die Lebensqualität allzu sehr in LED-Qualität gesehen. LiLe fand zweijährlich statt und verließ Lüneburg, um 2013 nach Weimar zu ziehen. Alle Abstracts der Tagungen kann man hier erhalten. Die ganz Faulen können sie auch von mir bekommen.

BioWi steht für Biologische Lichtwirkungen und wird seit 2013 veranstaltet. Sie ist praktischen Anwendungen des Wissens über biologische Wirkungen gewidmet. BioWi gehört zum Programm von WBA Bauhaus Weiterbildungsakademie Weimar e.V.

Die "Weimarer Lichttage" bringt die beiden zusammen und wartet mit recht steilen Thesen auf. Die führe ich in genauem Wortlaut in in der gleichen Reihenfolge auf, damit jeder auch seine Meinung dazu bilden kann. Am 26. und 27. September kann man die Veranstaltung live erleben.

 

Die aktuelle Meinungsbildung zum Licht spiegelt nicht den Stand der Wissenschaft wider.

Eigentlich hat die Meinungsbildung zum Licht nie den Stand der Wissenschaft widergespiegelt. Dazu gibt es zu viele Wissenschaften, die sich mit Licht beschäftigen. Der lauteste gewinnt. Das ist die Lichttechnik. Sie hat Licht 1924 definiert (!) und behauptet seitdem, die Physik liege falsch mit ihrer Vorstellung vom Licht. Geht`s eine Nummer kleiner? Übrigens, die Bibel kam ohne eine Definition aus.

Tageslicht ist das bessere Licht.

Wofür? Zwar versucht die Lichttechnik seit 100 Jahren den mittleren Sommertag im Haus zu erzeugen und die Nacht zum Tage zu machen. Damit hat sie aber nur wenig Glück gehabt. Für Arbeitsstätten muss das Tageslicht bevorzugt werden, so sie zur Verfügung steht. Aber Tageslicht im Innenraum ist weit von dem Licht der Sonne entfernt.

Integrierte Planung geht nur mit Lichtplanung.

Integrierte Planung der gebauten Umwelt war einst tatsächlich nur mit Lichtplanung möglich. Die Menschen haben aber dann vergessen, dass Licht den Raum macht. So stellten sie die Beleuchtung ans Ende der Bauplanung und überließen sie die Planung des Lichts eher dem Zufall. Nur etwa 5% großer Bauvorhaben erlebt einen Lichtplaner. Der Rest hängt von den Künsten eines Elektroplaners ab.

Lichtplanung der Zukunft ist Grundlage für andere Planungen.

Hoffentlich. In der gesamten Architekturgeschichte war dies weitgehend der Fall, weil die Möglichkeit fehlte, genügend Licht für alle Lebenslagen zu erzeugen. Zudem war künstliches Licht immer mit Wärme, Rauch und Gestank verbunden. Dadurch wurde die Bauplanung von Belichtung und Belüftung dominiert. Zwar können wir heute Licht praktisch ohne die unangenehmen Nebenwirkungen erstellen. Den menschlichen Bedürfnissen, die mit Licht verbunden sind, kann man aber nur ungenügend Rechnung tragen.

DIN-Normen sind kein Maß für Planungen.

Eigentlich wollen sie das sein. U.A. weil der Arbeitsschutz mit einer großen Keule droht, wenn man von den Beleuchtungsnormen (einst DIN 5035, seit 2003 DIN EN 12464-1) abweicht. Seit 1988 (DIN 5035-7) habe ich in der Praxis allerdings keine Beleuchtung gefunden, die die Normen erfüllt hätte. Der Planer muss so tun, als hätte er die Normen verstanden, und er verlässt sich darauf, dass kein Auftraggeber klagt. Sollte einer klagen, findet er kaum einen Gutachter, der so nachmessen kann, dass sein Gutachten Recht bekommt.

Berufsbilder Lichtplaner und Lichtdesigner beinhalten Expertenwissen.

Was denn sonst? Es fragt sich nur, welches Expertenwissen. Und welche Berufsbilder gemeint sind? Die sind doch erst im Entstehen. Und der Lichtplaner müsste den Auftrag bekommen, kreativ zu gestalten. Nicht so leicht, wenn Normen Beleuchtungsstärken bis an Decken und Wänden vorschreiben, die zudem nur scheinbar begründet sind. Man stelle sich vor, einem Architekten würde vorgeschrieben, nur das Messbare in vorgeschriebener Form nachprüfbar bauen.

Die Planung von Licht ist unabhängig von Energieeffizienz.

Das will man gerne suggerieren. Tatsächlich sollte man bei jeder Planung zunächst die Anforderungen berücksichtigen - z.B. geringstmögliche Fehler bei der Arbeitsausführung - und dann erst diesen mit effizienter Technik entsprechen. Bei der Lichtplanung sind die Anforderungen allerdings sehr schlecht oder gar nicht begründet (z.B. hier oder da). Die Zielgröße bei Planungen ist fast immer die Beleuchtungsstärke und die ist nachweislich für die Lichtqualität fast ohne Bedeutung (z.B. hier oder da oder dort). Kein Mensch kann Beleuchtungsstärke sehen, aber die Elemente, die sie erzeugen. Kein Mensch glaubt, dass sie etwas mit der Anmutung von Räumen zu tun hätte.

HCL ist integrative Lichtplanung.

HCL = human centric lighting ist nur dann integrative Lichtplanung, wenn man darunter versteht, dass neben Sehwirkungen auch gesundheitliche Wirkungen in die Planung der künstlichen Beleuchtung einbezogen werden. Allerdings sagt ein kommender ISO-Bericht dazu aus: Wichtig - Die Vorteile der integrativen Beleuchtung können nur realisiert werden, wenn die von qualifizierten Spezialisten geplant und angewendet wird. Gleichermaßen wichtig ist der korrekte Betrieb des Beleuchtungssystems durch die Beauftragten oder Benutzern.  (ISO/TR 21783)

Lichttechnik ist überlebt.

Kann sein. Auf jeden Fall ist viel lichttechnisches Wissen durch den Übergang zur LED-Technologie obsolet geworden. Vieles ist aber einfach vergessen worden, weil die neuen Macher es gar nicht kennen. Bezeichnend für die Schnarchphase, in der sich viele Institutionen befinden, ist die Neudefinition des Farbwiedergabeindex. Der alte war, wenn man den Gerüchten glauben will, dadurch entstanden, dass man die Testfarben so lange hin und her geschoben hatte, bis die Dreibandenlampe akzeptabel schien. Die neue will noch anerkannt werden.

Lichtforschung muss neu gedacht werden.

Gibt es die - die Lichtforschung? Ich denke, viele Disziplinen forschen auf Teilgebieten, für die sich die Lichttechnik zuständig wähnt. Derzeit dominieren die Chronobiologen. Das sind meistens Mediziner, aber keine Lichttechniker und auch keine Allgemeinmediziner. Dennoch fühlten sich die Lichttechniker dazu berufen, den Stand der Wissenschaft auf diesem Gebiet zu definieren - das ist ISO/TR 21783. Sie wehren sich mit Händen und Füßen dagegen, dass sich andere damit beschäftigen. Ein Novum, dass Angehörige eines Fachgebiets den Stand der Wissenschaft auf einem anderen Fachgebiet definieren. Was Beleuchtung oder Leuchtmittelentwicklung angeht, ist die sog. Lichtforschung sehr schwach auf der Brust. Die Musik spielt sich anderswo ab.

Die LiTG ist ein Verein ohne große Aktivitäten.

Die LiTG war über Jahrzehnte paralysiert, weil das Zusammenwirken von universitärer Forschung und der Praxis nicht mehr funktionierte wie einst. Schuld daran war eine Seite, ich hasse es zu sagen, welche diese war. "Wissenschaftliches" versuchte der TWA (Technisch-Wissenschaftlicher Ausschuss) mit eigenen Schriften zu bewerkstelligen. Doch die Firmenvertreter paralysierten sich gegenseitig. Dieser Zustand entspricht aber seit mindestens 10 Jahren nicht mehr der Realität.

Die Lichtindustrie ist »zwischen Blech und LED-Bausatz« gefangen.

Deutlicher kann man den Zustand kaum darstellen. "Blech", das waren die Leuchten, in die man Lampen einbaute, damit sie leuchteten. Mancher LED-Bausatz verweigert jede Zusammenarbeit und leuchtet so vor sich hin. Sprich: Es braucht keine Leuchte. So wurde sogar ein langjähriger Pfeiler des lichttechnischen Wissens - die Unterscheidung zwischen Leuchte und Lampe - in Rente geschickt. Das Formen von Licht geschieht nur noch selten in der Leuchtenentwicklung. LED ist halt eine neue Technologie und nicht ein einfacher Wechsel von einer Lampentechnik zur anderen.

Das Licht der Zukunft ist gesteuert.

Das ist ein Wunsch von Technokraten. Weil sich LED gut steuern lassen, muss man sie nicht immer steuern. Eine Steuerung muss einen Sinn für die Benutzer und Betreiber ergeben. Ansonsten ist der Unterschied gegenüber der Petroleumlampe herzlich gering. Die elektrischen Lichter hatten zunächst Drehschalter, die von der Petroleumlampe übernommen worden waren. Viel später wurden An/Aus-Schalter üblich bzw. Taster, die dasselbe tun. Mehr hat sich da nicht getan. Zumal niemand einsehen will, dass eine "intelligente" Lampe mehr Strom beim Warten verbraucht als beim Leuchten.

Wann werden Licht-Normen entbehrlich?

Vermutlich nie. Oder, es ist längst soweit. Die letzte Version von EN 12464-1 verstehen die eigenen Autoren nicht. Schlimmer noch kann es werden, wenn Lichtplaner versuchen, sie zu verstehen. Die Norm versucht, jegliche kreative Lücke zu stopfen, in der ein Lichtplaner tätig werden kann. Ich denke, diese ist die letzte Ausgabe einer Beleuchtungsnorm auf der Basis von Beleuchtungsstärken.

Nichtvisuelle Effekte in der Nacht sind geklärt – der Kuchen ist gegessen.

Ich denke, wir fangen an zu verstehen, was diese Effekte sind. Bislang hat man erst Einigkeit darüber, die Effekte mit einem Bindestrich zu schreiben: nicht-visuelle Effekte. Und dass ein enormes Entwicklungspotential grandios vergeigt worden ist. Mehr hier.

Am Tag brauchen gesunde Menschen Belichtungszeiten von 2-3 Stunden.

Oder eher 2 1/2? Bereits die Herrscher im Altertum wussten, dass der Lichtentzug den Menschen krank macht. Deswegen ließen sie manche Menschen in dunklen Verliesen verrotten. In der modernen Zeit versuchte die amerikanische Justiz Schwerverbrecher durch Lichtentzug zu zähmen. Das Schicksal von Al Capone in der lichtlosen Zelle von Alcatraz berührte aber viele, so dass Alcatraz geschlossen wurde. Andererseits war zu viel Licht eine besonders perfide Hinrichtungsmethode. Wie lange ein Mensch belichtet werden muss, damit er gesund aufwächst und bleibt, entzieht sich meiner Kenntnis.

Lichtplanungen sollten von 1.000 bis 1.500 lx horizontal und von 600 bis 800 lx vertikal am Auge ausgehen.

Schon diese Angaben zeigen, wie fragwürdig das Konzept ist. 1.000 lx oder 1.500 lx am Auge horizontal? Da die menschlichen Augen meistens etwa senkrecht stehen, haben sie nichts von dem Licht, was an denen vorbei fliegt. Bei den Werten für "vertikal" muss sich der Lichtplaner überlegen, welche vertikale Ebene er denn beleuchten will. Es gibt unendlich viele. Welche er davon auch nimmt, es wird immer Menschen geben, die genau in der anderen Richtung sitzen. Das Konzept ist - sagen wir mal nett - ausbaufähig.

Tageslicht reicht mit viel Aufenthalt im Außenbereich aus.

Hier ist wohl die circadiane Wirkung gemeint. Ich denke, bereits relativ wenige Aufenthalte im Freien zur richtigen Zeit reichen aus. Die Wirkungen von Tageslicht auf circadiane Wirkungen zu verkürzen, könnte allerdings eine der dümmsten Ideen sein, denen man folgen kann.

Dynamisches Kunstlicht bringt keine messbaren Vorteile.

Sagt wer? Ich kenne viele, die das Gegenteil behaupten. Es ist wahr, dass man die Wirkungen nicht mit dem Zollstock messen kann. Dass keine Vorteile vorhanden sind, würde ich erst dann glauben, wenn man den theoretischen Hintergrund widerlegen kann.

Licht ist Lebensmittel.

Und mehr. Es ist jedenfalls wichtiger als Wasser oder Luft, ohne die man bekanntlich nicht leben kann. Diese sind für Lebensprozesse unentbehrlich, sie steuern aber nicht die Lebensprozesse. Licht tut es.

Wer eigene Antworten auf die Thesen hat, kann das staunende Männchen durch diese ersetzen. Eigentlich sollte jeder eine Antwort haben, es geht ja um unser Leben. Leider ist Licht so billig und der nächste Schalter so nahe, dass wir vergessen haben, welche Rolle Licht für das Leben spielt.

 

Ist HCL eine Marketingbegriff oder Technologie?
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Endlich ist es mir gelungen, eine der großen Geheimnisse der Geschichte der Menschheit aufzuklären. Wie kommen die Begriffe zustande, mit denen man in der Lichttechnik so um sich wirft? Z.B. mit dem Kürzel LED. Was bedeutet das? Aus dem Munde, Pardon aus der Feder, eines Experten, der ein großes Werk vollbracht hat, hört sich das so an: "Eines der Probleme, die wir mit dem Begriff LED hatten, ist der Umstand, dass er sich nicht nur auf das physische Bauteil bezieht, sondern auch die Technologie beschreibt, was zu zu diesen Diskussionen führte. Wir mussten auch auf Aspekte der Einheitlichkeit der vielen anderen Begriffen achten, die auf LED basieren, nicht nur auf die Stimmigkeit des Begriffs LED selbst." Gab es da etwa Unstimmigkeiten?

Der Protagonist ist Wei Zhang vom IEC/TC 34 und hat mit Peter Zwick, technischer Leiter der CIE, und Joanna Godwin zusammen ein gewaltiges Werk vollbracht: die "Komplette Überarbeitung der Beleuchtungsterminologie", so bezeichnet auf der Website des DKE NORMEN.MACHEN.ZUKUNFT (hier). Ich will niemandem Angst machen, aber die "Beleuchtungsterminologie" ist nicht von Pappe. Die Version, die ich kenne, ist etwa 4 cm dick. Diese wurde einst einvernehmlich vom IEC ausgegeben und trug die Nummer IEC 60050-845. 845 bezeichnete alle Begriffe, die was mit Sehen und Beleuchtung zu tun hatten. Da IEC viel mehr zu tun hat, als sich nur mit Beleuchtung zu beschäftigen, veröffentlicht sie viele andere Teile. Ich weiß nicht wie viele, aber es sind sehr viele. IEC 60050-845 war zuletzt 1987 gedruckt worden. Man musste 2016, 2019 und 2020 kleinere Korrekturen veröffentlichen. Das reichte anscheinend nicht.

So lese ich "Eine unserer Hauptaufgaben war es, die Begriffe und Definitionen für LED zu vereinheitlichen. Dies betraf nicht nur den Begriff LED an sich, sondern auch andere Begriffe wie LED-Modul, LED-Package usw. Es gab etliche Diskrepanzen zwischen der Praxis der IEC und dem, was die CIE in einem 2015 veröffentlichten Anhang zu ihrem Internationalen Wörterbuch der Lichttechnik festgelegt hatte. Es waren viele Besprechungen erforderlich, um diese Differenzen zwischen uns zu klären." (hier)

Lesen ist eine Sache, denken eine andere. Ich denke mal, dass die IEC und die CIE, einst ein Herz und eine Seele, die Kontrolle über die LED (mal Diode, mal Technologie) verloren haben. Im Jahre 2015 waren Begriffe genormt worden, die wohl so nicht hätten genormt werden dürfen. Und nun das! Schlagzeile "LED als Herausforderung". Ich denke, die Herausforderung besteht seit etwa 25 Jahren.

"Eine weitere Herausforderung bestand außerdem darin, Terminologie zu vermeiden, die in der Öffentlichkeit verwendet wird, jedoch eher Marketingzwecken dient als der Beschreibung der Technologie", so Zwick. „Genau wie bei “Smart Lighting“ ist „Human Centric Lighting“ eher ein Begriff des Marketings als ein technischer Begriff. Wir haben beschlossen, der CIE und ISO/TC 274 zu folgen, und stattdessen den Begriff “Integrative Lightingeinzuführen." Da bin ich aber beruhigt. Weg mit dem Marketingbegriff "Human Centric Lighting" hin zu … Was denn? Haben Sie noch nie gehört, was "integrative Lighting" ist? Da stehen Sie nicht allein, denn von 7,89 Milliarden lebender Menschen kennen einige Hundert diesen Begriff. Der wurde in Januar 2021 veröffentlicht. Ebenso ein Novum wie "Lichtqualität".

Während der Lichtqualität eine an den Maßstäben der CIE gemessen steile Karriere bevorsteht, die für die Definition 105 Jahre gebraucht hat, und zum Ausfüllen noch paar Jährchen brauchen wird, wird "integrative lighting" wohl ewig unverstanden bleiben. Jedenfalls in Deutschland. Hier bedeutet integrative Beleuchtungsplanung die gemeinsame Berücksichtigung von Tageslicht und Kunstlicht, während "integrative lighting" bedeutet, man müsse neben der Helligkeitswirkung zum Sehen auch die Wirkungen auf die Biologie des Menschen betrachten. Also  was man hätte seit 100 Jahren tun müssen. Warum bleibt Tageslicht unberücksichtigt? Weil Menschen 90% ihrer Zeit in Gebäuden verbringen (hier). Für die paar Stunden im Jahr, die sie im Freien verbringen, können sie eine Sonnenbrille aufsetzen oder nachts auf die Straße gehen wie Frauen in Saudi Arabien.

Alle Gebäude in Europa abbruchreif - Nicht nur Licht tut not
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Bei der Suche nach LightingEurope, der Lobby der lichttechnischen Industrie, fand ich ein nagelneues Papier, das mir die Spucke wegbleiben ließ. Es heißt "Healthy Buildings for All - Put people’s health and well-being at the center of EU built environment". Die Initiative zielt auf die Gesundheit aller. Da muss man mitgehen. Die EU soll die Gesundheit und Wohlbefinden seiner Bürger in den Mittelpunkt der gebauten Umwelt stellen.

Die Initiative beruft sich auf die WHO - aka World Health Organisation. Diese, die WHO, schätzt "dass Menschen etwa 90% ihrer Zeit in Wohnhäusern und anderen Gebäuden verbringen und 26 Millionen europäische Kinder in ungesunden Wohnungen leben." Weiter heißt es: "Allein  die schlechte Luft in Gebäuden bringt 120 000 Europäern vorzeitigen Tod und verursacht Schäden von 260 Billionen Euro. (Anmerkung: Billion in English ist mehrdeutig. Es können auch Milliarden sein.). Noch was: "97% aller europäischer Gebäude müssen saniert werden. Angemessene Energie-Effizienz, Luftqualität in Gebäuden, Human Centric Lighting (HCL) und Steuer- und Automatisierungssysteme für Akustik, Heizung werden die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen verbessern und mehr Produktivität bringen."

Deswegen rufen die Signatare die verantwortlichen EU Politiker auf, 10 Pakete an Vorschriften zu erlassen. Ich lasse mal die Pakete weg. Mich  interessieren die Organisationen, die den Aufruf unterzeichnet haben. Was steckt dahinter, z.B. hinter eu.back? (Nicht "Au, Backe") Es ist die european building automation controls association bzw. die Stimme der Hersteller von allem, was einem sein Haus automatisieren kann. Diese stimme sagt, es muss alles überwacht werden. Was z.B.? CO2, Luftfeuchte, Temperatur, Tageslichtbeleuchtungsniveau, Luftpartikel, organische Schwebstoffe … Wer einmal in einem klimatisierten Büro gesessen hat, in dem gerade mal die Temperatur und die Luftfeuchte überwacht und geregelt wurden, wird blind den Aufruf unterschreiben, damit in seinem Haus oder in seiner Wohnung das Alles gemessen, überwacht und geregelt wird.

Vieles an Equipment dazu wird man von EPEE beziehen. EPEE steht für die Stimme der Heizung und Kühlungsindustrie. Für die Stimme der Belüftungsindustrie steht EVIA, noch so ein Signatar. Wenn man seinen Fußboden elektrisch heizen will, wird Kunde bei euha - Electric Underfloor Heating Alliance. Wofür die EUROVENT die Stimme erhebt, musste ich aus dem Internet lernen. Die hat etwas von allem, Heizung, Kühlung, Gefriertechnik, Belüftung … REHVA ist auch was Ähnliches. ehpa ist der Verband der Heizungspumpen.

Die geforderten Vorschriften sollen dazu dienen, die jeweilige Messgröße zu erfassen, anzuzeigen und …? … den Unterschied zu den Zielwerten anzuzeigen. So weit, so gut. Wo stehen aber die Zielwerte und wer hat sie festgelegt? Wie es bei den einzelnen Verbänden läuft, weiß ich nicht. Aber ich weiß aus langjähriger Erfahrung, wie es z.B. mit dem Raumklima gelaufen ist: Wir hatten über 5 Jahre die Zufriedenheit der Menschen im Büro mit dem Klima erforscht und festgestellt, dass ihnen die trockene Luft im Winter zusetzt. Ganz hilfreich dabei wirkt der Luftzug, den Menschen ablehnen, wenn er gerade mal messbar ist, also etwa 0,05 m/s beträgt. Das ist, was man mit empfindlichen Geräten gerade mal messen kann.

Der seinerzeit in der Norm DIN 1946 als noch akzeptabel geltende Wert war 0,1 m/s. Er stammte aus arbeitswissenschaftlicher Literatur. Dieser wurde geändert, nachdem wir unsere Werte publiziert hatten. Und das Ergebnis? Das sehen Sie nebenan. Der neue Wert ist mindestens doppelt so hoch oder ca. vier Mal so hoch wie der Luftzug, der Beschwerden hervorruft. Wie kommt das? Das ist ein Geheimnis der Normung, allerdings gut bekannt. DIN 1946 wurde nicht von DIN erstellt, sondern vom VDI. Und VDI-Regeln werden von Experten aufgestellt, die vom Fach sind. Ergo, von den Industrieverbänden abgestellt. Die Gremien, die DIN-Normen erstellen, müssen hingegen die interessierten Kreise möglichst gut abbilden. Weniger vornehm ausgedrückt, VDI-Regeln werden von Vereinsmitgliedern Deutscher Ingenieure ziemlich frei von der Leber weg aufgestellt. (Wer es aus offizieller Quelle erfahren möchte, kann den KAN-Brief 2/10 lesen, hier)

Allerdings haben wir noch Glück, dass unsere Verbände nicht völlig abgehoben vom gemeinen Volk agieren. Wegen der gleichen Festlegung, Luftzug in Arbeitsräumen, hatte ich anläßlich der Erstellung einer internationalen Norm vom US-amerikanischen Herstellerverband diese Stellungnahme bekommen: "Der Wert von 0,1 m/s ist zu niedrig angesetzt. Menschen akzeptieren bis 1,0 m/s. Wir haben den Wert von 0,5 m/s festgelegt, weil sonst das Papier von den Tischen fliegt." Ich fürchte, dass die jetzt wieder höher gehen, weil es kein Papier mehr im Büro gibt.

Was wurde aus den ebenfalls von uns dokumentierten Beschwerden über die trockene Luft? Die lösten die Berufsgenossenschaften einfach in der Luft auf. Nachdem diese über Jahrzehnte bestimmte Werte gefordert hatten (s. ZH1/535 oder ZH1/618, 50% empfehlenswert, 30% bis 65% zulässig), ist die Luftfeuchte heute einfach bedeutungslos. Sie haben dafür gesorgt, dass auch die zuständige Arbeitsstättenrichtlinie nichts mehr zur Luftfeuchte sagt.

Allerdings sind die Berufsgenossenschaften bestenfalls Waisenkinder gegenüber denen, die den "Lärm im Büro" wegdiskutiert haben. Wenn man alle Publikationen zum Lärm im Büro zusammenträgt, kommt eine Menge Papier zusammen, die eine ganze Kamelkarawane zum Transport benötigt. Was ist das letzte Wort unseres Arbeitsschutzes dazu? Hier das Zitat: "(2) Während der Ausübung von Tätigkeiten der Tätigkeitskategorie II darf ein Beurteilungspegel von 70 dB(A) nicht überschritten werden." Was sind aber Tätigkeiten der Tätigkeitskategorie II? Offiziell das: "Tätigkeitskategorie II – mittlere Konzentration oder mittlere Sprachverständlichkeit: Tätigkeiten, die eine mittlere bzw. nicht andauernd hohe Konzentration oder gutes Verstehen gesprochener Sprache bedingen, … das heißt wiederkehrende ähnliche und leicht zu bearbeitende Aufgaben, das Treffen von Entscheidungen geringerer Tragweite (in der Regel ohne Zeitdruck) … Beispiele für Tätigkeiten und HandlungenSachbearbeitung im Büro". Der zitierte Text stammt aus ASR A3.7 Lärm, erlassen vom ASTA - Ausschuss für Arbeitsstätten. Langsam zum Mitschreiben: Der deutsche Sachbearbeiter hat ähnliche und leicht zu bearbeitende Aufgaben und arbeitet in der Regel ohne Zeitdruck. Er muss nicht alles verstehen, was sein Kunde oder Chef zu ihm sagt, die beiden müssen auch nicht unbedingt alles verstehen, was der Sachbearbeiter sagt. Wenn Sie wissen wollen, was ein Beurteilungspegel von 70 dB(A) bedeutet, müssen Sie zu einem größeren Bahnhof gehen und dort 8 Stunden auf dem Bahnsteig verbringen. Danach wissen Sie, was 70 dB(A) aus Ihnen machen. Das Diagramm rechts stammt aus einem echten Bahnhof, den die Leute als zu laut empfunden hatten. Dem deutschen Sachbearbeiter ist er nicht zu laut. Jedenfalls laut Arbeitsminister.

Was macht eigentlich LightingEurope in der Gesellschaft der Heizer und Lüfter, die 97% aller Gebäude abreißen oder sanieren wollen, damit danach alles kontrolliert und nach ihren Wünschen geregelt wird? Es sagt: "Ein gesundes Gebäude zeichnet sich durch eine Beleuchtung aus, deren Design sich nach den Bedürfnissen ihrer Insassen richtet und eine genügende Tageslichtversorgung sowie Ausblick bietet." Darüber wird man nicht meckern können. Einzig störend ist, dass zu einer Gebäudequalität unbedingt human-centric lighting gehören soll. Ob alle Signatarverbände wissen, was das ist? Einem nicht von der Hand zu weisenden Gerücht zufolge hat sich der Auftraggeber der Idee, ZVEI aka Zentralverband der Elektrotechnischen Industrie, von dem Konzept leise verabschiedet und will statt dessen "value of light" fördern. Was die auch alles damit erreichen wollen, der Zielwert für eine Beleuchtung ist mindestens 250 melanopische Lux vertikal - morgens bis 19:00 Uhr. Was dies bedeutet, hatte ich bereits vorgerechnet (hier). Man müsste im Büro die vorhandene Beleuchtung etwa vervierfachen. Abends müssen die melanopischen Luxe gedimmt werden auf maximal 10. Was dies bedeutet, muss ich nicht vorrechnen. Sie können es einfach ausprobieren.

Wenn sich jemand durch den Aufruf der Industrieverbände angezogen fühlt, sollte sich schön warm anziehen. Sie kochen ihr eigenes Süppchen und bitten die EU zum Öffnen der Kassen, damit das Geschäft nach ihrem Wunsch läuft. Wenn Sie hoffen, dass bei Risiken und Nebenwirkungen Ihnen ggf. Ihre BG oder der Arbeitsminister hilft, lesen Sie nochmal, was zu Luftfeuchte und Lärm im Büro oben steht. Ein letztes Wort noch zu der Angabe von 90%. Die Zahl besagt, dass sich Menschen etwa 90% ihrer Zeit in Gebäuden aufhalten. Daraus rechnete Jan Denneman schlappe 5 Milliarden Menschen aus, die HCL bräuchten (hier), weil sie sich eben nur in Gebäuden aufhalten. Denneman war Chef von LightingEurope. Jetzt ist er Chef von Good Light Group. Er will sogar 2000 - 5000 lx für alle. Nichts kann das Geschäft des Gewerks Heizen und Kühlen besser boostern als das. Die Wärme muss ins Freie, auch wenn Menschen nicht dorthin wollen.

HCL wird NL

Good Light Group fordert eine vollkommen neue Vorstellung von Licht. Soweit, so gut. Es ist tatsächlich Zeit, über Licht grundsätzlich neu nachzudenken. Was man von dem neuen Titel halten kann - Nutritional Light -, hatte ich neulich kommentiert. Nicht viel! Aber Reisende soll man nicht aufhalten.

Inzwischen habe ich mir das Video in voller Länge angeschaut. Es lohnt sich, sich wirklich Gedanken zu machen - darüber, ob alle Dachlatten fest verschraubt sind. Denn die Leute wollen künstliches Licht verkaufen, fangen die Vorstellung aber damit an.

Leute am Strand, im Park, beim Skilaufen u.ä. Kann dem jemand widersprechen, dass das gutes Licht ist? Beleuchtung indes ist es nicht. Es sind wunderbare natürliche Umgebungen. Was bitte soll die Good Light Group im Auftrag der Lichtindustrie damit erreichen?

Egal, wie es draußen ausschaut, 90% der Menschen leben und arbeiten in Umgebungen mit 10 lx bis 500 lx. Das soll neuerdings ungesund sein. Früher hat sogar die BG behauptet, 500 lx seien sehr gesund. Die hatten aber noch nicht von Nutritional Light gehört. Nicht nur die BG, sondern alle, alle haben die Wahrheit nicht gesehen.

Fünf Milliarden Menschen haben Jobs in Gebäuden, verbringen 90% ihrer Zeit da drinnen und schlafen schlecht, können sich nicht konzentrieren und sind depressiv. Aber keine Sorge Good Light hilft, aber wie!

Das wie habe ich noch nicht gehört. Kommt es noch? Aber lässig. Hier ist erstmal der Missetäter: das elektrische Licht. Es ist einfach zu statisch! Das hatte zwar bereits 1954 ein berühmter Augenarzt gesagt, Weston, dessen Artikel zu einem der besten 10 aus vier Jahrzehnten gekürt wurde. Aber der hatte noch keine Ahnung vom biologischen Licht.

Wir müssen statt der 10 lx bis 500 lx gleich auf 2000 lx bis 5000 lx gehen! Und dynamisch. Damit die Umsätze der Lichtindustrie dynamisch steigen. Man muss mindestens 500 lx vertikal und melanopisch erreichen. Für Ahnungslose: 500 lx vertikal bedeutet etwa 1500 lx horizontal, und melanopic heißt etwa Faktor 2,5. Also liegen wir bei 5000 lx in Innenräumen. (Bleiben Sie lieber ahnungslos.)

Warum um Gottes Willen? Weil Gutes Licht das Tageslicht mimt. Es ist hell und dynamisch. Und wunderbar farbenfroh. Nur ein Sache erzählt Good Light Group nicht ganz. In welcher Richtung kommen denn die melanopisch vertikalen Lichtwellen? Man mache es den abgebildeten Blumen nach. Die drehen sich den ganzen Tag nach der Sonne. Man muss halt diese Dynamik irgendwie auch mimen. Fragt sich wie. So jedenfalls nicht.

Egal wie! Man muss es realisieren. Good Light ist attraktiv, dynamisch, optimiert und vor allem - individuell. Man stelle sich vor, die Sonne scheint nur für mich! Was will man mehr? Vor allem optimal! Schluss mit dem Grauen des elektrischen Lichts. Da die Sonne draußen aber für alle scheint, scheint es sinnvoll, dass man ihr Licht drinnen nachbildet.

Die Geschichte wiederholt sich nicht? Nicht exakt. Nur die Dimension der Katastrophe schießt durch die Decke. In den 1920ern gab es schon mal Leute, die im Innenraum die Natur nachbilden wollten. Und heute noch bekannte Namen trugen die Protagonisten, Matthew Luckiesh z.B. Er wollte gesundes Licht im Innenraum realisieren. Er ist unvergessen, aber der Unsinn, den er angestellt hat, kennt keiner mehr. Offenbar. Nun haben wir Good Light - bedeutet übrigens Gutes Licht wie die Marketingorganisation der deutschen Lichttechnischen Industrie für Jahrzehnte, bis sie licht.de wurde. Deren Broschüren waren so gut gemacht, dass sogar die Gewerkschaften sie kopiert haben. Die denglishe Version des Namens muss sich daran messen lassen. Ran an die Buletten. Die Zahl der Nutzer von 50+ Millionen auf 5+ Milliarden steigern. Die Beleuchtungsstärke von 50 -500 lx auf 2000 - 5000 lx steigern und das Wohlbefinden der 5+ Milliarden sichern!

Ob jemand sich das antut, 5000 lx in den Räumen zu installieren, damit Licht gesund wird? Versuchen Sie mal in so einer Umgebung Ihr Handy zu lesen oder ernsthaftere Arbeiten wie Konstruieren oder Retuschieren am Bildschirm auszuführen. Dann sieht der Raum aus wie nebenan. Jedes Licht stört bei der Arbeit. Wer wird denn an Arbeit denken, wenn es um gesundes Licht geht? Im Übrigen, die Idee, das Tageslicht nachzubilden, hatte schon der Vorsitzende des Normenausschusses Licht vor rund 30 Jahren wieder aus der Mottenkiste geholt. Auch nicht gerade erfolgreich. Mal sehen, was Good Light daraus macht.