Heute las ich im neuen Licht-Heft über das Treffen von Lichtdesignern auf der Insel Kea. Bis heute war mir die Insel nur als derjenige Ort bekannt, wo die Betrüger wohnten. Sie sollten dem Apollon sein Gold vorenthalten haben, indem sie anstelle Goldmünzen vergoldete an den lieben Gott schickten. Apollon soll daraufhin ihre Insel zerstört haben. Götter können grausam sein.
Die Story hat viele Fehler. Erst mal war es die Insel Sifnos, wo das Gold her kam. Den Sifnosianern soll auch nicht das ganze Eiland zerstört worden sein, sondern nur die Gold- und Silberminen unter Wasser gesetzt. Man munkelt, die hätten zu tief gebohrt und sich so die Ägäis ins Land geholt. Dennoch blieb mir die Sache mit dem Vergolden und Lichtdesign in Erinnerung. Denn manch eine Installation zaubert etwas in die Landschaft, die nach Sonnenaufgang nicht mehr zu sehen ist. Kunst oder Betrug?
Mit Lichtdesign war ich als Kleinkind aufgewachsen. Natürlich hieß die damals nicht so. Kandil war der Name. Das ist die Bezeichnung von heiligen Nächten im Islam, die sich seit dem dritten Jahrhundert nach Mohammed eingebürgert haben. An solchen Nächten hängte man früher wohl Kerzen oder Öllampen an die Minarette. Daher der Name, Kandil heißt so viel wie Kandelaber. Und die Ähnlichkeit mit candle ist wohl nicht Zufall. Zu meiner Kindheit war es schon elektrisch Licht, das die Plattformen an den Minaretten himmlisch leuchten ließ. An solchen Abenden machten die ihrem Namen alle Ehre. Denn Minarett heißt so viel wie Leuchtturm bzw. Ort des Lichts.
Die Moscheen der Sultane hatten bis zu sechs Minaretts mit bis zu drei Plattformen – umlaufende Balkone. Die waren für uns nicht sichtbar, weil unser Haus an einem Nordhang eines Tals am Bosporus stand. Wir sahen nur unsere Moschee mit zwei Minaretts. Die anderen sah man, wenn man zum Wasser ging. Die Stadt war mit feinen Lichtern geschmückt. Kandil!
Eines Abends sahen wir etwas nie Dagewesenes. Die friedlichste Burg der Weltgeschichte leuchtete in seinem Lichterglanz. Die war 1453 gebaut worden und nur für wenige Monate mit Soldaten besetzt. Vor ihr liegen die mächtigsten Geschütze ihrer Zeit, aus denen aber in 564 Jahren nur ein einziger Schuss abgegeben wurde. Seitdem liegt die riesige Festung da und entzog sich immer bei Sonnenuntergang unseren Augen. Eines Tages nicht mehr. Sie wird seitdem regelmäßig „illuminiert“.

Heute bin ich nur noch ein oder zwei Mal im Jahr dort. Wo einst einige hundert Kandil eine wunderbare Skyline hinzauberten, verwandeln hunderttausende LED, Scheinwerfer, Lichterketten u.v.am. die gesamte Stadt in visuelles Chaos. Dieses verrät die wahren Ziele der angeblichen religiösen Ereiferer: Bei Sonnenuntergang treten jetzt die Moscheen in den Hintergrund, während der Kommerz grell aufleuchtet. (Bild vom 27.12.2016)
Ich denke, auf der Tagung der Dark Sky Association wäre ich besser aufgehoben als auf Kea.

Der Laie flucht, der Experte sucht den Bösewicht: Warum blenden die neuen Scheinwerfer mit LED so schlimm? Selbst Kinderfahrräder blenden am Tage. Mancher Radfahrer fährt ohnehin als Weihnachtsbaum blinkend durch die Gegend. Früher blendeten nur die "Drängler", die sich die teuren Xenonscheinwerfer leisteten. Heute womöglich alle. Der Verband der Augenmediziner hat die Oldies als Ursache ausgemacht: Dass sich viele Leute im Straßenverkehr geblendet fühlen, liegt demnach am Alter der Verkehrsteilnehmer. Richtig so. Sollen wir alle über 60 aus dem Verkehr ziehen, damit die freien Bürger freies Schussfeld vor ihren Scheinwerfern haben?
Scherz beiseite. Das Thema ist "aktenkundig" und wurde z.B. bei Lux Junior 2013 vorgetragen. Fazit: "Der Beitrag zeigt, dass die aktuelle Bewertung lichttechnischer Komponenten im Automobilbereich nicht die tatsächlich resultierende Blendung erfasst. Die angeführten Literaturquellen in Verbindung mit den Ergebnissen aus durchgeführten Voruntersuchungen verdeutlichen, dass ein Scheinwerfer ein wesentlich höheres Blendpotential aufweisen kann, als durch die gesetzeskonforme Abnahme ermittelt wird." Die armen Autoren! Sie wissen nicht, dass der Verkehrsminister von der CSU ist. Bis der reagiert, gibt es Lux Senior 2033.
Neue Erkenntnis? Nö! Wusste man schon anno tobak. Ich weiß nicht mehr genau, wann die Gesetze und Vorschriften der BRD zum Thema Kfz-Beleuchtung erstellt wurden. Aber bereits 1973, als ich mich genau damit beschäftigen musste, gab es die x-te Änderungsverordnung zur y-ten Fassung des Paragraphen so und so. Die ältesten davon waren wohl in der Weimarer Republik geschrieben worden. Es waren die Chaosjahre der Straßenverkehrordnungen der Welt. Die Deutschen fuhren Autos mit Scheinwerfern von Hella, bestückt mit Zweifadenlampen von Osram, die aber in den USA verboten waren. Deswegen mussten die Autos, die man in den USA verkaufen wollte, auf amerikanische Scheinwerfer umgebaut werden, die mit sealed beam ausgestattet werden mussten. Die haben zwar schlimmer geblendet als die europäischen. Aber Vorschrift ist eben Vorschrift. Am schlimmsten hat es die Franzosen erwischt. Denn ihre Autos mussten gelbes Licht haben. Einem Gerücht zufolge, das man für eine wissenschaftliche Erkenntnis hielt, erhöht gelbes Licht die Sehkraft. Ginseng Wurzeln auch. Der Unterschied ist, dass Frankreich mit Hilfe von derart begründeten Normen die Konkurrenz vom Halse hielt. Und das ist kein Gerücht. Die schlimmste aller elektrischen Verbindungen, das Scart-Kabel, ist Ergebnis solcher Bemühungen. Man sah ihm nicht an, was es verband, man fummelte zuweilen stundenlang hinter dem Fernseher herum, der vor der Wand stand, und hatte am Ende doch die falsche Verbindung hergestellt, wenn überhaupt. Mit dem gelben Licht haben sich die Franzosen aber ein Bein gestellt. Die schöne Große Citrone mit mitlenkenden Scheinwerfern musste für die USA regelrecht verunstaltet werden.
Allen diesen Bemühungen lag zugrunde, dass man die Blendung des Gegenverkehrs verringern wollte, aber für den Besitzer der Scheinwerfer möglichst viel Sehleistung erzeugen. Eine Quadratur des Kreises oder eher Kubatur der Kugel? Egal. Problem ist, wie man so etwas schafft. Da ganz weise Kollegen aus dem Südwesten der Republik ermittelt hatten, dass die Blendung eine Funktion der Lichtstärke sei, begrenzte man die Lichtstärke der Scheinwerfer in Abhängigkeit der Höhe über dem Boden. Damit ist auch die Beleuchtungsstärke in einer bestimmten Entfernung begrenzt. Und die misst man. So heißt es in der StVZO (für Legastheniker Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung) §50: "Die Blendung gilt als behoben (Abblendlicht), wenn die Beleuchtungsstärke in einer Entfernung von 25 m vor jedem einzelnen Scheinwerfer auf einer Ebene senkrecht zur Fahrbahn in Höhe der Scheinwerfermitte und darüber nicht mehr als 1 lx beträgt." Aber davor steht unter (5): "Die Scheinwerfer müssen bei Dunkelheit die Fahrbahn so beleuchten (Fernlicht), dass die Beleuchtungsstärke in einer Entfernung von 100 m in der Längsachse des Fahrzeugs in Höhe der Scheinwerfermitten mindestens beträgt
...
1,00 lx bei anderen Kraftfahrzeugen.
Das ist es. 1 Lux! Und wie erzeugt man das? Dazu braucht man - klar - eine leuchtende Fläche mit einer bestimmten Helligkeit und Größe. Dabei ist es egal, wie groß jeder der beiden ist. Es kommt auf das Produkt an. Bei einer vorgegebenen Helligkeit (z.B. Glühlampenfaden in alten Scheinwerfern) muss die Fläche eine bestimmte Größe erreichen. Ist die Helligkeit viel größer, darf die Fläche viel kleiner werden. In gutem Deutsch: Die Beleuchtungsstärke an einem bestimmten Punkt wird durch das Produkt der Leuchtdichte und der Größe der leuchtenden Fläche bestimmt.
So weit, so gut. Wo liegt das Problem mit der Blendung? Mit Lux oder Lichtstärke kann man nur die sog. "physiologische" Blendung vorhersagen. Die empfundene Störung heißt aber "psychologische" Blendung, und die steigt mit dem Quadrat der Leuchtdichte, während die Lichtstärke nur mit der einfachen Potenz zunimmt. Reduziert man also die Fläche eines Scheinwerfers und erhöht dessen Leuchtdichte im gleichen Maße, steigt die Blendung überproportional an.
So weit die Lichttechnik als Erklärung für die gestiegene Blendung. Dummerweise ist die aber nicht die einzige Erklärung. Dummerweise … sind Autos keine Objekte, die im Regal stehen, sie fahren auf Straßen. Und Straßen sind weder eben noch schön glatt, so dass sich die Scheinwerfer bei einer Bewegung mitbewegen. Da kommt es auf die Bündelung des Lichts an. Ist diese so unvollkommen wie bei alten Scheinwerfern, macht es nicht viel aus, dass das Auto etwas schwingt. Sind die Schweinwerfer aber nahezu perfekt gebündelt, ändert sich die Blendung bereits bei kleineren Bewegungen. Das ist dem Gesetzgeber schon seit langem bewusst gewesen, Deswegen wurde die Verwendung von "Dränglerlicht" an technische Bedingungen geknüpft:
"(10) Kraftfahrzeuge mit Scheinwerfern für Fern- und Abblendlicht, die mit Gasentladungslampen ausgestattet sind, müssen mit
1. einer automatischen Leuchtweiteregelung im Sinne des Absatzes 8,
2. einer Scheinwerferreinigungsanlage und
3. einem System, das das ständige Eingeschaltetsein des Abblendlichtes auch bei Fernlicht sicherstellt,
ausgerüstet sein."
Daraus kann man ablesen, dass allein die Verschmutzung der Scheinwerfer ein Risiko darstellt. Zudem muss man zu den gut gebündelten Scheinwerfern für das Fernlicht das Abblendlicht zuschalten, weil sich sonst ein schwarzes Loch vor dem Auto breit macht. Und wie sieht es mit der Regelung für LED-Scheinwerfern aus? In der StVZO habe ich dazu nichts gefunden. Dabei haben die LED-Scheinwerfer die mit Xenon schon 2005 überholt, jedenfalls, was die Helligkeit angeht. Wenn also einem ein gut begüterter, Pardon beleuchteter, Autofahrer entgegen kommt, hat man es nicht nur mit einem Paar Scheinwerfer zu tun, sondern zwei. Wenn der vorbei ist, fällt man in ein schwarzes Loch. Das ist schlimmer als psychologische Blendung, nicht nur psychologisch gesehen. Man könnte es auch eine Verkehrsgefährdung nennen. Oder man sollte es.
Also gibt es neue Aufgaben für Herrn Dobrindt, denn die LED blenden mittlerweile bereits am Tage. Das haben nicht nur die Laien gemerkt, sondern auch Fachleute. Der Augenarzt hat nicht nur das Problem geschildert, sondern auch gegen welche Vorschriften die Kfz-Laternen verstoßen: "The Convention Concerning the Power of Authority, The Law in Respect of the Protection of Infants (969), The Obligation of Protection, The Principle of Equality, The Declaration of Human Rights (948) Article Three, The Laws of Logic, Public Ethics and Morals." (der gesamte Artikel hier). Allerdings scheint die Politik - bzw. die Bundesregierung - ziemlich unbeleckt von Problembewusstsein. Auf eine Anfrage von Abgeordneten (– Drucksache 17/2042 – ) antwortete die einst so:
"Helle Scheinwerfer führen zwar zu einer verbesserten Sicht des Fahrers, andererseits kann für entgegenkommende Fahrzeughalter, Radfahrer, Motorradfahrer und Fußgänger durch Blendung die Sehfähigkeit vermindert werden. Dies kann zu gefährlichen Situationen und Unfällen führen.
1. Über welche Kenntnisse verfügt die Bundesregierung über verkehrsgefährdende Blendwirkung von Leuchtdioden an Fahrzeugen beim Tagfahrlicht?"
Und unsere Regierung?: "Wissenschaftliche Erkenntnisse oder Forschungsberichte zur Blendung durch Tagfahrleuchten mit Leuchtdioden sind der Bundesregierung nicht bekannt. " Mein Name ist Hase.
Etwas muss ihr schon bekannt sein, denn die nächste Frage hat sie fachmännisch (bzw- frauisch) beantwortet:
"2. Wie bewertet es die Bundesregierung, dass sich zunehmend Verkehrsteilnehmer durch starke Lichteinwirkung von Leuchtdioden geblendet fühlen und dadurch im Straßenverkehr verunsichert werden?" Antwort: "In der Wissenschaft wird unterschieden zwischen physiologischer und psychologischer Blendung. Die physiologische Blendung setzt die Sehleistung des Auges herab. Bei der psychologischen Blendung wird eine Blendungserhöhung empfunden, die nicht messbar und individuell verschieden ist. Verkehrsteilnehmer können sich geblendet fühlen, ohne dass dies zu einer verringerten Sehleistung führt. Die Unannehmlichkeit der psychologischen Blendung für Einzelne führt jedoch zu einem früheren „Gesehen werden“ von Fahrzeugen mit Tagfahrleuchten und damit zur Erhöhung der Verkehrssicherheit. " Langsam zum Mitschreiben: Uns ist es sch..egal, wie sich andere fühlen. Der Autofahrer will früher gesehen werden. Und das erhöht die Verkehrssicherheit. Von wem eigentlich?
Ja, unsere Bundesregierung kann ja nicht alles wissen. Ihr sollte aber bekannt sein, dass die Strahlenschutzkommission (SSK) im Jahre 2006 sie aufgefordert hat, was zu tun (s. Bericht "Blendung durch natürliche und neue künstliche Lichtquellen und ihre Gefahren", im Bundesanzeiger veröffentlicht). Dass die "psychologische" Blendung nicht messbar sei, ist ausgemachter Unsinn. Wahr ist, dass ein Zollstock dazu nicht ausreicht. Ein Luxmeter auch nicht. Und dass man sie außer Acht lassen darf, dürfte sich spätestens mit der Veröffentlichung von CE Regulation 98 "Uniform provisions concerning the approval of motor vehicle headlamps equipped with gas-discharge light sources" in 2012 erledigt haben.
Die Antwort stimmt nicht einmal halb: Die (frühere) Sichtbarkeit des Autos wird mit hellen Scheinwerfern erkauft. Und diese verhindern, dass andere Verkehrsteilnehmer überhaupt gesehen werden. Wer vor sich oder im Rückspiegel die hellen Scheinwerfer sieht, ist anschließend blind. Zwar nicht für immer, sondern nur für einige Zeit, je nach Alter. In der Zeit legt ein alter Porschefahrer etwa 100 Meter zurück. Müssen wir die Alten aus dem Verkehr ziehen, bis die Wirtschaftskommission für Europa ECE eine Lösung findet? Den Alten die Porsche wegnehmen, wäre auch eine Lösung. Leider gibt es keine Enten mehr, und die lahmsten Familienkutschen kommen lässig über 140 km/h.
Wenn die Regierung denn eine Lösung finden will, sollte sie bereits die Basis der Zulassungsvorschriften aus dem Verkehr ziehen. Denn 1 Lux kann je nach Alter ganz unterschiedlich groß ausfallen, vor allem, wenn das Licht jede Menge blau enthält. Denn Licht ist nach der Augenempfindlichkeit bewertete Strahlung, und Kinderaugen haben eine andere als die von Erwachsenen, wovon die jüngeren wiedrum eine andere haben als die älteren. Die Basisfunktion (V-Lambda genannt) ist eine etwa 100 Jahre alte Kurve, die nur für jugendliche Männer gilt. Daher die obigen Bezeichnungen Babylux, Papalux, Opalux. Ob sich Mamalux und Papalux unterscheiden, außer dass der Genderbeauftragte darauf besteht? Ich denke mal ja, weil Frauen Farben anders sehen (s. hier). Das hatten wir in 2015 thematisiert, worauf sich der Autor der Studie meldete und die Unterschiede erklärte (sein Beitrag hier). Danach ist bei Frauen die Anzahl der Stäbchen und Zapfen anders als bei Männer und auch die Verteilung der 3 Arten der Zapfen.
Übrigens, so lustig ist das Ganze nicht immer, wenn man das Problem nicht begriffen hat. Nach Untersuchungen, die mir leider entfallen sind, sollen Babies im Krankenhaus erblindet sein, weil sie auf dem Rücken lagen und der Beleuchtung voll ausgesetzt waren. Und Menschen in der Arbeitswelt haben sehr häufig Probleme mit der Beleuchtung, weil diese nur die jüngeren Menschen berücksichtigt. Besonders krass und gefährlich kann es im Straßenverkehr werden, weil hier das Auge mehr als voll beansprucht wird. Wir fahren in der Nacht ständig weit unterhalb der vollen Leistungsfähigkeit der Augen mit Geschwindigkeiten die zu meiner Jugend nur Formel-1 Wagen vorbehalten waren. Die Leuchtdichten der LED können sich mit der Sonne messen. Und von der weiß man, wie sie blenden kann.
Wem das zu viel wird mit Babylux, Mamalux und Papalux: Es ist zwar wahr, dass wir nur 1 Kfz-Beleuchtung haben können und auch nur 1 Straßenbeleuchtung. Man kann - eher muss - aber immer diejenige Gruppe verstärkt berücksichtigen, die entweder mehr Schaden davon trägt oder mehr Schaden verursachen kann. Gleiches Licht für alle Volksgenossen - das war einst.
… und wer schützt mich? Dieses Gerät ist angeblich Militärtechnik. Neue Autos werden für zivile Zwecke gebaut - aber leider unzivilisiert benutzt. Könnte sich Herr Minister Dobrindt der Sache annehmen, wenn er mit seiner Mautstory zu Ende kommt?
Das ...licht ist zu rein für das menschliche
Auge, und unsere Enkel werden blind werden.
Ludwig Börne
Ich wette, nicht wenige werden bei ... auf LED tippen, denn Gefahren sehen viele und gerne, wenn sie LED hören. Börne hat aber lange vor der Erfindung des elektrischen Lichts gelebt und (vor)urteilte über das Gaslicht. Als Kind durfte ich Gaslicht noch bei Nachbarn erleben, die in alten Häusern lebten. Bei uns gab es eher Petroleumlampen, die aber eher selten in Gebrauch waren. Eher was für den Stromausfall.
Was ich erleben durfte, war die Gefahr des Verlusts des Augenlichts durch das Fernsehen. Die zählte zu den Highlights der bürgerlichen Horror-Lyrik über die Gefahren der Technik. Die Stories waren etwa so alt wie die Technik, und sie wurden nach der Erfindung von Computerbildschirmen neu aufgewärmt. Der Onkel, der die Gefahr am heftigsten zu Herzen genommen hatte, kaufte sich noch einen der letzten Schwarz-Weiß-Fernseher aus Angst. Seinen Lebensabend verbrachte er aber vor einem Farbfernseher, notgedrungenermaßen. In hohem Alter war sein Augenlicht tatsächlich stark eingeschränkt. Aber an seine alten Worte bezüglich der Gefahren für das Auge durch den Fernseher hat er nie wieder erinnert.
Ähnlich wie mein Onkel hatte mein Vater Angst um seine Augen, und zwar exakt seit jenem Tag, an dem er nach Hause gekommen war, um über seine Augenbeschwerden zu klagen. Er hatte gesagt: "Heute haben wir neue Neonbeleuchtung im Büro bekommen. Mir tun die Augen weh." Da war ich gerade zehn geworden. Mein Vater hatte noch 25 Jahre mit dieser Beleuchtung zu leben. Seine Augen wurden im Laufe der Jahrzehnte schlechter, die Beschwerden nahmen nicht ab, aber die Frequenz, mit der er sie ausdrückte. Als er pensioniert wurde, hatten wir auch zu Hause "Neonlicht". Irgendwie hatte sich mein Einfluss durchgesetzt, den mehrere Gutachten hochgestellter Professoren im Auftrag der Lichttechnischen Gesellschaft verursachten. Die hatten jegliche negative Einflüsse des Leuchtstofflampenlichts ins Reich der Märchen verwiesen. Auch den Vorwurf, dieses verursache potentiell Krebs. Da ich sie alle persönlich kannte, und das als honorige Persönlichkeiten, war mir jeder Zweifel an ihren Ansichten fremd. Der Vorwurf, Licht können etwas mit Krebs zu tun hätte, wiese auch der Normalbürger von sich, hätte er was davon gehört.
Wie ich später feststellte, kannte ich auch die Person, auf die sich die Gutachten allesamt bezogen: Prof. Hollwich, ein Augenmediziner, der so ziemlich alles, was heute als biologische Wirkung des Lichts vermarktet wird, kurz nach dem Krieg erforscht und veröffentlicht hatte. Der Professor war unter uns Studenten durch seinen Vortrag über den Einfluss des Leuchtstofflampenlichtes auf das Hodenwachstum von juvenilen Erpeln bekannt geworden. Da wir zwar an einer Universität studierten, aber die Usancen in der medizinischen Forschung nicht kannten, waren somit alle seine Erkenntnisse uns suspekt. Wie könnte sich das schöne Licht an den Hoden von Erpeln zu schaffen machen? Was wenn die Sache doch stimmte? Hoden von Erpeln und Menschen? Die einschlägige Industrie machte ohnehin alle seine Erkenntnisse nieder, weil er mal "Leuchtstoffröhre" gesagt hatte. Für einen Eingeweihten hätte es sich gehört, "Leuchtstofflampe" zu sagen. Welch ein Verbrechen!
Dazu muss ich noch ergänzen, dass wir jegliche Probleme mit Licht gerne verneinten. Dort, wo wir arbeiteten, gestalteten wir das Licht mehr oder weniger selbst. In den Hörsälen machten wir eher die Klimatisierung denn das Licht für unsere Wehwehchen verantwortlich. Tatsächlich hatte ich nach den Ferien oder dem Urlaub eine Woche lang rasende Kopfschmerzen. Der Name dafür harrte noch der Erfindung: Sick building syndrome. Er fiel mir ein, als ich in der Zeitung las, der Gruner & Jahr Verlag gäbe die vor 25 Jahren gebauten Häuser seiner Zentrale auf. Vor 24 Jahren hatten die mich gefragt, ob ich bei denen die Ursachen für das sick building syndrome untersuchen wollte. Ich war der Meinung, man solle nach Bezug neuer Büros erst einmal paar Monate verstreichen lassen, damit sich der Mief im Neubau legt. Hat wohl offensichtlich nicht. Jetzt übernimmt die Stadt Hamburg die Gebäude. Ob sich der Verlag traut, noch einmal neu zu bauen? Sollte ich mich als Petze betätigen und die Stadt Hamburg warnen?
Vielleicht doch. Denn die Angestellten von heute sind nicht mehr die von Gestern. Angeblich sind sie viel fortschrittlicher, aber meistens nur zeitlich befristet beschäftigt. Da nimmt man manchen Kopfschmerz in Kauf und fristet sein Dasein in Gebäuden, die krank machen. Man kann ja schnell den Arbeitgeber wechseln. Und dann? Der neue wird wie der alte LED-Licht haben, weil spätestens in 2022 in der EU keine anderen Leuchtmittel mehr zugelassen werden. So es die EU noch gibt …
So macht es Sinn, sich mit den Gefahren des LED-Lichts zu beschäftigen. Das haben lustigerweise zunächst die Marketingleute getan. Bereits im letzten Jahrzehnt gaben sie Studien in Auftrag, die die Vorteile des Technologie bedingten Blaustichs des LED-Lichts herausstreichen sollten. Macht schlau, aktiviert die Alten, beruhigt Schulkinder u.ä. Später hat sich die französische Arbeitsschutzbehörde für die Gefahren von LED alias Laserdiode stark gemacht (in diesem Blog hier). Da musste die LED ihren Namen als Laser ändern (Erläuterungen zu den Gefahrenklassen hier). Eine Lampe ist doch etwas anderes als ein Laser, von der keine photobiologische Gefahr ausgeht! Ob Lampe oder Laserdiode, ohne Risiko eingestuft, ist zwar dasselbe. Aber Menschen handeln irrational, wenn sie das Wort Strahlung hören. Und noch dazu der Name Laser, Laser, mit dessen Licht man 50 mm Stahl schneiden kann wie Butter.
Die ganz Gewieften haben gar die HCL erfunden. Das ist nicht Salzsäure, sondern human centric lighting. Und gesund. So jedenfalls nach Aussagen der Industrie. Allerdings war normgerechte Beleuchtung gemäß dieser Quelle seit 70 und mehr Jahren gesund. Sehr gesund sogar. Jetzt plötzlich nicht mehr? Sagen wir mal, HCL ist gesünder. Man kann z.B. die Lichtfarbe dem Tagesverlauf anpassen. Die Idee ist zwar älter als die LED in der Beleuchtung, verspricht aber ungeahnt hohe Umsätze. Hat jemand früher ein Sixpack an Glühlampen für € 1,50 im Baumarkt gekauft, muss er oder sie jetzt mindestens ein Steuergerät zu der nicht allzu billigen LED-Leuchte einsetzen. Wenn man noch auf die sehr sachkundigen Gebäuenergieffizienzsteigerungsfachleute hört, kauft man noch viel mehr Equipment, das das Ganze okölogisch tageslichtabhängig steuert. Dessen Energiekonsum soll angeblich den Verbrauch für die Lichterzeugung übersteigen. Aber, man darf nicht so kleinlich sein. Es geht um eine Zukunftstechnologie!
Ob LED-Licht der Gesundheit schadet oder nicht, werden wir eher in einigen Jahrzehnten merken. Anders als bei der Leuchtstofflampe, die man zumindest in Deutschland aus Wohnbereichen herausgehalten hatte, wird man bei LED in allen Lebensbereichen in den Genuss des Lichts kommen. So wird man die Gefährdung, sollte sie real sein, gar nicht feststellen können. Vielleicht machen wir es wie bei der Alterung des Gehörs, von der alle betroffen sind, mit Ausnahme der Naturvölker, die nicht einem ständigen Lärmeinfluss ausgesetzt sind. Wie man weiß, altern deren Ohren nicht wie bei den Industrienationen, deren Angehörige in allen Lebenslagen Lärm ausgesetzt sind. Leider wird auch der Weg wohl nicht funktionieren, weil es keine Naturvölker mehr geben wird. Übrigens, die Gebäude von G&J in Hamburg sind nicht die einzigen, die wg. sick building syndrome verlassen wurden. In ganz City Nord von Hamburg waren aus den modernen Großraumbürohäusern der 1970er Jahre zu Beginn des 21. Jhdts entweder Ruinen oder Sanierungsobjekte übrig geblieben. Über so ein syndrome lässt sich trefflich reden, bis der Bagger kommt. Das LED-Syndrome wäre doch ein schönes Schlachtfeld für das kultivierte Halbwissen!
Ist blaues Licht schädlich für die Augen? Wer soll das wissen? Dass es eine Möglichkeit des Schadens für das Auge durch blaues Licht gibt, muss man nicht erst nachweisen. Die Schweißer benutzen seit Jahrzehnten eine Schutzbrille bzw. -maske. Der Effekt hat einen Namen, Blaulichtgefährdung. Und seinen Platz im Arbeitsschutzrecht (Richtlinie 2006/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Mindestvorschriften zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch physikalische Einwirkungen (künstliche optische Strahlung)). Leider, leider ist das einzig klare. Denn die Richtlinie hält sich nicht an die Definition von Licht. Dort ist als "Blaulicht" Strahlung in dem Bereich 300 nm bis 700 nm angegeben. Für einen Normalbürger sieht 700 nm ziemlich rot aus, während man unter 400 nm eher von UV-Strahlung spricht. So deckt die Richtlinie Teile der UV-B-Strahlung, die gesamte UV-A-Strahlung und den größten Teil der sichtbaren Strahlung als Blaulicht ab.
Wie dem auch sei. Die "blauen" Lichte, die gefährlich sein sollen, haben auch eine andere Stärke als bei üblicher Beleuchtung möglich. Daher halten Lichttechniker es sogar gesund, die Beleuchtung von Arbeitsplätzen mit blau anzureichern. Hersteller von anderen Produkten denken wohl anders, und sie lassen sich sogar ein Zertifikat ausstellen, dass ihre Monitore die Augen schonen. 
Irgendwie dumm das Ganze. Die einen schonen angeblich unsere Augen - runter mit Blaulicht -, andere helfen unserer Gesundheit auf die Sprünge - hoch mit Blauanteil -, ach, ja, es gibt noch solche, die die Umwelt schonen wollen und das Blaue vom Himmel durch die Fenstergläser wegfiltern. Die sollen die Gebäudeenergieeffizienz erhöhen.
Droht denen, die das augenschonende blauarme Licht des Monitors bevorzugen, eine vorzeitige Ermüdung? Wenn man einem angesehenen Institut der deutschen Forschungslandschaft glaubt, ja. Dieses hat ein Patent auf einen Monitor, der die Leute frisch hält - mit höherem Blauanteil freilich. Werden künftig Arbeitgeber Jagd auf Mitarbeiter machen, die das augenschonende Licht einstellen, weil die tiefer schlafen? Noch schlimmer: Was wird mit Gamern, die knackig scharfe Bilder lieben? Und die ganzen Nächte vor ihren Monitoren durchmachen? Makuladegeneration, aber nicht altersbedingt?
Egal. Aspekte der Gesundheit am Arbeitsplatz dürfen nicht Marketingaktivitäten dienend ausgeschlachtet werden. Und einen Monitor, der einen ständig frisch hält, braucht kein Mensch. Wer sich über die Wirkungen von blauem Licht erkundigen möchte, wird hier fündig.