Das ...licht ist zu rein für das menschliche
Auge, und unsere Enkel werden blind werden.
Ludwig Börne
Ich wette, nicht wenige werden bei ... auf LED tippen, denn Gefahren sehen viele und gerne, wenn sie LED hören. Börne hat aber lange vor der Erfindung des elektrischen Lichts gelebt und (vor)urteilte über das Gaslicht. Als Kind durfte ich Gaslicht noch bei Nachbarn erleben, die in alten Häusern lebten. Bei uns gab es eher Petroleumlampen, die aber eher selten in Gebrauch waren. Eher was für den Stromausfall.
Was ich erleben durfte, war die Gefahr des Verlusts des Augenlichts durch das Fernsehen. Die zählte zu den Highlights der bürgerlichen Horror-Lyrik über die Gefahren der Technik. Die Stories waren etwa so alt wie die Technik, und sie wurden nach der Erfindung von Computerbildschirmen neu aufgewärmt. Der Onkel, der die Gefahr am heftigsten zu Herzen genommen hatte, kaufte sich noch einen der letzten Schwarz-Weiß-Fernseher aus Angst. Seinen Lebensabend verbrachte er aber vor einem Farbfernseher, notgedrungenermaßen. In hohem Alter war sein Augenlicht tatsächlich stark eingeschränkt. Aber an seine alten Worte bezüglich der Gefahren für das Auge durch den Fernseher hat er nie wieder erinnert.
Ähnlich wie mein Onkel hatte mein Vater Angst um seine Augen, und zwar exakt seit jenem Tag, an dem er nach Hause gekommen war, um über seine Augenbeschwerden zu klagen. Er hatte gesagt: "Heute haben wir neue Neonbeleuchtung im Büro bekommen. Mir tun die Augen weh." Da war ich gerade zehn geworden. Mein Vater hatte noch 25 Jahre mit dieser Beleuchtung zu leben. Seine Augen wurden im Laufe der Jahrzehnte schlechter, die Beschwerden nahmen nicht ab, aber die Frequenz, mit der er sie ausdrückte. Als er pensioniert wurde, hatten wir auch zu Hause "Neonlicht". Irgendwie hatte sich mein Einfluss durchgesetzt, den mehrere Gutachten hochgestellter Professoren im Auftrag der Lichttechnischen Gesellschaft verursachten. Die hatten jegliche negative Einflüsse des Leuchtstofflampenlichts ins Reich der Märchen verwiesen. Auch den Vorwurf, dieses verursache potentiell Krebs. Da ich sie alle persönlich kannte, und das als honorige Persönlichkeiten, war mir jeder Zweifel an ihren Ansichten fremd. Der Vorwurf, Licht können etwas mit Krebs zu tun hätte, wiese auch der Normalbürger von sich, hätte er was davon gehört.
Wie ich später feststellte, kannte ich auch die Person, auf die sich die Gutachten allesamt bezogen: Prof. Hollwich, ein Augenmediziner, der so ziemlich alles, was heute als biologische Wirkung des Lichts vermarktet wird, kurz nach dem Krieg erforscht und veröffentlicht hatte. Der Professor war unter uns Studenten durch seinen Vortrag über den Einfluss des Leuchtstofflampenlichtes auf das Hodenwachstum von juvenilen Erpeln bekannt geworden. Da wir zwar an einer Universität studierten, aber die Usancen in der medizinischen Forschung nicht kannten, waren somit alle seine Erkenntnisse uns suspekt. Wie könnte sich das schöne Licht an den Hoden von Erpeln zu schaffen machen? Was wenn die Sache doch stimmte? Hoden von Erpeln und Menschen? Die einschlägige Industrie machte ohnehin alle seine Erkenntnisse nieder, weil er mal "Leuchtstoffröhre" gesagt hatte. Für einen Eingeweihten hätte es sich gehört, "Leuchtstofflampe" zu sagen. Welch ein Verbrechen!
Dazu muss ich noch ergänzen, dass wir jegliche Probleme mit Licht gerne verneinten. Dort, wo wir arbeiteten, gestalteten wir das Licht mehr oder weniger selbst. In den Hörsälen machten wir eher die Klimatisierung denn das Licht für unsere Wehwehchen verantwortlich. Tatsächlich hatte ich nach den Ferien oder dem Urlaub eine Woche lang rasende Kopfschmerzen. Der Name dafür harrte noch der Erfindung: Sick building syndrome. Er fiel mir ein, als ich in der Zeitung las, der Gruner & Jahr Verlag gäbe die vor 25 Jahren gebauten Häuser seiner Zentrale auf. Vor 24 Jahren hatten die mich gefragt, ob ich bei denen die Ursachen für das sick building syndrome untersuchen wollte. Ich war der Meinung, man solle nach Bezug neuer Büros erst einmal paar Monate verstreichen lassen, damit sich der Mief im Neubau legt. Hat wohl offensichtlich nicht. Jetzt übernimmt die Stadt Hamburg die Gebäude. Ob sich der Verlag traut, noch einmal neu zu bauen? Sollte ich mich als Petze betätigen und die Stadt Hamburg warnen?
Vielleicht doch. Denn die Angestellten von heute sind nicht mehr die von Gestern. Angeblich sind sie viel fortschrittlicher, aber meistens nur zeitlich befristet beschäftigt. Da nimmt man manchen Kopfschmerz in Kauf und fristet sein Dasein in Gebäuden, die krank machen. Man kann ja schnell den Arbeitgeber wechseln. Und dann? Der neue wird wie der alte LED-Licht haben, weil spätestens in 2022 in der EU keine anderen Leuchtmittel mehr zugelassen werden. So es die EU noch gibt …
So macht es Sinn, sich mit den Gefahren des LED-Lichts zu beschäftigen. Das haben lustigerweise zunächst die Marketingleute getan. Bereits im letzten Jahrzehnt gaben sie Studien in Auftrag, die die Vorteile des Technologie bedingten Blaustichs des LED-Lichts herausstreichen sollten. Macht schlau, aktiviert die Alten, beruhigt Schulkinder u.ä. Später hat sich die französische Arbeitsschutzbehörde für die Gefahren von LED alias Laserdiode stark gemacht (in diesem Blog hier). Da musste die LED ihren Namen als Laser ändern (Erläuterungen zu den Gefahrenklassen hier). Eine Lampe ist doch etwas anderes als ein Laser, von der keine photobiologische Gefahr ausgeht! Ob Lampe oder Laserdiode, ohne Risiko eingestuft, ist zwar dasselbe. Aber Menschen handeln irrational, wenn sie das Wort Strahlung hören. Und noch dazu der Name Laser, Laser, mit dessen Licht man 50 mm Stahl schneiden kann wie Butter.
Die ganz Gewieften haben gar die HCL erfunden. Das ist nicht Salzsäure, sondern human centric lighting. Und gesund. So jedenfalls nach Aussagen der Industrie. Allerdings war normgerechte Beleuchtung gemäß dieser Quelle seit 70 und mehr Jahren gesund. Sehr gesund sogar. Jetzt plötzlich nicht mehr? Sagen wir mal, HCL ist gesünder. Man kann z.B. die Lichtfarbe dem Tagesverlauf anpassen. Die Idee ist zwar älter als die LED in der Beleuchtung, verspricht aber ungeahnt hohe Umsätze. Hat jemand früher ein Sixpack an Glühlampen für € 1,50 im Baumarkt gekauft, muss er oder sie jetzt mindestens ein Steuergerät zu der nicht allzu billigen LED-Leuchte einsetzen. Wenn man noch auf die sehr sachkundigen Gebäuenergieffizienzsteigerungsfachleute hört, kauft man noch viel mehr Equipment, das das Ganze okölogisch tageslichtabhängig steuert. Dessen Energiekonsum soll angeblich den Verbrauch für die Lichterzeugung übersteigen. Aber, man darf nicht so kleinlich sein. Es geht um eine Zukunftstechnologie!
Ob LED-Licht der Gesundheit schadet oder nicht, werden wir eher in einigen Jahrzehnten merken. Anders als bei der Leuchtstofflampe, die man zumindest in Deutschland aus Wohnbereichen herausgehalten hatte, wird man bei LED in allen Lebensbereichen in den Genuss des Lichts kommen. So wird man die Gefährdung, sollte sie real sein, gar nicht feststellen können. Vielleicht machen wir es wie bei der Alterung des Gehörs, von der alle betroffen sind, mit Ausnahme der Naturvölker, die nicht einem ständigen Lärmeinfluss ausgesetzt sind. Wie man weiß, altern deren Ohren nicht wie bei den Industrienationen, deren Angehörige in allen Lebenslagen Lärm ausgesetzt sind. Leider wird auch der Weg wohl nicht funktionieren, weil es keine Naturvölker mehr geben wird. Übrigens, die Gebäude von G&J in Hamburg sind nicht die einzigen, die wg. sick building syndrome verlassen wurden. In ganz City Nord von Hamburg waren aus den modernen Großraumbürohäusern der 1970er Jahre zu Beginn des 21. Jhdts entweder Ruinen oder Sanierungsobjekte übrig geblieben. Über so ein syndrome lässt sich trefflich reden, bis der Bagger kommt. Das LED-Syndrome wäre doch ein schönes Schlachtfeld für das kultivierte Halbwissen!
Ist blaues Licht schädlich für die Augen? Wer soll das wissen? Dass es eine Möglichkeit des Schadens für das Auge durch blaues Licht gibt, muss man nicht erst nachweisen. Die Schweißer benutzen seit Jahrzehnten eine Schutzbrille bzw. -maske. Der Effekt hat einen Namen, Blaulichtgefährdung. Und seinen Platz im Arbeitsschutzrecht (Richtlinie 2006/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Mindestvorschriften zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch physikalische Einwirkungen (künstliche optische Strahlung)). Leider, leider ist das einzig klare. Denn die Richtlinie hält sich nicht an die Definition von Licht. Dort ist als "Blaulicht" Strahlung in dem Bereich 300 nm bis 700 nm angegeben. Für einen Normalbürger sieht 700 nm ziemlich rot aus, während man unter 400 nm eher von UV-Strahlung spricht. So deckt die Richtlinie Teile der UV-B-Strahlung, die gesamte UV-A-Strahlung und den größten Teil der sichtbaren Strahlung als Blaulicht ab.
Wie dem auch sei. Die "blauen" Lichte, die gefährlich sein sollen, haben auch eine andere Stärke als bei üblicher Beleuchtung möglich. Daher halten Lichttechniker es sogar gesund, die Beleuchtung von Arbeitsplätzen mit blau anzureichern. Hersteller von anderen Produkten denken wohl anders, und sie lassen sich sogar ein Zertifikat ausstellen, dass ihre Monitore die Augen schonen.
Irgendwie dumm das Ganze. Die einen schonen angeblich unsere Augen - runter mit Blaulicht -, andere helfen unserer Gesundheit auf die Sprünge - hoch mit Blauanteil -, ach, ja, es gibt noch solche, die die Umwelt schonen wollen und das Blaue vom Himmel durch die Fenstergläser wegfiltern. Die sollen die Gebäudeenergieeffizienz erhöhen.
Droht denen, die das augenschonende blauarme Licht des Monitors bevorzugen, eine vorzeitige Ermüdung? Wenn man einem angesehenen Institut der deutschen Forschungslandschaft glaubt, ja. Dieses hat ein Patent auf einen Monitor, der die Leute frisch hält - mit höherem Blauanteil freilich. Werden künftig Arbeitgeber Jagd auf Mitarbeiter machen, die das augenschonende Licht einstellen, weil die tiefer schlafen? Noch schlimmer: Was wird mit Gamern, die knackig scharfe Bilder lieben? Und die ganzen Nächte vor ihren Monitoren durchmachen? Makuladegeneration, aber nicht altersbedingt?
Egal. Aspekte der Gesundheit am Arbeitsplatz dürfen nicht Marketingaktivitäten dienend ausgeschlachtet werden. Und einen Monitor, der einen ständig frisch hält, braucht kein Mensch. Wer sich über die Wirkungen von blauem Licht erkundigen möchte, wird hier fündig.
5.12.2016
Wolkenkuckucksheim ist ein Ort, an dem garantiert keine Ingenieure wohnen. Denn die sind nüchtern und kalkulieren, bevor sie reden. Dass sie privat anders sind - geschenkt! Wie zum Teufel kommen sie auf die Idee, dass blaues Licht die Menschen beeinflusst, wenn diese am Arbeitsplatz werkeln? War da nicht so, dass ein normaler Büromensch immer brav nach unten guckt?
Das schöne Bild wurde eigens für DIN 5035 Teil 1 von 1972 gezeichnet. Es soll zeigen, wie man Blendung reduziert. (Anm.: tut es zwar nicht, weil kein Mensch das Bild versteht. Das tut aber hier nichts zur Sache.) Der von mir rot eingezeichnete Bereich stellt die Richtungen dar, in die eine Leuchte möglichst wenig Licht senden soll. Die Logik ist nicht neu, steckt vielmehr bereits in der Definition der Beleuchtung. Sie ist die Anwendung von Licht, um Objekte sichtbar zu machen. Wir sehen alles durch die Reflexion des Lichts an dem Objekt, fast alles. Da, wo wir anstelle des Objekts die beleuchtenden Geräte sehen, redet man von Blendung (oder von Wohnraumbeleuchtung).
Als später die Bildschirme die Büros eroberten, dachte man noch schärfer nach, wie man Blendungen vermeiden konnte. Die gab es nämlich jetzt auch noch auf den Bildschirmen. So präzise geregelt gucken wie ein deutscher Büromensch tut nicht einmal ein Chinese, der die komplette Bibel auf einen Reiskorn schreibt. Dieses Bild stammt aus 1976, als man dachte, alle Probleme des Bildschirmarbeitsplatzes durch technische Lösungen einfach so zu beseitigen. Im jahre 2016 gibt es immer noch viele, die einer solchen Lösung hinterher jagen. Hoffnung stirbt zuletzt.
Wenn also der Mensch blaues Licht in sein Auge kriegt, dann ist der Missetäter bekannt, sein Bildschirm. Da guckt er tatsächlich fast ständig darauf. Wenn er sich von den Fesseln des Arbeitsplatzes befreit hat, dann erst richtig. Whatsapp, Facebook, Chatroom usw. usw. Zwar ist der Bildschirm kleiner, er wird aber kurz vor der Nase gehalten.
Diese Art der Beglückung des Menschen mit blauem Licht ist denen, die damit Geld machen wollen, sehr unwillkommen. Die wollen es mit der Beleuchtung machen. Und die dient erklärtermaßen der Sichtbarmachung der Objekte. Zählen tut aber nicht das blaue Licht, dass man in die Umgebung streut. Es muss ins Auge gehen. Leider, leider will es nicht. Ich fragte mich, wie die Sache in den Experimenten funktioniert haben soll, bei denen man z.B. bei Kindern großartige Wirkungen ermittelt haben will. Bei dem gemeinten Versuch war es die Klasse rechts. Man beachte bitte die Farben der Decke, der Wände und des Fußbodens!
Heureka! Ich hab´ s! Was das obige Bild aus dem Originalbericht der Studie nicht verrät, sieht man in dem Film, den der Autor dem Fernsehen zur Verfügung gestellt hat: Die Bude ist beidseitig befenstert! Das nennt man Experiment mit vollständig kontrollierten Umgebungsbedingungen!
Glaubt jemand tatsächlich, dass die Kinder in einem Raum mit Holztäfelung und holzfurnierten Tischen von dem Blau der Lichter über ihnen beeinflusst werden? Wie sollen solche Wände und solches Mobiliar so viel blaues Licht ins Auge reflektieren? Ob die Forscher bei ihrem Bericht die Fenster aus Versehen weggelassen haben?
Da man bekanntlich alles auch anders lesen kann, will ich mal eine offizielle Erklärung des ZVEI (Zentralverband der elektrotechnischen Industrie) einfach anders lesen. Gemeint ist das hier:
Das richtige Licht für jede Tageszeit? Was mag das sein? Tagsüber hell, nachts dunkel macht die Sonne schon immer. Was fügt die Lichtindustrie dazu? Sie will uns das HCL - nicht Salzsäure, sondern … - Human Centric Light als Zukunftsperspektive näher bringen.
Und was haben wir davon? Das sollen wir davon haben: "Human Centric Lighting (HCL) unterstützt zielgerichtet und langfristig die Gesundheit, das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit des Menschen durch ganzheitliche Planung und Umsetzung der visuellen, emotionalen und insbesondere der biologischen Wirkungen des Lichts."
Ich lese jetzt mal anders: Wenn HCL die Zukunftsperspektive ist, unterstützt das jetzige Licht visuelle, emotionale und insbesondere biologische Wirkungen des Lichts nicht. Ist das wahr? Scheint so: Vor genau 26 Jahren veröffentlichten wir die Studie "Licht und Gesundheit", die die künstliche Beleuchtung von Arbeitsplätzen als Ursache von Gesundheitsstörungen am Arbeitsplatz nachwies. (komplette Studie hier lichtundgesundheit, und in English dort lightandhealth). (Anm.: letzte Ausgabe der Berichte, 3. Fassung)
Nun will die Industrie für die Zukunft eine Besserung erreichen: "Ein Grundgedanke von HCL ist es, das richtige Licht für jede Tageszeit bereitzustellen. Die Wirkung der Beleuchtung muss ganzheitlich betrachtet werden. Insbesondere wird zwischen der Beleuchtung am Tag und in der Nacht unterschieden."
Ja, jetzt weiß der Unwissende wie der Allwissende, warum die jetzige Beleuchtung ungesund ist. Die unterscheidet nämlich nicht zwischen den Tageszeiten und ist daher nicht "human centric". Licht ist Licht und wird in Lux gemessen. Basta. Steht in jeder Norm zur Beleuchtung, stand in der ASR 7.1 (alt) und steht in ASR A3.4 (neu). Vielmehr noch: in allen Köpfen herrscht dieselbe Meinung.
Wir hatten im Auftrag der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin die Studie "Der Stand von Wissenschaft und Technik bei neuen Beleuchtungstechnologien am Arbeitsplatz und ihre Auswirkungen." verfasst, (Autoren Cakir G., Cakir A., Kramer H., Schierz C. & Wunsch A. (2011)), die u.a. eine unterschiedliche Beleuchtung für den Tag und die Nacht empfahl. Da die Studie eine Vielzahl von Veröffentlichungen verwertete, gibt es wohl keinen Dissens. Frage ist, wie man aus dem Schlamassel herauskommt. Denn es ist nicht einfach, nach 125 Jahren künstliches Licht und etwa 80 Jahren lichttechnische Beleuchtungsnormung die Praxis davon zu überzeugen, alles Richtige (oder richtig Gebetete) auf einmal als falsch zu erklären.
Heute fiel mir das Heft 2016 von 3lux:letters in die Hände. Es soll nicht der Inhalt kommentiert werden, weil das Schreiben eines Kurzkommentars zu einem umfangreichen Inhalt eher länger dauert als das Verfassen desselben, soll er sinnvoll sein. Vielmehr geht es mit um das Hauptthema des Heftes - Smartes Licht und darum herum. Ich bin Chefredakteur einer internationalen Zeitschrift, bei der es häufig um die Akzeptanz von Innovationen geht. Keine neue Frage - die erste viel beachtete Publikation dazu stammt aus den 1960er Jahren und wurde bislang über 50.000 Mal (!) zitiert. Zumeist geht es dabei um IT vulgo EDV. Kein Wunder, denn das Thema elektrisiert die Menschen heute noch, nachdem der Computer in den 1950ern in den Rang eines Gottes erhoben wurde (sehr beeindruckend Stanley Kubricks Odyssee im Weltraum 2001 von 1968). Später wurde er zwar entthront und wurde zum PC oder Laptop, dennoch reden viele Menschen die Kisten mit "er" oder "du" an. Dazu gibt es sogar eine viel beachtete wissenschaftliche Theorie (media equation theory von Clifford Nass).
Wie man mittlerweile weiß, wurden manche Innovationen nie akzeptiert. Andere brauchten Jahre bis Jahrzehnte - übrigens auch der Computer - bis zur Anerkennung. Bei anderen hingegen ging die Akzeptanz so schnell vonstatten, dass die Interpreten nur nachträglich kommentieren konnten, dass eine Akzeptanz stattgefunden hatte, ohne dass man viel von Akzeptanz gesprochen hatte. Dazu gehört der Mobilfunk, vulgo Handy, der nur 10 Jahre brauchte, wofür das Festnetztelefon 100 hinter sich lassen musste - gleiche Anzahl von Teilnehmern. Danach kam es aber noch gewaltiger, mit der Erfindung des Smartphone brach die gesamte Welt der Telekommunikation zusammen, die einst auf höchster staatlicher und internationaler Ebene geregelt wurde. Mit der Entwicklung des iPhone fegte ein Nobody (Apple) den Welt-Marktführer mit zeitweilig 38% Marktanteil (Nokia) vom Planeten. Dieser war aber vorher immerhin innovativ genug, um die Welt der Telekommunikation in ihren Grundfesten zu erschüttern. Heute gibt es mehr Mobilfunkanschlüsse als Menschen!
Smart macht´s! Wie wird es mit "Smartlight" werden? Smart Homes mit Smartlicht? In dem besagten Heft ist sogar die Rede von smartest Home.
Wenn ich eine Antwort auf die Frage gäbe, dürfte ich mich nie mehr smartest, nicht mal smart nennen. Und das, obwohl ich den Siegeszug des Computers zumindest in Verwaltungen bereits in 1976 präzise vorhergesagt - und begründet hatte (Beweis hier), sowie den Weg, wie sich eine Einheitlichkeit der Benutzungsoberflächen vom Computern durchsetzen würde: "… Um eine Standardisierung zu erreichen, muß sich ein Hersteller brutal durchsetzen." (Beweis hier vom 18.09.1992). Warum ich das gesagt hatte, wusste ich genau. Warum ich bei Smartlight nichts sage, ebenso. Denn in der Regel siegt der DAU - in der Sprache der Computerprogrammierer der dümmste anzunehmende User.
Was dies bedeutet kann man z.B. in der Historie des Lichtschalters erkennen. Dieser - der Nachfolger des Bedienelements für die Petroleumlampe - schaltete das - elektrische - Licht an, wenn man daran drehte. Findige Designer hätten zwar alle möglichen Hebel oder Schalter erfinden können, durchgesetzt hat sich der Drehschalter, weil man an der Petroleumlampe drehte, um das Licht heller zu machen. In unserem Haus gibt es noch ein paar davon im Keller. Erst nach Jahrzehnten kam der Kippschalter und herrscht heute noch vor. Der Druckschalter - einmal rein zum Einschalten, nochmal rein zum Ausschalten, ist eher seltener. Auch bei uns im Haus, obwohl wir eine formidable Ansammlung von Messgeräten haben, bei denen der Druckschalter vorherrscht. Sieg des DAU!
Oder? Wie kann es aber dazu kommen, dass heute viele Analphabeten die so ziemlich komplexeste Computertechnik recht gut beherrschen, die es je gab? (heißt übrigens Smartphone). Ich denke mal, dass man sich der Intuition bedient. Dennoch ist schwer zu ergründen, warum sich der größte Teil der Menschheit nicht nur schlimme Qualen antut, um mit einer komplexen Technik umzugehen, sondern zu einem erheblichen Teil auch noch süchtig danach ist. Da denke ich mal, dass das Objekt einem Bedürfnis entspricht. Welchem auch immer.
Wer hat ein Bedürfnis namens Smartlight? Wenn keiner, wie erreiche ich, dass viele ein Bedürfnis danach verspüren? Wäre nicht schlecht, nachzudenken.