Ich schreibe Dir einen langen Brief,
weil ich keine Zeit habe,
einen kurzen zu schreiben.
Goethe oder Pascal oder Voltaire
oder ein anderer Wichtiger
Ein Mensch malt, von Begeisterung wild,
Drei Jahre lang an einem Bild.
Dann legt er stolz den Pinsel hin
Und sagt: "Da steckt viel Arbeit drin."
Doch damit war´s auch leider aus:
Die Arbeit kam nicht mehr heraus.
Eugen Roth
Ende des Sommers 2017 trafen zwei Ereignisse Berlin hart, eines beschädigte zehntausende Bäume, das andere hätte ähnlich Schlimmes zur Folge, würde man höherwertiges Wissen immer noch auf Papier drucken. Verlust von vielen, vielen Bäumen. Das erste Ereignis war der Orkan Xavier. Vom zweiten wird hier berichtet.
Wie man weiß, gehen von Berlin starke Signale aus, was das Licht anbetrifft. Nicht nur Max Planck, der das Strahlungsgesetz „erfand“, wirkte dort. Auch Einstein brachte seine allgemeine Relativitätstheorie hier zur Vollendung. Ob das Ereignis von Oktober 2017 ebenso in die Annalen eingeht oder eher beim Banalen bleibt, wird sich noch zeigen. Gewichtig zeigt es sich, gedruckt auf edles Papier allemal. Denn es ist 114 Seiten lang.
Unser Ereignis war dazu bestimmt, eine andere Großtat aus Berlin, Licht betreffend, zu vollenden. Diese wurde geleistet, um Licht eine Qualität zu geben, freilich ohne die beiden Nobelpreisträger. Die hatten zwar einige unwichtige Dinge wie die Quantenphysik und Relativitätstheorie entwickelt, waren aber von der Herkunft ungeeignet, und sie waren emigriert (Einstein) oder entmachtet (Planck). Die Rede ist von DIN 5035, die im Jahr 1935 bestimmte, woran man die Güte von Beleuchtung zu bestimmen hatte. Leider hatte man es versäumt, die Norm in Stein zu meißeln. Später wurde sie nämlich ziemlich verwässert und schlussendlich von einem DIN-Sekretär aus Versehen in die Geschichtsbücher geschickt. In der Zwischenzeit hatte man es aber geschafft, allen Bundesbürgern einzutrichtern, dass die Lichtqualität in Beleuchtungsstärke gemessen werden müsste. Die Existenz weiterer Merkmale wurde zwar nicht geleugnet, aber auch nicht gerade hervorgehoben. Manche wollen die Lichtqualität gar in Euro messen (hier).
Da die Geschichte nicht so einfach enden darf, bildete sich beim zuständigen Verein, der LiTG, ein Ausschuss, der sich der Qualitätsfrage annahm. Das war etwa 20 Jahre vor Oktober 2017. Dieser machte seinem Namen alle Ehre und wurde bald von seinen Mitmachern als Qual-Ausschuss bezeichnet. Wie wär´s mit einer innovativen Idee – z.B. damit, ein Autorenteam mit der Aufgabe zu betrauen, Lichtqualität zu definieren? Nach langen quälenden Jahren wurde tatsächlich dieser Weg beschritten. Das Ergebnis der Arbeit sollte – wem denn sonst? - dem Praktiker und Lichtplaner zu Gute kommen. Da nun mal nicht alle Praktiker Zeit zum Lesen haben, richtet sich die in Oktober 2017 erschienene Schrift an „ambitionierte“ Praktiker. Zum Lichtplaner ist kein Qualifyer zugefügt. Er ist also per se ambitioniert.
Als ich den Titel las, war ich schwer erschüttert: „Lichtqualität - ein Prozess statt einer Kennzahl“. Wie erzähle ich dem Kunden, der eine Beleuchtung bestellt, dass er mit einem Prozess rechnen muss? Was erwartet dieser eigentlich, wenn er „gutes“ Licht bestellt? Wenn ich von den Herrschaften absehe, die für möglichst wenig Geld möglichst viel „500 lx überall“ kaufen wollen, fallen mir nur wenige Leute ein, die sich auf einen Prozess einlassen wollen. Und der Praktiker muss verdammt ambitioniert sein, um sich auf einen Prozess einzulassen. Ich stelle mir den Praktiker beim Elektrogroßhandel an der Theke vor, der dem Verkäufer von seinem Auftrag erzählt und der Qualität, die er liefern muss. Wie sieht das Gesicht des Verkäufers aus, wenn der Prozess hört?
Mal paar ernste Zahlen: mehr als 95% aller Bürogebäude in Deutschland wird ohne einen Lichtplaner gebaut und Licht hat etwa einen Anteil von 1-3 % Anteil an einem neuen Gebäude. Die Größe 95% entspricht etwa dem Anteil von professionellen Leuchten, die beim Großhandel über die Theke gehen. Glück hat der Bauherr, der den Lichtplaner unter den Elektroplanern erwischt. Denn in Deutschland soll der „Lichtplaner“ noch geboren werden. Es gibt zwar Datenbanken mit „Lichtplanern“, aber bereits der erste, den ich aufrufen wollte, http://www.4d-light.com, sagt mir „This domain has expired“ und ist bei SEDO zu kaufen.
Wie sind die anderen in die Datenbank gekommen? So: „Wenn Sie Lichtplaner sind und in die Datenbank aufgenommen werden möchten oder Ihre Daten ändern möchten, senden Sie uns eine Mail an Redaktion@lichtnews.de“. Und wer darf sich bitte ein Lichtplaner nennen? Ich denke mal jeder. Wie die wahre Situation aussieht, beschreibt Prof. Heinrich Kramer in seinem Kommentar zu dem Artikel „Beleuchtet den gordischen Knoten“ wie folgt: „Zurzeit gibt es mehrere Initiativen, die die Qualität der Lichtplanung und damit gleichzeitig die Qualifikation der Lichtplaner anheben wollen. Die International Association of Lighting Designers (IALD) wirbt für den Certified Lighting Designer (CLD), nachdem das von ihr initiierte National Council for the Qualification of Lighting Professionals (NCQLP) nicht das gewünschte Ergebnis brachte, das Deutsche Institut für Normung (DIN) versucht den zertifizierten Lichttechniker (ZLT) zu etablieren und die Lichtindustrie versucht über LightingEurope auf europäischer Ebene einen qualifizierten Lichtplaner in den Planungsprozess zu integrieren.“ (Rest hier https://pld-m.com/de/leserbrief-2/).
Wie wahrscheinlich ist, dass ein leibhaftiger Lichtplaner Lieschen Müller ihren Bildschirmtisch beleuchtet? Etwas häufiger als dass ein Einhorn ihr eine Wollmütze gegen den Luftzug aus der Klimaanlage strickt. Aber wirklich nur etwas!
Spaß beiseite. Der in dem Papier beschriebene Prozess zur Ermittlung der Anforderungen an die Beleuchtung ist tatsächlich notwendig. Unsere Altvorderen haben aber den Weg über die Normung gewählt – und das mit dem Segen des Staats. Die erste Fassung der Norm von 1935 war ein Meisterstück, ihre letzte Fassung und deren Nachfolger eher ein Text-Stück für den Elektromeister. Quintessenz: Mach´ ma´ 500 lx. Und du bist auf der sicheren Seite.
Hingegen geht das besprochene Papier von solchen Ansätzen aus: „Lichtqualität ergibt sich aus der Summe von Faktoren, die eine Lichtlösung beschreiben und in keinem Zusammenhang zur Beleuchtungsstärke stehen (Stein, Reynolds und McGuinness, 1986).“
„Lichtqualität ist Teil eines ganzheitlichen Ansatzes, dem dann entsprochen ist, wenn die Anforderungen individueller Nutzer erfüllt sind (Veitch, Newsham, 1995, 1998, 2006, 2010). Dabei soll je Installation eine Balance zwischen Wohlbefinden, Wirtschaftlichkeit und Architektur gefunden werden.“
Vor fast einem Jahrhundert hatte man das Ziel in DIN 5035 so formuliert: "Die künstliche Beleuchtung von Innenräumen muß den Forderungen der Gesundheit und Schönheit entsprechen, dabei zweckmäßig und wirtschaftlich sein.” Wie altmodisch …
Da fällt mir nur ein altes Lied ein: It is a long way to ...
Für wirklich Ambitionierte:
Lichtqualität - ein Prozess statt einer Kennzahl
Methodik zum Erfassen der Anforderungen an eine
Lichtlösung und zu ihrer Bewertung zur Bestimmung
ihrer Qualität
Veröffentlichung der
Deutschen Lichttechnischen Gesellschaft e.V.
Ich schreibe Dir einen langen Brief,
weil ich keine Zeit habe,
einen kurzen zu schreiben.
Goethe oder Pascal oder Voltaire
oder ein anderer Wichtiger
Ein Mensch malt, von Begeisterung wild,
Drei Jahre lang an einem Bild.
Dann legt er stolz den Pinsel hin
Und sagt: "Da steckt viel Arbeit drin."
Doch damit war´s auch leider aus:
Die Arbeit kam nicht mehr heraus.
Eugen Roth
Gestern hatte ich das unten rechts angegebene Papier kommentiert. Es soll Lichtqualität für den Praktiker und Lichtplaner ... ja, was denn? Definieren? Beschreiben? Umschreiben? Dabei wurden moderne Autoren zitiert, die mittlerweile 83 Jahre alte Zielsetzung von DIN 5035 geschafft haben, mit etwas anderen Worten zu replizieren.
Ist ja nichts Neues. Bemühen sich doch noch "modernere" Autoren Weisheiten aus der Antike neu zu formulieren - und fallen dabei nicht selten auf die Nase. Insofern nichts Ehrenrühriges. Oder doch? Irgendwie müssten z.B. diejenigen im Gesicht rot anlaufen, die dafür gesorgt haben, dass in DIN 5035 (jetzt Teil 1) "Kosten der Beleuchtungsanlage" den gleichen Stellenwert einnimmt wie "Licht und Farbe", Farbwiedergabe, oder "Begrenzung der Blendung". Denn in dem besprochenen Papier heißt es: "Energieeffizienz und Kosten einer Lichtlösung bilden [daher] keine Kriterien zur Bewertung der Lichtqualität". Die Änderung kam in die Norm mit der Ausgabe von 1972.
Wer nicht ganz doof ist, weiß, warum sie/er zwei unterschiedliche Dinge in einen Topf wirft, wie hier z.B.. Preis eines Autos und dessen Qualität. So kann man nämlich Äpfel mit Birnen vergleichen. Willst Du lieber wenig Blendung oder preisgünstigere Beleuchtung? Mein damaliger Chef hat den Vorgang etwas drastischer formuliert: "Der [Obmann] ist doch bescheuert. Lass doch den Kunden entscheiden, wie viel Geld er wofür ausgeben will."
Die zarte Röte im Gesicht der Verantwortlichen dürfte sich weiter vertiefen, wenn sie lesen würden, was über Tageslicht und Qualität ausgeführt wird. Dieses, das Tageslicht, wurde nämlich 1972 für entbehrlich erklärt, ach was, eher für störend (hier). Die Entwicklung der Lichtnormen habe ich in dem Forschungsbericht "Licht und Gesundheit" ausführlich dokumentiert (hier). Was weniger gut dokumentiert ist, sind die Folgen für den deutschen Arbeitsschutz. Denn die Vorschriften der Berufsgenossenschaften kannten bis zum Jahr 2004 kein Tageslicht und keine Beleuchtung durch das Tageslicht. Auch der Staat wollte die Sache nicht anders sehen: "Da eine gleichmäßige und stets gleichbleibende Beleuchtung der Arbeitsplätze, Arbeitsbereiche und Verkehrswege über den gesamten Tag nur durch künstliche Beleuchtung zu erreichen ist, wird in der Arbeitsstättenverordnung die allgemeine Forderung des früheren § 120 a Abs. 2 GewO nach genügendem Licht nur für die Beleuchtung mit künstlichem Licht im einzelnen präzisiert." (Betonung im Original, Rainer Opfermann, zuständiger Referent im Arbeitsministerium)
Im neuen Papier hört sich die Sache sehr anders an:
"Funktionale Anforderungen: Durch Tageslicht, insbesondere durch die dynamische Änderung des Beleuchtungsstärkeniveaus, der Leuchtdichten im Bereich der Fenster und der ähnlichsten Farbtemperatur, ändern sich die visuellen Bedingungen im Raum.
Biologische Anforderungen: Der Mensch ist in seinem circadianen Rhythmus an die Änderungen des Tageslichts, insbesondere an den Wechsel von Tag und Nacht, angepasst und dadurch geprägt.
Psychologische Anforderungen: Emotional hat das Tageslicht in der Regel einen positiven Einfluss auf den Menschen. Besonders die Sichtverbindung bietet wertvolle Informationen über die Außenwelt.
Architektonische Anforderungen: Die Nutzer von Tageslicht und auch der Schutz vor Sonnenlicht bestimmen die architektonische Gestaltung der Fassaden und der Tageslichtöffnungen."
Weiterhin heißt es: "Lichtqualität ergibt sich aus dem Abgleich von Anforderungen und ihrer Erfüllung."
Da haben wir dummerweise den Salat: Den Adressaten "ambitionierter Praktiker" gibt es leider nicht für dieses Anforderungsprofil. Denn für das Tageslicht ist nach wie vor der Architekt zuständig, für die "Beleuchtung", sprich künstliches Licht, erklärt der sich meist nicht zuständig. Wie dargestellt (hier), ist der Zuständige der "Lichtplaner", und mangels Lichtplaner, meist der Elektroplaner. In der Entstehungsphase eines Gebäudes weiß dieser noch nichts von seinem Glück. Auch wenn der alles wüsste und könnte, würde ihm kein Architekt kein Mitspracherecht an seinem Gebäude einräumen.
Ergo: Um die Lichtqualität ist es nicht gerade gut bestellt im Jahre 2017. Wie es besser laufen könnte? Ein gutes, leider nicht sehr praktisches, Kooperationsmodell hatte die Gütegemeinschaft Licht schon in den 1970er Jahren veröffentlicht. Vielleicht kommt man mit ähnlichen Modellen weiter. Ansonsten wird der rechts abgebildete Kollege wieder die Leuchten, die er beim Elektrogroßhändler abholt, gleichmäßig an der Decke verteilen. Und sagen "Da steckt viel Arbeit drin!".
Für wirklich Ambitionierte:
Lichtqualität - ein Prozess statt einer Kennzahl
Methodik zum Erfassen der Anforderungen an eine
Lichtlösung und zu ihrer Bewertung zur Bestimmung
ihrer Qualität
Veröffentlichung der
Deutschen Lichttechnischen Gesellschaft e.V.
Kann aus einer, sagen wir mal, nicht so guten Planung etwas Gutes entstehen? ich denke mal, nein! Manchmal mag der Zufall helfen. Aber unter der Vorstellung von "Engineering" verstehe ich zielgerichtetes Handeln ohne den Meister Zufall. Im Sommer 2017 sind zwei wichtige Ereignisse eingetreten, die ich gerne im Lichte dieser Vorstellung beurteilen möchte. Das erste Ereignis ist die Veröffentlichung von 15 Thesen zu Licht und Lichtplanung. Das zweite ging ohne viel Aufhebens über die Bühne: Erscheinen einer LiTG Studie zu Lichtqualität. Diese besagt im Kern: "»Das Maß der Lichtqualität ergibt sich aus dem Abgleich zwischen den Anforderungen des Nutzers an eine Lichtlösung und der Bewertung der umgesetzten Lichtlösung.« Ergo: Lichtqualität – ein Prozess statt einer Kennzahl! Auch wenn das Papier nagelneu ist, ist die Vorstellung so alt wie die Qualitätswissenschaft: Quality is fit for purpose.
Wie gut mögen die bislang erstellten Beleuchtungsanlagen einem solchen Qualitätsanspruch genügen:
Licht ist für die menschliche Existenz fundamental. Viele biologische Wirkungen – visuell und nichtvisuell – lassen sich heute konkret benennen und müssen im Bauen Berücksichtigung finden. Das weitgehende Fehlen sowohl verbindlicher planerischer Gütekriterien, als auch einer normativen Verankerung der Planung für gesundes und attraktives Licht im bisher gängigen Planungsprozess, trägt der Bedeutung von Licht nicht Rechnung.
Der Planungsprozess für Beleuchtung (und für das Bauen) berücksichtigt die Wirkungen auf den Menschen nicht. Wenn die Bedürfnisse des Menschen unberücksichtigt bleiben, entspricht das ausgeführte Objekt diesen nicht. Die Qualität der Beleuchtung bleibt somit mangelhaft, bis die Ursache beseitigt ist.
Der Stand der Wissenschaft und Technik macht Lichtplanung heute zu einer neuen Grundlagenplanung mit besonderer Komplexität und Verantwortung für Wohlbefinden und Gesundheit der Nutzer.
Das Wohlbefinden und die Gesundheit der Nutzer stand bis heute nicht im Fokus der Lichtplanung. Oder: Der Auftrag an die Lichtplanung stellte bis heute das Wohlbefinden und die Gesundheit der Nutzer nicht in den Fokus. (Anm.: Dies gilt für Fälle, bei denen eine Lichtplanung überhaupt ausgeführt wurde. In den meisten Fällen handelte es sich nämlich eher um Elektroplanung, bei der am Ende der Leitung nicht ein Gerät, sondern eine Leuchte hängt.)
Tageslicht ist Ausgangspunkt und Maß einer integrativen Lichtplanung, welches
durch Kunstlicht ergänzt werden muss. »INTEGRATIVE LICHTQUALITÄT« umfasst daher
die kombinierte Tages- und Kunstlichtplanung.
Tageslicht ist nicht Ausgang und Maß der Lichtplanung. (Anm.: Die meisten Lichttechniker wenden die Gütekriterien, die für Kunstlicht entwickelt worden sind, auch auf das Tageslicht an und wollen dies sogar weiterhin beibehalten. Auch Tageslichttechniker nehmen die Festlegungen für Kunstlicht als Maßstab für das Tageslicht, s. z.B. DIN V 18599 Energetische Bewertung von Gebäuden, Betrachtungen zur Tageslichtautonomie etc. Die Festlegungen von Beleuchtungsstärken in Normen haben definitiv nichts mit der Sehleitung zu tun (s. Basis der Festlegung von Beleuchtungsstärkewerten in Beleuchtungsnormen, hier)
Qualifizierte Lichtplanung berücksichtigt die natürliche Variabilität der Rezeption
durch individuelle Nutzer. Eine Vereinheitlichung oder Normierung von Lichtwirkungen
ist daher nur eingeschränkt möglich.
Die übliche Praxis der lichttechnischen Normung ist falsch. Sie ist falsch, obwohl der individuell unterschiedliche Lichtbedarf schon vor über 50 Jahren experimentell festgestellt wurde und in der lichttechnischen Literatur veröffentlicht. (Anm.: Man kann trotzdem eine "Vereinheitlchung" von Beleuchtungseinrichtungen anstreben und realisieren, wenn man die Unterschiedlichkeit der Menschen angemessen berücksichtigt und ihnen die Kontrolle über ihre Umgebung teilweise überträgt.)
Eine qualifizierte Lichtplanung definiert aufgrund ihrer unmittelbaren gesundheitlichen
Relevanz gesetzliche und gesellschaftliche Schutzziele.
Die gesundheitliche Relevanz der Lichtplanung findet in dem realen Geschehen keinen Niederschlag. (Anm.: Das ERGONOMIC Institut hat im Jahre 1997 eine Studie veröffentlicht, wonach die übliche genormte (Direkt)Beleuchtung dem Arbeitsschutz widerspricht (s. Volltext hier). Zuvor war der Forschungsbericht "Licht und Gesundheit" im Jahre 1990 veröffentlicht worden, der die Beleuchtung von Arbeitsstätten als Gesundheitsgefahr nachgewiesen hatte (Volltext hier). Nach dem Jahr 2001 wuchs die Zahl der Veranstaltungen zum Thema "Licht und Gesundheit" lawinenartig an. Es gibt mittlerweile Professuren und Einrichtungen zum Thema. Nur die Planungspraxis hat sich wenig geändert, weil sich die Normen nur unmerklich geändert haben.)
Nicht-visuelle Lichtwirkungen können nur in wenigen Fällen als anerkannte
Regel der Technik bewertet werden.
Die Berücksichtigung nicht-visueller Wirkungen in der Lichtplanung wird in absehbarer Zeit nicht Realität werden. D.h., viele negative Wirkungen von künstlicher Beleuchtung werden uns treu bleiben, obwohl man künstliche Beleuchtung per se nicht für diese verantwortlich machen kann. Schon in einem der ersten Gutachten über die "Gefahren" der künstlichen Beleuchtung hatten die Gutachter sinngemäß geschrieben, dass die negativen Wirkungen mangelhafter Nutzung zuzuschreiben wären. Diese uralte Feststellung ist nicht alt geworden.
Hat jeder Mensch ein Recht darauf, zu wissen, wo Balgheim liegt? Recht haben schon, aber Interesse? So ganz urplötzlich ist Balgheim aus dem Nebel aufgetaucht und erlangte globalen, ach was, intergalaktischen Ruhm. Es steht nämlich im LED-Licht. Ansonsten wäre nie einer auf die Idee gekommen, diese Bonsai-Metropole in schönsten Farben zu schildern. (Anm.: Balgheim ist schön - hier)
Welchen Bälgern auch der Ort den Namen verdanken mag, wichtig ist: Balgheim schaltet auf LED Beleuchtung um, sagt die Meldung in einer renommierten Zeitschrift. Sie stammt aus einer Feder, die vermutlich von München aus geführt wurde. Denn die Berliner Kollegen des Herstellers der LEDs haben derzeit andere Sorgen. Ihre Jobs könnten auf Reisen gehen, um nicht wieder zu kommen. Balgheim hat sich unter die Gemeinden in BaWü gemischt, die um Nachhaltigkeit bemüht sind. Das geht natürlich nicht ohne LED. Wir lernen minutiös, wie viele Leuchten welchen Typs der Lieferant der Nachhaltigkeit installiert hat. Und dass auch der Kirchturm jetzt LED-erleuchtet ist, mit Fl20-Flutlichtstrahlern der Firma O.
Sämtliche Leuchten verfügen über eine integrierte Technik zur Verringerung des Beleuchtungsniveaus in verkehrsarmen Zeiten, heißt es in dem Artikel. Also dauerhaft, denn in Balgheim ist rush-hour, wenn ein Rollator zu schnell fährt. So jedenfalls nach den Fotos, die den Artikel ergänzen. Die ganz smarte Lösung, bei der die Leuchte nicht nur nachts auf einen Passanten wartet, sondern 24 Stunden rund um die Uhr ganz intelligent sich den Mast in den Bauch steht, um mal leuchten zu dürfen, ist wohl nicht installiert. (Die gibt es u.a. in Chur, Schweiz). Bei solchen smarten Systemen besteht die Nachhaltigkeit darin, dass die Laterne den Strom nicht zum Leuchten benutzt, sondern um sich die Wartezeit amüsanter zu gestalten. So zum Beispiel, wenn sie die Unterseite von hochgeklappten Bürgersteigen beleuchten muss.
Was soll das Ganze? Balgheim wollte eine deutlich bessere Lichtqualität erreichen. Wie dumm! Denn Lichtqualität ist ein Prozess, erzählt im gleichen Heft eine Doktorandin der Lichttechnik. Wenn der Bürgermeister von Balgheim wüsste, dass er sich für viel Geld einen deutlich besseren Prozess hat installieren lassen! Und so ein Prozess ist nachhaltig. Echt!
Um die Qualität des Artikels bei genauem Lichte zu betrachten, habe ich den Text gescannt und dem BlaBlameter übergeben. Das ist eine Software, die Texte systematisch nach heißer Luft, Gehalt und Aussagekraft untersucht. Sie wurde einst getestet mit der Bibel, dem FDP-Parteibuch (bevor die aus dem Bundestag flog) und McKinsey-Studien. Man kriegt dann ein Urteil wie "Sie müssen PR-Profi, Politiker, Unternehmensberater oder Universitätsprofessor sein! Sollten Sie eine echte Botschaft transportieren wollen, so erscheint es fraglich, ob diese Ihre Leser auch erreicht.“ Das Urteil fällt anhand der Häufigkeit von 60 bösen Wörtern, die man immer nutzt, wenn man jemand anderen beeindrucken will. Den obersten Rang nimmt dabei das Wort "effizient". Üblicherweise wird ein Index berechnet, der Bullshit-Index. Der reicht von 0 bis 1. Wer die 1 erreicht, steht wie eine Eins da, größeren B. kann keiner verzapfen. Und hier das Ergebnis für diesen Bericht: