Wozu beleuchtet man ein Büro?

 

Wer auf diese dumme Frage eine ebenso dumme Antwort erwartet, liegt eindeutig falsch. Die Antwort fällt nämlich noch viel dümmer aus. Und so, dass selbst Fachleute beim Lesen einer Studie von mir zu dem Thema kaputt lachten. (hier ist die Studie von November 2006). Dass die Studie noch eine gewaltige Untertreibung war, wusste ich seinerzeit nicht.

Ist es denn wichtig, dass man weiß, warum man Büros beleuchtet? Man macht es schließlich seit der Antike, ließ sogar Festungen und Schlösser danach bauen, wie gut und lange der Buchhalter arbeiten konnte, kaufte künstliche Beleuchtung, als sie noch sehr künstlich roch (Karbidlampen), baute bis etwa 1950 alle Bürogebäude für gute Beleuchtung aus. Was soll die Frage nu?

Jeder Ingenieur verpflichtet sich, - auch ohne es ihm bewusst werden muss - zweckmäßig zu handeln, und seine Produkte müssen stets beherrschbar sein. Ansonsten ist er ein Künstler, aber selten ein guter. Zum zweckmäßigen Handeln gehört, dass er immer weiß, wozu etwas dienen soll, was er gerade baut. Ebenso dazu gehört, dass er sparsam mit Ressourcen umgeht, Material, Arbeit, Energie … Also muss auch der Lichtingenieur dies. Tut er auch. So war die Lichtausbeute, „Kerzen pro Kanne Öl“ oder - moderner – Lumen je Watt, die Leitidee seit Jahrhunderten. Die Hersteller von Wohnraumleuchten mochte er nie, weil diese „Lichttöter“ bauten – so seine Meinung. Er wusste auch immer, auch bevor er sich Lichtingenieur nannte, wozu Beleuchtung dient.

Nun haben sich viele Lichtingenieure und andere Stakeholder des Lichts zusammengetan und Normen geschaffen, die die Beleuchtung regeln. Dort müsste man finden, wozu man ein Büro beleuchtet. Da haben wir´s: „Eine geeignete und angemessene Beleuchtung ermöglicht es Menschen, Sehaufgaben effektiv und genau durchzuführen“  (DIN EN 12464-1:2011) Ich denke, niemand hätte je was Anderes erwartet. Wozu auch? Seit jeher beleuchtete man in Arbeitsstätten die Sehobjekte, damit man sie eben sah. Dass etwas von dem Licht anderswo hinfiel – Pech. Leuchten sind wie Schrotflinten. Viel geht daneben, Hauptsache, man trifft das Ziel.

Zweckmäßig handeln hieße für den Lichtingenieur, das Licht dorthin zu bringen, wo was gesehen werden soll. So hat es einer, der es auf dem Gebiet zum Professor und Ehrenprofessor gebracht hat, nach eigener Einlassung immer gesehen: hier Fehlt nur noch , wie gut gesehen werden soll. Verantwortlich ist die Menge des Lichts, das die Beleuchtung auf das Sehobjekt werfen soll. Das ist ein Fall für die Beleuchtungsstärke, für die die zitierte Norm 25 Seiten Tabellen vorhält. Beim Bäcker X lx, beim Käsemeister Y lx. Wenn eine Arbeitsstätte gar viele Sehaufgaben erfordert, so im Schweinestall, gibt es noch weitere Differenzierungen: „Da arbeiten neben dem Bauern auch der Tierarzt und der Eber - nicht dauernd, aber häufig. Die Sau residiert samt Ferkelschar. So muss die Beleuchtung neben den Bedürfnissen der Sau und den Ferkeln eben die von diesen Akteuren erfüllen:

  • Behandlungsbereich ➝ > 200 lx; Abferkelung, hinter der Sau zur Geburtskontrolle. Deckzentrum, hinter der Sau zur Erkennung der Vulvarötung etc.
  • Kontrollbereich ➝ > 50 lx; Wartungsgänge zur Tierkontrolle“ (mehr hier)

So weit, so gut. Nun lese ich im Heft 6/2018 von Licht, man müsse die Beleuchtungsstärke im Büro nach dem Bedürfnis der Benutzer von Bildschirmen bestimmen, was ein Gebot von HCL wäre (HCL ist nicht Salzsäure, es ist Human Centric Lighting). Nicht schlecht die Idee. Wie viel Licht müsste nun auf den Bildschirm fallen, damit der Mensch im Zentrum des Interesses denkt, seinen Bedürfnissen sei genüge getan worden? Antwort: Gar keins. Der Bildschirm leuchtet von selbst. Problem gelöst? Natürlich nicht. Der Mensch soll helle Wände sehen wollen. Also ermitteln wir, wann die Wände hell genug sind.

Hört sich wirr an, ist auch wirr. Dummerweise stimmt es (fast ganz). Denn das Licht, von dem im Artikel die Rede ist, dient gar nicht dem Sehen, sondern den nicht-visuellen Wirkungen. Und die sind am besten ausgeprägt, wenn sich der Mensch bei der Arbeit am Tage im Hellen fühlt. Daher die Helligkeit von Wänden als Maßstab.

Eine neue Idee? Die gültige Norm für Beleuchtung redet doch von Sehen und Sehaufgaben. Was ist falsch bzw. widersprüchlich? Genau genommen, gar nichts. Außer dass die Norm lügt. Ob deren Autoren die Lüge kennen? Das kann ich nicht garantieren, aber dass das Ziel der Norm eine Lüge ist.

Aber nicht nur unsere Norm lügt. Einer der es wissen muss wie kein Zweiter, Prof. Peter Boyce, hatte vor der versammelten Mitgliederschaft der größten Lichttechnischen Gesellschaft des Universums die angehängte Rede gehalten, deren Titel so viel wie bedeutet: „Von der Bestimmung der Beleuchtungsstärke auf der Basis der Sehleistung und sonstige Märchen“. (hier) Darin beschreibt er, wie ehrliche Lichtingenieure versucht haben, der Welt weiß zu machen, dass sie Beleuchtungsstärken danach festlegten, wie groß der Bedarf an Sehleistung sei. Eigentlich hätte man die nach Gutdünken festgelegt, besser gesagt, nach Konsens. Man würde – nach dem Jahr 1993 – nach einer „wissenschaftlichen“ Basis suchen. Der Versuch sei zum Untergang verdammt. Er sollte Recht behalten.

So schlau wie Peter Boyce im 21. Jahrhundert war die deutsche Lichttechnik allerdings schon Ende der 1960er Jahre! Man hatte, wie Boyce dem gleichen Vorhaben in Amerika vorhersagte, lange versucht, Beleuchtungsstärken zu begründen mit der jeweiligen Sehaufgabe. Wozu macht man denn sonst Beleuchtung? Das Ergebnis war – „ehrlich gesagt, eine Pleite“ – zumindest enttäuschend. Ergo?

Den geistigen Stunt, der darauf folgte, würde heute keine Zeitschrift mehr drucken. Schade! Uns würden zeitgenössische Zeugnisse dafür fehlen, wie man mit 40 % der elektrischen Energie umgeht, die in Büros verballert wird. Prof. Dietert Fischer von Philips erläuterte in einem Artikel von 1971 in Licht, warum man nicht die Sehleistung als Grundlage für die Bestimmung der Beleuchtungsstärke machen könne. Eigentlich war er enttäuscht, dass man so nur 50 lx oder ähnlich begründen konnte, aber keine 500 lx, schon gar nicht 1.000 lx, wie man in Lichttechniker-Kreisen in den 1960ern als Ziel manifestiert hatte.

Was konnte nach Meinung von Fischer – der damals die prägende Person war – die Grundlage sein? Nicht doch! Die Akzeptanz der visuellen Umgebung … Und dies hat er nicht etwa heimlich in die Normen eingespeist bzw. eingepreist. Er hat es veröffentlicht. Und zwar in Licht, wo der neue Artikel auch erschienen ist. Es liegt nur etwa ein halbes Jahrhundert dazwischen.

Was ist die Folge der Lüge? Die Normen der Lichttechnik beruhen weitgehend auf der Beleuchtungsstärke in der horizontalen Arbeitsebene. Dort befindet sich zunehmend nichts. Die erste Firma, bei der es ohne Bildschirm keine qualifizierte Arbeit gab, hatte diesen Zustand 1983 (!) erreicht (Volksfürsorge, Hamburg), die erste Firma, die papierfreie Büroarbeit realisiert hatte, hatte dies 1996 geschafft (Name gebe ich bei Bedarf bekannt), seit etwa 2010 gelten Verwaltungen, die Papier-basiert arbeiten, zum Untergang verurteilt. Nicht nur die Arbeit hat sich verändert, sondern die gesamte Arbeitsebene hat sich verlagert. So schickt man fast die Gesamtheit der 40% der elektrischen Energie im Büro in die falsche Richtung, in der nur eine Tastatur und eine Tischplatte zu sehen sind. (Und seit der Einführung der LED noch viel mehr, weil die bei 500 lx mächtig blenden.)

Und das soll Ingenieurtechnik heißen? Künstler wäre besser, wäre da nicht die Gefahr, Künstler zu beleidigen. Man stelle sich vor, einem kommt das Ziel abhanden, und man schießt intensiver auf das alte Ziel. Durch das Verbot von nahezu aller alten Leuchtmittel hat die EU vermutlich geschafft, etwas CO2 einzusparen. Vielleicht erklärt jemand ihr, dass man 100-fach mehr sparen kann - einfach durch Nachdenken.

Mit LED - vergessene Probleme werden lebendig

 

 

Im neuesten Licht-Heft findet sich ein Beitrag, den es nicht geben sollte. Es geht um Flimmern, und ich hatte gelernt, den gibt es bei der Beleuchtung nicht. Das war so etwa 1966 bei meiner zweiten Vorlesung über Lichttechnik. Der Professor erklärte uns, die Glühlampe sei zu faul, um den Änderungen der Stromversorgung zu folgen, und die Leuchtstofflampe zu schnell. Sie würde ihr Licht mit 100 Hz ändern. Und das könne kein menschliches Auge sehen. Stimmte zwar nicht, aber doch etwas: Wenn einer stur vor sich hinguckt und nichts in dem Raum sich bewegt, kann das Auge fast nie ein Flimmern empfinden. Wenn doch einer was empfindet? Der hat bestimmt was gegen Neonlampen, Pardon Leuchtstofflampen! Dass er was gegen Leuchtstofflampen hatte, weil sie flimmerten? Konnte nicht sein - bis man die Lösung hatte: das elektronische Vorschaltgerät. Jemand wies 1986 nach, dass etwa die Hälfte der Kopfschmerzen der Leute, die unter diesen Lampen arbeiteten, verschwanden, wenn man die Frequenz erhöhte.

Die Lösung wurde gegen Ende der 1960er Jahre erarbeitet und steht so etwa 40 Jahre industriell zur Verfügung. Dass niemand sie vorzuschreiben vermochte, ist der Autoindustrie zu verdanken. Die elektronischen Vorschaltgeräte haben nämlich eine nominelle Lebensdauer von 50.000 h, und die sind bei den Autobauern ziemlich bald um. Bei denen brennt das Licht durch. Somit hätten wir das Thema Flimmern zu den Akten gelegt. Nicht jeder arbeitet bei den Autobauern.

Der Vorgang ist übrigens typisch für die "Aufarbeitung" von Nutzerproblemen in der Lichttechnik. Tauchen welche auf, wird erst einmal darauf hingewiesen, dass das wohl subjektive Äußerungen sind. Gegen die kann man doch nichts unternehmen. Bei hartnäckigen Problemen, so z.B. behaupteten Wirkungen zur Krebsförderung durch Leuchtstofflampenlicht, lässt man Gutachten erstellen, bei denen schon der Titel dem Auftrag entspricht: "Über die angeblichen …" Ist das Problem nach Jahrzehnten immer noch ungelöst bzw. unbeantwortet, gibt es noch ein Gutachten. Ähnlich handelten auch die Klimatechniker. Nach deren Meinung waren die Beschwerden nur die Meinung von Nörglern u.ä. Anders als die Lichttechniker, lieferten sie die Lösung gleich mit: Einen Regler an die Wand nageln, der nicht regelt. Die Leute drehen daran und denken, es hat sich was getan. Fertig! Wie witzig!

Neu kann das Thema auch nicht mehr auftauchen, weil wir mit der LED eine fortschrittliche Technologie ins Haus bekommen haben, die nicht mit den Mängeln der alten Lichttechnologien (igitt!) verhaftet ist. Das hat die SCHEER-Kommission gerade zum besten gegeben, die die Risiken der LED für Mensch (und Tier?) bewerten sollte. Nach ihrer Meinung haben gesunde Menschen bei normaler Nutzung nichts zu befürchten. (hier)

Muss wohl stimmen, denn die SCHEER Kommission ist hochkarätig besetzt.  Frau Prof. Ana Proykova (Vorsitzende) ist Physikprofessorin University of Sofia, Sofia, Bulgaria. Rodica Mariana Ion ist Full Professor of Nanomaterials an National Institute of R&D für Chemie and Petrochemie – ICECHIM, Bucharest, Romania  Supervisor at Walachei University. Theodoros Samaras Aristotle University of Thessaloniki, Thessaloniki, Greece. Alle haben sich irgendwie mit Nanomaterialien oder medizinischer Technik beschäftigt. Auf dem Gebiet der Lichttechnik sind sie bislang nicht aufgefallen. Vielleicht ändert sich das noch.

Was ist die endgültige Meinung der Kommission? Sinngemäß lautet diese, dass bei normaler Anwendung müssen gesunde Personen keine Gesundheitsrisiken befürchten. Allerdings „However, reversible biological effects in terms of flicker, dazzle, distraction and glare may occur.“ Klartext, das Licht kann Flimmern, verwirren (?), stören und blenden. Aber alles reversibel. Tut zwar weh, aber der Schemrz lässt nach. Ein Problem sind Kinder. Ein anderes Alte. Eigentlich sind die immer ein Problem. Wenn das Alles ist! Da sind wir aber fein heraus. Wir müssen nur noch Flicker messen lernen. Das ist alles! Das ist alles?

Wenn man die Aussagen der Kommission ernst nimmt und die noch verbliebenen Risiken wie "Blenden", "Stören" usw., müsste man bei jeder Gefährdungsbeurteilung in einem Betrieb von einer LED-Beleuchtung abraten. Was die Kommission für reversibel hält, ist eine Gesundheitsgefährdung. Dummerweise wird man keinem Betrieb erzählen können, was er machen soll stattdessen. Die EU verbietet mittlerweile fast alle Leuchtmittel außer LED. Für die (noch) nicht verbotenen entwickelt die Industrie keine Leuchten. Leuchtmittel brauchen zum Leuchten Leuchten. (Anm.: Neueste Entwicklungen in der Normung zeigen, dass LED die doch nicht brauchen. Denn sie sind selber eine Leuchte (hier). Toller Aufstieg von Laser über Lampe zur Leuchte.)

Hier liegt wohl des Pudels Kern begraben. Denn LED ist keine Technologie für nette, reiche Leute, die alles Geld der Welt ausgeben, nur um sie zu besitzen. Sie soll wirtschaftlich sein. Deswegen arbeiten sehr viele LEDs mit Pulsweitenmodulation (PWM), bei der das Licht immer für eine kurze Zeit ausgeht, auch wenn ungedimmt. (Das hatte ich in diesem Blog schonmal behandelt – hier und da). Noch schlimmer sieht es wohl mit treiberlosen LEDs aus. Die LED ist 20 Jahre nach ihrer Markteinführung als Leuchtmittel immer noch ein schlecht beherrschte Technik. Dass man damit Wunderbares erreichen kann, was mit anderen Leuchtmitteln kaum oder gar nicht erreichbar ist. ist kein Trost für Leute, die auf dem Wege zur Arbeit im Verkehr geblendet oder bei der Arbeit durch Flicker gestört werden.

Zum Vergleich der Wirkung: Bildschirme mit LED Hintergrundbeleuchtung sehen aus, als würden sie nicht flimmern. Solche mit PWM können in der Praxis bei 35% der Benutzer Beschwerden verursachen. Als die Bildschirme echte Flimmerkisten waren, beschwerte sich nur 10%!

Wir haben also nicht mit einem technischen Problem zu tun, sondern mit einem technisch-wirtschaftlichen. Von so etwas hat eine Kommission aus Physikern naturgemäß keine Ahnung. Warum darf sie aber darüber bestimmen, ob man alle gewohnten Leuchtmittel abschafft, um der LED Marktzugang zu verschaffen?

Mit LED - vergessene Probleme werden lebendig

 

 

Im neuesten Licht-Heft findet sich ein Beitrag, den es nicht geben sollte. Es geht um Flimmern, und ich hatte gelernt, den gibt es bei der Beleuchtung nicht. Das war so etwa 1966 bei meiner zweiten Vorlesung über Lichttechnik. Der Professor erklärte uns, die Glühlampe sei zu faul, um den Änderungen der Stromversorgung zu folgen, und die Leuchtstofflampe zu schnell. Sie würde ihr Licht mit 100 Hz ändern. Und das könne kein menschliches Auge sehen. Stimmte zwar nicht, aber doch etwas: Wenn einer stur vor sich hinguckt und nichts in dem Raum sich bewegt, kann das Auge fast nie ein Flimmern empfinden. Wenn doch einer was empfindet? Der hat bestimmt was gegen Neonlampen, Pardon Leuchtstofflampen! Dass er was gegen Leuchtstofflampen hatte, weil sie flimmerten? Konnte nicht sein - bis man die Lösung hatte: das elektronische Vorschaltgerät. Jemand wies 1986 nach, dass etwa die Hälfte der Kopfschmerzen der Leute, die unter diesen Lampen arbeiteten, verschwanden, wenn man die Frequenz erhöhte.

Die Lösung wurde gegen Ende der 1960er Jahre erarbeitet und steht so etwa 40 Jahre industriell zur Verfügung. Dass niemand sie vorzuschreiben vermochte, ist der Autoindustrie zu verdanken. Die elektronischen Vorschaltgeräte haben nämlich eine nominelle Lebensdauer von 50.000 h, und die sind bei den Autobauern ziemlich bald um. Bei denen brennt das Licht durch. Somit hätten wir das Thema Flimmern zu den Akten gelegt. Nicht jeder arbeitet bei den Autobauern.

Der Vorgang ist übrigens typisch für die "Aufarbeitung" von Nutzerproblemen in der Lichttechnik. Tauchen welche auf, wird erst einmal darauf hingewiesen, dass das wohl subjektive Äußerungen sind. Gegen die kann man doch nichts unternehmen. Bei hartnäckigen Problemen, so z.B. behaupteten Wirkungen zur Krebsförderung durch Leuchtstofflampenlicht, lässt man Gutachten erstellen, bei denen schon der Titel dem Auftrag entspricht: "Über die angeblichen …" Ist das Problem nach Jahrzehnten immer noch ungelöst bzw. unbeantwortet, gibt es noch ein Gutachten. Ähnlich handelten auch die Klimatechniker. Nach deren Meinung waren die Beschwerden nur die Meinung von Nörglern u.ä. Anders als die Lichttechniker, lieferten sie die Lösung gleich mit: Einen Regler an die Wand nageln, der nicht regelt. Die Leute drehen daran und denken, es hat sich was getan. Fertig! Wie witzig!

Neu kann das Thema auch nicht mehr auftauchen, weil wir mit der LED eine fortschrittliche Technologie ins Haus bekommen haben, die nicht mit den Mängeln der alten Lichttechnologien (igitt!) verhaftet ist. Das hat die SCHEER-Kommission gerade zum besten gegeben, die die Risiken der LED für Mensch (und Tier?) bewerten sollte. Nach ihrer Meinung haben gesunde Menschen bei normaler Nutzung nichts zu befürchten. (hier)

Muss wohl stimmen, denn die SCHEER Kommission ist hochkarätig besetzt.  Frau Prof. Ana Proykova (Vorsitzende) ist Physikprofessorin University of Sofia, Sofia, Bulgaria. Rodica Mariana Ion ist Full Professor of Nanomaterials an National Institute of R&D für Chemie and Petrochemie – ICECHIM, Bucharest, Romania  Supervisor at Walachei University. Theodoros Samaras Aristotle University of Thessaloniki, Thessaloniki, Greece. Alle haben sich irgendwie mit Nanomaterialien oder medizinischer Technik beschäftigt. Auf dem Gebiet der Lichttechnik sind sie bislang nicht aufgefallen. Vielleicht ändert sich das noch.

Was ist die endgültige Meinung der Kommission? Sinngemäß lautet diese, dass bei normaler Anwendung müssen gesunde Personen keine Gesundheitsrisiken befürchten. Allerdings „However, reversible biological effects in terms of flicker, dazzle, distraction and glare may occur.“ Klartext, das Licht kann Flimmern, verwirren (?), stören und blenden. Aber alles reversibel. Tut zwar weh, aber der Schemrz lässt nach. Ein Problem sind Kinder. Ein anderes Alte. Eigentlich sind die immer ein Problem. Wenn das Alles ist! Da sind wir aber fein heraus. Wir müssen nur noch Flicker messen lernen. Das ist alles! Das ist alles?

Wenn man die Aussagen der Kommission ernst nimmt und die noch verbliebenen Risiken wie "Blenden", "Stören" usw., müsste man bei jeder Gefährdungsbeurteilung in einem Betrieb von einer LED-Beleuchtung abraten. Was die Kommission für reversibel hält, ist eine Gesundheitsgefährdung. Dummerweise wird man keinem Betrieb erzählen können, was er machen soll stattdessen. Die EU verbietet mittlerweile fast alle Leuchtmittel außer LED. Für die (noch) nicht verbotenen entwickelt die Industrie keine Leuchten. Leuchtmittel brauchen zum Leuchten Leuchten. (Anm.: Neueste Entwicklungen in der Normung zeigen, dass LED die doch nicht brauchen. Denn sie sind selber eine Leuchte (hier). Toller Aufstieg von Laser über Lampe zur Leuchte.)

Hier liegt wohl des Pudels Kern begraben. Denn LED ist keine Technologie für nette, reiche Leute, die alles Geld der Welt ausgeben, nur um sie zu besitzen. Sie soll wirtschaftlich sein. Deswegen arbeiten sehr viele LEDs mit Pulsweitenmodulation (PWM), bei der das Licht immer für eine kurze Zeit ausgeht, auch wenn ungedimmt. (Das hatte ich in diesem Blog schonmal behandelt – hier und da). Noch schlimmer sieht es wohl mit treiberlosen LEDs aus. Die LED ist 20 Jahre nach ihrer Markteinführung als Leuchtmittel immer noch ein schlecht beherrschte Technik. Dass man damit Wunderbares erreichen kann, was mit anderen Leuchtmitteln kaum oder gar nicht erreichbar ist. ist kein Trost für Leute, die auf dem Wege zur Arbeit im Verkehr geblendet oder bei der Arbeit durch Flicker gestört werden.

Zum Vergleich der Wirkung: Bildschirme mit LED Hintergrundbeleuchtung sehen aus, als würden sie nicht flimmern. Solche mit PWM können in der Praxis bei 35% der Benutzer Beschwerden verursachen. Als die Bildschirme echte Flimmerkisten waren, beschwerte sich nur 10%!

Wir haben also nicht mit einem technischen Problem zu tun, sondern mit einem technisch-wirtschaftlichen. Von so etwas hat eine Kommission aus Physikern naturgemäß keine Ahnung. Warum darf sie aber darüber bestimmen, ob man alle gewohnten Leuchtmittel abschafft, um der LED Marktzugang zu verschaffen?

Es war mal ein Reetdachhaus …

 

Man stelle sich vor, jemand baut und gestaltet sich ein schickes Haus an der Ostsee, damit sich seine Gäste wohlfühlen. Tut das auch noch so gut, dass das Haus mehrere Preise bekommt. Mann muss allein für das Riet so etwa 60.000 € bezahlen und jährlich 500 € Aufschlag auf die Versicherung, weil das Zeug wie Zunder brennt. Die Gäste zahlen nicht nur einen hohen Preis, sie müssen sich auch mit der Tätigkeit einschränken, die jedem deutschen Mann in den Genen verankert ist, Grillen.

Das Haus besitzt einen wunderbaren Wintergarten, der auch im Sommer tolle Dienste leistet. Dort steht ein Esstisch mit einer Reihe von Kerzen darauf. Wenn man aber etwas deutlicher sehen will, macht man das Licht an, das wunderbar Strom spart. Und so sieht der Wintergarten dann aus:

Wie man damit Strom spart, muss ich wohl nicht erklären. In einer Woche wurde das Licht einige Sekunden eingeschaltet, bis die Kinder schrieen. Danach nochmal für eine Minute zum Fotografieren. (Anm.: Das Bild gibt das Grauen nicht annähernd wieder. Wer es erleben will, sollte sich so einen Kandelaber kaufen und über'n Esstisch hängen. Irre gemütlich und spart auch beim Gästeempfang. Die gehen gleich wieder.)

Kommt Psylux wieder? HCL und Internet der Dinge machen´s möglich - vielleicht …

 

Eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute zuerst: Licht hat die Drohung wahr gemacht und ein Sonderheft zu HCl bei Light + Building 2018 veröffentlicht. Und die schlechte? Licht hat ein Sonderheft …

Ob die Nachricht wirklich gut oder schlecht war, mögen die Leser selber beurteilen. Mitarbeiter eines sehr bekannten Instituts waren wohl nicht allzu sehr angetan von dem, was sich zwischen 2016 und 2018 getan hatte auf dem Gebiet. Vielmehr was sich nicht getan hat: "Human Centric Lighting (HCL) ist ein Thema von großer Wichtigkeit - zumindest war es das auf der Light + Building 2016. Auf der diesjährigen Leitmesse für Licht und Gebäudetechnik suchte man bei den über 2500 Ausstellern größtenteils vergebens nach den bahnbrechenden HCL-Innovationen, die noch zwei Jahre zuvor vehement vertreten worden waren." Es herrscht wohl Ebbe - zumindest bei den Herstellern. Ein Wunder? Andersherum wäre die Sache eher ein Wunder, denn deren Verband hat erklären lassen, HCL sei kein Produkt, sondern ein Konzept. Man stelle sich vor, 2500 Mal ein Konzept aufgestellt auf der Leitmesse des Universums! Es geht das Gerücht rum, Hersteller würden von Umsätzen leben und nicht von Konzepten, aus denen andere Umsätze generieren.

Allzu bitter-böse wollten die Autoren ihren mit einem bemerkenswerten Titel versehenen Beitrag doch nicht abschließen. Sie meinen, "dass die Integration von HCL-Lösungen in das IoT interessante Chancen bieten wird, wirklich anwenderzentrierte, personalisierbare Lichtlösungen zu realisieren." Bevor ich zur Auflösung des Rätsels schreite, was HCL mit IoT zu tun hat, der Titel des Beitrags: "Die Wiederentdeckung des individuellen Lichtbedürfnisses". Schade, dass die Hersteller von Wohnzimmerleuchten solche Artikel nicht lesen. Wozu auch, die müssen das individuelle Lichtbedürfnis nicht entdecken oder gar wieder-entdecken. Sie leben davon. Die Jünger des HCL hingegen haben ein gutes Jahrhundert von absichtlich nicht-personalisierten Lösungen gelebt. Als ich von einer Individualisierung von Beleuchtung schrieb, fehlte in den Reaktionen nur die Androhung, dass die Prügelstrafe wieder eingeführt werden könnte. Ein sehr bedeutsamer Mensch schrieb gar noch bedeutsamere Worte wie "der Mitarbeiter auf dem Sofa" und meinte damit, die Ergonomen würden die Arbeitnehmer verhätscheln wollten.

Die Autoren meinen, dass der riesige Leerraum, den HCL auf der Messe hinterlassen hat, durch Connected Lighting ausgefüllt wäre, wodurch sich "die Beleuchtungsindustrie der Netzwerk- und Computertechnik weiter annähere …" Ich trau mich nicht zu erklären, was connected lighting mit individuellem Lichtbedürfnis zu tun hätte. Wenn man aber gleich zu Beginn eines Artikels mit Begriffen bombardiert wird, die HCL, IoT und Connected Lighting heißen, muss dahinter was Wichtiges kommen.

Kommt auch. Es werden Erkenntnisse aus einem Projekt namens Psylicht präsentiert, die auf einer Gerontopsychiatrischen Station eines Tiroler Krankenhauses ausgeführt wurde bzw. wird. Dort sind "moderne HCL-Beleuchtungslösungen großflächig" installiert worden. Wir lernen z.B. über Stürze, wie häufig ist der Patient nach einem Sturz ansprechenbar? Wie häufig muss er nach einem Sturz fixiert werden? Die Zahl der Stürze hat sich leider nicht verändert, aber die Schwere der Folgen. Auch wenn es mir schwer fällt, Prozentzahlen ohne absolute Größen zu glauben, irgendwas wird die HCL-Beleuchtung schon bewirkt haben. Ehrlich! Man lernt nur über die Zahl der Patienten. Wie viele gestürzt sind, weiß man nicht. Aber nach dem Sturz waren doppelt so viele ansprechbar wie vorher. Das ist doch was! Es müssen weniger Patienten fixiert werden! Das ist ein feineres Wort als Fesseln. Hilft das Ganze nicht, wird der Patient sediert. Also unter Medikamente gesetzt. Davon ist zum Glück keine Rede.

Noch aufschlussreicher fällt die Grafik über die mittlere Aktivität dementer Patienten, was das immer sein mag, in "Dynamikzimmern" und "Standardzimmern" aus. Man weiß zwar nicht, was die mittlere Aktivität ist. Man sieht auch kaum eine Differenz. Die wird aber so bedeutsam sein, dass mir ein Psychiater die Sache erklären kann. Ich frage mich nur, ob ich einen mir bekannten Psychiater frage oder undercover in eine Gerontopsychiatrische Station einschleiche. Aufgrund meines Alters muss ich mich da nicht allzu stark verstellen.

Wer nie bei akademischen Seminaren war, wird schwer verstehen, was die Schlussfolgerung bedeutet: "Beide Analysen werden derzeit über einem verlängerten Datenerfassungszeitraum neu gerechnet und geprüft." Pssst, bitte nicht weiter sagen, die Autoren trauen ihren Daten nicht.

Am Ende dann so etwas wie die Wahrheit: "Auch wenn im Rahmen des Projekts psylicht mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht-visuelle Lichteffekte nachgewiesen werden können (Anm.: sie sind also  noch nicht nachgewiesen worden, man kann auch nicht garantieren, dass sie je nachgewiesen werden), wird bei der Betrachtung der Aspekte raumtypologische Effekte, Nutzungskomplexität und tageszeitliche Abhängigkeit von Nutzereingriffen offensichtlich, dass derzeitige Lichtlösungen (Anm.: HCL, großflächig) im Bereich Human Centric Lighting aufgrund von technischen und konzeptuellen Schwierigkeiten nur eingeschränkt nutzerzentriert und bedürfnisorientriert arbeiten.".

Was sagt uns diese nach allen Regeln der Kunst formulierte Pleiteerklärung? Weder die Technik stimmt, noch das Konzept! Ergo? IoT - Internet of Things möge helfen. Die Autoren sind der Meinung, dass man künftig Lichtlösungen in das IoT einbetten möge (Ich hoffe, jemand erklärt mir, wie das geht.): "Die Einbettung zukünftiger Lichtlösungen in das Internet of Things bringt das Potenzial, die technologischen Schwächen der Automatisation zu umgehen, indem Nutzerdaten gesammelt und dadurch individuelle Nutzerprofile generiert werden können, welche erstmals eine Umsetzung am Individuum ausgerichteter Lichtsteuerungslogiken ermöglichen."

Ich werde schwach, endlich ein Licht am Horizont. Früher, lang, lang ist´s her, verkaufte meine Firma einen Dimmer Marke Intimat. Wenn der abendliche Besuch nicht allzu geneigt war, dem Ruf der Hormone zu folgen, legte man sanfte Musik auf, öffnete eine Flasche Wein (HCD = Human Centric Drink) und fummelte mit dem Fuß am Knopf des Intimat. Künftig werden Musik wie Wein im Internet der Dinge katalogisiert und abgerufen, ein persönliches Profil vom Besuch angefertigt und die an diesem Individuum ausgerichtete Logik meiner Beleuchtung übernimmt die Steuerung des Abends. Gnade Gott, wenn man das falsche Profil aufruft bzw. das richtige zur falschen Zeit. Wie wahrscheinlich wäre das Aufrufen der richtigen Logik, wenn die Forscher diese aus den Erfahrungen aus einer Gerontopsychiatrischen Station abgeleitet haben?

Psylicht erinnert mich verdammt an Psylux. Diese war von zwei Forschern (Jörg Sommer und Carl Loef) entwickelt worden, die nachweisen wollten, dass Menschen mit unbewaffnetem Auge Beleuchtungsstärken sehen. Die Größe nannten sie Psylux. Niemand kennt sie mehr, weil sie in ihrer Versuchsanordnung etwas Wichtiges übersehen hatten (klick). Wir sollten so ab 1972 Licht nicht so schnöde in Lux (Abk. lx) messen, sondern in psylux (plx). Neuerdings gibt es eine melanopische Lux (mlx). Die geriatrische Beleuchtungsstärke (glx) als neue Variante wird zur Messung von Sturzstärken u.ä. eingesetzt werden. Noch wird die Effizienz eines Leuchtmittels in Lumen gemessen. Das ist die Menge an Licht, die das Lämpchen aus ein Watt rausholt. Künftig könnte man z.B. die Vermeidung von Fixierungen von alten Demenzkranken als Maßstab nehmen. Auf jeden Fall hat das Organ der Lichttechnischen Gesellschaft Deutschlands einen enormen Beitrag zur Volksgesundheit veröffentlicht.

Wer wissen will, warum wir Lichttechniker nirgendwo landen können, dass unsere Vorstellungen gerne übernommen werden, sollte sich an diese Worte erinnern. Sie sind von einem bekannten Professor für Psychologie: "Ich habe gerade eine andere Studie zum Thema Lichtwirkung gesehen, da kann ich gar nicht so viel essen, wie ich kotzen könnte. Irgendwie schäme ich mich dann immer für meine Profession - aber ich kann wirklich nichts dafür."