Vor rund zwei Jahren (hier) hatte ich mich darüber amüsiert, dass Gebäude nach Vertikalbeleuchtungsstärke zertifiziert werden. Mein Beitrag über die neuen Bemühungen, Licht als gesund zu zertifizieren (hier und da), beschreibt aber, dass die circadiane Beleuchtung auf einer Vertikalbeleuchtungsstärke beruht. Die gibt es aber nur, wenn einer die Leuchten an die Wand hängt oder die Beleuchtung durch Fenster erfolgt.
Als hätte man das gelesen und nicht gemerkt, dass man die Sache dadurch trefflich persiflieren kann, indem man sie zur obersten Maxime für die Beleuchtung erhebt, rufen führende Chronobiologen dazu auf, in allen Innenräumen eine Mindestvertikalbeleuchtungstärke von M-EDI > 250 lx für den Tag (06:00 bis 19:00) einzuführen. Da der Mensch sich abends auf die Ruhe vorbereiten muss, wird der Pegel auf 10 lx M-EDI gesenkt.
Lassen wir den Abend und die Nacht auf sich beruhen. Die haben die Menschen schon vor unserer Zeit zum Tage gemacht und werden sich milde über den Aufruf hinweg setzen. (Was übrigens sie vor Schaden nicht bewahren wird.) Was bedeutet eigentlich Vertikalbeleuchtungsstärke und wie viel ist „250 lx M-EDI“?
In lichttechnischen Büchern und auch bei Laiendarstellungen findet man Bilder wie hier. Dieses stammt aus einem Buch von mir. Man plant seit Ewigkeiten Beleuchtungen so, dass eine darunter liegende Ebene beleuchtet wird. Das sagen die senkrechten Pfeile aus. Die waagrechten Pfeile hingegen entsprechen keiner physikalischen Realität. Waagrecht fliegende parallele Strahlen gibt es nur von der Sonne. Jedes Licht von oben fällt mehr oder weniger schräg ein und trifft unter einem Winkel von weniger als 90º auf die Wände. Alle Objekte, die nicht so flach sind wie die Wände oder die Tische werden nicht von einer Horizontal- oder Vertikalbeleuchtungsstärke beleuchtet, sondern von jedem Strahl einzeln. Nur wenn das Beleuchtete völlig matt und platt ist, macht die Rechnung mit der Beleuchtungsstärke Sinn. Völlig matte und platte Sehobjekte kommen in der Realität sehr selten vor. Selbst die Bücher, die die Beleuchtungsstärke erklären, glänzen mindestens etwas. Die teuren Hochglanzbroschüren erst recht.
Da unsere Arbeitsräume in der Höhe relativ tief sind im Verhältnis zu den darin arbeitenden Menschen – Arbeitsräume weisen Höhen ab 2,50 m auf und sind selten höher als 3 m, Menschen erreichen Größen bis 2 m und mehr – sehen menschliche Augen nicht etwa „Vertikal“-Beleuchtungsstärken, sondern mehr oder weniger schräg einfallendes Licht. Die drei Menschen in dem dargestellten Raum sehen in der abgebildeten Situation unterschiedliche „Beleuchtungsstärken“, aber keiner die „Vertikal-B.“, weil sich in Arbeitsräumen die relevanten Sehobjekte immer unter Augenhöhe befinden. Ein waagrechter Blick ist unphysiologisch wie auch ein waagrecht angehobener Arm. Alle ergonomischen Arbeitshaltungen sind mit einem gesenkten Blick verbunden. Beim Stehen beträgt der optimale Winkel 30º, beim Sitzen 35º. Und alle relevanten Sehobjekte (Bildschirme, Arbeitsgut, Aktenordner) werden so angeordnet, dass man nie erzwungenermaßen seinen Blick über die Horizontale heben muss.
Die drei Menschen in dem Foto werden von dem Licht unterschiedlich getroffen, je nachdem, wo sie sich gerade befinden. Den einen trifft es auf die Stirn, den zweiten auf den Hinterkopf. So sind beide Größen, die Horizontal- wie die Vertikal-Beleuchtungsstärke, fiktive Größen, die kaum geeignet sind, das Erleben einer Szenerie auch nur näherungsweise zu beschreiben.
Bei der Vertikal-Beleuchtungsstärke gibt es noch dazu einen Fakt mit fataler Wirkung für die Praxis: Es gibt unendlich viele vertikale Ebenen, aber nicht so viele Stellen, von denen aus man Licht losschicken kann, um sich waagrecht zu bewegen. Ergo: Wer eine Wirkung mit einer Vertikalbeleuchtungsstärke erzielen will, muss eine Vorzugsrichtung vorgeben, in der die Menschen blicken sollen. So etwas könnte klappen, wenn die Leute nichts zu tun haben. So wie vor einer Therapie-Lampe, man guckt eine Zeitlang hinein. Sieht allerdings während der Sitzung und eine Weile danach nichts. Man stelle sich ein Großraumbüro vor, im dem alle in eine Richtung gucken. Dazu noch gehobenen Hauptes, damit sie gesundes Licht empfangen. Am besten eignen sich wohl Amphitheater - da hat jeder die gleiche Chance gesundes Licht abzubekommen. Diese wurden in der Antike erfunden, um allen die gleiche Sicht auf die Bühne zu realisieren. Die antiken Baumeister haben sich da wohl geirrt. Oder nicht die epochale Chance begriffen, die ihre Bauweise eröffnet.
Die Vertikal-Beleuchtungsstärke der Beleuchtung eines Raumes ist daher ungeeignet, um die Arbeitnehmer gesundzustrahlen. Wer gar auf der Basis dieser Größe Gebäude zertifiziert, sollte sich nicht wundern, wenn andere ihn der Quacksalberei bezichtigen. Der Gedanke liegt ja nahe.
Etwas kniffliger dürfte sich die Frage nach der Intensität gestalten. Wenn man die Arbeitsräume von der Decke aus beleuchten will, kommt auf 1 lx Beleuchtungsstärke (horizontal) 0,3 lx vertikal. Allerdings, wie gesagt, sehr ungleichmäßig. Wenn die Beleuchtung mit Lampen von 3000K ("warmweiß") erfolgen soll, bedeutet 250 lx M-EDI überschlagsmäßig 500 lx visuell. Man muss also eine Beleuchtungsstärke von 1.500 lx einplanen. Da die Lampen altern, muss dazu ein Zuschlag von mindestens 25% kommen. Also plant man etwas über 2000 lx.
Wenn man so etwas wirklich realisiert, werden Gutachter für Ergonomie die besten Chancen für regelmäßige Aufträge von Betrieben bekommen. Bildschirmarbeit ade! Die Sorge ist allerdings ziemlich theoretischer Natur. Ein ähnliches Konzept mit einer hohen Beleuchtungsstärke mit waagrecht fliegenden Strahlen, dass einen Silhoutteneffekt vermeiden wollte, ging vor 50 Jahren derart arg in die Hose, dass selbst dessen Autor sich nie wieder dazu äußern wollte (hier).
So hoffnungslos ist die Lage allerdings nicht. Bei heutigen Beleuchtungen kommt man auf 150 lx vertikal ≈ 75 lx M-EDI. Und dafür reicht der Bildschirm. Damit es mir jeder glaubt, hier ein Screenshot aus der echten Publikation. Bei zwei Bildschirmen, die es an immer mehr Arbeitsplätzen gibt, kommt man schon in die Größenordnung, die man einhalten soll. Und man guckt während der Arbeit garantiert in den Bildschirm. Unglaublich aber wahr: Wer hätte gedacht, dass der Bildschirm eines schönen Tages als gesundheitsförderlich eingestuft würde? Und den armen Seelen, die ohne Bildschirm arbeiten müssen, verschreibt der Arzt einen. Die Spielesoftware gibt es dazu, damit man sich vor der Kiste nicht langweilen muss.
Kann es sein, dass etwas nicht Vorhandenes zertifiziert wird? Es kann, z.B. eine nicht vorhandene Sicherheit. Dann bricht ein Damm. Oder Tausende Frauen müssen um ihre Brustimplantate fürchten. In der Physik kennt man so etwas aber nicht. Mein Beitrag über die neuen Bemühungen, Licht zu zertifizieren (hier und da), beschreibt aber, dass die ganze circadiane Beleuchtung auf einer Vertikalbeleuchtungsstärke beruht. Die gibt es aber nur, wenn einer die Leuchten an die Wand hängt oder die Beleuchtung durch Fenster erfolgt.
Wie kommt es aber, dass sogar eine ASR (ASR A3.4 Beleuchtung) eine Größe behandelt, die es gar nicht gibt? Oder eine nagelneue Beleuchtungsnorm auch diese regelt? Es handelt sich um eine Daumengröße, aus der der Fachmann, z.B. der Beleuchter bei Filmaufnahmen seine Schlüsse ziehen kann. Alle anderen reden davon, verstehen aber wenig. Wenn man in lichttechnische Bücher oder Broschüren guckt, sieht man ein ähnliches Bild wie hier. Das erklärt, was die Horizontal- und die Beleuchtungsstärke sind. Die erstere, das Ziel fast aller Industriebeleuchtungen, ist recht real, weil das Licht von der Decke kommt. Sie ist auch bedeutsam, allerdings nur dann wenn alle beleuchteten Objekte flach und matt sind. So wie die Akte des Preußischen Beamten am Ende des Dreikampfs, Bumsen, Lochen, Abheften. Schlägt man die auf, sieht man die eingelegten Blätter umso heller, desto größer die Beleuchtungsstärke darauf ist.
Die deutschen Lichttechniker sind aber schon vor langer Zeit dahinter gekommen, dass man einen Raum so nicht beleuchten kann, weil zwar die flachen Sehobjekte beleuchtet werden, aber räumliche Objekte schlecht "modelliert" sind. Ob die das selbst waren oder ein Brite, Christopher "Kid" Cuttle, kräftig nachgeholfen hat, kann ich nicht behaupten. Nachdem sich dieser nach Neuseeland verzogen hatte, machte mein Kollege Fred Haeger seinen Doktor mit Lichtfeldgrößen. Irgendwann mal war denn die Größe auch in Normen erschienen. Die sogenannte Vertikalbeleuchtungsstärke wurde in 1,2 m Höhe gemessen und mit der horizontalen an der gleichen Stelle verglichen. Schattigkeit nennt sich die wenig anschauliche Größe seitdem. Sie ist - angeblich - ein Maß für die Modellierung von Gesichtern. Deswegen die Messung bei 1,2 m. Der statistisch kleine Mensch hat dort die Augen. Allerdings nur, wenn er sitzt. Wenn er in einem üblichen deutschen Büro stehend arbeiten will, ist mit der Modellierung Essich!
Das Problem ist, dass Licht dummerweise geradeaus fliegt. Wenn einem weise Männer und Frauen erzählen, man bräuchte ein ausgewogenes Verhältnis von direktem und gestreutem Licht, muss man denen zeigen, wie Filmer das bewerkstelligen. Die laufen - selbst bei bewölktem Himmel - mit riesigen Diffusoren herum. Bei allen anderen Fällen handelt es sich um eine Umrechnung schräg von oben einfallenden Lichts in eine vertikale Messebene. Mit Sehen und Modellieren hat das wenig gemein. Das merkt man sofort, wenn man Licht in real existierenden Arbeitsräumen misst. Die sog. Schattigkeit variiert von einem Messpunkt zum nächsten derart krass, dass jegliche Mittelwertbildung ohne Sinn bleiben muss.
Solange man nicht von Gesundheit spricht, kann man mit einer nicht real existierenden Größe leben, auch wenn jeder zweite in einem Raum mehr dunkle Augenringe hat, als seinem Konsum an Hochprozentigem entspricht. Wenn aber Gebäude danach zertifiziert werden, hört der Spaß auf.
Zwei hoffnungsvoll gestartete Lichtevents gehen endgültig nach Weimar. Und bleiben dort? Warum nicht? Weimar ist nicht irgendeine deutsche Stadt. Nicht nur zwei Männer, deren Name in keiner deutschen Stadt fehlen darf, Schiller und Goethe, haben hier gewirkt. Im Straßenatlas findet man deren Namen fast so häufig wie die "Dorfstraße" oder "Bahnhofstraße". Während Schillers Ode an die Freiheit "An die Freude" eine steile Karriere mit Hilfe eines anderen großen Deutschen, Ludwig van Beethoven, hinlegte, die mit dem Aufstieg zur Europahymne noch nicht am Ende der Fahnenstange angekommen ist, hat Goethe ein Vermächtnis an alle Menschen hinterlassen - verkaufe Deine Seele nicht an den Teufel.
Doch Weimar hat mehr zu bieten - sagen wir mal hätte - als die beiden großen Namen. Viel internationaler fiel ein Weimarer Export aus, das Bauhaus. Da dieses - Das Staatliche Bauhaus in Weimar - manchem dort nicht gefiel, zog es nach Dessau. Wer dort lehrte, gilt heute noch als Who-is-Who der Modernen, so etwa Gropius, Lyonel Feininger, Gerhard Marks, Wassili Kandinsky, Paul Klee … Später zog das Bauhaus nach Berlin. Da es manchen nicht Deutsch genug war, zog es von dort in die weite Welt. An ihm arbeiteten sich gleich zwei deutsche Staaten ab, das Tausendjährige Reich und die DDR. Allerdings erfolglos. Das Bauhaus bestand zeitlich parallel mit und in der Weimarer Republik von 1919 bis 1933 und gilt heute weltweit als Heimstätte der Avantgarde der Klassischen Moderne auf allen Gebieten der freien und angewandten Kunst und Architektur.
Lile und BioWi, die die Weimarer Lichttage ergeben sollen, sind naturgemäß mit dem Beitrag von Bauhaus zur Kunst und Architektur nicht vergleichbar. Eher eine Folge der Weimarer Thesen (hier). LiLe steht für Licht- und Lebensqualität. Sie erblickte das Licht der Welt in Lüneburg im Jahre 2007 und sollte die Gestaltung von Licht für eine bessere Lebensqualität thematisieren. Da die Veranstalter sich aber eher zur Förderung der LED-Technik zuwandten, wurde die Lebensqualität allzu sehr in LED-Qualität gesehen. LiLe fand zweijährlich statt und verließ Lüneburg, um 2013 nach Weimar zu ziehen. Alle Abstracts der Tagungen kann man hier erhalten. Die ganz Faulen können sie auch von mir bekommen.
BioWi steht für Biologische Lichtwirkungen und wird seit 2013 veranstaltet. Sie ist praktischen Anwendungen des Wissens über biologische Wirkungen gewidmet. BioWi gehört zum Programm von WBA Bauhaus Weiterbildungsakademie Weimar e.V.
Die "Weimarer Lichttage" bringt die beiden zusammen und wartet mit recht steilen Thesen auf. Die führe ich in genauem Wortlaut in in der gleichen Reihenfolge auf, damit jeder auch seine Meinung dazu bilden kann. Am 26. und 27. September kann man die Veranstaltung live erleben.
Die aktuelle Meinungsbildung zum Licht spiegelt nicht den Stand der Wissenschaft wider.
Eigentlich hat die Meinungsbildung zum Licht nie den Stand der Wissenschaft widergespiegelt. Dazu gibt es zu viele Wissenschaften, die sich mit Licht beschäftigen. Der lauteste gewinnt. Das ist die Lichttechnik. Sie hat Licht 1924 definiert (!) und behauptet seitdem, die Physik liege falsch mit ihrer Vorstellung vom Licht. Geht`s eine Nummer kleiner? Übrigens, die Bibel kam ohne eine Definition aus.
Tageslicht ist das bessere Licht.
Wofür? Zwar versucht die Lichttechnik seit 100 Jahren den mittleren Sommertag im Haus zu erzeugen und die Nacht zum Tage zu machen. Damit hat sie aber nur wenig Glück gehabt. Für Arbeitsstätten muss das Tageslicht bevorzugt werden, so sie zur Verfügung steht. Aber Tageslicht im Innenraum ist weit von dem Licht der Sonne entfernt.
Integrierte Planung geht nur mit Lichtplanung.
Integrierte Planung der gebauten Umwelt war einst tatsächlich nur mit Lichtplanung möglich. Die Menschen haben aber dann vergessen, dass Licht den Raum macht. So stellten sie die Beleuchtung ans Ende der Bauplanung und überließen sie die Planung des Lichts eher dem Zufall. Nur etwa 5% großer Bauvorhaben erlebt einen Lichtplaner. Der Rest hängt von den Künsten eines Elektroplaners ab.
Lichtplanung der Zukunft ist Grundlage für andere Planungen.
Hoffentlich. In der gesamten Architekturgeschichte war dies weitgehend der Fall, weil die Möglichkeit fehlte, genügend Licht für alle Lebenslagen zu erzeugen. Zudem war künstliches Licht immer mit Wärme, Rauch und Gestank verbunden. Dadurch wurde die Bauplanung von Belichtung und Belüftung dominiert. Zwar können wir heute Licht praktisch ohne die unangenehmen Nebenwirkungen erstellen. Den menschlichen Bedürfnissen, die mit Licht verbunden sind, kann man aber nur ungenügend Rechnung tragen.
DIN-Normen sind kein Maß für Planungen.
Eigentlich wollen sie das sein. U.A. weil der Arbeitsschutz mit einer großen Keule droht, wenn man von den Beleuchtungsnormen (einst DIN 5035, seit 2003 DIN EN 12464-1) abweicht. Seit 1988 (DIN 5035-7) habe ich in der Praxis allerdings keine Beleuchtung gefunden, die die Normen erfüllt hätte. Der Planer muss so tun, als hätte er die Normen verstanden, und er verlässt sich darauf, dass kein Auftraggeber klagt. Sollte einer klagen, findet er kaum einen Gutachter, der so nachmessen kann, dass sein Gutachten Recht bekommt.
Berufsbilder Lichtplaner und Lichtdesigner beinhalten Expertenwissen.
Was denn sonst? Es fragt sich nur, welches Expertenwissen. Und welche Berufsbilder gemeint sind? Die sind doch erst im Entstehen. Und der Lichtplaner müsste den Auftrag bekommen, kreativ zu gestalten. Nicht so leicht, wenn Normen Beleuchtungsstärken bis an Decken und Wänden vorschreiben, die zudem nur scheinbar begründet sind. Man stelle sich vor, einem Architekten würde vorgeschrieben, nur das Messbare in vorgeschriebener Form nachprüfbar bauen.
Die Planung von Licht ist unabhängig von Energieeffizienz.
Das will man gerne suggerieren. Tatsächlich sollte man bei jeder Planung zunächst die Anforderungen berücksichtigen - z.B. geringstmögliche Fehler bei der Arbeitsausführung - und dann erst diesen mit effizienter Technik entsprechen. Bei der Lichtplanung sind die Anforderungen allerdings sehr schlecht oder gar nicht begründet (z.B. hier oder da). Die Zielgröße bei Planungen ist fast immer die Beleuchtungsstärke und die ist nachweislich für die Lichtqualität fast ohne Bedeutung (z.B. hier oder da oder dort). Kein Mensch kann Beleuchtungsstärke sehen, aber die Elemente, die sie erzeugen. Kein Mensch glaubt, dass sie etwas mit der Anmutung von Räumen zu tun hätte.
HCL ist integrative Lichtplanung.
HCL = human centric lighting ist nur dann integrative Lichtplanung, wenn man darunter versteht, dass neben Sehwirkungen auch gesundheitliche Wirkungen in die Planung der künstlichen Beleuchtung einbezogen werden. Allerdings sagt ein kommender ISO-Bericht dazu aus: Wichtig - Die Vorteile der integrativen Beleuchtung können nur realisiert werden, wenn die von qualifizierten Spezialisten geplant und angewendet wird. Gleichermaßen wichtig ist der korrekte Betrieb des Beleuchtungssystems durch die Beauftragten oder Benutzern. (ISO/TR 21783)
Lichttechnik ist überlebt.
Kann sein. Auf jeden Fall ist viel lichttechnisches Wissen durch den Übergang zur LED-Technologie obsolet geworden. Vieles ist aber einfach vergessen worden, weil die neuen Macher es gar nicht kennen. Bezeichnend für die Schnarchphase, in der sich viele Institutionen befinden, ist die Neudefinition des Farbwiedergabeindex. Der alte war, wenn man den Gerüchten glauben will, dadurch entstanden, dass man die Testfarben so lange hin und her geschoben hatte, bis die Dreibandenlampe akzeptabel schien. Die neue will noch anerkannt werden.
Lichtforschung muss neu gedacht werden.
Gibt es die - die Lichtforschung? Ich denke, viele Disziplinen forschen auf Teilgebieten, für die sich die Lichttechnik zuständig wähnt. Derzeit dominieren die Chronobiologen. Das sind meistens Mediziner, aber keine Lichttechniker und auch keine Allgemeinmediziner. Dennoch fühlten sich die Lichttechniker dazu berufen, den Stand der Wissenschaft auf diesem Gebiet zu definieren - das ist ISO/TR 21783. Sie wehren sich mit Händen und Füßen dagegen, dass sich andere damit beschäftigen. Ein Novum, dass Angehörige eines Fachgebiets den Stand der Wissenschaft auf einem anderen Fachgebiet definieren. Was Beleuchtung oder Leuchtmittelentwicklung angeht, ist die sog. Lichtforschung sehr schwach auf der Brust. Die Musik spielt sich anderswo ab.
Die LiTG ist ein Verein ohne große Aktivitäten.
Die LiTG war über Jahrzehnte paralysiert, weil das Zusammenwirken von universitärer Forschung und der Praxis nicht mehr funktionierte wie einst. Schuld daran war eine Seite, ich hasse es zu sagen, welche diese war. "Wissenschaftliches" versuchte der TWA (Technisch-Wissenschaftlicher Ausschuss) mit eigenen Schriften zu bewerkstelligen. Doch die Firmenvertreter paralysierten sich gegenseitig. Dieser Zustand entspricht aber seit mindestens 10 Jahren nicht mehr der Realität.
Die Lichtindustrie ist »zwischen Blech und LED-Bausatz« gefangen.
Deutlicher kann man den Zustand kaum darstellen. "Blech", das waren die Leuchten, in die man Lampen einbaute, damit sie leuchteten. Mancher LED-Bausatz verweigert jede Zusammenarbeit und leuchtet so vor sich hin. Sprich: Es braucht keine Leuchte. So wurde sogar ein langjähriger Pfeiler des lichttechnischen Wissens - die Unterscheidung zwischen Leuchte und Lampe - in Rente geschickt. Das Formen von Licht geschieht nur noch selten in der Leuchtenentwicklung. LED ist halt eine neue Technologie und nicht ein einfacher Wechsel von einer Lampentechnik zur anderen.
Das Licht der Zukunft ist gesteuert.
Das ist ein Wunsch von Technokraten. Weil sich LED gut steuern lassen, muss man sie nicht immer steuern. Eine Steuerung muss einen Sinn für die Benutzer und Betreiber ergeben. Ansonsten ist der Unterschied gegenüber der Petroleumlampe herzlich gering. Die elektrischen Lichter hatten zunächst Drehschalter, die von der Petroleumlampe übernommen worden waren. Viel später wurden An/Aus-Schalter üblich bzw. Taster, die dasselbe tun. Mehr hat sich da nicht getan. Zumal niemand einsehen will, dass eine "intelligente" Lampe mehr Strom beim Warten verbraucht als beim Leuchten.
Wann werden Licht-Normen entbehrlich?
Vermutlich nie. Oder, es ist längst soweit. Die letzte Version von EN 12464-1 verstehen die eigenen Autoren nicht. Schlimmer noch kann es werden, wenn Lichtplaner versuchen, sie zu verstehen. Die Norm versucht, jegliche kreative Lücke zu stopfen, in der ein Lichtplaner tätig werden kann. Ich denke, diese ist die letzte Ausgabe einer Beleuchtungsnorm auf der Basis von Beleuchtungsstärken.
Nichtvisuelle Effekte in der Nacht sind geklärt – der Kuchen ist gegessen.
Ich denke, wir fangen an zu verstehen, was diese Effekte sind. Bislang hat man erst Einigkeit darüber, die Effekte mit einem Bindestrich zu schreiben: nicht-visuelle Effekte. Und dass ein enormes Entwicklungspotential grandios vergeigt worden ist. Mehr hier.
Am Tag brauchen gesunde Menschen Belichtungszeiten von 2-3 Stunden.
Oder eher 2 1/2? Bereits die Herrscher im Altertum wussten, dass der Lichtentzug den Menschen krank macht. Deswegen ließen sie manche Menschen in dunklen Verliesen verrotten. In der modernen Zeit versuchte die amerikanische Justiz Schwerverbrecher durch Lichtentzug zu zähmen. Das Schicksal von Al Capone in der lichtlosen Zelle von Alcatraz berührte aber viele, so dass Alcatraz geschlossen wurde. Andererseits war zu viel Licht eine besonders perfide Hinrichtungsmethode. Wie lange ein Mensch belichtet werden muss, damit er gesund aufwächst und bleibt, entzieht sich meiner Kenntnis.
Lichtplanungen sollten von 1.000 bis 1.500 lx horizontal und von 600 bis 800 lx vertikal am Auge ausgehen.
Schon diese Angaben zeigen, wie fragwürdig das Konzept ist. 1.000 lx oder 1.500 lx am Auge horizontal? Da die menschlichen Augen meistens etwa senkrecht stehen, haben sie nichts von dem Licht, was an denen vorbei fliegt. Bei den Werten für "vertikal" muss sich der Lichtplaner überlegen, welche vertikale Ebene er denn beleuchten will. Es gibt unendlich viele. Welche er davon auch nimmt, es wird immer Menschen geben, die genau in der anderen Richtung sitzen. Das Konzept ist - sagen wir mal nett - ausbaufähig.
Tageslicht reicht mit viel Aufenthalt im Außenbereich aus.
Hier ist wohl die circadiane Wirkung gemeint. Ich denke, bereits relativ wenige Aufenthalte im Freien zur richtigen Zeit reichen aus. Die Wirkungen von Tageslicht auf circadiane Wirkungen zu verkürzen, könnte allerdings eine der dümmsten Ideen sein, denen man folgen kann.
Dynamisches Kunstlicht bringt keine messbaren Vorteile.
Sagt wer? Ich kenne viele, die das Gegenteil behaupten. Es ist wahr, dass man die Wirkungen nicht mit dem Zollstock messen kann. Dass keine Vorteile vorhanden sind, würde ich erst dann glauben, wenn man den theoretischen Hintergrund widerlegen kann.
Licht ist Lebensmittel.
Und mehr. Es ist jedenfalls wichtiger als Wasser oder Luft, ohne die man bekanntlich nicht leben kann. Diese sind für Lebensprozesse unentbehrlich, sie steuern aber nicht die Lebensprozesse. Licht tut es.
Wer eigene Antworten auf die Thesen hat, kann das staunende Männchen durch diese ersetzen. Eigentlich sollte jeder eine Antwort haben, es geht ja um unser Leben. Leider ist Licht so billig und der nächste Schalter so nahe, dass wir vergessen haben, welche Rolle Licht für das Leben spielt.
Bescheidenheit ist eine Zier, kann aber auch Ausdruck menschlicher Größe sein. Leider trifft das meistens nicht zu. Vor drei Jahrzehnten dachte ich, mich laust der Affe, als ein mir sehr gut bekannter Professor in einem Interview wörtlich sagte: "Im Übrigen kann für viele Aktivitäten im Innenraum das Tageslicht nach Quantität und Qualität durch künstliches Licht besser nachgebildet werden." Der Journalist konnte seinen Ohren nicht glauben und fragte nach: "Besser?" Antwort: "Besser nachgebildet".
Denselben Herrn hatte ich schon vor fünf Jahrzehnten eine ähnliche bedeutsame Aussage treffen hören: “Bei seitlicher Befensterung können gehobene Ansprüche an die Beleuchtung, wie sie in der künstlichen Beleuchtung gestellt werden, nicht befriedigt werden.” Das war im Jahre 1971, und die Veranstaltung hieß “Auge-Licht-Arbeit”. Also? Man pfiff auf die seitliche Befensterung und normte eine Beleuchtung, die nicht nur ohne Tageslicht auskommen würde, sondern tatsächlich "besser" sein wollte - in Quantität und Qualität.
Wir lassen die Quantität lieber beiseite. Wenn einer im Innenraum 100.000 lux erzeugen würde, wie die Sonne an einem schönen Juni Nachmittag, würden selbst die hartnäckigsten Ungeziefer schon die erste Minute nicht überleben. In der Natur geht es viel besser, aber auch nicht gut. Wenn draußen diese Beleuchtungsstärke herrscht, machen weise Menschen Siesta und erzählen "In die Mittagssonne gehen nur Esel und Touristen". Bleiben wir also bei Qualität. Was ist die Lichtqualität? Eine Antwort auf die Frage wurde nach langem Grübeln - etwa 100 Jahre - zum 1.Januar 2021 veröffentlicht: "degree of excellence to which the totality of lighting characteristics fulfils user needs and expectations or other applicable requirements" Übersetzt heißt das: "Grad der Vorzüglichkeit zu welchem die Gesamtheit der Beleuchtungseigenschaften die Bedürfnisse und Erwartungen der Benutzer erfüllt oder andere anwendbare Anforderungen".
Bevor einer Hurra schreit und damit die "Heureka"-Rufe der Lichttechnik zu übertönen sucht, etwas Ernüchterndes. Diese Definition gibt es als Definition der Qualität seit über 40 Jahren - und zwar ohne Wenn und Aber. Aber andere anwendbare Anforderungen kennt die Qualitätswissenschaft nicht. Schlicht gesagt, Qualität ist Eignung für den vorgesehenen Zweck. Man kann z.B. Hämmer für die Reparatur von Schweizer Taschenuhren erstellen oder zum Kloppen von Felsen. Ein vorgegebener Qualitäts-Hammer für den einen Zweck ist völlig ungeeignet für den anderen Zweck. D.h., Qualität ist keine einem Produkt innewohnende Eigenschaft, sondern nur die Erfüllung von Anforderungen. Die lichttechnische Definition besagt, dass die Anforderungen von Bedürfnissen von Benutzern und deren Erwartungen herrühren. Und damit sind wir wieder am Anfang. Welche Bedürfnisse hätten Sie denn?
Eine Antwort auf diese Frage wurde vor fast genau 100 Jahren gesucht und gefunden: Menschen brauchen zum gesunden Leben Licht. Sie leben und arbeiten aber in Innenräumen, und draußen nimmt der Dunst und Smog der Städte ihnen die wichtigsten Strahlen des Sonnenlichts weg. Ergo? Mit Lampen kann man ein Licht erzeugen, dass natürlicher ist als das Licht der Natur. So können Lampen Licht wie "klarstes Wetter", "Mittag", "Hochsommer", "mittlerer Breitengrad" oder "Meereshöhe" für den gesamten Planeten erzeugen. So dachte man anno 1921. (Anm.: Das Bild zur Rechten zeigt nicht etwa ein Schlafcamp für Erdbebengeschädigte, sondern einen Schulraum mit Licht und Luft.)
Gar nicht schlecht die Idee! Das erinnert mich an das Norm-Tageslicht. So stellt die Normlichtart D65 das Tageslicht etwa zur Mittagszeit in Wien dar. Normlichtart D50 hingegen heißt "Horizontlicht" und will den Sonnenuntergang simulieren. Was D75 will habe ich nicht herausfinden können. Ich schätze mal, das ist die Sonne, die einem auf den Schädel knallt. MIttlerweile gibt es darüber hinaus so viele Normlichtarten, dass man nicht mehr weiß wohin damit: Normlichtart A, B, C, D50, D55, D65, D75, D93, E, F1 bis F12, LED-B1, LED-B2, LED-B3, LED-B4, LED-B5, LED-BH1, LED-RGB1, LED-V1, LED-V2.
Wie man sieht, wurden alte Träume wahr. Aber nicht nur die … Denn vor 100 Jahren ging es um die "Licht und Gesundheit". Man wollte die Sonne Sonne sein lassen und aus ihren Strahlen die gesunden herausfiltern und halt nur diese replizieren. Also Licht für Gesundheit. Da Menschen auch noch Licht für andere, teils extravagante, Zwecke erzeugten, zum Beispiel zum Sehen, kam man auf die Idee, Licht für beides zu machen. So wurde z.B. die S1-Lampe erfunden, deren Glühfaden das Licht für das Sehen erzeugte, während ein Quecksilberkolben das Licht für die Gesundheit produzierte. Dass das gesunde "Licht" aus dem Quecksilberkolben im wesentlichen aus UV bestand, war nicht etwa das Problem, sondern die ersehnte Lösung.
Alles Geschichte. Heute gibt es integratives Licht, das sowohl das Sehen unterstützen will als auch die Gesundheit. Da es sich als äußerst unpraktisch erwiesen hat, Doppellampen zu produzieren und zu installieren, machen wir es nun mit der Umlenkung des Lichts. Hat man 40 Jahre lang tief strahlende Leuchten gepredigt, damit sich das Licht nicht in den Bildschirmen spiegelt, ist der neue Knaller eine hohe Lichtabstrahlung in horizontaler Richtung. Nennt sich Vertikalbeleuchtungsstärke. Da sich die Lichtqualität zum Sehen nicht ändern soll, muss man einen Weg finden, dass Licht zur Richtungsumkehr zu überreden. Dann fällt es umso stärker auf die Bildschirme. Aber auch das ist kein Problem. Es geht das Gerücht rum, dass Blendung etwas Schönes ist. Wir müssen nur die Bücher korrigieren, die Blendung für ein Problem halten. Ich bin mir sicher, dass wir auch das schaffen. Das zweite Jahrhundert fürs gesunde Licht hat ja gerade begonnen.
Übrigens, die Sache mit der Nachbildung des natürlichen Lichts im Innern der Gebäude war nicht sehr erfolgreich. Jemand ist dahinter gekommen, dass UV nicht nur lebenswichtig ist, sondern auch ganz schön lebensgefährlich. Deswegen gibt es die Lampen mit dualer Funktion nicht mehr. Aber Schutzvorschriften gegen die UV-Strahlung (z.B. diese), weil manche Lampen auch ohne zugeordnete Funktion strahlen.
Als ich vor Tagen die Rolle von Licht bei der Überwinterung der Topfpflanzen kommentierte (hier), waren mir einige Ungereimtheiten in der verfügbaren Weisheit aufgefallen. So z.B. die Wahl des Spektrums. Wenn man nach der Kurve für die Photosynthese optimiert beleuchtet, entsteht eine Umgebung, in der man nicht unbedingt seine Zeitung lesen möchte. Der schöne Wintergarten in lila Licht gehüllt? Bei meinen Aquarien hatte ich das seltsame Licht den Pflanzen zuliebe halt akzeptiert. Aber den ganzen Tag in einem solchen Licht leben möchte ich nicht, damit sich meine Zimmerpalme in ihrer biologischen Heimat fühlt - sie stammt wie alle eleganten Zimmerpalmen Marke Kentia alias Howea Forsteriana allesamt von einer einzigen Insel, Lord Howe Island. Die Entfremdung zwischen meiner Palme und mir wird noch größer werden, wenn ich mir eine melanopische wirksame Beleuchtung zulege, denn deren Spektrum berücksichtigt nur den Menschen.
Die Fragestellung ist übrigens wenig geeignet, um damit Spaß zu betreiben, denn die Zukunft der Menschheit könnte davon abhängen, wie man Vertikalfarming betreibt, um noch mehr Milliarden an Menschen zu ernähren. Diese Technik ist nicht nur eine konsequente Fortsetzung der Zucht von Pflanzen unter Glas - aka Gewächshaus. Sie verlangt einen intelligenten Umgang mit den Ressourcen. Man kann die Pflanze zu Licht bringen, z.B. in die Sahara, hätte aber ein Problem mit dem Wasser. Außerdem sitzen die Konsumenten nicht gerade in der Sahara. Die fertige Ware muss zu denen geführt werden. Viele Völker haben tiefe Tunnel unter den Wüsten gegraben, um das Wasser dorthin zu bringen, wo es gebraucht wurde. Die längsten haben wohl die Uiguren in Xinjiang gebaut (hier), die ältesten die Menschen des Königreichs Urartu, eines historischen Staat um den Van-See in Anatolien. Beides ist turko-persischen Urspungs. Auch in der Sahara gibt es das System und heißt foggara. Foggara, Rhettara, Khettara, Mkoula, Karez, Qanat, Faladsch - egal wie man sie nennt, in bis 100 m Tiefe einen bis zu 60 km langen Tunnel mit Hammer und Meißel bohren, ist nicht ganz zeitgemäß.
So scheint es sich einfacher zu gestalten, die Pflanze dort zu züchten, wo die Konsumenten sitzen und reichlich Wasser fließt. Tatsächlich gibt es eine Firma, die Pflanzen im Supermarkt zieht. Ein Startup namens infarm warb schon 2016 damit, Kräuter direkt im Supermarkt zu ziehen: "„Von hier für hier“ steht draußen am Supermarkt geschrieben. Ein Berliner Groß-Supermarkt baut selbst Gemüse an und gibt damit dem Begriff „regionales Essen“ eine neue Dimension." stand da zu lesen. Bei der Berliner Filiale von Metro wachsen 365 Tage im Jahr Basilikum, Kopfsalat und andere Grünpflanzen im Verkaufsregal. Wer mehr über infarm wissen will, bitte hier klicken.
Dumm nur, dass das Ganze von der Energie abhängt. Zwar macht es bei einer einzigen Zimmerlinde nicht viel aus, welche Lampe man darüber hängt. Wenn man große Teile der Menschheit damit ernähren will, sieht die Sache anders aus. Man muss den Energieaufwand mit allen Mitteln reduzieren, die einem einfallen können. Gemeinsam für alle Pflanzen ist die Ermittlung der "photosynthetisch aktiven Strahlung" (engl.: photosynthetically active radiation, kurz PAR oder PhAR). Das ist jene elektromagnetische Strahlung im Bereich des Lichtspektrums, den phototrophe Organismen hauptsächlich bei der Photosynthese nutzen. Dummerweise reagiert jede Pflanze etwas anders dabei. Ein Artikel in Licht 7/2021 beschreibt, wie man dazu wissenschaftlich vorgehen kann: "Lichtsimulation mit digitalen Pflanzenzwillingen - Theorie und Studien zu Möglichkeiten einer optimierten Pflanzenbelichtung". Den Artikel kann ich leider nicht in Kurzfassung zitieren. Man muss ihn selber lesen.
Mehr gibt es hier zu lesen. Die umfangreichste Arbeit stammt von Keith J. McCree (hier, in Englisch). Seine PAR-Kurve wird als Grundform für die Wirkspektren hearngezogen, sog. McCree-Kurve. Auf der senkrechten Achse wird die relativen Quantenausbeute dargestellt. Für jede Pflanzenart gibt es eine eigene McCree-Kurve, leider. Rechts sind zwei PAR-Kurven abgebildet, die von anderen Forschern stammen (Hoover, 1937 und Inada, 1976).
Problem dieser Kurven ist, dass McCree die Absorption eines einzelnen Blattes gemessen hatte. Eine Pflanze lebt zwar von der Photosynthese in seinen Blättern, sie ist aber mehr als eine Ansammlung von Blättern. Die restlichen Teile haben andere Aufgaben und reagieren anders. Zudem hat McCree nur mit monochromatischem Licht gemessen. Die Wirkung einer Wellenlänge aus einem breiten Spektrum fällt sicherlich anders aus als wenn die anderen Wellenlängen nicht vorhanden wären.
Die Verfügbarkeit von LED-Leuchtmitteln führt zu einer neuen Situation insofern, dass herkömmliche Leuchtmittel mit ihrem Spektrum nicht beliebig beeinflusst werden konnten. Man kann jetzt besser experimentieren und tut es häufig mit "digitalen" Pflanzen. In dem besagten Artikel wird auch ein Versuch mit der Belichtung von Tomaten angeführt. Als ich das las, fiel mir ein, dass wir kaum noch Tomaten einkaufen, weil es kaum mehr Tomaten gibt, die wie eine Tomate schmecken. Daraufhin habe ich den Artikel nach Hinweisen durchsucht, die auf Experimente mit dem Geschmack hinweisen. Leider keine gefunden. Es geht immer um die Biomasse, die man durch Belichtung gewinnt oder auch nicht. Daher der Tipp an die Forscher: Mal den Zusammenhang von Geschmack und Belichtung untersuchen. Bis dahin esse ich weiterhin nur im Sommer Tomaten, wenn sie auf dem Balkon in der Sonne reifen.