Posts Tagged: Sicherheit

Licht und Krebs – Ein Projekt verschwindet, das Problem bleibt

16.07.2025
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Die Behauptung, dass das künstliche Licht Krebs verursache, ist etwa so alt wie die Chronobiologie selbst. Der Augenmediziner Prof.  Hollwich, der bereits in den 1940ern gezeigt hatte, dass Licht wesentliche Funktionen der menschlichen Physiologie steuert, stellte diese Behauptung in den 1960ern auf. Er behauptete, das Licht der Leuchtstofflampe hätte ein anderes Spektrum und würde deswegen karzinogen, vulgo krebserregend, wirken. Ihn hatte ich bereits 2014 kommentiert (hier).

Die Lichttechnik reagierte mit diversen Gutachten dagegen, deren Tenor es war, dass das menschliche Auge nur drei Empfänger hätte und deswegen zwischen unterschiedlichen Spektren gar nicht unterscheiden könne. Zudem konnte sich kaum jemand vorstellen, wie sich die Beleuchtung auf menschliche Zellen einwirken könnte. Hollwichs These von einem getrennten Kanal im Auge zum Gehirn – die energetische Bahn – wurde ins Reich der Phantasie verwiesen.
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Das hat sich im Jahr 2001 geändert, als man einen vierten Lichtempfänger im Auge entdeckt hatte. Eigentlich wusste man seit 1984, dass man mit künstlichem Licht die circadiane Rhythmik des Körpers verstellen konnte. Ab 2001 war ein glaubhafter Wirkungspfad gezeichnet: Licht unterdrückt die Entstehung des Melatonins → ein niedrigerer Pegel an Melatonin bedeutet weniger Schutz gegen Krebserreger → Wahrscheinlichkeit der Krebsentstehung steigt. Diese Vorstellung führte unter anderem dazu, dass die Weltgesundheitsorganisation WHO die Nachtschichtarbeit als „wahrscheinlich karzinogen“ einstufte. Sie benannte als wesentlich ursächlichen Teilaspekt die Unterdrückung von Melatonin durch Licht.

Somit war die Behauptung, dass das Leuchtstofflampenlicht Krebs erzeuge, nicht richtig, aber auch nicht falsch. Licht in der Nacht war das Problem. Aber nicht jedes Licht, sondern das Licht, das Melatonin unterdrückt. Falsch war die Behauptung der medizinischen Gutachter, das Auge könne nicht zwischen unterschiedlichen Spektren unterscheiden. Heute gibt es sogar eine international genormte Berechnungsweise der fraglichen Wirkung, die mittlerweile melanopisch heißt, die im Wesentlichen auf dem Spektrum beruht. Diese habe ich mehrfach kommentiert (z.B. hier und dort).
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Ein internationales Gremium aus Chronobiologen hat dementsprechend postuliert, dass in den Abendstunden nur wenig Licht herrschen darf, und in der Nacht praktisch keines (mehr hier). Diese wunderbare Lösung würde aber nur funktionieren, wenn man nachts bei der Arbeit kein Licht bräuchte. Oder man beleuchtet die Arbeitsstätten mit einem Licht, das die Entstehung von Melatonin nicht stört. Die Computer und die Handys muss man zudem ohne Bildschirm betreiben. 

Diese brillante Idee sollte ein Forschungsprojekt umsetzen, an dem namhafte Unternehmen der Lichtindustrie nebst einem Leibnitz Institut für Plasmaforschung beteiligt waren. Der Name war Programm: PLACAR - Plasma LAmpen für CirCAdiane Rhythmen. Das Projekt wurde durch das BMBF gefördert (BMBF FKZ: 13N8968).

Mir gefiel die Idee sehr gut und ich versuchte über Jahre Informationen dazu zu finden. Obwohl ich viele Beteiligte persönlich kenne, blieben die Versuche, Infos zu bekommen, fruchtlos. Die gesamte Geschichte des Projekts und meiner Recherchen habe ich unter „PLACAR – Die letzte Plasmalampe“ zusammen gefasst (hier).

Kurz und bündig gesagt – PLACAR ist nahezu spurlos verschwunden, ebenso wie die Firma, die sie bauen sollte. Diese gibt es nicht mehr. Leider gilt die Aussage nicht für das Problem: Licht zur falschen Zeit steht immer noch im Verdacht, die Krebsentstehung zu begünstigen.
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Die internationale Vereinigung der lichttechnischen Gesellschaften CIE hatte diesbezüglich im Jahre 2015 mit einem Memorandum die Parole ausgegeben: "Richtiges Licht zum richtigen Zeitpunkt" (hier). Diese hat sie im Jahre 2019 fast gleichlautend wiederholt (hier). Die letzte Ausgabe des Memorandum vom Jahre 2024 klang allerdings sehr kleinlaut (hier).

Nunmehr findet die CIE fast nur Fragen statt Antworten. So z.B.
Die Empfehlung für den Abend, drei Stunden lang nicht mehr als 10 lx melanopisches EDI am Auge zu haben, lässt sich möglicherweise nur schwer mit den individuellen Anforderungen an die Sichtbarkeit bei der Arbeit vereinbaren, insbesondere bei Personen mit eingeschränkten Sehfähigkeiten. (zu EDI und M-EDI hier)

In Klartext: Seit 10 Jahren proklamiert das höchste Gremium der Welt für Licht und Beleuchtung das Ziel, tagsüber und nachts andere Beleuchtungsverhältnisse herzustellen, weil ansonsten die Gesundheit des arbeitenden Menschen in Gefahr wäre. Was macht sie daraus? Sie erstellt eine global geltende Beleuchtungsnorm “ISO/CIE 8995-1:2025-01 - Licht und Beleuchtung - Beleuchtung von Arbeitsstätten - Teil 1: Innenräumen”, als hätte sie noch nie etwas von "Richtiges Licht zum richtigen Zeitpunkt" gehört. Es bleibt allerdings nicht beim Alten. Denn die für die Arbeitsplätze empfohlenen Lichtwerte werden u.U. um das Doppelte erhöht. (mehr dazu hier "Nicht nur unnütz – Gefährlich obendrein"). Über den Sinn von globalen Normen zur Beleuchtung hatte ich meine Meinung hier dargestellt. 

Wenn etwas gefährlich sein soll, muss man davon mehr einsetzen?

Die Sache ist allerdings noch schlimmer. Denn die besagten Wirkungen werden in ISO/CIE 8995-1 behandelt – eine halbe Seite (aus 113) im informativen Anhang. Das richtige Licht zum richtigen Zeitpunkt …, der nie kommen wird? (mehr hier)

Berliner Autobahnen wieder ohne Beleuchtung

13.01.2025
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Schon wieder eine Errungenschaft der Lichttechnik sang- und klanglos weg. Die Beleuchtung habe keinen EInfluss auf das Unfallgeschehen, so lautet die Begründung für die Abschaltung der Autobahnbeleuchtung in Berlin, die gestern im Berliner Tagesspiegel erschienen ist. Heute wurde das Verdikt zwar etwas relativiert, aber es wird bestehen bleiben. 

Wie man sich so sicher sein kann? Weil es schon einmal so gekommen war. Lang, lang ist es her. Die "älteste" Autobahn, der Welt, die AVUS, hatte eine schlaue Firma beleuchten lassen, obwohl in Deutschland Autobahnen i.d.R. nicht beleuchtet werden dürfen. Die Entscheidung gegen eine flächendeckende Autobahnbeleuchtung in Deutschland basiert auf einer Abwägung von Sicherheitsaspekten, Kosten, Umweltschutz und Wirtschaftlichkeit. Studien haben gezeigt, dass die Vorteile einer solchen Beleuchtung die Nachteile in den meisten Fällen nicht aufwiegen.

Wie hat man es dennoch geschafft, die AVUS zu beleuchten? Das verdankte man einem Geschäftsgeheimnis der Firma Siemens. Sie ist einst in Berlin gegründet worden. Obwohl sie später fast komplett gen Bayern gezogen ist, blieb sie in Berlin eng vernetzt. So hatte sie enge Beziehungen zum städtischen Elektrizitätsversorger BEWAG und zu den Verkehrsplanern. Deswegen ist Berlin übermäßig mit Verkehrsampeln gesegnet, die früher ausschließlich von dieser Firma installiert und vor allem, betreut wurden. Das ist so etwas wie ein Rentengeschäft. Oder Treuedividende. Zwar stimmt es nicht ganz, weil Siemens Berlin untreu geworden ist. Aber was soll*s!

Vieles was in Westdeutschland nicht üblich oder gar zulässig war, wurde in Berlin "erprobt". Das hieß etwa so, dass die Stadt beim Bund eine Subvention beantragte, um eine technische Errungenschaft zu erproben. So steht in Berlin seit September 1970 eine ziemlich unnütze Spurensignalanlage auf der Heerstraße. Die war nach der StVO nicht zulässig. Aber erproben wird man doch dürfen? Danach sollte das Gesetz entsprechend geändert werden, damit die Berliner zu den Spielen von Hertha BSC in vier Spuren hinfahren konnten. Nach dem Spiel wollte man die vier Spuren umschalten, damit alle möglichste schnell wieder zu Hause sind. 

Probehalber beschloss der Senat, die Heerstraße, auf der die Straßenbahn gerade abgeschafft worden war, zur Schnellstraße zu deklarieren. Das nahmen die Berliner derart ernst, dass sie sofort nach dem System G + 20 (zulässige Höchstgeschwindigkeit + 20 km/h) fuhren. Die etwas flotteren kamen auf etwa 100 km/h in der Stadt. Nach vielen Toten wurde die Schnellstraße schnell begraben. Aber die Spurensignalanlage steht noch 55 Jahre danach und wird ständig gewartet. 
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Wie sinnvoll das Ganze gewesen ist, kann man daran ermessen, was später daraus geworden ist. Zum einen macht es keinen Sinn, in vier Spuren schnell zum Stadion zu düsen, wenn man dort keine Parkplätze findet. Aber die ließen sich doch bauen? Nicht nötig, denn direkt an diesem Stadion betreibt die Stadt einen S-Bahnhof, an dem bis 8 Züge gleichzeitig gefüllt werden können und mit einer Minute Abstand abfahren. Da jeder Zug ohne Quetschen 480 Fahrgäste befördern kann, besteigen also 3840 Berliner gleichzeitig die Bahn und fahren in 8 Minuten ab. Wenn diese in Autos abfahren, macht es 1920 PKW bei zwei Personen je Auto oder 768 bei maximaler Beladung mit 5 Personen. Die 74.475 Gäste eines ausverkauften Stadions bräuchten nach dieser Berechnung 14895 bis 37237.5 Autos um nach Hause zu kommen.

Die intelligentere Lösung hatten unsere Vorfahren 1936 realisiert. Zudem kann man auf der anderen Seite praktisch vor dem Stadiontor in die U-Bahn. Ach, ja. Acht Busspuren sind auch noch da. Aber wer wird doch auf solchen Kram reflektieren?

So ähnlich war die Beleuchtung der Autobahn entstanden. Erprobt wurde, ob ein gewisser Prof. de Boer aus Belgien recht hatte. Nach seinen Plänen sind die Autobahnen von Belgien taghell aber mit gelbem Licht beleuchtet. Der Herr war ein Philips Direktor, und Philips in Sachen Licht ein anderes Pol aus dem Oligopol. Von diesem stammt auch die magische Zahl zur Helligkeit der Autobahnbeleuchtung aus etwa 1968. Sie muss 2 cd/m2 betragen. Diese Zahl wurde seinerzeit mit einem Bus voll Lichttechnikern erprobt, die nachts die Straßenbeleuchtung beurteilten. Bei exakt 2 cd/m2 waren die der Meinung, dass die Helligkeit optimal wäre. Dass man im Bus fahrend die Fahrbahn nicht sehen kann. Und vor allem nicht geblendet werden kann? Geschenkt. 

Zur Ehrenrettung des Professors muss ich allerdings sagen, dass sein Wert für Stadtstraßen recht gut zutraf. Allerdings gab es damals nur wenig Reklame. Wer heute Hauptstraßen entlang fährt, braucht die Fahrzeugbeleuchtung nur um bemerkt zu werden. Was der Herr nie bedacht hat, war die Lichtverschmutzung. Als Philips-Direktor dachte er nur an das Gute im Licht. Wildgänse, die über Belgien fliegen wollten, sollten sich halt andere Wege suchen. Deutschland ist etwaa größer. Deswegen hätten die Nachtvögel größere Schwierigkeiten, Deutschland zu umfliegen.
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Ungeachtet der noch kommenden Probleme der Nachtgänse schaffte es Siemens, dass die AVUS probeweise beleuchtet wurde. Das war, falls ich mich nicht irre, im Jahr 1966. Seitdem standen sich 278 Lichtmasten zusätzlich zu den 9 Millionen auf den restlichen deutschen Straßen sich den Mastfuß in den Bauch. Ein schlappes Vierteljahrhundert später im August 1992, es gab mittlerweile die bösen Grünen, die bei Licht an Umweltverschmutzung dachten, sollte die Beleuchtung auf deren Antrag hin nicht nur abgeschaltet, sondern auch verschrottet werden.  

Doch der Bausenator der Zeit, Wolfgang Nagel, wollte nicht. Die seit 1966 installierte Beleuchtung diene der Erhöhung der Verkehrssicherheit und führte durch eine Unfallreduzierung zu volkswirtschaftlichen Einsparungen an Schadens- und Schadensfolgekosten, argumentierte Nagel. Den Demontagekosten von zwei Millionen Mark stehen Nagel zufolge 70.000 Mark Energiekosten 1991 gegenüber. Insgesamt verbrauchten die 408 Lampen im vergangenen Jahr 250.945,9 Kilowattstunden. Damit würde sich der Abbau der Lichtanlagen — gemessen an der Energieeinsparung — erst nach 26,7 Jahren amortisieren. (schräger Text geklaut bei taz). 

Die Abschaltung kam dennoch. Das schaffte ein Bausenator Jürgen Klemann (CDU) nach 1997. Er ließ auch das Licht auf den Straßen dämmen bzw. dimmen. Immerhin 180.000 dieser Dinger sollen damals in Berlin gestanden haben. Klemans Vorbild war die Avus, wo seit März 1997 die Beleuchtung ganz abgeschaltet war. Dennoch hatte es dort nicht mehr Unfälle gegeben.

Politikern aller Denkrichtungen ist gemein, dass sie lügen - sagt der Volkmund. Herrn Klemann der Lüge zu überführen, hat es wohl keiner geschafft. Denn die AVUS ist bis heute dunkel geblieben. Kaum ein Anlass wäre geeigneter gewesen, um die erhöhte Sicherheit der Autobahnen durch eine gute Beleuchtung hieb- und stichfest nachzuweisen. Man hat es unterlassen. Warum wohl?
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Die Sache ist bitter für jeden, der sich mit Licht beschäftigt. Die einen glauben an die Errungenschaften, die unübersehbar sind. Wir sind raus aus dem Takt, den die Sonne vorgibt. Wenn ich nachts doch irgendwohin will, ohne den Tag abzuwarten, kann ich jetzt. Aber wie man dazu kommt, alle Straßen mit 2,0 cd/m2 zu beleuchten statt mit 1,9, möchte ich gerne wissen. Die Sache hat mir Prof. de Boer seinerzeit erklärt. WIe kommt aber ein Berliner Bausenator dazu, zu behaupten, die Sache sei wegen der Verkehrssicherheit so geregelt worden? Wie kommt dann ein anderer Verkehrssenator dazu, paar Jahre später das Gegenteil zu behaupten? 

Um solche Fragen zu beantworten, gibt es die Wissenschaft. Die des Lichtes hatte in Berlin einen Hauptsitz an der TU Berlin. Mit der Straßenbeleuchtung hatten sich aber eher die Kollegen aus Karlsruhe beschäftigt. Haben die beiden Senatoren dort angeklopft? Wenn nicht, warum ist man nicht selber bei der Politik vorstellig geworden?

Darf man der Kosten wegen die Verkehrssicherheit beeinträchtigen? 

Wenn keine Entleuchtung hilft …

30.03.2024
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Die Geschichte der Osram-Luftschutzlampe erinnerte mich an eine Großtat von mir + anderen Protagonisten, die ich leider nicht namentlich anführen darf. Den Grund können Sie ahnen, wenn Sie den Beitrag lesen. Es geht um die Entwicklung einer Beleuchtung, die auf keinen Fall das durfte, was eine Beleuchtung soll - beleuchten. Damit haben wir keine Sehaufgabe gelöst, sondern eine juristische, die einer Lösung einer Sehaufgabe im Wege gestanden hatte.

Für Leute, die alle Latten am Zaun haben, und gut verschraubt, mag die Geschichte skurril klingen. Sie ist es tatsächlich. In der guten alten Zeit, als die lichttechnische Industrie einen guten Draht zum Arbeitsministerium pflegte, geschah es, dass dieses Papiere erließ, die beschrieben, wann ein Arbeitgeber seine Arbeitsstätte den gültigen Normen entsprechend ausgestattet hätte. So ein Papier nennt sich ASR nach wie vor. Früher hieß es Arbeitsstättenrichtlinie, heute nicht mehr, erfüllt aber die gleiche Funktion: Wer die ASR erfüllt, wird vom staatlichen Arbeitsschutz nicht behelligt mit einem Vorwurf, seine Arbeitsstätte würde nicht dem Stand der Technik entsprechen. Die Idee ist so gut, dass sie ein halbes Jahrhundert überlebt hat. Und kein Ende in Sicht.
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Hinsichtlich der Beleuchtung war das Jahrhundertwerk ASR indes nicht so erfolgreich. Schuld daran ist eigentlich niemand. Denn die Vorschrift, die Arbeitsstättenverordnung von 1975, besagte nicht, dass jede Arbeitsstätte eine Beleuchtung haben müsse, sondern lapidar: "§ 7 Beleuchtung (1) Arbeits-, Pausen-, Bereitschafts-, Liege- und Sanitätsräume müssen eine Sichtverbindung nach außen haben." ??? Dass da eine künstliche Beleuchtung vorgesehen werden muss, stand nicht drin. Aber z.B. wie man Lichtschalter anordnen muss, so sie da sind. Und wie man Beleuchtungseinrichtungen dimensioniert, wenn man sie hat. Ausdrücklich vorgeschrieben wurde eine künstliche Beleuchtung später  "(5) Arbeitsstätten müssen mit Einrichtungen ausgestattet sein, die eine angemessene künstliche Beleuchtung ermöglichen, so dass die Sicherheit und der Schutz der Gesundheit der Beschäftigten gewährleistet sind." So steht es heute in der ArbStättV. Im Jahre 2004 las sich das anders: "(1) Die Arbeitsstätten müssen möglichst ausreichend Tageslicht erhalten und mit Einrichtungen für eine der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten angemessenen künstlichen Beleuchtung ausgestattet sein."

Da es ziemlich unmöglich ist, ohne künstliche Beleuchtung zu arbeiten, hat dann der Arbeitsminister eine ASR 7.3 Künstliche Beleuchtung erarbeitet, die die DIN-Norm DIN 5035-2 "Richtwerte für Arbeitsstätten" teilweise übernommen hat. Die Rolle dieser Norm war es, die Norm DIN 5035-1 "Begriffe und allgemeine Anforderungen" für Arbeitsstätten auszulegen. Diese Zweiteilung macht immer Sinn, weil man nicht immer den Anforderungen entsprechen kann. So enthielt DIN 5035-1 eine Reihe Gütekriterien, von denen eine für Arbeitsstätten eine besondere Bedeutung hatte.

Die Übernahme von Teilen der Norm wurde von der Industrie gefeiert als eine gesetzliche Regelung. Als Homepages für Firmen im Internet in Mode kamen, liefen Banner über den Bildschirm, die von der frohen Kunde berichteten. Dummerweise war nicht jeder Kunde froh über die Nachricht, denn es gibt Arbeitsplätze, die nicht nur keine Beleuchtung brauchen, sondern eine Beleuchtung nicht brauchen können. Hierzu gehören Regieräume in Fernsehstudios. Die sind zuweilen bis zur Decke mit Bildschirmen bestückt und hatten nur eine sog. Putzbeleuchtung, also eine Beleuchtung für Service-Leute, aber nicht für die Benutzer.

Die zuständige wie unglückliche Berufsgenossenschaft musste die Betriebe pflichtgemäß darüber unterrichten, dass sie nunmehr eine Beleuchtung mit einer Nennbeleuchtungsstärke bräuchten, und zwar eine Allgemeinbeleuchtung. Das war ziemlich das Letzte, was die Fernsehanstalten brauchten. Was tun? Vorschrift ist Vorschrift?

Ein findiger Leuchtenentwickler konstruierte ein Gegenstück zu der Osram-Luftschutzlampe, sozusagen die pflichtgerechte Arbeitsschutzlampe. Deren wichtigste Eigenschaft war, auf keinen Fall Licht auszusenden. Sie hatte einen Leuchtenwirkungsgrad von etwa 1 Prozent, d.h. nur 1 % des Lichts der Lampe verließ die Leuchte. Ich schrieb dazu ein Gutachten, wonach dies eine blendfreie Beleuchtung wäre. Und der zuständige Technische Aufsichtsbeamte der Berufsgenossenschaft übersah, dass eine Leuchte keine Beleuchtung ist.
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Übrigens, die neuen ASR haben nicht mehr den (vermeintlichen) Fehler der alten. Dort steht immer geschrieben: "Bei Einhaltung dieser Technischen Regel kann der Arbeitgeber davon ausgehen, dass die entsprechenden Anforderungen der Verordnung erfüllt sind. Wählt der Arbeitgeber eine andere Lösung, muss er damit mindestens die gleiche Sicherheit und den gleichen Schutz der Gesundheit für die Beschäftigten erreichen." Vermeintlich deswegen, weil dieser Passus nach bundesdeutschen Recht immer galt. Musste daher nicht extra gesagt werden, wird aber jetzt immer wieder gesagt. Bis alle verstehen, dass der Gesetzgeber klüger ist als man gemeinhin annimmt.
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Paar Zahlen zur Ernüchterung

17.03.2024
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Den Leitfaden zu DIN EN 12464-1 habe ich aus verschiedener Sicht kommentiert. Hier eine ernste Sicht, die wenig mit den Zahlen zu Beleuchtungsstärken zu tun hat. Mich hat zum Denken gebracht, warum der Autor ziemlich zu Beginn angibt "Damit ist zugleich der Umfang des Dokuments gewachsen: von 55 auf stolze 128 Seiten." Mir klingt noch in den Ohren, was ich zu meiner Feierlichen Immatrikulation an der TU Berlin im Oktober 1963 vom Rektor der Uni gehört hatte: Eine Doktorarbeit kann auch eine halbe Seite lang sein. Später schrieb ich selbst Normen. Über diese - und ähnliche - schimpften die anderen Länder, sie seien zu ausführlich und allzu präzise. Will sagen, deutsche Normen enthalten zu viele Informationen, die man sich ersparen könne. So wurden die Normen, für die ich zu einem erheblichen Teil verantwortlich war, die Reihe DIN 66234 zur Ergonomie der Bildschirme und der Arbeit damit, durch ein ISO-Gremium neu aufgelegt. Nichts gegen eine Verbesserung. An der arbeite ich noch heute.

Während unser gesamtes Werk zum Thema 8 Normen mit etwa 50 Seiten umfasste, sind bei der ISO mittlerweile 84 Normen entstanden, dazu gibt es noch bei der IEC etwa gleich viele. Ein erheblicher Teil dieser Werke ist länger als 50 Seiten. Den Gesamtumfang traut sich keiner anzugeben. Was sind dagegen 128 Seiten?
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Die 128 Seiten der Norm DIN EN 12464-1 sind leider nicht alles, was man zu ihrer Anwendung braucht. Man muss, um die gebrauchten Begriffe zu verstehen, auch DIN EN 12665 "Licht und Beleuchtung - Grundlegende Begriffe und Kriterien für die Festlegung von Anforderungen an die Beleuchtung" (derzeitiger Entwurf von 2022 mit 76 Seiten) immer parat haben. Dieser europäische Katalog an Begriffen bildet die Grundlage zum Verstehen der Sachverhalte. Leider ist sie nicht die alleinige Begriffssammlung, die man berücksichtigen muss. Denn es gibt noch eine viel ältere Sammlung an Definitionen, das Internationale Wörterbuch der Lichttechnik der CIE. Wie viele Seiten die umfasst, ist mir nicht mehr zugänglich, weil die gedruckte Version nur wenigen Eingeweihten - vermutlich - vorliegt. Man kann im Internet einzelne Begriffe aufrufen. Diese Sammlung, einst die einzige autorisierte Fassung von Begriffen, musste aber auf Geheiß der IEC vollkommen renoviert werden, weil sie zwar Teil von electropedia ist, aber sich wohl zu weit davon entfernt hatte.
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War's das? Immer noch nicht. Der Lichtplaner muss noch was über Blendung wissen. Denn der Leitfaden sagt: "Eine gute Beleuchtung lässt sich nicht auf die zwei Kennwerte reduzieren. 500 Lux und UGR 19 (RUGL ) allein können nicht die Standardlösung sein." Können sie auch nicht. Man muss wissen, was Blendung ist, und vor allem, was sie nicht ist. Dazu muss der Planer auch eine recht dicke Broschüre zum UGR-Verfahren lesen (hier). Die ist ein Positionspapier, das erst drei Jahre alt ist. Daher gibt es auch Gegenpositionen. Dem Auftraggeber für eine Beleuchtung sind beide schnuppe. Der will eine Beleuchtung bekommen, und zwar nach dem Stand der Technik. -

Wenn der Auftraggeber dieses Positionspapier lesen könnte, würde er sich erschrecken, wo die Blendungsmethode überall nicht gilt. So soll sie nicht auf Indirektbeleuchtung anwendbar sein. Auf großflächige Leuchten auch nicht. Lassen wir die Theorie außen vor und gucken uns lieber die Praxis an. Die Blendung ist nachweislich als eine Beeinträchtigung des Benutzers anzusehen. Denn genau unter diesem Gesichtspunkt wurde sie untersucht. DIN EN 12464-1 darf aber nur Aspekte behandeln, wie das nationale Vorwort angibt: "Die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV), konkretisiert durch die Technischen Regeln für Arbeitsstätten ASR A3.4 „Beleuchtung und Sichtverbindung nach Außen“, gibt in Deutschland Hinweise zum Sicherheits- und Gesundheitsschutz. … ". Also darf sie Blendung erklären, die einzelnen Werte wie RUGL anführen, aber keinen Grenzwert festlegen. Dummerweise steht in ASR A3.4 zwar was über Blendungsbegrenzung, aber nichts zu UGR. Planen nach ASR A3.4 geht auch ziemlich schlecht.
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Genau solche Fakten waren der Grund dafür, dass ein älterer Beitrag in diesem Blog heißt: Der Lichtplaner - Der Herkules unter Dienstleistern. Dieser ist der Verantwortliche an der Erstellung einer Beleuchtungsanlage und der eigentliche Produzent. Was tun wir, damit der Lichtplaner der Herkulesaufgabe genügen kann? Es gibt nicht einmal ein Berufsbild namens Lichtplaner. Wie weit es mit der Honorarordnung gekommen ist, weiß ich leider nicht. Ganz so weit kann es nicht gekommen sein.

Für Leute, die sich gerne mit Quiz beschäftigen, hier eine kleine Sammlung an Pretiosen aus DIN EN 12464-1 zu beantworten, ohne irgendwo nachzuschlagen.

Wer Weiß Denn Sowas-

Mit den Augen eines Schweins gesehen - Lichttechnische Grundgrößen
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08.02.2022

Es gibt garantiert keine technische oder wissenschaftliche Disziplin, die sich Mühe gibt, damit die letzte Sau sie versteht. Eine macht da eine Ausnahme. Vermutlich geht sie davon aus, dass sie keine Sau versteht und bebildert ihre Konzepte. Zunächst für Menschen. Das war früher allgemein üblich. So wurde z.B. die Größe eines Schiffes in Vergleich zu einem Elefanten dargestellt, damit jeder versteht, wie groß so ein Schiff ist. Gewiss, die meisten von uns haben keine Ahnung davon, wie groß ein Elefant ist. Deswegen gab es auch Abbildungen die helfen, Elefanten zu verstehen. Meistens stand ein Schaf oder ein Pferd daneben. Hätte man hingegen einen Floh als Vergleich abgebildet, hätte keine Sau verstanden, was gemeint war. Lustig waren die Abbildungen, die erreichte Höhen zeigten. Pferd 2m (hüpfend), Schwalbe einige Kilometer, Granate der Dicken Berta 38 km usw. Vorbei … Voyager 1 wird im Jahr 2026 die Distanz von einem Lichttag zur Sonne überschreiten. In Höhen gemessen wären das 25.955.532.111.000 m. Wer das nicht versteht, kann vielleicht das begreifen: 2,59 e+16 Millimeter. Von Höhe reden wir nicht mehr.

Wie dem auch sei, es ist wichtig, dass alle verstehen, dass es lichttechnische Grundgrößen gibt. Und davon 4. Und deren Erklärung sieht für einen Menschen abgebildet so aus.

Eigentlich stimmt das Bild nicht. Es stammt aus einer Sicherheitsregel einer BG, die für Metallarbeiter tätig ist. Die Szene enthielt früher eine Drehbank und eine Maschinenleuchte. Die hier gezeigte elegante Leuchte war seinerzeit noch nicht erfunden worden. Und der Mann trug … einen Blaumann. Ich habe vorsichtshalber alle Teile des Bilds entfernt, aus dem Licht auf das Blatt Papier fällt. Nur den Mann konnte ich nicht entfernen. Das einigermaßen korrekte Bild sieht so aus:

Wenn man gaaanz genau nimmt, müsste man es so zeichnen:

Was muss man tun, damit jede Sau die globale Bedeutung dieses Bildes erkennt?Etwa so?

Eigentlich sollte hier eine Sau abgebildet werden. Hat man die etwa vergessen? Ganz bestimmt nicht:

Schon perfekt? Ganz sicher nicht! Denn das schweinische Auge ist ein Dichromat, hat also nur zwei Arten von Farbempfängern. Der Mensch ist ein Trichromat - meistens jedenfalls. Bei einer saumäßigen Betrachtung muss der Lichtstrom anders berechnet werden, damit auch die Beleuchtungsstärke und auch die Leuchtdichte.

Ist solch ein Unterschied relevant? I,wo, keine Sau interessiert sich dafür. Morgen schreibe ich, wie die Sau die Pflanzen sieht, wenn die Beleuchtung für diese optimiert ist. Bis dahin kann man hier lesen, wie man im Winter seine Beamtenpalme oder Zimmerlinde mit schlechtem Licht ruiniert, bzw. was man mit gutem Licht erreichen kann. Ansonsten bleibt es bei der Weisheit, die man etwa im ersten Schuljahr vermittelt bekommt: Man sieht die Welt im reflektierten Licht.