Falsche Freunde sind Wörter, die im Deutschen und Englischen gleich aussehen, aber etwas ganz anderes bedeuten. Sie heißen auch false friends oder faux amis wenn es sich um französische handelt. Jeder (ehemalige) Schüler kennt den Witz mit dem Kellner, den ein Deutscher fragt "When shall I become a steak?". Manchmal ergibt sich was Lustiges daraus, etwa wenn man einem Amerikaner glaubt, dass man das Haus vom first floor verlassen kann. Da hilft nicht mal ein Fallschirm. Wenn man ein Sonntagskind als Sunday child übersetzt, kann man schon Ärger bekommen. Und Jess Bezos klingt viel reicher, wenn man sein Vermögen in Billonen angibt. Der Arme ist nur Milliardär. Und den verflossenen US-Präsidenten durfte man nicht genie nennen. Er war ein genius.
Unsere deutsche Lichttechnik gebar nach langem Kreisen ein tolles Wort, eher ein Konzept: Integrative Lichtplanung (hier). Es wurde als Teil der Weimarer Thesen veröffentlicht. Nicht schlecht - die Idee. "Tageslicht ist Ausgangspunkt und Maß einer integrativen Lichtplanung, welches durch Kunstlicht ergänzt werden muss. »INTEGRATIVE LICHTQUALITÄT« umfasst daher die kombinierte Tages- und Kunstlichtplanung."
Ich freute mich riesig, als ich hörte, dass der Begriff Schule macht. Die CIE wollte "integrative lighting" in ihr internationales Wörterbuch aufnehmen. Hat wohl auch. Dummerweise steht da nichts von Tageslicht drin. Integrative lighting ist "lighting integrating both visual and non-visual effects, and producing physiological and/or psychological benefits upon humans". Sie haben sogar genormt, wie man das misst (hier). Darin findet sich als Tageslicht D65, das ist die eine Simulation des Tageslichts. Und zwar an einem Nachmittag in Mitteleuropa. Simuliert wird auch kein natürliches Licht, sondern nur das, was zum Sehen dient. Und dieses "Licht" hat noch nie ein Mensch gesehen, Pardon, empfunden. Und mit D65 kann man nix beleuchten. Es existiert nur im Labor oder auf Computern. So ähnlich wie die Testfarben zur Bestimmung des Farbwiedergabeindex. Deren Original ist verschwunden.
Die neue Diskrepanz übertrifft sämtlichen falschen Freunde, die man so kennt. Mal sehen, wer auf lange Sicht die Oberhand behält.
Not macht erfinderisch. Seitdem ein Virus alle Nachrichtensendungen gekapert hat, kommen Meldungen über die biologischen Wirkungen der Beleuchtung kaum noch in die Medien. Das soll sich nun ändern. Eine Firma, die eine - einstmals verbotene - Ikone der Beleuchtung geschaffen hat, begibt sich auf den Kampfpfad der Virenjäger.
So lese ich auf der Website von Stylepark: "Desinfektion hat an vielen Arbeitsplätzen und öffentlichen Orten in den letzten Monaten eine neue Dimension angenommen: Um eine Verbreitung des Coronavirus zu vermeiden, nehmen Unternehmen aktuell einen großen Aufwand auf sich. Artemide bietet mit der neuen Lichttechnologie "Integralis" eine Unterstützung in der Desinfizierung von Flächen, die gleich zwei Funktionen erfüllt: Beleuchtung und Hygiene."
Ich weiß nicht, ob die Marketingmaschine der Firma nicht auf den längst abgefahrenen Zug gesprungen ist oder Neuland beschreibt. Wie dem auch sei, es wird berichtet, dass das Forschungsteam noch vor dem Eintritt von Covid-19 ins Rampenlicht den richtigen Riecher hatte: "Die Kompetenz in der Lichtforschung ist bei Artemide tief verwurzelt und so arbeitete das Team bereits vor Ausbruch von Covid-19 an einer Beleuchtungslösung die eine schonende Keimreduktion bietet und zum Wohlgefühl beiträgt – ganz im Sinne ihrer Philosophie 'The Human Light'."
Wie dem auch sei, wird Licht aus LEDs als Killerstrahl - allerdings nur für Killerviren - eingesetzt. Violettes Licht mit einer Wellenlänge um 405 nm soll Bakterien, Pilze und Schimmel vollständig abtöten. Da wären aber noch die Viren außen vor. Denen rückt die Beleuchtung mit nicht sichtbarem Licht - das geht eigentlich nicht, Licht ist immer sichtbar - mit UV-C (254 - 275 nm) zu Leibe. Allerdings wäre UV-C für Menschen nicht untödlich. Deswegen findet diese Desinfektion in Abwesenheit von Menschen statt. Also wenn die in Home Office sind?
Ich lese bei prooffice.de: "Unterschiedliche Lichtemissionsspektren tragen zu einer gesteigerten Desinfektionswirkung bei, ohne den Raum oder dessen Oberflächen zu schädigen." Was mit den Benutzern des Raums? Das ist wohl auch geregelt: "Das intelligente Leuchtensystem passt darüber hinaus automatisch die Intensität an die Umgebung und Aufenthaltsdauer der Personen an. So findet die maximale Bestrahlung in öffentlichen Räumen, wie Schulen, Museen oder Geschäften nachts statt, während die Leuchten am Tag normales Licht abgeben. Auch ein intermittierender Modus, der durch Bewegungssensoren aktiviert wird, ist möglich."
Das ist eine andere Qualität als bei den UV-C-Leuchten, die Luft desinfizieren (mehr hier). Die arbeiten auch in Anwesenheit des Menschen und behalten ihr Licht schön für sich. Man kann welche auch zur Desinfektion von Oberflächen einsetzen. Allerdings mit viel Vorsicht. Etwa so (aus EuroEyes):
"Grundsätzlich gilt Folgendes:
Ich habe versucht, herauszubekommen, was Leuchten, die eine Entkeimung oder Desinfektion erreichen können, an Zulassungskriterien erfüllen müssten. So neu sind sie ja nicht. In der Hand von Profis leisten sie seit Jahrzehnten gute Dienste. Ob man sie in die Hände von Laien geben darf, ist mir nicht klar. Am besten informiert man sich auf der Website von Profis (Bundesamt für Strahlenschutz). Dort wird aber aber allgemein informiert und auf die BAuA verwiesen (hier), wenn es sich um den Arbeitsschutz handelt. Wenn Sie auf den Link klicken, landen Sie auf der BAuA Seite "Aktuelle Informationen zum Coronavirus SARS-CoV-2". Danach sind Sie auf sich allein gestellt. Denn es gibt viel zu lesen. Bei der DGUV habe ich leider nichts gefunden außer der Info zur Benutzung von Desinfektionsgeräten für Wasser. Das ist aber was für Profis.
Man stelle sich vor: Man kommt in die Warte eines Kernkraftwerks und alle Anzeigen stehen auf Rot. Das sind nicht 5, nicht 50, sondern auch mal über 10.000. Wenn gefühlt alle aufleuchten, im Fachjargon Weihnachtsbaum, steht nicht ein gesegneter Tag bevor, sondern möglicherweise eine sich anbahnende Katastrophe. Und man durfte nicht handeln, ehe der Fehler von einem Drucker bestätigt wurde. Denn Computer galten als unzuverlässig, mit ihnen ihre Anzeigen auf dem Bildschirm.
Als ich den Alltag in so einem Raum betrachtete, fand ich die Zahl der Alarme einfach zu hoch. Der Betriebsleiter fragte mich schnippisch, ob ich seine Anlage kennen würde. Ich meinte, nein, aber ich würde die Leute kennen, die solche Anlagen konzipieren. Die würden keine Technik bauen, die minütlich Alarme spuckt. Das gab dem Mann zu denken, und er ließ die Sache untersuchen. Paar Wochen später hatte sich die Zahl der Alarme mehr als halbiert. Wie? Die Ursache war eine Sicherheitsvorkehrung: jeder wichtige Wert wird von drei unabhängigen Sensoren erfasst und gemessen. Wenn diese etwas Unterschiedliches anzeigen, gibt es einen Alarm. So weit, so gut. Aber wieso gab es mehr als doppelt so viele als nötig? Dafür sorgte eine Elektronik, die eine ältere abgelöst hatte. Sie war viel schneller, wie in der Elektronik üblich. Für die vorliegende Aufgabe war sie allerdings zu schnell. Wenn man in einem großen Kessel den Wasserstand misst, wird man nie den gleichen Wert an drei Stellen messen, wenn man in Nanosekunden und Millimeter genau misst. Das Wasser ist nie so ruhig. Anders, wenn man in Sekunden misst oder noch etwas langsamer. So konnte man die angeblichen Fehler halbieren. (Wie man den Rest noch weiter reduzieren konnte, erzähl ich ein andermal.)
In der Lichttechnik haben wir mit einem ähnlich gelagerten Fall zu kämpfen. Hier muss man aber etwas anderes tun, als die Elektronik langsamer stellen. Es handelt sich um die Fluktuation der Lichterzeugung von LED. Während sich Glühlampen nicht allzu schnell um die Wechselspannung scheren, und Leuchtstofflampen zwar viel schneller, aber immer noch langsam genug, reagieren, sind LED verdammt schnelle Elemente. Man kann sie bei Datenraten von bis zu 100 Mbit/s einsetzen. Ihr Licht steigt praktisch trägheitslos an und fällt leider ebenso schnell ab. Und geht dabei auch durch Null, was bei konventionellen Leuchtmitteln nicht möglich ist.
Die Sache ist problematisch in der KfZ-Beleuchtung (hier), aber insbesondere für Leute, die harte Arbeit am Bildschirm verrichten. Ihre Regelung vom Bildschirm (Helligkeit), gesetzlich vorgeschrieben (ArbStättV), funktioniert leider meist wie unten beschrieben. Übrigens, auch für die Beleuchtung ist die Qualität gesetzlich vorgeschrieben.
Die einfachste Helligkeitsregelung, deswegen sehr beliebt bei Herstellern, funktioniert mit An- und Ausschalten der Diode. Die Länge des eingeschalteten Signals zu der des ausgeschalteten ergibt dann die Helligkeit. Daher der Name Pulsweitenmodulation (PWM).
Steuerungen, die das Licht dimmen, müssen schnell genug sein, damit das Auge die dunkle Phase nicht merkt. Die Frage ist, wie schnell. Das hängt davon ab, was man vermeiden will. Flimmern, Flackern, oder … Üblicherweise ging man früher davon aus, dass eine Frequenz oberhalb der Flimmerverschmelzungsfrequenz (FVF) hinreiche. In der Literatur konnte man dafür Werte von 20 Hz bis etwa 50 Hz lesen. Das hängt von vielen Faktoren ab, insbesondere von der Helligkeit und Größe des Objekts. Das Bild rechts zeigt in etwa die Grenze für normale Bildschirme, die bei 71 Hz liegt. Gesunde Menschen mittleren Alters, die unbewegt auf den Bildschirm gucken, mögen damit zufrieden sein. Damit darf sich aber kein Arbeitgeber zufrieden geben. Denn nicht wenige Mitarbeiter setzt man der Gefahr aus, Kopfschmerzen oder Migräne zu bekommen.
(3) Die Helligkeit der Bildschirmanzeige und der Kontrast der Text- und Grafikdarstellungen auf dem Bildschirm müssen von den Beschäftigten einfach eingestellt werden können.
(6) Die Beleuchtungsanlagen sind so auszuwählen und anzuordnen, dass dadurch die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten nicht gefährdet werden.
Leider berücksichtigt das Bild zwei Dinge nicht: Alter des Beobachters und Sehaufgabe. Bei jüngeren Menschen kann der Wert bei über 100 Hz liegen. Und diese sind empfindlicher Gegen Kopfschmerzen. Aber das Entscheidende ist die Sehaufgabe. Guckt ein Mensch stur auf eine Stelle auf dem Bildschirm, merkt er möglicherweise kein Problem. Bewegt sich sein Auge häufig, kommt es zu einem "Stroboskopeffekt". Den kennt man von alten Monumentalschinken mit römischen Kampfwagen, deren Räder sich erst langsam drehen, dann stehen bleiben, dann aber auch noch rückwärts drehen. Will man den Effekt vermeiden, muss sich das Licht sputen, bis zu 1.000 Hz können erforderlich sein. "Für eine wahrnehmungsgerechte Beleuchtung, die mittels PWM gedimmt wird, ist demnach eine PWM-Frequenz um 700 Hz erforderlich." heißt es in einer Arbeit, in der ein Doktorand der Sache auf den Grund gegangen ist.
Wer sich eingehend mit dem Problem befassen will, mag die gelinkte Doktorarbeit lesen (hier): Flimmereffekte von pulsweiten-modulierter LED-Beleuchtung von Dmitrij Polin. Wer dazu keine Lust hat, sollte sich Monitore oder Beleuchtungen ohne PWM kaufen.
Zunächst zur Beschwichtigung aller: Ihre Laterne wird garantiert nicht intelligenter werden als ihre Schöpfer. Damit ist erst einmal das obere Ende der Skala der Intelligenz festgelegt. Das untere Ende kennt jeder, weil es jahrzehntelanger Praxis entspricht: doof wie Kommissbrot. Womit ich nichts gegen das Brot sagen will, sondern gegen die Praxis. Man nimmt zwei Leuchten pro Kopf, hängt sie an die Decke und sagt, die Beleuchtung ist aber normgerecht. Und was ist normgerecht? Das ist, was die Hersteller von Leuchten dafür halten. Dies geht seit Edison so.
Nun hat sich die Erde seitdem einige Male gedreht, und man ist seit etwa 20 Jahren begeistert von der Idee, eine neue Beleuchtung zu schaffen. Was die sein will, muss man nicht im Detail wissen. Aber eine Sache sticht besonders hervor, weil sie auch dem Wunsch der Beleuchteten entspricht: individuelles Licht. Hersteller wie die geblendeten Mitarbeiter hätten gerne ein Licht, das dem Bedarf des Menschen entspricht. Nicht etwa dem Bedarf des Manns auf der Straße - Pardon, der Frau auf der Straße bzw. Frau Mustermann - sondern des Einzelnen. Personal Light hieß und heißt eines der Produkte - entspricht dem Personal Computer. Und das ist kein Zufall, denn der Hersteller beschäftigt sich schon immer mit Ideen, die einem das Licht angenehmer machen wollten. Ich kannte dessen Labor in Aachen schon 1968, aus dem z.B. die Blendungskurven stammen. Die Ambilight-Technologie, eine Einrichtung das ein zum Bildinhalt passendes Umgebungslicht an die Wand hinter dem Fernseher wirft, ist weder das erste noch das letzte Produkt aus dem Haus mit einem ähnlichen Anspruch. Ich glaube, dass die in 1947 aufgekommene Idee, den Fernseher nicht im Dunklen reinzuziehen, sondern die Wand dahinter etwas aufzuhellen, könnte auch von dort stammen.
Die Idee war gut, aber die Technologie doof. Sie bestand aus einem Schalter, der das Licht anmachte. Nun soll das Licht nicht etwa etwas intelligenter werden, sondern richtig intelligent. Und natürlich teurer. Ob das intelligent ist, will ich weiter unten beleuchten. Der Verband der Elektriker wie auch der Weltverband der Lichttechniker hat die Losung auf die Fahnen geschrieben: Richtiges Licht zur richtigen Zeit.
Wie intelligent ist das? Als Idee erst mal nicht schlecht. Sie wird, wenn man intelligent beleuchtet, schon immer praktiziert. So empfängt einen z.B. das Opernhaus mit einer festlichen Fassade, die nachts nur dann festlich ausschaut wenn entsprechend beleuchtet. Ansonsten sähe sie zappenduster aus, und gut nur tagsüber. Aber da geht man nicht in die Oper. Wenn man das Foyer betritt, wird es noch festlicher. Lüster über Lüster. Das Licht bricht sich nicht nur in den Lüstern, es holt auch das Feuer aus den Brillanten der Damen, die ohne das Licht aussähen wie jeder Stein. Dann geht man etwas nüchtern beleuchtet in den Saal. Dort wird kaum noch beleuchtet, denn die Musik spielt da vorne. Wenn das Orchester allein spielt, sieht man in dem Graben im Wesentlichen die Instrumente, die Musiker sind ja schwarz gekleidet. Dann geht der Vorhang auf … Jetzt sieht man erst, war es bedeutet, "Richtiges Licht zur Richtigen Zeit" und am richtigen Ort. Hunderte Scheinwerfer, vom Computer gesteuert. Nicht so einfach, sondern nach System:
Das Licht macht einen Großteil der Kunst aus. Mehr noch, es ist eine Kunst für sich. Leute, die so etwas haben schaffen können, werden doch das bisschen Intelligenz in die Beleuchtung einpflanzen können. Oder? Hoffnung stirbt zuletzt. Es gibt "Personal Light" schon, und massenhaft. Dieses befindet sich aber in privaten Bereichen und wird von den Menschen selbst gehegt und gepflegt. Der Lichttechniker redet angewidert von Lichttötungsmaschinen, die die Energie nur so verschleudern. Sein genormtes Licht beruht etwa auf dem geistigen Niveau der 1930er, als jemand behauptet hatte, die Allgemeinbeleuchtung erhöhe die Produktivität. Später wurde daraus "Gleiches Licht für alle Volksgenossen". Der Spruch wurde nach dem Krieg zwar aus den Büchern getilgt, aber der Geist blieb.
Damit dieser, der Geist, nicht das Geschäft mit dem schönen Licht verdarb, erfand man das Wort "stimmungsbetonte Räume", mit deren Beleuchtung sich der Lichttechniker (Gott sei Dank) nicht beschäftigt. Falls er es doch tut, nennt er sich Lichtdesigner. So werden die wunderbarsten Beleuchtungen auch von Lichttechnikern gemacht, die sich anders nennen. Das technische Licht, das unsere Beleuchtung der Arbeitsstätten beherrscht, glänzt durch eine Anmutungsqualität wie ein Gummihammer. Praktisch, preiswert und sehr nützlich, gelegentlich. Bis wir daraus eine Kunst machen, die dem Individuum dient, statt einen Lichtteppich über alle zu legen, müssen wir viel Hirnschmalz zubuttern. Das, das wir etwa vier Jahrzehnte gespart haben, ist leider verdorben. Und so sieht ein Büroraum 140 Jahre nach der Erfindung der Glühlampe aus. Chapeau!
Wenn einer heute im Büro sitzt und seinen Blick gegen die Decke schweifen lässt, wird er etwa mit 70% Wahrscheinlichkeit etwas sehen, was eigentlich schon lange nicht mehr da sein durfte, weil als gesundheitsschädlich nachgewiesen. Das sind Leuchten, deren Sinn nur derjenige verstand, der sie auf den Markt brachte. Sie sollten Reflexionen auf den Bildschirmen vermeiden und so dem "Sehkomfort" dienen. Nachgewiesen mit einem Bildschirm, der etwa 1965 entworfen wurde. Der hatte zwar in der Praxis nie Probleme gemacht, weil konstruktiv gut gegen Fremdlicht abgeschirmt. Man brauchte aber ein Objekt für Versuche, die ein Problem aufwerfen sollten. Als der Bildschirm nicht reflektieren wollte, wurde er einfach gekippt. Denn die Leuchte sollte die (Er)Lösung bringen. Was an deutschen Bürodecken heute hängt, ist noch zu einem großen Teil die Nachfolger der damaligen "bildschirmgerecht" entblendeten Leuchte, wenn nicht sie selbst. Denn Beleuchtung wird zum Leidwesen der Hersteller nicht so häufig erneuert. Vielleicht hilft uns die LED, die loszuwerden. Die passt nämlich nicht zu dem Konzept, wonach sie zu stark blendet. Tut aber in der Realität nicht.
Das Konzept beruhte auf diesem uralten Bild, dessen Sinn kaum jemand versteht, diejenigen eingeschlossen, die es im Lauf der Jahre "modernisiert" haben.
Ich will es kurz erklären. Wer unter der Leuchte sitzt, wird nicht geblendet. Wenn er (eigentlich sie) weiter rechts rückt bis zur grauen Zone, wird er immer noch nicht geblendet. Zwischen dem Beginn der grauen Zone und Ende, wo die Dame platziert ist, ist der kritische Bereich. Dort darf man entweder nicht sitzen, oder die Leuchte darf dort nicht so hell leuchten. Damit es jeder versteht, habe ich das Bild etwas aufgebohrt. Die Emojis zeigen, wie sich die Dame fühlt, wenn sich ihr Kopf an dem Platz befindet, an dem sich das jeweilige Bildchen befindet.
Man kann die Sache auch einfacher erklären: Von 0º bis 45º darf die Leuchte so viel Licht senden, wie sie lustig ist. Ab Gamma - also z.B. 50º - ebenso. Das ist nicht so kritisch.
Mit dem Bildschirm am Arbeitsplatz kam nunmehr ein Sehobjekt auf den Tisch, dem solche Leuchten überhaupt nicht schmeckten. So wurde der graue Bereich so eingeschränkt, dass sich die Leuchte an keinem Bildschirm abbilden würde. Theoretisch geht es ja. In den Kinos waren Leuchten, die nie in Richtung Leinwand strahlten, schon immer üblich. In Büros geht es nicht, weil man nie weiß, wo sich das Publikum befindet. So musste die Abstrahlung rundherum begrenzt werden. Dadurch entstand die sog. BAP-Leuchte mit "Gamma" 50º und maximal 200 cd/m2 außerhalb von 50º.
Dadurch dachte man, würden die Leuchten so blendfrei wie noch nie. Weniger Licht seitlich abgestrahlt, weniger Blendung … Dummerweise haben Menschen wenig Ahnung von Lichttechnik und wurden deswegen durch diese Leuchten mehr geblendet als durch jede andere Leuchte, die sich ein Stückchen Decke in deutschen Büros erobern konnte. Die Büros hatten einen echten Höhlenlook bekommen. Man hätte es aber auch während der Untersuchungen sehen können, die zu dieser Leuchte geführt hatten. So sah nämlich der Raum aus, den die Probanden im Labor bevorzugt haben sollen. Ich weiß nur nicht, was die im Tee hatten.
Damit keiner glaubt, ich hätte das Bild gephotoshopped, um es schlimm erscheinen zu lassen, hier die Vergleichsobjekte aus demselben Buch mit dem selben Scanner aufgenommen und völlig unbearbeitet eingefügt. Man muss sich nur noch fragen, warum man solche Versuche macht. Im vorliegenden Fall war der Fall klar. Die Leuchte gab es schon unter anderem Namen. Es musste nur noch "bewiesen" werden, dass sie auf Bildschirmen nicht reflektiert wird. Dann konnte das Marketing verkünden, man habe die Lösung der Augenprobleme der Computerbenutzer gefunden. Die neue Lösung musste naturgemäß eine dunkle Decke ergeben. Dass dies den lichttechnischen Erkenntnissen widersprach, stand in alten Büchern. Aber Hand Aufs Herz, wer liest denn alte Bücher, wenn eine Innovation proklamiert wird?
Diese vier Szenarien wurden Probanden in einem Labor dargeboten. Sie sollten daraus diejenigen wählen, die nach ihrem Empfinden die beste Beleuchtung ergeben würde. Die Bilder stammen aus einem Artikel in einem Buch aus der Feder einer der Projektmitarbeiter. Die hellen Decken wurden abgelehnt. Die Probanden bevorzugten entgegen früherer Vermutungen eine tiefstrahlende Leuchte.
Nun sind paar Jahrzehnte ins Land geflossen, und man weiß, dass Licht nicht nur dem Sehen dient. Es soll der Gesundheit - auch - dienen. Jetzt fallen die Sünden einem auf die Füße. Denn die "gesundheitliche" Wirkung bemisst sich an der Menge des Lichts, das ins Auge geht. Wie kommt aber Licht aus Leuchten, die optimiert sind, damit sie ja keine Bildschirme stören, in die Richtung, in der diese stehen? Mit anderen Worten: Beleuchtungen wurden schon immer auf Horizontalbeleuchtungsstärke getrimmt. Jetzt ist Vertikalbeleuchtungsstärke gefragt. Laut Einstein kann man die Flugkurve des Lichts biegen. Dazu braucht man große Massen, und die größten Planeten schaffen paar Grad. Wir brauchen Massen, die 90º schaffen! Wie schaffen wir das? Die Lösung, die Leute herausgefunden haben, die sich mit Licht und Gesundheit beschäftigen, sei hier skizziert. Links die Leuchte, die die Bildschirme in Ruhe lässt, rechts die Beleuchtung, die gesund sein soll bzw. kann.
Wie man in anderen Ländern das gesunde Licht ins Auge schaffen soll, ist nicht unser Problem. In Deutschland haben es zwei Männer geschafft, die nicht an Beleuchtung, sondern an den Menschen dachten. Sie wiesen nach, dass der Mensch am Arbeitsplatz die Kommunikation mit der Natur braucht. So ist seit 1975 Gesetz in Deutschland, dass Arbeitsräume eine Sichtverbindung nach draußen haben müssen. Und das durch klare Fenster in Augenhöhe. So kommt das Licht, das der Gesundheit dient, ins Auge.
Naturgemäß kann kein Gesetz Bildschirme entspiegeln. Nach den physikalischen Gesetzen geht es aber. Zudem gibt es viele Möglichkeiten, um Störungen auf dem Bildschirm zu vermeiden, warum um Himmels Willen gerade die Beleuchtung verändern, zumal dies bei Tage eh unwirksam ist? All die Möglichkeiten, die hier abgebildet sind, wurden in den 1980ern in eine internationale Norm eingebracht, die aber die Lichttechniker scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Den heutigen Bildschirmen ist die Beleuchtung ziemlich egal. Sie sind hinreichend robust gegen Fremdlicht. Interessant ist aber, seit wann die so robust sind. Ein gewisser Dr. Bauer aus Dortmund hatte gegen Ende der 1970er Jahre einen Bildschirm entwickelt, der auch bei 8000 lx darauf gut lesbar war. Da in den Büros die Beleuchtung auf einem Bildschirm gerade mal 150 lx ausmacht, war das Gerät also 50 mal robust. Bei üblichen Bildschirmen betrug der Faktor nicht 50, aber 5 reichen auch. Wie man Bildschirme entblendet, wusste man auch in den 1960ern. Warum musste man dennoch eine Beleuchtungslösung entwickeln, die so gut wie niemand brauchte?
Ich erzähle das ein andermal. An dieser Stelle sei aber gesagt, dass die auf die wundersame Weise entstandene Leuchte, die später sogar Norm wurde, nicht einmal ihre ureigenste Aufgabe ordentlich erfüllte, den Arbeitsplatz zu beleuchten. Ob dies der Fall ist, die ordentliche Beleuchtung des Arbeitsplatzes, stellte die deutsche Gewerbeaufsicht immer mit einer Messung auf dem Tisch vor der arbeitenden Person fest. Wo denn sonst? Die frisch genormte Beleuchtung des Bildschirmarbeitsplatzes dachte aber nicht daran. Denn sie sollte ja den Bildschirm nicht stören. So strahlte die Leuchte ihr Licht halt woanders hin, wo es nicht störte. Wenn man die Verteilung des Lichts auf dem Tisch maß, kam so eine Verteilung zustande. Also 700 lx am Tischende und 275 lx vor dem Benutzer. Und das meiste Licht landet auf dem Teppich. Das hätte man eigentlich nicht messen müssen. Es war bereits bei der Planung der Leuchte berechenbar. Dennoch rief diese Kurve bei meinen Vorträgen Verwunderung hervor. Und ein Zuhörer sagte: "Warum zeigen Sie denn Produkte von Leuten auf, die nicht richtig planen können?" Sehr dumm … Denn zufällig war gerade dieser Zuhörer der Konstrukteur der von mir untersuchten Leuchte und seine Firma hatte den Planungsauftrag für die Beleuchtung ausgeführt.
Obwohl die Leuchten mit bildschirmgerechter Entblendung sowie ihre vielen Gesinnungsgenossen deutsche Bürodecken noch zieren, gibt es den "Erfinder" davon nicht mehr. Dieser war seinerzeit der Marktführer, hatte seine "Lösung" der gesamten Branche aufgedrängt. Jetzt gibt es die Branche immer noch, weil man sie braucht. Den Erfinder gibt es indes nicht mehr.
Wer noch ein Bisschen Zeit hat kann die "Story einer Beleuchtung, die niemand mag" lesen (hier). Dort wird erzählt, warum für 37% der deutschen Führungskräfte ihr Traumarbeitsplatz nur Tageslicht hat.
Man kann alle Leute einige Zeit
zum Narren halten und einige Leute die ganze Zeit -
aber alle Leute die ganze Zeit zum Narren halten, das kann man nicht.
Abraham Lincoln