Ob das wirklich eine Neuigkeit ist? Ich denke, der "Trick" ist älter als die EU. Schlimm ist, dass man die Tricks auf neue Leuchtmittel anwendet - und in viel schlimmerem Maße. Legale Schummelei? Kann doch nicht wahr sein!
Die Nachricht erinnerte mich an meine Studienarbeit. Als ich anno Tobak eine Studienarbeit brauchte, fragte mich ein Professor, ob ich einen Computer programmieren könnte. Ich konnte. So kam ich dazu, eine sehr, sehr wichtige Größe zu berechnen. Ich sollte eine Strahlungsfunktion mit der Kurve der Augenempfindlichkeit multiplizieren. Ich war verblüfft, das sollte so wichtig sein? Der Prof. sagte, ja. Das sei sehr wichtig. Damit würde man eine aus Sicht der Gesetze wichtige Konstante berechnet haben.
Warum nicht? Die Konstante nennt sich Km und gibt an, wie viel Licht ein Leuchtmittel aus wie viel Strahlung macht. Das ist sehr bezeichnend für ein Leuchtmittel. Unser Prof. war verblüfft, als er in einem Normenausschuss fragte, wie denn diese Größe berechnet worden wäre. Ihm erklärte man, dass ein Herr XX die Größe mit einem Rechenschieber berechnet hätte. So etwas gab es wirklich, hatte aber mit Schiebung nichts zu tun, eher mit Rechnen. Und wer bitte schön, hat nachgerechnet? Die Antwort war noch verblüffender: "Herr XX rechnet doch immer richtich".
Das wollte unserem Prof. nicht in den Kopf. Professoren sind nämlich eigensinnig. (Umgekehrt gilt nicht, dass jeder Eigensinnige ein Professor sei.) Er fragte mich, ob ich die Aufgabe annehme. Ich wollte. Erst musste aber ein Rechner gefunden werden, was nicht so leicht war, denn damals wurden Computer nicht über den Ladentisch verkauft und kosteten Millionen - Mark und nicht etwa Peseten. Die Wahl fiel auf Ingo Rechenberg, damals noch nicht Professor, nicht einmal Doktor, aber interessiert an der Evolution der Natur.
Die Berechnung ergab, zu unserer Verblüffung, dass der genormte Wert um 10% falsch lag. Ergo: Aus den Lampen kommt 10% zu wenig Licht.
Ob Zufall oder nicht, die Zahl "10%" begegnete mir etwa 10 Jahre später bei der Planung von Beleuchtung von einigen Büros. Man musste die erforderliche Zahl von Lampen berechnen und darauf 10% aufschlagen. Warum? Das erklärte mir einer, der es besser weiß als die meisten Fachleute. Ist aber besser, seinen Namen nicht zu nennen.
Die Antwort war auch verblüffend: Die Lampenhersteller geben falsche Daten an. Damals hieß die EU nicht einmal EG, sondern EWG. Da der Name W wie Wirtschaft enthielt, hat sie damals solche Nachrichten wie die heutige nicht verbreitet. Ich denke, die Sache ist schlimmer als mit den geschönten Abgaswerten von Autos. Denn man berief sich auf Toleranzen. Aber darunter versteht man mal auf, mal ab, aber nie immer in die gleiche Richtung.
Man kann so etwas nicht Schummelei mit Toleranzen nennen. Das StGB, für einschlägige Kreise Strafgesetzbuch, kennt für eine Irreführung mit Vorsatz nur einen Namen, der aber nicht Schummelei heißt.
Schlimm ist die Sache allerdings nicht allzu. Denn man kennt sie und rechnet entsprechend nach. Ich denke, alle Planungsprogramme berücksichtigen das. Was sie nicht kennen, ist das Schummeln mit dem Spektrum. So hat das Auge die größte Empfindlichkeit bei Grün-Gelb. Wenn eine Lampe ihr Licht in diesem Bereich abgibt, besitzt sie eine imposante Effizienz (Lichtausbeute). So schießt die nahezu monochromatisch ausstrahlende Natriumdampflampe (Niederdruck) den Vogel ab. Fragt sich, was man mit deren Licht machen kann. Vielleicht Gruselkabinett beleuchten? Halloween wäre auch eine Anwendung, leider nur für eine einzige Nacht im Jahr. Etwas besser geht es mit der Schwester, der Hochdrucklampe mit Natrium. Wer nachts über Belgien fliegt, der sieht die ganzen Autobahnen in das fahle Licht der Natriumdampfhochdrucklampe gehüllt.
Der Verantwortliche dafür wollte die Lampe auch im Innenraum verwendet sehen, wegen der großen Effizienz. Die Lampe entwickelt aus wenig Watt viel Lumen, so wie man in Holland aus wenig Erde viele Tomaten zieht. Die haben aber, wenn auch keinen Geschmack, wenigstens Farbe. Deswegen hatte einst dieses hohe Tier von einer Lampenfabrik dieses Prachtstück in die Innenraumbeleuchtung einbringen wollen. Was freilich misslang, weil mein damaliger Chef dem Mann androhte, die Lampe zuerst im Raum dessen Sekretärin zu installieren. Wir als Studenten frotzelten, man könnte doch die Mädels von der Straße des 17. Juni damit vertreiben, weil entweder diese, die Mädels, wie bleiche Geister aussehen würden, oder die Freier wie Zombies. Auf jeden Fall wäre der Liebesbazaar zu Fall gekommen, weil keine Liebe zustande.
Aber auch solche Dinge kennt man und setzt die Lampen halt dort ein, wo sie eher nützen denn schaden. Schlimm wird allerdings, wenn sich die Energiesparer auf den Plan gerufen fühlen. Die Lampe mit dem grauenhaftesten Licht ist nämlich die einzige mit der Bezeichnung A+++. Da sage mal einer, man wüsste nicht, was Effizienz heißt.
Solche Naseweiße, und nicht nur die führen die LED-Hersteller an dem Nasenring durch die Manege. Man schummelt eine hohe Lichtausbeute vor, indem man das Spektrum Richtung grün verlagert. Rechnerisch mehr Licht, praktisch Grünstich bzw. das Gegenteil der Effizienz, vergleichbar damit, dass man mehr Wasser in die Suppe tut und meint, man hätte mehr Suppe. Zwar sind die LED-Hersteller hauptsächlich in Asien beheimatet, sie sind aber bei den westlichen Herstellern in die Schule gegangen, die ihnen das vorgemacht haben, als sie die Dreibandenlampe "effizient" machten. Damals wurden die drei Leuchtstoffe so gewählt, dass rechnerisch viel Licht rauskommt, praktisch eine miserable Farbwiedergabe. Und die hat man auch noch geschönt, indem man Testfarben gewählt hat, die es nicht gibt. Und so, dass ein möglichst hoher Wert herauskam. Und damit die "effiziente" Lampe nicht drittklassig erscheint, wurde - Achtung Geniestreich - das Klassemang entsprechend geändert: Es gibt 1A (>90), 1B (80 - 89), 2A (70 - 79), 2B usw. Und unsere Natriumdampflampe, die ansonsten 6-klassig wäre, belegt einen respektablen 4. Platz.
So werden Champions gemacht!
Heute gab es für mich ein Wiedersehen mit einer Erscheinung aus meiner Jugend. Eine seligmachende war die Erscheinung indes nicht. Eher eine Malaise traf ich wieder. Anno Tobak, als der selige B. Kühl im Osram-Labor Entladungslampen mit toller Farbwiedergabe zusammentüftelte, wollte ich 4 (in Worten: vier) gleiche Lampen (des gleichen Typs) bekommen, damit ich ein großes Modell aus vier Richtungen so beleuchten konnte, dass man alle Teile in gleichem Licht sieht. An sich kein Problem, wenn man mit Glühlampen arbeitet. Man kauft vier Stück im Kaufhaus ein, Pardon man kaufte …, und schraubt die in vier Fassungen. Fertich!
Nicht so mit den begehrten Lampen, Halogenmetalldampflampen, kurz HCI bei Osram, CDM bei Philips und HSI bei Sylvania, in denen die Gasentladung mit vielen chemischen Mitteln "angereichert" wird, damit das gewünschte Spektrum entsteht. Mit Glühlampen konnte ich damals nichts anfangen, weil die zwar eine exzellente Farbwiedergabe haben, Ra = 100, die aber den Fernsehleuten nichts sagte. Eine Glühlampe hat nämlich eine exzellente Farbwiedergabe, wenn man sie mit einer Glühlampe vergleicht. Die Fernsehleute wollten aber das Licht mit dem Tageslicht verglichen sehen.
Kein Problem, wenn man den Großmeister und seine Küche persönlich kennt. Oder doch? Ich durfte mich an ein Los Lampen setzen und mir gleiche aussuchen. Man erklärte, dies sei der Innovation geschuldet, schließlich seien die Lampen erst vor fünf Jahren erfunden worden. So lange ist es her. Man erzählte mir, mein Eindruck sei subjektiv (Was sind Eindrücke sonst?) und das Problem wäre keins, weil man ein 100-prozentige Ausgangskontrolle hätte. Seitdem sind 45 Jahre vergangen, man kann immer noch unterschiedliche Lampen aus dem gleichen Los ziehen, so man die Lampen überhaupt findet. Es gibt nämlich jetzt LED!
Ach, ja! Da geht es gleich los mit Los ziehen … Da die Sache jetzt Methode hat, hat sie auch einen Namen: Binning. Bin heißt auf English Mülleimer, Abfallbehälter, Papierkorb u.ä. Binning ist auf Denglisch das, was Aschenputtel macht, die Guten ins Töpfchen, die Schlechten … Aber nicht doch! Man schmeißt nichts weg. Immer wenn man einen Fertigungsprozess nicht voll beherrscht, sucht man sich die Guten raus und verkauft die als Premiumware. Schlecht ist nix, sondern mehr oder weniger von der Spezifikation abweichend. Früher suchte man so Messgeräte aus, später Transistoren, Prozessoren, Solarpaneele, und sogar Zigarren (Davidoff und Petite) und Seidenteppiche. Auch Menschen werden so sortiert. Wenn ein Kind zwei Elternteile hat, die beide Arbeiter sind, stehen seine Chancen, in die gymnasiale Oberstufe zu kommen, bei 20%, bei Kindern von Angestellten steigt die Rate auf 50%. Wenn beide Eltern Beamte sind, muss man ganz schön blöd sein, um nicht in den Olymp zu kommen, die Chancen stehen bei 84%. Nicht von schlechten Eltern! Warum soll man LEDs nicht genauso bewerten?
Warum nicht? Man hat eh keine Wahl. So werden weiße LED in vier "bins" einsortiert. Und wo liegt das Problem? Es gibt sogar Standards dafür. Dumm ist nur, dass sich LED aus dem gleichen Los in mehreren Eigenschaften (ungewollt) unterscheiden können, so auch im "Spektrum" und "Intensität". Dahinter stecken leider etwas kompliziertere Eigenschaften. Man versucht, LEDs mit der gleichen farblichen Erscheinung des Lichts zu finden. Die als relevant angesehene Größe ist die "Farbtemperatur". Die hat mit der Temperatur eigentlich wenig zu tun und ist zudem irreführend definiert. Ein "kälteres" Licht hat eine höhere Farbtemperatur als ein "wärmeres".
Das ist aber nicht ganz so gravierend wie eine Eigenschaft des menschlichen Auges, die Diskriminierungsfähigkeit z.B. für Kontraste, Farben oder Helligkeiten. Nennt sich Unterschiedsempfindlichkeit. Und die ist am höchsten, wenn die verglichenen Objekte oder Flächen aneinander stoßen. Und dummerweise viel höher als bei der Methode der Messung der Farbtemperatur. Die ist nämlich definiert für Wärmestrahler und wird auf andere Lichtquellen angewandt mit einer mehr oder weniger großen Genauigkeit. Man spricht von der "ähnlichsten" Farbtemperatur. Ähnlichst muss aber nicht ähnlich heißen. Bei LED oder Lampen mit vom Wärmestrahlern stark abweichenden Spektren kann man eher von Missbrauch sprechen. Wie weit sich die Farben bei gleicher Farbtemperatur unterscheiden dürfen, wurde vor einer Ewigkeit veröffentlicht. Guckt sich wer solche Diagramme kritisch an? Bestimmt nicht, sonst würde der Hauptbahnhof in Stuttgart in November 2015 nicht so aussehen:
Lieber Lichtplaner, kommst Du an einem Los LED vorbei, achte darauf, wie fein das Binning war, auch wenn das Verfahren von manchen vor fast einem Jahrzehnt für tot erklärt wurde. Die Preisunterschiede sind nicht hoch, sondern exorbitant hoch, wenn man in dem Töpfchen (fast) identische Exemplare finden will. Man kann aber. Ganz Kluge suchen einen intelligenten Ausweg, indem sie bei der Planung der Unzulänglichkeit der Technik ausweichen. Wie einst der Konzern VW, als man nicht in jedem Werk die exakt gleiche Farbe für die Käferteile vorhalten konnte. Worin der Trick besteht, kann man gleich erkennen, wenn man sich die Karosserie eines alten Käfers anschaut.
Heute hatte ich Zeit, das Februar Heft von High Light zu lesen. Ich hatte mit einem Freund gewettet, dass wir keinen Beitrag ohne LED darin finden würden. Bingo! Wär´ auch ein Wunder. Die eignen sich doch bestens als Highlight …
Ein Autor, ein Key Expert von einem der Key Suppliers (Pardon!) versucht sich in Effizienz. Er meint, dass die LED aufgrund diverser Vorteile ein integraler Teil der Allgemeinbeleuchtung sei. Seit geraumer Zeit sei die Effizienz höher als bei "konventionellen" Lichttechnologien. Dann fragt er sich "Wie wird die Effizienz jedoch definiert?"
Das frage ich mich auch. Der Mann hat einen grenzenlosen Humor: "Spricht man umgangssprachlich von der Effizienz von Lichtquellen, so ist meist die Lichtausbeute gemeint." Seit wann redet der Volksmund von Effizienz? Der sagt bestenfalls, "taucht nix, saugt zu viel Strom" oder ähnlich. Dann beschreibt der Autor, was man auch vor 40 oder gar 50 Jahren über die V(λ)-Kurve, das Strahlungsspektrum der Lampe und der Lichtausbeute gelernt hat. So etwa sinngemäß, "setzt Du blaue Lampen ein und willst rotes Licht, kriegst nicht viel raus." (Nicht genau, aber eine ähnliche Story hatte der selige Prof. Helwig auf Lager aus der Zeit, als das blaue Licht deutscher Polizeiautos festgelegt wurde. Da waren die Lampen eher rot und die Signalleuchte sollte blau leuchten.) Dann kommt es: Weil (oder wenn) man zum Erzeugen von weißem Licht blaue LEDs einsetzt, sind sie dann effizient, wenn die Farbtemperatur höher ist. Wär´ ich nie auf die Idee gekommen.
Will man eine gute Farbwiedergabe haben, muss man halt mit einer geringeren Effizienz leben. Der lichttechnische Volksmund kannte dies auch von den konventionellen Lichttechnologien, hat das ganze nur nicht so geschwollen ausgedrückt. "Bisherige Lampentechnik" hätte vollauf genügt.
Der Autor erzählt weiter: "LED wurden im Laufe ihrer Entwicklung immer heller und damit immer effizienter. In manchen Anwendungen ist aber eine höhere Effizienz nicht unbedingt notwendig. Warum ist die Nachfrage nach immer helleren und effizienten LED dennoch so groß? Ein Grund ist gewiss, dass effizientere Leuchtdioden die Kosten auf Systemlevel signifikant reduzieren können." Wenn man nur wüsste, was Systemlevel ist und welche Kosten der Mann meint.
Wenn er gewusst hätte, was ich unter Systemlevel verstehe wie viele andere, hätte er sich den ganzen Artikel sparen können. Auch seine Altvorderen sind vor einiger Zeit in Brüssel vorstellig geworden, weil die "Effizienzexperten" der EU-Kommission Lampen für sich betrachten. Eine Effizienz von Lampen allein zu betrachten, sei Unsinn, lautete deren Argument. Ist es auch! Während man eine Edison-Funzel einfach in eine Fassung schrauben kann, die selbst an einer Strippe von der Decke hängen darf, muss man für andere Leuchtmittel eine formidable Elektronik betreiben. Immer hellere und "effizientere" LEDs freibrennend zu betreiben, kommt einer vorsätzlichen Körperverletzung gleich - oder ist eine Körperverletzung -, ergo muss man sie in Leuchten packen und eventuell auch indirekt betreiben. Baut man die Leuchten falsch, geben die LED den Geist sehr schnell auf, nachdem sie ganz schön ineffizient gelebt haben. Sprich geringere Lichtausbeute, wildes Flackern gegen Ende der (kurzen) Lebensdauer etc. bis Exitus! Da haben die konventionellen Lichttechnologien, so z.B. Glühlampen oder Leuchtstofflampen sogar unschlagbare Vorteile, sie gehen einfach aus. Hingegen leuchten in LED-bestückten nicht-konventinellen Lichttechnologien viele Elemente munter weiter, während manche dunkler werden und andere flackern. Die ganz dunklen toten LEDs runden das Erscheinungsbild eindrucksvoll ab. (mehr hier)
So gesehen ist der Artikel erst einmal für die Katz. Schlimmer ist aber das Fehlende in dem Artikel: Die Eignung, sprich Gebrauchstauglichkeit. LEDs mit hoher Leuchtdichte eignen sich wie gesagt als Highlight, damit macht man Dekoration und keine Allgemein-Beleuchtung. Der Architekt setzt "Lichter", um Glanz in eine Szenerie zu bringen, der Fotograf tut dasselbe, um Gesichter zu beleben. OLEDs weisen hingegen geringe Leuchtdichten auf und eignen sich besser als Leuchtmittel für Allgemeinbeleuchtung. Leider sind sie halt nicht so "effizient". Schert man LEDs im Allgemeinen, und OLEDs im Speziellen, über denselben Kamm, schneiden die letzteren schlecht ab. Somit würgt man durch Vorstellungen, die schon immer falsch waren, eine vielversprechende Technologie ab.
Dieser Effizienzartikel ist neuer Wein in alten Schläuchen. Leider kein Highlight! Ich wäre als Lichttechniker stolz, den Begriff Lichtausbeute zu verwenden, den diese Technik seit Ewigkeiten verfolgt und pflegt, während anderen das Wort "Effizienz" erst neulich ein Begriff zu werden scheint.
In den 1990er Jahren hatte ich eine wissenschaftliche Studie erstellt, deren Ergebnis niemand lesen wollte. So etwas soll es öfter geben. Z.B. dann, wenn eine Studie nicht nur eine Misere aufdeckt, sondern auch noch die Täter entlarvt. Dummerweise gehörten die Täter zu meinen Auftraggebern im entferntesten Sinne. Anlass war die ganz große Studie "Licht und Gesundheit", die wir im Jahre 1990 veröffentlicht hatten. Eine Sache darin will mich bis heute nicht in Ruhe lassen: Frauen in deutschen Büros fühlten (und fühlen) sich mehr gesundheitlich beeinträchtigt durch mangelnde Farbe als Männer. Aber warum? Kann Farbe überhaupt Gesundheit beeinträchtigen?
Durch viele Messungen in mehr als eintausend Arbeitsräumen hatte ich festgestellt, dass fast alle Gegenstände in den Büroräumen grau waren, Computer, Bürotische, Kopierer, Telefone und und und. Na, ja, man braucht dazu keine einzige Messung, man sieht es auch so. Ich wollte aber die Mechanismen entdecken, die zu diesem Grau geführt hatten. Dazu muss man wissen, um welche Schattierungen von Grau es sich handelt. Und welche Schattierungen der institutionellen Entscheidungsfindung dazu geführt hätten.
Der erste Verdächtige, die Verantwortlichen für die Beleuchtung, schied ziemlich schnell aus, weil nicht zuständig. Die Lichttechnik fühlt sich zwar für die Farbwiedergabe zuständig, aber nicht für die Farbgebung. Daran ändert sich relativ wenig, dass die Festlegungen in den Normen (Ra > 80) Grenzwerte angeben, die grenzwertig sind. Zudem gibt es international führende Lichttechniker, die weitaus schlechteres (Ra = 70) toll finden. Wer war es dann?
Vier Haupttäter habe ich dann ausfindig gemacht, davon war einer der Konzernchef höchstpersönlich. Bei zwei handelte es sich um Vorstandsgremien, während der letzte Haupttäter gar keine Person war, sondern "die Gepflogenheiten der Branche". Unabhängig davon gab es zwei Versionen von Grau, warm oder kalt. Da kann man noch so gute Farbwiedergabe für die Lampen vorsehen, die Bude sieht triste aus.
Eine Kurzfassung der Studie sollte unter dem Titel "Wie kommt das Grauen in deutsche Büros" veröffentlicht werden. Die Zeitschrift Licht schloss ich erst einmal aus, weil deren Leser mit dem Ergebnis relativ wenig anfangen konnten. So erschien der Beitrag in einer Bürozeitschrift, deren hauptsächliche Leser bei Bürofachhändlern zu finden waren bzw. in deren Räumlichkeiten ein- und ausgingen. Eine Herzensangelegenheit war das allerdings nicht, weil die Bürofachhändler diese grauen Möbel verkaufen mussten bzw. gerade wegen ihrer Verkaufspolitik zu den Haupttätern zugezählt werden müssten. Und die, die Verkaufspolitik lässt sich leider nicht ändern. Denn diese wird hauptsächlich durch die Wünsche des Kunden bestimmt. Ist etwa der Kunde die Quelle des Grauens?
Gewissermaßen, ja. Er weiß es aber meistens nicht. Alle Haupttäter, die ich identifiziert hatte, hatten mit Rücksicht auf den Kunden gehandelt, obwohl ihre Aktionen nicht abgestimmt waren. Die zwei größten, IBM und Siemens, waren mit Maschinen und Computern auf allen fünf Kontinenten unterwegs, und wussten, dass die Völker der Welt unterschiedliche Farben lieben. Ergo? Man macht die Geräte schwarz, und die sehen chic aus! Dann kam die Ergonomie und sagte, schwarz ist zu dunkel. Und dann? Den Produktgestaltern von Siemens wurde aufgegeben, schwarz-grau zu wählen, z.B. schwarz die Tastatur, grau das Gehäuse. Bei der nächsten Gerätegeneration dann umgekehrt. Toll! IBM war noch schlauer und ordnete an, dass kein IBM-Gerät in keinem Land den dortigen Vorschriften widersprechen möge - das Ziel verfolgt die Firma mindestens schon seit dem Krieg - Ergo: Grau mit einem Reflexionsgrad von fast genau 0,42. Kieselgrau, um sehr genau zu sein. Die besagte Bürozeitschrift machte daraus Computerschmuddelgrau, weil mittlerweile auch viele andere Computermacher auf den Zug aufgesprungen waren. Etwas völlig anderes verfolgte indes die Firma Nixdorf. Deren Gründer des gleichen Namens war überzeugt davon, dass Menschen Computer nicht hell begeistert aufnehmen würden. Deswegen mussten die sichtbaren Geräte grau sein. Und vor allem so klein wie es geht.
Der letzte Haupttäter, "die Gepflogenheiten der Branche", hatte erlebt, wie Büroorganisatoren, die Ende der 1960er Jahre angeregt durch die Schockfarben, die damals Kleidung, Autos und auch noch Köpfe der Menschen zierten, im Büro durchgefallen waren. Wer neue Möbel kaufen wollte als Erweiterung der alten Beschaffung, bekam seine Möbel häufig in anderer Farbe oder in Melamin ohne Aufpreis. Damit war das Farbkonzept futsch, so es überhaupt existiert hat. Die Käufer, meist Büroorganisatoren, sind Menschen mit bestimmten Eigenschaften: Männer. Fast alle Farbenblinden der Welt gehören diesem Geschlecht an. Zudem sind sie in vielen Berufen seit Jahrzehnten sozialisiert und konditioniert durch die farblichen Anforderungen an ihre Kleidung, nämlich keine. Während Frauen das "kleine Schwarze" nur für bestimmte Anlässe anziehen mussten, zum Tanztee z.B., waren Angehörige bestimmter Berufe gezwungen, sich grau zu kleiden, so auch Elektriker, Fernmeldetechniker, Vorstandsfahrer u.v.a.m. Andere waren aus rein praktischen Gründen von der Mama so ausstaffiert worden. Zu denen kamen viele, viele hinzu, die dasselbe wollten wie Nixdorfs Computer: Nur nicht auffallen.
Jetzt schreiben wir das Jahr 2015, und IBM stellt keine sichtbare Computerhardware mehr her. Siemens hat die Sache mit der Computerei gar ganz an den Nagel gehängt, Nixdorf ist in den ewigen Jagdgründen eines Computermuseums angekommen, und Büroorganisatoren mit dem Erfahrungsbackground der Schockfarben sind nicht mehr aktiv. Apple hatte ab 1998 die Computerwelt mit Farben (iMac) in einen Schockzustand versetzt und die Pleite abgewendet, aber kurz darauf sogar die Farben des Regenbogens aus dem Firmenlogo entfernt. Und wie sieht das Büro von Heute aus? Noch grauer als einst! Jetzt ist das Graue nicht weit entfernt vom Menschen, sondern direkt vor´m Kopp: Der Akustiker macht es! Die Büros werden mit allerlei Brettern ausgestattet, die den Schall dämmen oder dämpfen sollen. Und die sind fast alle grau. Warum? Aus dem gleichen Grunde wie bei den Büromöbeln (außer Bürostühlen).
Und das macht der Lichtqualität den Garaus, so sie überhaupt vorhanden war.
… oder "Philips im Rotlichtbereich" lauteten die Überschriften in den heutigen Börsennachrichten. Philips trennt sich nach Ewigkeiten vom Bereich Licht. Dabei denkt jeder, der in Deutschland an Licht denkt, an Philips, Osram, Siemens, AEG … Die Reihenfolge könnte von Person zu Person etwas anders ausfallen. Ich denke an Philips + AEG, da die letztere Firma in Sachen Licht gut bei Philips untergekommen war.
In den 1960er Jahren hatte Philips die Führerschaft in Sachen Lichtanwendung und Normung beanspruchen dürfen. Als OSRAM Anfang 1970 schwächelte, sah sich Philips oben. In Sachen Anwendungsforschung für Beleuchtung fällt mir immer wieder Philips ein. Beim Lesen der Börsennachrichten leuchteten bei mir rote Alarmlampen auf, oder soll ich lieber von Alarmglocken sprechen. Unser Berufsbild ist in Gefahr, auch wenn Philips beteuert, die neue eigenständige Lichttochter werde Philips heißen, also nicht (völlig) enterbt werden. Man will sie abtrennen, damit sich auch andere Investoren daran beteiligen können.
Erst mal soll die Amputation 400 Mio Euro kosten, was nicht gerade für ein lukratives Geschäft spricht. Siemens hatte OSRAM immerhin nur verschenkt. Ich denke, dass die Ursache wieder bei dem Wort LED zu suchen ist. Die Revolution frisst ihre Eltern. Mal sehen, wie die Sache weitergeht. Gut?
Die Gefahr für den Lichttechniker liegt schlicht darin, dass andere das Sagen haben werden, und am Ende des Jahres des Lichts dessen Techniker ein Stück ärmer dastehen. Es ist bestimmt nicht das letzte Drama seiner Art. Ich denke da an die Szene mit den Kameras. Die einstige Domäne der Deutschen hatte Japan im Sturm erobert, bis nur noch Liebhaberstücke als Produkt übrig geblieben waren, Leicas. Noch vor drei Jahren machten sie ein gutes Geschäft mit Consumer-Kameras. Jetzt nicht mehr, alles im Handy. Videokameras? Im Handy! Meine Stereoanlage? Im Handy, ich brauche nur noch den Verstärker und die Boxen. Videorecorder? Im Fernseher! Fernseher? Ich brauche nur noch ein Display, den Rest macht mein Apple TV und eventuell ein Receiver. Eigentlich habe ich mein Display am Computer, den Receiver drin, die Boxen unter dem Display. Wer nur Bum Bummm-Musik hören will und sich im Dschungelcamp wohl fühlt, braucht keine Consumer-Elektronik mehr. It´s a Sony? Es war eine Sony!
Weiß einer noch, wie Büromaschinen aussahen? Nicht mal in den historischen Ausstellungen ihrer Hersteller kann man sie bewundern, weil die Hersteller auch die ewigen Jagdgründe aufgesucht haben. Die üblichen Verdächtigen der Computerszene des letzten Jahrhunderts sind fast alle tot, oder sie haben sich neu erfunden, siehe IBM. Das Sagen haben andere, über die man Ende 1980er Jahre noch lachen konnte. Wohin der Weg der Lichttechnik mit LED gehen wird, ist relativ gut vorgezeichnet. In Halbleiterbuden, die natürlich nicht mehr Buden heißen werden. Wie man den Weg bis dahin zurücklegen will, ist mir hingegen nicht klar. Bereits heute kann man allenthalben sehen, wie die guten Sitten den Bach runter gehen. Lebensdauer? 50.000! 50.000 was? Manchmal Stunden, kann aber auch Minuten sein, wenn man die Module falsch einbaut. Lichtfarbe? Ähemm! Müssen wir neu definieren. Farbwiedergabe? Die alten Vorstellungen passen nicht mehr. Am besten neue entwickeln. Leuchtdichte? Schwierig zu messen. War schon mit der alten Technik schwierig genug, sodass die Angaben aussagefähig etwa wie Hausnummern waren. Jetzt ist es etwas schlimmer geworden. Lichtstrom? Messen können wir schon. Bloß weiß ich nicht, was die Nummer auf dem Messgerät besagt.
Was wir jedenfalls garantiert erleben werden, ist das Verständnis für das Wort Technologie. Technik ist, wenn eine Lampe leuchtet. Technologie ist, wenn man aus Glas, Metall, seltenen Erden, viel Papier (Normen, Kataloge ...), viel Software und viel ungeschriebenem Wissen eine angenehme Beleuchtung zaubert. Die wird aber künftig von anderen gemacht werden.