14.11.2024
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Wer Geschichte schreiben will, muss sich warm anziehen. Das hatte sich ein gewisser Napoleon Bonaparte sagen lassen, als er gen Moskau zog. Doch seine Mannen kamen geschlagen zurück, wenn überhaupt. Deren traurige Geschichte ist nicht nur bei Leo Tolstoj zu lesen, sondern auch in einer der berühmtesten Grafiken der Geschichte. Später wolle ein gewisser Adolf H. dasselbe, ohne es aber Napoleon nachmachen zu wollen. Dieser war der Erfinder des schnellen Kriegs. Durch ihn wurde ein deutsches Wort ein Lehnwort in Englisch: Blitz wie Blitzkrieg. Er zog auch gen Moskau, so überzeugt vom Blitz, dass er seine Mannen in Sommeruniformen losschickte. Von insgesamt 18 Millionen Soldaten, die der GRÖFAZ - Größter Feldherr Aller Zeiten - in den Krieg warf, kamen 6 Millionen nie wieder heim. Napoleon war da schlechter. Er war mit 422.000 Mann Ende Juni 1812 losgezogen. Gen Weihnachten kam er mit 4.000 Mann heim. Nur 1 % seiner Krieger hatte den Feldzug überlebt.
Ein Feldzug mit zivilen Mitteln, aber viel mehr Menschen betreffend, sollte die Nacht- und Schichtarbeit revolutionieren. Dazu sollte das neue bzw. neu aufgewärmte Wissen über die circadianen Rhythmen des Menschen als Vehikel dienen. Dieses besagte, dass man mit Licht die Rhythmik der menschlichen Hormone steuern könne. Erwiesen durch die Arbeit von Rosenthal et al 1984 (hier). Ergo: Man mache mit viel Licht die Nacht zum Tage, nicht die in Bars oder sonstigen schrägen Etablissements, sondern in der Physiologie des Arbeiters. Zwar hatten die Autoren der Originalarbeit die Therapie einer Krankheit im Sinn, die die Menschen dieser Tage im November alljährlich befällt, aber in der Lichttechnik ist science faction eine legitime Methode. Das ist, wenn man eine wahre wissenschaftliche Erkenntnis mit einer Marketingidee kreuzt. So sollten Mitarbeiter eines Autowerks, Volkswagen, mit einer Methode nachts sicherer arbeiten, die sonst dazu dient, die Winterdepression zu heilen, die durch Lichtmangel entsteht.
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So wollte auch der deutsche Volkswagen Konzern die neue Erkenntnis nutzen und führte ein Großprojekt durch, bei dem die Nachtschicht mit 2000 lx beleuchtet wurde, um die Mannschaften wach zu halten. Die Betriebsärztin Angelika Guth war begeistert: „Es gibt Hinweise, dass sich die innere Uhr von Schichtarbeitern mit Licht umstellen lässt.“, berichtete das Hamburger Abendblatt am 3. Januar 2004 (hier). "Wenn wir die Nacht zum Tag machen, müssen wir den Tag zur Nacht machen", sagte Guth. Auch wenn Frau Dr. Guth bereits ein Jahr danach nicht mehr auf diese Studie angesprochen werden wollte, blieb es bei der Motivation des Lichtmarketing bis heute: Schichtarbeit mit viel Licht ändern.
Der Initiator der Idee war ein anderer großer deutscher Konzern: Siemens. Dieser hatte damals noch etwas Interesse an Licht, durch das er groß geworden war. Aber noch mehr an dem Stromverbrauch durch Licht, an dem er viel verdient hatte. Denn der Firmengründer war, wie auch sein größter Konkurrent Edison, ein Systemmensch und verdiente nicht etwa an Lampen allein, sondern an Leitungen und Kraftwerken, die man dazu brauchte.
Gegen diese Studie gab es mindestens einen Widersacher, der die Beteiligung an dem Projekt unmittelbar abgelehnt hatte. Das war der Professor für Arbeitspsychologie Nachreiner. Nicht dass er etwas dagegen hätte, dass die physiologische Wirkung der Nacharbeit gemildert werden sollte. Als Experte für die Nacht- und Schichtarbeit wusste er, dass diese immer den Körper belastet. Aber ebenso schlimm oder schlimmer sind die sozialen Auswirkungen auf Familie, Freunde u.ä. So hatte Professor Nachreiner u.a. Optimierungsprogramme für Schichtpläne entwickelt, die die sozialen Wirkungen minimieren.
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Neben Nachreiner hatte auch ich meine Bedenken. Aber nicht wegen der Physiologie, da ich eine Eigenschaft habe wie nur wenige Menschen: von Geburt an war mir die circadiane Wirkung egal. Ich kann schlafen, wann es geht, aber auch tagelang wach bleiben. Das können rechnerisch maximal 20% aller Menschen vom Chronotyp Eule, davon bin ich die extremste. Der größte Teil der Menschen gehört zu den Lerchen. Diese und auch die "Normaltypen" stehen zur gleichen Zeit auf, egal was sie in der Nacht davor getan haben. Daher findet man in Warten und Leitständen fast nur Eulen. Aber so viele Eulen, wie die Gesellschaft braucht, gib es aber nicht. Außerdem weiß ich nicht recht, ob man etwa die Polizei oder die Gewerbeaufsicht nur mit Eulen bestücken sollte.
Meine Bedenken waren daher eher technischer Art. Ich mag keine Studien, die auf Beleuchtungsstärken beruhen, weil dieser Begriff eine künstliche Größe bezeichnet. Die Beleuchtungsstärke ist erfunden worden, um alles Licht, das sich in einem Punkt auswirkt, ungeachtet seiner Quellen und deren Eigenschaften in eine Messgröße zu fassen. Nur wer gelernt hat, was dabei alles unberücksichtigt bleibt, Blendung, Richtung des Lichteinfalls, Modellierung von Gesichtern, Lichtfarbe, Farbwiedergabe, Leuchtdichte und und und, kann damit umgehen. Dass ausgerechnet die physiologischen Auswirkungen auf die Körperhormone an der Beleuchtungsstärke des Arbeitsplatzes gemessen werden sollten, wollte mir nicht in den Kopf.
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Es gibt einen eindeutigen Nachweis dafür, dass die lichttechnische Industrie den Versuch im Volkswagenwerk als Vehikel benutzen wollte, helles Licht allgemein zu propagieren, als Heilmittel, vielleicht sogar als Allheilmittel. Das Projekt wurde der deutschen Öffentlichkeit nicht etwa durch eine Fachzeitschrift für Produktionstechnik präsentiert, sondern durch die Bürozeitschrift Mensch und Büro. Wer nicht gutgläubig alles abnimmt, was ihm vorgesetzt wird, fragt sich, was eine Bürozeitschrift wohl mit Schichtarbeit zu tun hat. Zu der Präsentation war Nachreiner nicht eingeladen. Er wäre vermutlich auch nicht gekommen, weil er den Versuch bereits methodisch unterirdisch gefunden hatte. Als Moderator hatte Mensch und Büro mich vorgesehen. Das war der Industrie aber nicht genehm. Sie argumentierte, ein prominenter Fernsehmoderator von Wissenschaftssendungen wäre angemessen für das historische Event. So wurde Karsten Schwanke zum Moderator gewählt. Immerhin der Moderator von "Abenteuer Wissen", einer Sendung, die zuvor von Wolf von Lojewski präsentiert worden war, und Schwanke eine Goldene Kamera für "Beste Information Wissensmagazine" einbrachte. Dieser verdiente viel später eine "Medaille für naturwissenschaftliche Publizistik" der Deutschen Physikalischen Gesellschaft.
Die Wahl von Karsten Schwanke zeigt den Stellenwert, den die Industrie dem Projekt beigemessen hat. Nur kurz danach wurde das großartige Werk begraben. Was war der Grund? Jedenfalls nicht meine Bedenken bezüglich der Beleuchtungsstärke. Diese haben die Lichtplaner wohl so hinbekommen. dass in keiner Publikation von Blendung die Rede war. Die circadiane Rhythmik der Arbeiter wurde auch um Stunden verschoben. So gesehen ein Erfolg. Das einzig Dumme war, was Nachreiner beanstandet hatte. Die Arbeiter mussten nach der Nachtschicht im Dunkeln nach Hause fahren, damit die Verschiebung durch die dumme Sonne nicht wieder zurück verschoben wurde. Dann war da noch eine Kleinigkeit: Es mussten Nachtschichten drei Wochen in Folge durchgehalten werden. Und zwischendurch musste der Arbeiter tagsüber nur mit einer Sonnenbrille herumlaufen.
Zu praktisch, um in die Geschichte einzugehen!
01.04.2024
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Wenn man wissen will, was die Leute unter einem gesunden Licht verstehen, muss man nur die KI fragen. Sie listet alles auf, was uns als gesund erzählt wird. Immerhin liegt die KI nicht so weit weg von der Wahrheit: "Gesundes Licht ist Licht, das dem natürlichen Tageslicht so nah wie möglich kommt und somit die Bedürfnisse des menschlichen Körpers und Geistes optimal unterstützt. Es zeichnet sich durch folgende Eigenschaften aus: 1. Natürliches Lichtspektrum: …" So weit, so gut. Danach spinnt sie etwas; "3. Hohe Farbwiedergabe: Der Farbwiedergabe-Index (CRI) gibt an, wie gut eine Lichtquelle Farben wiedergeben kann. Ein CRI von 100 entspricht dem natürlichen Tageslicht. Gesundes Licht sollte einen CRI von mindestens 90 haben."
Gesundes Licht mit mindestens ein CRI von 90? Demnach ist fast alles in Innenräumen ungesundes Licht. Denn die meisten Arbeitsplätze muss man mit einem Farbwiedergabeindex 80 beleuchten. Es kommt aber schlimmer. Die KI sagt: "5. Berücksichtigung der Lichtfarbe: Die Lichtfarbe hat Einfluss auf die Stimmung und das Wohlbefinden." Was muss man tun, wenn man eine gesunde Lichtfarbe haben will? In die Norm gucken. Da steht geschrieben "Die Wahl der Lichtfarbe ist eine Frage der Psychologie, der Ästhetik und dem, was als natürlich angesehen wird. Die Auswahl hängt von der Beleuchtungsstärke, den Farben des Raums und der Möbel, dem Umgebungsklima und der Anwendung ab. In warmen Klimazonen wird im Allgemeinen eine kühlere Lichtfarbe bevorzugt, wohingegen in kaltem Klima eine wärmere Lichtfarbe bevorzugt wird." Wer gesundes Licht haben will, muss zusehen, was er macht.
Also sehe ich zu. Auf deutschen Websites ist man vorsichtig mit dem gesunden Licht. Aber auf englischen und amerikanischen Seiten findet man jede Menge gesunde Lichter. Die allergesündeste kostet 19,95, nicht Peseten, englische Pfund. Und macht genau das, was die Norm sagt: Farbe wechseln, weil man nicht weiß, welche Farbe in welchem Land gesund ist. Hier sind vier Phasen, die ich erwischte. Man kann die Abfolge schneller werden, irre schnell, bis man irre wird. Und das alles für lausige £ 19,95 pro Birne.
13.03.2024
Gestern hatte ich mit dem Begriff Zwielicht erklärt, warum ich nichts von einer Internationalisierung von Beleuchtungsnormen halte. Heute will ich ausführen, was aus dem Zwielicht geworden ist. Denn anders als seine Folgen ist es aus der Literatur verschwunden. Den letzten Eintrag dazu hatte ich von einem schwedischen Psychologen gelesen. Das letzte Wort hatte der selige Hajo Richter, seinerzeit der Vorstand der LiTG, gesprochen: "Glauben Sie mir, es gibt kein Zwielicht in Innenräumen."
Für mich konnte die Sache nicht so glatt über die Bühne gehen, denn meine Beratungskunden hatten mit Augenproblemen ihrer Mitarbeitenden zu kämpfen. Zwar meinten damals fast alle, die Ursache müssten die Bildschirme sein. Aber eine Lichtfirma witterte ein gutes Geschäft und behauptete, der Missetäter wäre die Beleuchtung. Deswegen müsse eine neue Beleuchtung her und ein nagelneues Gütemerkmal. Da die Sache den Computerfirmen sehr gut gefiel, sie wären damit aus dem Schneider, wurde die alte Zwielichttheorie schön wieder aufgewärmt. Auf der rechten Spalte sieht man, was die künstliche Intelligenz heute auf die Frage ausspuckt: "Wer hat die Theorie vom Zwielicht in der Beleuchtung aufgestellt". Ähnlich qualifiziert waren die Fragen seinerzeit.
Ich musste die ernst nehmen und veranstaltete eine Reihe Feldstudien, das sind Untersuchungen am Arbeitsplatz. Da die Augenbeschwerden der Menschen eher von der Klimatisierung herrühren denn von Bildschirmen, habe ich in mehreren Großraumbüros die Arbeitsplätze nummeriert, den Ort erfasst, die Mitarbeitenden zu verschiedenen Tageszeiten ( = andere Raumzonen mit Zwielicht) befragt.
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Bitte vermeiden Sie in dieser Frage die KI anzurufen. Als ich wissen wollte, wer die Sache sich ausgedacht hat, bekam ich diese wunderbaren Antworten:
Die Theorie vom Zwielicht ist ein relativ neues Konzept, das sich mit der Beleuchtung von Räumen mit künstlichem Licht befasst. Es geht darum, eine Beleuchtung zu schaffen, die sowohl die Vorteile von natürlichem Licht als auch die Vorteile von künstlichem Licht nutzt.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Theorie vom Zwielicht in der Praxis umzusetzen. Zum Beispiel können dimmbare Leuchten verwendet werden, um die Lichtintensität an die jeweiligen Bedürfnisse anzupassen.
Die Theorie vom Zwielicht ist ein wichtiger Schritt in der Entwicklung der Beleuchtungstechnologie. Sie trägt dazu bei, eine Beleuchtung zu schaffen, die sowohl funktional als auch komfortabel ist.
Das Ergebnis war eindeutig. In bestimmten Bereichen beschwerten sich die Leute signifikant stärker als in anderen. Und das in allen Fällen. Dummerweise hatte das Ergebnis nichts mit Licht zu tun. Wir deckten auf, dass in den Büros manche Stränge der Klimaanlage abgeschaltet waren, ohne dass dies jahrelang aufgefallen war. Dafür blies sie in den anderen Bereichen stärker und verursachte so mehr Augenbeschwerden. In einem Fall hatte sich die Isolierung des Gebäudes verkrümelt. Das Haus musste komplett saniert werden.
In einem eklatanten Fall hatten wir doch etwas aufgedeckt, was etwas mit Sehen zu tun hatte. Aber nur kurz. Die Klimaanlage des betreffenden Büros war viele Jahre andersherum geschaltet und hatte die Luft dort eingesaugt, wo die verunreinigte Luft ausgeblasen werden sollte. Als die Richtung umgedreht wurde, legte sich eine Staubwolke auf die Leute.
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Für mich war das Thema Zwielicht damit erledigt. Aber die glaubhafteste Quelle für Zwielicht, das Buch "Optimale Beleuchtung am Arbeitsplatz" von Prof. Erwin Hartmann, steht noch in den Bibliotheken im Regal. Schlimmer noch, viele seiner Empfehlungen führen in die Irre. So hat er ein ganzes Kapitel zu Zwielicht geschrieben, in dem u.a. dies steht: "… In ähnlicher Wewise sprechen wir auch vom Zwielicht, wenn ein Arbeitsplatz deutlicht erkennbar Licht verschiedener Lichtfarbe von zwei oder mehr örtlich getrennten Lichtquellen erhält. … " (kursiv im Original). Und weiter geht es: "Im übrigen ist es wohl selbstverständlich, daß in ein und demselben Raum keine Lichtquellen unterschiedlicher Lichtfarbe oder Farbwiedergabe verwendet werden dürfen."
Rund 50 Jahre später wissen wir, selbstverständlich ist das nicht. Auch nicht, was der Herr Prof. als eine Lösung zu Zwielichtproblemen anbot und begründete: fensterlose Büros. Dazu schreibt er: "Es gibt wenige Probleme im Zusammenhang mit Kunstlicht, die so umstritten sind, wie der fensterlose Arbeitsraum. Dabei wird in aller Regel mehr emotionell als sachlich argumentiert. Die Licht- und Beleuchtungstechnik kann heute jede vernünftige spektrale Zusammensetzung des Lichtes realisierren … und die Klimatechnik bietet heute so hervorragende Lösungen an, daß es - zumindest aus physiologisch-optischer Sicht - keine Bedenken gegen fensterlose Arbeitsräume gibt." Irre, was der so dachte. Das Sick Building Syndrome, das hauptsächlich auf die Klimaanlagen zurückgeführt wird, wartete noch auf seine Entstehung. Es hat in Google Scholar (wissenschaftlich) zu 234.000 Einträgen gebracht, Allein 2023 gab es 14,200 Fundstellen. Die Unbedenklichkeit der fensterlosen Arbeitsräume aus seiner physiologisch-optischer Sicht ist spätestens mit dem Aufdecken der Wirkungen der Beleuchtung auf die circadianen Rhythmen Makulatur. Ganz ohne Zwielicht gesehen …
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29.02.2024
In April 2024 ist das Jahrhundert um! Die V(λ)-Kurve wird 100 Jahre alt. Die Geschichte kennt nur wenige Kurven, die Geschichte gemacht haben. Diese hier hat Lichtgeschichte geschrieben. Nicht nur …
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So kennt sie kaum jemand. In der Abbildung ist ihre Entstehungsgeschichte eingearbeitet. Sie sollte die relative Sichtbarkeit darstellen, also eine normierte Funktion, die anzeigt, die das menschliche Auge Lichter von blau bis rot bewertet. Ich habe einige hübschere Ausführungen der Kurve gezeichnet, die weniger wissenschaftlich aussehen, aber dafür attraktiver.
Sie hat Licht definiert und damit messbar gemacht. Damit ist die Grundlage dafür geschaffen, dass mit Lichtprodukten gehandelt wird. Und zwar weltweit. Wenn man heute auf einer Lampenverpackung liest "12W - 806 lm - 840" (Ra) und versteht, dass die gekaufte Lampe aus 12 W aufgenommener Leistung 806 lm Licht produziert und dies mit einem Farbwiedergabeindex von 80 - 89 bei einer Lichtfarbe von 4000K, dann ist es Verdienst dieser Kurve.
Sie bekam im Laufe der Jahre einen weitaus weniger prominenten Partner, der die Effizienz des Auges beim Nachtsehen bezeichnet. Das konnte aber nichts werden, weil die Lichtmacher ja das Helle bevorzugten. Der Partner unterscheidet sich im Namen durch einen Apostroph, wirklich nicht allzu auffällig: V'(λ). Und ist sehr deutlich freundlicher zu blauem Licht. Denn nachts sind die Katzen nicht grau, sondern wir sehen sie so, weil unsere nachtaktiven Sehzellen (Stäbchen) eben im Blauen empfindlicher sind.
Das zweite Jahrhundert des definierten Lichts wird erleben, wie diese Kurve ihren Platz räumen wird einer neuen. Denn Mediziner haben im Jahr 2002 einen neuen Empfänger im Auge entdeckt, der das Blaue sogar mehr liebt als die Stäbchen. Diesem Empfänger wurde zu Beginn zugetraut, ziemlich eigenmächtig zu handeln. Daher berechnete man eine eigene Kurve, die man C(λ) nannte, C wie circadian. Denn die neue Kurve sollte anzeigen, wie Licht die Körperrhythmen des Menschen beherrscht. (Für Leute, die auf ihrem Computer den Buchstaben λ nicht finden können, heißt sie C-Lambda-Kurve.) Mittlerweile ist man übereingekommen, dass alle Empfänger im Auge ihr Scherflein dazu beitragen, das Melatonin im Blut zu senken oder das tunlichst zu vermeiden. Den Beitrag des neuen Empfängers nennt man deswegen melanopisch. Alle lichttechnischen Größen werden auch auf melanopisch berechnet und bekommen einen Index -mel. Die Kurve(n) der Zukunft habe ich unten skizziert.
Im zweiten Jahrhundert des messbar definierten Lichtes wird dieses zum einen am Tageslicht gemessen. Und zum anderen am Menschen. So werden alle "melanopischen" Größen, vom Lichtstrom bis zum Reflexionsgrad, auf das Spektrum des Tageslichts bezogen. Leider geht es da ohne etwas Normierung nicht. Die Basis ist D65 - D wie daylight und 65 wie 6504K - das ist der mittlere Sonnentag über Wien, allerdings ohne Sonne. Der "genormte" Mensch ist 32 Jahre alt. Ob er männlich ist wie bei der Festlegung der V(λ)-Kurve, weiß man nicht.
So wird künftig 500 lx (melanopisch) exakt 500 lx (visuell) entsprechen, wenn das Licht einer Lampe mit der Farbtemperatur 6504K in das Auge eines 32 Jahre alten Menschen trifft. Wenn sich dieser für ein warmes Licht erwärmt und daher eine (verbotene) Lampe benutzt, die ein gewisser Edison erfunden haben soll, bleiben von den 500 lx etwa 67 lx übrig, aber "tageslichäquivalent". Altert dieser Mensch und wird glücklich 75 und kauft sich eine neutralerweiße Lampe (4000K), kann er sich auf 80 mel-EDI freuen. Wer sich die Rechnung zutraut, kann hier und da mehr finden.
Die Berechnung ist zugegebenermaßen gewöhnungsbedürftig. Das umso mehr nach 100 Jahren, in denen sich das Licht als Helligkeit definiert hatte. Die neue Sicht besagt, dass die Gleichung Licht = Licht nur in der Physik gilt. Wenn man wahrnimmt, dass es ein Spektrum hat - und nicht nur weiß ist, wie seit Newton bekannt -, muss man anerkennen, dass die Wirkung des Lichts nicht so simpel ist. Wenn man auch anerkennt, dass Menschen unterschiedlich sind, muss man sich von den beinah zum Totem gewordenen 500 lx verabschieden. Im zweiten Jahrhundert des messbaren Lichts haben wir noch viel zu verstehen.
Vielleicht verstehen wir im dritten Jahrhundert den messbaren Umgang mit der Farbe. Dieser ist heute den Hohepristern der Farbenlehre vorbehalten. Ob man Licht mit der V(λ)-Kurve misst oder an seiner circadianen Wirkung, das so betrachtete Licht ist grau wie nachts die Katzen. Wie sich Farben auf den Menschen auswirken? Ich denke, das kennt fast jeder. Aber kaum jemand weiß, dass weder die Alten Griechen noch die Römer, deren Umwelt, die Ägäis und das Mittelmeer, vermutlich vom schönsten Blau der Natur beherrscht wird, kein Wort für diese Farbe hatten. Und das Blau des Druckers und das des Farbmetrikers bedeuten nicht dasselbe. Immerhin wissen wir, dass es unsere Hormone beeinflusst und daher tagsüber willkommen ist, aber nachts möglichst vermieden gehört.
27.02.2024
Es hat nur 111 Jahre gedauert. Aber es ist so weit! Die LiTG hat im November 2023 beschlossen, ihren Namen zu ändern. Auf Wikipedia heißt sie am 27. Februar 2024 noch Deutsche Lichttechnische Gesellschaft e. V. Aber das kann sich ja noch ändern. Offiziell heißt sie aber Deutsche Gesellschaft für LichtTechnik + LichtGestaltung.
Damit soll das Ende einer Ära eingeläutet werden, in der die Sicht auf die Welt, die bekanntlich nur Licht vermitteln kann, nicht mehr parzelliert beackert wird. Mit dem Parzellieren meine ich die arbeitsteilige Behandlung von Wissen und Techniken, die uns das Erkennen unserer Umwelt ermöglichen sollen. So erkennen wir Dinge um uns herum durch ihre Gestalt, Helligkeit, Farbe und ihren Glanz. Zum Erfassen gehören noch mehr dazu, aber die haben mit Sehen nichts zu tun. Was ist der Beitrag von Lichttechnik zum Erleben der Umgebung?
Fangen wir von hinten an. Glanz… Was ist das eigentlich? Physikalisch gesehen ist Glanz "eine optische Eigenschaft einer Oberfläche, Licht ganz oder teilweise spiegelnd zu reflektieren." Damit ist eigentlich alles gesagt, was die Behandlung von Glanz in der Technik angeht. Man könnte nur dazu addieren, dass Glanz der Feind von Farbe ist. Denn glänzende Stellen sehen weiß aus. Glanz verhindert auch das Erkennen der Gestalt. Was sich hinter einer glänzenden Fassade verbirgt, erkennt man schlecht. Und eine glänzende Nase sieht weder beim Opernball noch in einer Frittenranch anziehend aus.
Indes das alles sagt nichts über die gesamte Wirkung von Glanz aus. Sie ist janusköpfig. Ein Portrait ohne Glanz auf den Augen zeigt meistens einen Toten. Würde jemand eine sechsstellige Summe für ein Auto hinlegen, das einem matt daher kommt? Kann die Lackindustrie existieren ohne Töpfe voller Farben, die Oberflächen funkeln lassen? Könnte ein Juwelier auch nur einen einzigen Diamanten verkaufen, der eine Oberfläche hätte wie ein Ziegelstein? Was wäre Weihnachten ohne Lametta?
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Wenn man sich die Bedeutungen des Glanzes anguckt, die u.a. mit den besagten Wirkungen verbunden sind, erkennt man den Begriff Glanz noch deutlicher. Glänzende Aussichten …, eine glanzvolle Gala …, Hochglanzprospekte … Wer einer solch bedeutsamen Erscheinung nur eine Nebenrolle einräumt, dazu noch eine negative, kann nicht auf eine glänzende Zukunft hoffen. Die Lichttechnik beschäftigt sich vornehmlich mit der Physik des Ganzen und mit dem Vermeiden störender Wirkungen. Das Geschäft mit Glanz machen andere.
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Gehen wir weiter nach hinten. Farbe! Es gibt nur wenige Menschen, die keine Farbe sehen. Vermutlich noch weniger Menschen wollen in einer farblosen Welt leben. Dennoch gehört die Farbenlehre in der Lichttechnik ins Nebenfach. Das hat einen sachlich wichtigen Grund. Denn die Beleuchtungstechnik für allgemeine Umgebungen will "farbneutral" sein. D.h. Farben sollen durch die beschienenen Objekte entstehen und nicht durch das Licht vorgezeichnet. Daher ist in der Beleuchtungstechnik das bevorzugte Licht weiß, was das immer heißen mag. Farbiges Licht benutzt man für beabsichtigte Effekte.
Der Umgang mit Farbe erfolgt noch arbeitsteiliger als der mit dem Glanz. Die Farbenlehre, also die Lehre von der Ordnung und Beschreibung von Farben, sowie deren Wirkung und Anwendung, ist nicht Thema einer Disziplin. Die Farbtheorie und Farbforschung beschäftigt sich mit der wissenschaftlichen Untersuchung von Farben, z. B. mit der Entstehung von Farbempfindungen im Auge oder der physikalischen Beschaffenheit von Licht. Wenn man sich aber anguckt, was für Menschen sich damit beschäftigen und wie viele Farbsysteme es gibt, kann einem schwindlig werden. Den berühmtesten davon, einen J.W.v. Goethe, kennt man eigentlich als begnadeten Literaten. Er selbst hielt aber seine Farbenlehre als sein wichtigstes Werk. Bei einer weit weniger bekannten, aber nicht minder bedeutsamen Person, Manfred Richter, maßgeblicher Entwickler des DIN-Farbsystems, habe ich studiert. Im Gegensatz zu den beiden stand eine Frau, die ich gerne kennengelernt hätte, Eva Heller. Sie hat die Bedeutung von Farben im Alltag hervorgehoben und ein größeres Bewusstsein für ihre subtilen psychologischen Effekte geschaffen. Sie war vom Beruf Sozialwissenschaftlerin. Ansonsten war ihre Hauptbeschäftigung dieselbe wie bei Goethe, Literatin ("Beim nächsten Mann wird es anders")
Bei den Farbsystemen und Farbmodellen mischen Technik, Wissenschaft und vielleicht auch Kultur mit. So ist es garantiert nicht die Physik, die Newton dazu bewegt hatte, im Regenbogen genau 7 Farben zu erkennen. Es sind unendlich viele. Farbsysteme, abstrakte Konzepte zur Organisation von Farben, bilden die Grundlage für Farbmodelle, also konkrete Anwendungen dieser Systeme in bestimmten Medien. Kein Wunder, dass es mehrere davon gibt.
Der Umgang in der Technik mit dieser Komplexität fällt indes ernüchternd aus. Die Beleuchtung soll Farben sichtbar machen. Der einstige Traum vor 100 Jahren, den ein gewisser Luckiesh geträumt hatte, ein künstliches Tageslicht zu schaffen, weil Menschen ein Recht darauf hätten, natürliche Farben zu sehen, ist ausgeträumt. Die Lichttechnik schlägt sich mit einem Konzept des Farbwiedergabeindex aus den 1960ern herum. Etwas Neueres lässt sich leider nicht in die Praxis bringen. An einem Mangel an Ideen liegt es nicht.
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Bevor wir uns zum Hauptbetätigungsfeld der Lichttechnik begeben, der Helligkeit, noch ein Wort zu Gestalt. Das ist die Form der Dinge, die wir z.B. mit den Händen erfassen könnten. Man kann diese auch messen, weil sie physikalisch existiert. Ob diese Messung etwas bringt, sei dahingestellt. Wer anders denkt, kann sich z.B. daran machen, den David von Michelangelo mit dem Zollstock zu vermessen.
Wie nimmt einer den David wahr? Sehr unterschiedlich! Denn es gibt drei davon. Sie stehen in Florenz in drei Umgebungen. Der echte David muss wetterbedingt in ein Museum (Galleria dell’Accademia). Eine Kopie steht vor dem Palazzo Vecchio, die andere auf einem Sockel auf der Piazzale Michelangelo. Der letztere David ist aus Bronze, hat aber dieselbe Gestalt. Das Licht in der Galleria wechselt über den ganzen Tag. Zu später Zeit ist es auch elektrisch. Auf dem Palazzo Vecchio kann man von morgens bis abends einen David unter Tageslicht bewundern, zu später Zeit naturgemäß im Lichterschein der Cafes drumherum. Den David in Bronze sieht man vor dem Panorama der Stadt Florenz, aber gegen den Himmel. Wie David einst, vor einer Ziegelmauer lieblos aufgestellt, ausgesehen hat, will man besser nicht wissen. Ich zeige das Bild dennoch, damit es deutlich wird, was eines der wichtigsten Kunstwerke der Geschichte mit seiner Umgebung gewinnt oder verliert.
Welchen Anteil an den Eindrücken, die die Menschen erleben, bestimmt der Beitrag der Lichttechnik? Erleben sie nur das, was sie sehen? Die Bibelschüler, die Taliban, die Touristen auf dem Platz, die Kunstschüler?
Die Lichttechnik liefert zum einen die Technik, also die Lampen und Leuchten, und zum anderen die Sehleistung, das ist was man braucht, um etwas zu erkennen. Um David zu erleben, braucht man nur wenig davon. Wer hingegen Oberflächenfehler auf dem Blech suchen will, bevor es zum Auto wird, kann es ohne den Beitrag der Lichttechnik nicht. Wir verbringen aber unser Leben nicht in solchen Umgebungen und trennen nicht scharf zwischen einem Privatleben, wo uns wohlgeformte Produkte unter die Nase gehalten werden, wenn wir als Käufer auftreten, und einem Berufsleben, wo sich alles einer Leistung unterordnet. Schon gar nicht einer Sehleistung, von der niemand weiß, was sie ist, bis man den Faden durch die Öse ziehen muss.
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Die Lichttechnik hat sich auf die Helligkeit konzentriert, die das Erkennen der Dinge ermöglicht bzw. erleichtert. Diese Aufgabe ist keine Kleinigkeit. Vielmehr hat sie mit dem Beitrag dazu Industriegeschichte geschrieben. Allerdings musste man zu diesem Zweck erstens von den Umgebungen für das Privatleben verabschieden. So gehört der Bereich "Wohnraumleuchten" nicht zum harten Bereich von Lichttechnik. Die Unternehmen, die auf dem Gebiet tätig sind, dürfen sich Leuchtmittel kaufen und diese in ihre Produkte einbauen, die man verächtlich als Lichttöter bezeichnet. Die Normen der Lichttechnik sparen diesen Bereich aus: „Die Gestaltung der Beleuchtung lässt sich nicht in Richtlinien festlegen.“, sagte DIN 5035-1 von 1979.
Von dem Rest der Nichtwohngebäude will man auch nicht alles wissen. Die dort angesiedelten Räume werden in zwei Gruppen geteilt: sog. stimmungsbetonte Räume und … (Ich lästere oft, das seien stimmungstötende Räume). Dementsprechend unterschiedlich fällt der normative Rat aus, an dem die LiTG seit etwa 1935 beteiligt war: „In den stimmungsbetonten Räumen spielen gestalterische Gesichtspunkte und solche der Behaglichkeit eine Rolle.“, hieß es in der Norm. Wie man bei solchen Räumen gestalterische Gesichtspunkte behandelt, umschreibt, regelt…? Fehlanzeige. Das überließ man an ungenannte andere. Gestalterische Aspekte und Behaglichkeit spielen in Arbeitsräumen keine Rolle.
Und man sah die Hauptaufgabe darin, die Arbeitsräume zu beglücken: "In Arbeitsräumen muß die Beleuchtung eines müheloses Erkennen der Sehobjekte ermöglichen." Man konnte übrigens mühelos erkennen, was für Künstler da am Werk waren.
Just darum geht es im 112. Lebensjahr der LiTG. Mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer arbeitet am Computer und pfeift auf die Sehleistung. Für viele von ihnen bietet die Beleuchtung das Gegenteil von Sehleistung - Störungen des Sehens. Zudem ist die einst wohlbegründete Trennung zwischen dem Arbeitsraum und dem Wohnraum unwiderbringlich entfallen. Viele Arbeitgeber kämpfen darum, ihre Angestellten in die Büros zu locken.
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Sollen die Leute doch mit ihren geliebten Wohnraumleuchten glücklich werden! Leider war es dem nie so, dass Menschen in ihrer Wohnumgebung auf eine hohe Sehleistung verzichten konnten, während sie in ihrer Arbeitsumgebung diese unbedingt gebraucht hätten. Die Trennung war nur durch den Marktsegment bedingt, den bestimmte Firmen bedienen wollten. Auch in Wohnbereichen braucht man funktionelle Leuchten. Sie dürfen nur nicht nach lieblos gebogenem Blech ausschauen. In diesem Zusammenhang sagte einst ein bekannter Leuchtenentwickler seufzend: "Loch an der Decke braucht kein Design."
Die Namensänderung der LiTG bedeutet nichts anderes als die Anerkennung der Sachlage: Wir brauchen Lichtprodukte von 100% dekorativ bis 100% funktional. Dass man so etwas nicht normativ regeln kann, ist nur der Phantasiearmut der einstigen Protagonisten zu verdanken. Es geht. Nur nicht so, wie es gemacht wurde.
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