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Fenster am Arbeitsplatz - Je näher desto gesünder …

Heute scheuchte mich eine Aussage aus einer Doktorarbeit hoch: Sie sagt, es gäbe keine Beziehung zwischen der Entfernung des Arbeitsplatzes vom Fenster und der Wirkung auf den Mitarbeiter (so z.B. Sehkomfort, Zufriedenheit u.v.a.m.). Ich hatte aber vor etwa 30 Jahren nach jahrelanger Forschung in der Praxis eine ganz enge Beziehung festgestellt: Alle Beschwerden über die Arbeitsumwelt und die eigene Gesundheit steigen mit zunehmendem Abstand des Arbeitsplatzes vom nächsten Fenster. Beispielhaft für die Ergebnisse ist diese Abbildung:

Ich führe gerade dieses Bild an, weil man seinerzeit glaubte, am Fenster gäbe es mehr Blendung (stimmt), und wer am Bildschirm arbeitet, kann wegen lauter Blendung nichts auf seinem Bildschirm sehen. Das kann man prima mit Fotos belegen. Ich besitze Hunderte davon. Wie dumm, dass alle Befragten dasselbe sagen, egal was sie arbeiten. Da stimmt was nicht, oder?

Da die Sache wirklich nicht stimmen konnte, bin ich der auf den Grund gegangen und weitere Aspekte untersucht. Siehe da: So beschweren sich Leute, die nahe am Fenster sitzen, weniger über Lärm als andere. Sie haben sie nicht alle. Es ist physikalisch leicht belegbar, dass dies nicht stimmen kann. Fenster sind schallhart und reflektieren den Lärm von Innen, und wenn von Außen Lärm in den Raum eindringt, dann durch das Fenster. Viel schwieriger zu erklären, die Beschwerden über "zu warme" Temperaturen. Und über "zu kalte". In der Nähe der Fenster fallen sie am geringsten an. Da genügt aber ein kleines Thermometer zu zeigen, dass dies nicht wahr sein kann. Es geht auch ohne. Üblicherweise würde man in solchen Fällen denken, die Untersuchungsmethode stimme nicht. Zu wenig Leute befragt? Nein. Es waren insgesamt über 3.000, von denen ich etwa 2.000 Mal die Arbeitsplätze und Arbeitsweise untersucht hatte. Etwa Sonnenanbeter gefragt? Auch nein. Das Urteil war unabhängig von der Ausrichtung der Fenster. Sogar Menschen, die an Südfenster ohne Sonnenschutz arbeiteten, fühlten sich wohler als die Kollegen und Kolleginnen tiefer im Raum sitzend.

Mittlerweile sind es weitere 1.200 Arbeitsplätze, die wir ausgewertet haben. Gleiches Ergebnis. Und etwa weitere 1.200, die wir nicht auswerten wollten, weil es da ein Problemchen gibt, das weiter unten beschrieben wird. (Unsere Studie kurz beschrieben hier, in voller Schönheit da Licht und Gesundheit_1998, die besagte Doktorarbeit dort (leider nur in Englisch)). Wie kommt die Doktorarbeit nun zu einem anderen Ergebnis? 

Schlichter könnte die Antwort nicht ausfallen: Alle Befragten saßen mehr oder weniger dicht am Fenster! Die Untersuchung wurde nämlich in den Niederlanden durchgeführt, wo eine ähnliche Einstellung zum Tageslicht herrscht wie in Deutschland. Und das, obwohl zwei der vier Mitglieder des internationalen Oligopols für Leuchtmittel aus diesen Ländern stammen.

Was sagt die Arbeit sonst zur Bedeutung von Fenstern. (Übersetzung vom d.Blogg):

  • Eine Sichtverbindung nach außen wird nicht nur von den Büromitarbeitern gewünscht, sie ist für deren Wohlbefinden und Gesundheit vorteilhaft.
  • Eine gute Sichtverbindung führt zu höheren Mieten und Preisen für Gebäude.
  • Forschungsergebnisse aus den USA zeigen, dass die Qualität der Aussicht und die Größe der Fenster die Zufriedenheit und den visuellen Komfort bestimmt.

Insgesamt wird ein Arbeitsplatz als höherwertig erlebt, wenn die Lichtqualität höher empfunden wird. Und die Lichtqualität wird dann höher empfunden, wenn mehr Tageslicht und eine Sichtverbindung zu einer angenehmen Umgebung besteht.

Nun ein Wort zu den letzten 1.200 Arbeitsplätzen, die wir untersucht haben, aber die Bewertung nicht öffentlich diskutieren wollen. Es hat sich in den letzten 10 Jahren etwas ergeben, das die Büroplaner wie Betreiber zum Wahnsinn treibt, weil es die Mitarbeiter wahnsinnig stört. Während in den guten alten Großraumbüros nicht einmal jeder dritte Arbeitsplatz einen Telefonanschluss hatte, betreibt im gleichen Raum von einst jeder Mitarbeiter - und jede Mitarbeiterin - eine formidable Telefonanlage nebst privatem Handy. Da die guten Dinger nicht zum Angucken da sind, unterhalten sich die Leute damit mit dem Kunden, und unfreiwillig die Kollegen und Kolleginnen mit. Kaum hat der Laut-Sprecher aufgelegt, fängt einer der Gequälten mit dem Rachefeldzug an. Es können auch mehrere sein.

In diesem Bild sind akustische Störungen in weniger als zwei Minuten in einem ansonsten ruhigen Raum dargestellt. Der Grundpegel, das ist, wenn keiner spricht, entspricht dem in einem Lesesaal einer Bibliothek. Die Lärmspitzen liegen bis 30 dB(A) und mehr darüber. Das ist nach der Lautheitskala etwa die 16fache Störung. Dabei arbeiten in dem untersuchten Raum lauter geschulte Leute, und der Raum ist akustisch "optimiert", weil das Problem bekannt war. In üblichen Räumen habe ich bis 75 dB(A) aus 11 Meter Entfernung von dem eifrigen Telefonierer gemessen. Wenn einer direkt daneben sitzt, kann er gleich die Ohrenschützer anlegen.

Was macht man da? Der Akustiker stopft Dämmmaterial überall, wo noch freie Fläche ist und stellt die Bude voll Schallschirme. Und das sieht so aus oder so. Egal, wie es aussieht, es nützt nix. Der Schallpegel wird zwar um ca. 2 dB(A) reduziert, die Störung bleibt etwa gleich, weil die nicht auf den Schallpegel hört. Dafür kann der Lichttechniker wie der Architekt einpacken. Egal wie gut die Leuchten und Lichtplanung sein mögen und die Raumarchitektur, der Akustikklimbim zerstört alles. Weder Licht noch Luft können sich ausbreiten wie geplant und erforderlich.

Was macht dann der freundliche Büroplaner? Er rät dem Kunden zu der finalen Lösung. Die besteht darin, dass man die Leute noch enger zusammen setzt. Nennt sich Verdichtung. Kostbarer Büroraum darf nicht vergeudet werden. Die hinherhältigste Lösung ist die, die man auf keinem Plan erkennen kann. Der Raum sieht aus, wie große Bürozellen schon immer ausgehen haben. Ist aber nicht. Der hier hört auf den Namen Business Club und soll auch etwa so funktionieren wie einer. Jeder der kommt, setzt sich auf einen freien Platz. Wenn er fertig ist, geht er wieder und der Platz wird mit einem neuen besetzt. Da Normalsterbliche selten in solchen Clubs sitzen, kann man das Konzept ihnen lässig verkaufen. Dass der Planer mit seiner Vorstellung die drei Dimensionen des Raums, Höhe, Länge und Breite, verlassen hat, und Einstein folgend, sich seitwärts in die Zeit bewegt, merkt man erst, wenn man im Business Club sitzt. Wo liegt der Unterschied? Das kann man schnell rechnen, wenn man die wöchentliche Arbeitszeit von Mitarbeitern und Betriebszeit des Büros vergleicht. Man muss aber nicht rechnen, weil der freundliche Berater bereits die Rechnung vorlegt. So ist, wenn ich an meinem Arbeitsplatz sitze, etwa jeder zweite Tisch leer, weil ich fünf Tage etwa 35 Stunden arbeite und der Betrieb sechs Tage und womöglich von 07:00 bis 20:00 läuft.

Logisch, dass man die wertvollen Quadratmeter ausnutzt. In der Folge sitzen doppelt so viele Leute auf der gleichen Fläche und telefonieren, schwadronieren oder transpirieren. Das ist die Stunde des Akustikers. Ach, ja. Da waren wir schon. Nächster Gedanke … Büros werden nunmal von Wirtschaftsunternehmen betrieben und müssen wirtschaftlich sein. Ja? Fangen wir mal an zu rechnen. Vor geraumer Zeit hatte ein schlaues Institut berechnet, dass über 80% der Kosten der Büroarbeit Personalkosten sind. Und dass, auf die 50 Jahre seines Lebens umgerechnet, die Erstellung eines Bürohauses 2,5 % der Kosten verursacht. Von diesen 2,5 % entfallen etwa 5 % auf die erste Beleuchtung, also 0,12 %. Wenn ich mir angucke, wie heftig da gespart wird, kommen mir dicke Tränen in die Augen. Wenn man also beim Bau eines Bürohauses sämtliche Kosten spart, hat man 2,5 % eingespart. Das ist doch was! Man arbeitet im Freien. Fenster überall.

Apropos, Wirtschaftsunternehmen. Büroberater gehören auch zu der Spezies. Und zu den nachhaltigsten. Während die Karnickelställe mit Zweimann/Frau-Besatzung, Fachjorgan Zweipersonenzelle alias Doppelzimmer, praktisch ohne Beratungskosten erstellt und betrieben werden können, ernähren die Großraumbauten der 1960er und 1970er Jahre ihre Berater immer noch, so sie noch existieren, Berater und Bürohäuser.

Was hat das Ganze mit unserem Problem, Wertigkeit der Arbeitsplätze zu tun? Viel … Gutes Tageslicht und eine gute Aussicht gibt es bei gaaanz flachen Bauten, die mit dem Boden schlecht umgehen. Deswegen beruhen praktisch alle Bemühungen der Büroplaner darauf, möglichst tiefe Gebäude zu bauen und die zweite und dritte Reihe zu besetzen. Und das möglichst kontinuierlich über den Tag. Was man damit erntet, kann man hier lesen, oder einfach an den Statistiken für psychische Erkrankungen ablesen. Sie stehen nach den Erkrankungen des Bewegungsapparates an zweiter Stelle. Dass dies so kommen würde, hatte ich etwa 1980 auf epidemiologischen Daten begründet. Die Abhandlung ist im Jahre 1982 in einem Forschungsbericht des Bundesministers für Forschung und Technologie erschienen (zu lesen hier).

Warum meine damaligen Prognosen  - leider - wahr geworden sind, kann man verstehen, wenn man sich die Hypothesen anschaut. Die erste hieß:

  • Tätigkeiten, die in "freier" Körperhaltung ausgeübt werden können, zeichnen sich dadurch aus, daß bei den Beschäftigten weniger Erkrankungen des Bewegungsapparates auftreten.

Heute sieht man, dass nicht nur die Arbeit bei der Arbeit, sondern auch die Arbeit zu Hause krank machen kann: SMS-Daumen, Handy-Myopie u.v.a.m. Überfahren werden bei der Straßenüberquerung beim Daddeln auf dem Handy ist allerdings keine Krankheit. Die zweite Hypothese ist enger mit unserem Problem verwandt:

  • Bei Tätigkeiten, bei denen eine stärkere Restriktion des Arbeitsvollzuges erfolgt, ist mit einer Zunahme von psychischen Erkrankungen,  z.B. mit Psychosen zu rechnen.

Was die Menschen im Büro heute Lärm nennen, ist nichts anderes als eine ständige und beständige Störung der Arbeit durch die Nachbarn bei gleichzeitig ständiger Kontrolle der Leistung durch den Computer. Da bietet die Sichtverbindung nach außen eine willkommene Fluchtmöglichkeit. Doch das ist nur die eine, kleinere Hälfte der Wahrheit. Ich denke, die Stärkung der Abwehrkräfte des Körpers durch die Stabilisierung der circadianen Vorgänge im Körper. bildet die wichtigere Hälfte. Das hatte ich bereits bei der ersten Auflage von Licht und Gesundheit, 1990 angeführt.

Zu der Überzeugung, dass Arbeitsplätze mit Tageslicht und guter Aussicht höherwertig sind, bin ich übrigens nicht durch eine wissenschaftliche Arbeit gelangt, sondern durch (m)eine Dummheit. Ich hatte einer Behörde in Flensburg, die ein Großraumbüro betrieb, vor Jahrzehnten den guten Rat gegeben, die Fenster in den Ecken zuzumachen, damit man der Blendung auf den Bildschirmen Herr werden kann. Nur Tage später kamen die gleich mit acht Mann/Frau samt Architekt und Betriebsrat angereist. Sie erklärten mir "bei uns fängt die Karriere in der Mitte des Großraums an. Man arbeitet sich langsam zum nächsten Fenster. Von dort arbeitet man sich in die Ecke hoch. Und Sie wollen die Ecken zumachen?" Wenn sie Recht haben, haben sie Recht. Jetzt bewiesen mit einer Doktorarbeit.

Einen unfreiwilligen Beweis lieferte indes ein Organisationsleiter, der in einem Großraumbüro saß. Er war Herr über 3.000 Mitarbeiter, die in Düsseldorf in bester Lage fluchend in einem Großraumbüro saßen. Ich sollte Vorschläge ausarbeiten, die deren Situation verbessern sollten. Der Orga-Leiter sagte bei unserem ersten Treffen: "Sie dürfen alles vorschlagen, aber Fensterplätze für alle haben wir nicht." Stimmt. Zwei davon belegte er für sich.

Allerdings muss man sich heute fragen, in welches Fenster man sich eher verbeugt.

Harmonie eher missglückt - Unruhe durch Licht
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07.02.2017

Man stelle sich vor. Man wartet fünf und mehr Jahre auf ein Ereignis, macht sich gemütlich vor dem Fernseher, weil andere Leute vor Ort eingeladen sind - so etwa Merkels und Gaucks -, wartet auch noch auf die genannten, weil sie sich verspätet haben, und …  dreht den Fernseher nach einer halben Stunde ab. Die Rede ist vom Eröffnungskonzert der Elbphilharmonie, die von außen ein Gedicht ist. Die Akustik soll auch toll sein, zumindest auf bestimmten Sitzpositionen. (Die meisten Fernsehzuschauer merken nicht viel von den Mängeln, weil a) die Fernsehanstalten den Ton woanders abzweigen, und b) deren Geräte so flach geworden sind, dass aus denen kein vernünftiger Ton mehr zu bekommen ist.) Warum denn abschalten?

Wir erwarteten ein Raumgefühl wie in der Berliner Philharmonie, die ich länger kenne als jeder Musikliebhaber, weil ich vor der Eröffnungsfeier noch einer Marotte von Herbert von Karajan gehorchend dort einen Künstler mimen musste, mit etwa 50 anderen Studenten. Unser Akustik-Professor hatte ihn aus einer anderen Sicht kennenlernen müssen, und ein Freund, der die Lichtplanung gemacht hatte, aus einer dritten. Karajan war ein Pedant, was die Umstände seiner Kunst anging. Alles, was er dirigierte, musste perfekt auf - damals - Film gebannt werden. So kam ich in den Genuss einer Violine, die ich in der Hand halten durfte wie im Konzert, andere hielten natürlich andere Instrumente ins Licht. Unsere Qualifikation für den Job war nicht zu übertreffen: Alle Besitzer eines schwarzen, nicht glänzenden Anzugs. Immerhin, es gab keinen Frackzwang.

Herbert von Karajan kam zuerst zu uns, später wandelte er im gesamten Gebäude herum und guckte sich sein Orchester - ich meine uns - aus allen Perspektiven an. Der Regisseur musste mit ihm wandern und maß überall Licht. Wir hatten einen Job für drei Tage. Damals hatte ich die Sache nicht ganz verstanden. Aber später erzählte uns der Akustik-Professor von seinen Nöten mit Karajan. Viel später erfuhr ich von dem Lichtplaner weiteres: Karajan wollte perfekt in Ton und Bild aufgenommen werden, damit die Nachwelt nicht etwa einen Makel entdecken konnte. Das Verhalten von einem, der ihm den Raum geschaffen hatte, Hans Scharoun, erzählte mir eine Freundin, die bei ihm im Büro hospitierte. Scharoun soll sein Büro so gewählt haben, dass er einen Überblick über das gesamte Baugelände hatte und täglich den Bau beobachten konnte. Also lauter Perfektionisten, die vor etwa 55 Jahren ein Architekturmonument geschaffen haben. Ist es übertrieben, wenn man das neue Haus daran misst, zumal das Konzept ja gar nicht soo fremd ist. (Abkupfern ist in der Architektur ein hässliches Wort, man redet lieber von Zeitgenössischer Architektur.)

Scharouns Konzept hat recht häufig - sagen wir mal - als Inspirationsquelle gedient. Der Eigenbeitrag der Insprierten fiel recht unterschiedlich aus. Manche wollten lediglich die Transpiration meiden. Man kann sich überhaupt freuen, dass die Philharmonie überhaupt von Scharoun gebaut wurde. und überhaupt dort. Denn an ihrer Stelle war von Albert Speer im Rahmen der Umgestaltung Berlins zur „Welthauptstadt Germania“ eine riesige Soldatenhalle als Ehrenmal für die im Ersten Weltkrieg gefallenen deutschen Soldaten geplant gewesen. Und die Jury, die den Wettbewerb durchführte, war nicht so überwältigend überzeugt. Denn das Preisgericht vergab nach 16-stündiger Beratung den ersten Preis zwar an Scharouns Philharmonie-Entwurf, allerdings fiel die Entscheidung mit neun gegen vier Stimmen – und damit fehlte die erforderliche Drei-Viertel-Mehrheit. Erst nach Interventionen Herbert von Karajans und einem Appell Hans Heinz Stuckenschmidts (einem der Jurymitglieder) wurde Scharoun schließlich verbindlich mit der Ausarbeitung beauftragt.

Ich stellte mir vor, was Karajan zu den vielen Lampen gesagt hätte, die da aus der Decke gucken? Auch die Sternlein im Himmel wollen sich bemerkbar machen, aber sie stören nicht das Gesamtbild des Himmels. Wenn ich H.v.K. wäre, hätten die Architekten bestimmt keinen guten Tag - bereits vor der Einweihung nicht. Hinterher erst recht nicht.

Mich störte auch die visuelle Unruhe an den Wänden, die das Licht verstärkt. Die Oberflächenstruktur soll der Akustik dienen. Dem visuellen Eindruck dient sie hin und wieder. Man kann sich darüber formidabel streiten.

Wer um Gottes Willen hat die Treppen so schön blendend ausstaffiert, als wollte sich einer beim Arbeitsschutz bewerben. Die treten bereits bei voller Beleuchtung unangemessen in den Vordergrund. Wenn die Lichter verstummen, damit man den Musikern besser zuhören kann, wird es es schlimm. Darf ich das böse Wort Raumteiler benutzen? Kann man bei diesem Anblick der Musik lauschen? Ich denke eher nicht. Solche Muster sollen empfindliche Jugendliche sogar zur Ohnmacht treiben.

Das neue liebevoll Elphi genannte Wahrzeichen von Hamburg ist mir bisschen - ähh - dröge geworden. Der Lichtplaner versäumt wohl einen anderen Beruf oder war es der Architekt? Dass wir nach einer halben Stunde abgeschaltet haben, lag aber weder am Erscheinungsbild des Saals noch an der Moderatorin (Barbara Schöneberger) des Abends. Denn beide muss man sich nicht angucken, wenn man Musik hören will. Genau als wir das taten, Augen zu, fiel uns auf, dass die Musik gewöhnungsbedürftig war - etwas …

Aber dennoch beruhigend. Denn Leute strömen so nach Hamburg, dass es in Berlin vielleicht ab und an mal Karten auch für gute Konzerte in der Philharmonie gibt. Das Konzert von Hamburg gibt es noch ein paar Tage bei ARTE in der Mediathek. Danach muss es weg, denn wie man in Deutschland Kultur vermittelt, bestimmen die "freien" Sender, die gerne privat Geld machen wollten. Ab dem 29. März 2017 noch mehr, denn die beenden dann die Ära von FreeTV. Ein Drittel von Deutschland bekommt RTL und Co. danach nur noch gegen Cash zu sehen. Mal sehen, wie viele Leute das fröhliche Kakerlakenessen in Bezahl-TV sehen wollen. Wer mit seinem Geld sparsam umgehen will, sollte sich ein Ticket vom Digital Concert Hall der Berliner Philharmoniker kaufen. Allerdings sollte er (sie) sich noch einen Verstärker und Lautsprecher kaufen. Denn ob free oder nicht, TV aus Flachbildschirmen klingt leider nach Blech, auch wenn nur Piccoli, Flöten, Klarinetten und Saxophone spielen, sogar in Begleitung von Trommeln. Ein Jammer - eine Stadt von Kaufleuten legt so etwa 900 Mill hin, um einen tollen Konzertraum zu kreieren. Man lockt teure Musiker mit Handgeld an. Die Creme der Republik wirft sich in Schale. Die Super-Kiste zaubert ein Bild toller als im Saal - und die Hauptsache, der Ton, scheppert so vor sich hin.

An der Ruine von Würgassen - Erinnerungen

 
Vor ein paar Tagen fuhr ich an der Kraftwerkruine von Würgassen vorbei. Einer der dicksten Sargnägel für die verblichene AEG. Sie musste im Jahr 1974 700 Mio DM an Gewährleistung zahlen für ein Objekt, das für 400 Mio erstellt worden war. In einem Jahr war das gesamte Aktienkapital des zweitgrößten deutschen Elektrokonzerns aufgebraucht. Den Hauptanteil an der Misere trug ein einzelner technischer Berater, dessen Name in der Kerntechnik unter den DAP (dümmster anzunehmender Professor) einen der höchsten Ränge einnimmt. Um ein Haar wäre dieser in Tateinheit mit einem weiteren DAP, diesmal aus unseren Kreisen, zum Architekten eines GAUs in Mitteleuropa geworden. Nämlich dann, wenn die große Leistung des ersten, falsche Kühlrohre, mit der des zweiten, falsche Beleuchtung, so zusammengetroffen wäre, dass die Krisensituation halt ein Fukushima-Light ergeben hätte. Und allzu weit entfernt war die Sache nicht. Es geht auch ohne Tsunami.

  
Worin bestand die Leistung des zweiten DAP? Er war damit beauftragt, zu beurteilen, ob man in der Warte eines KKW die Beleuchtung im Störfall auf ein Drittel reduzieren darf. Gute Frage! Warum diese Frage aufkam, steht weiter unten. Die Antwort, die der geschätzte Kollege gab, stand in dem Entwurf von KTA 3904 Warte, Notsteuerstelle und örtliche Leitstände in Kernkraftwerken (Kerntechnische Sicherheitsregel, erschienen 1988) unter seinem Namen. Nach seiner Meinung würde das Dritteln der Beleuchtungsstärke kein Problem verursachen, weil sich das menschliche Auge schnell an die dunklere Umgebung anpasst. Zudem wäre die Sache sowieso nur relevant, wenn ein Störfall vorläge. Und den gäbe es selten.

 
Bemerkenswert ist die Sache auch ohne Würgassen oder Kerntechnik, weil der Mann, der eine solche Aussage in eine Regel der kerntechnischen Sicherheit brachte, zeitlebens "Sehleistung" predigte und deswegen immer höhere Beleuchtungsstärken z.B. in Büros. Wenn es um die Sicherheit von Halb-Europa geht, ist die Sache nicht so relevant wie wenn man die Beleuchtung von Büros festlegt. Nun gucken wir uns an, wie häufig denn in Würgassen Normalbetrieb nicht ganz so normal war (Daten aus WIkipedia, kopiert am 11. Nov. 2015):
In der Betriebszeit seit der Übergabe am 11. November 1975 bis zum 31. Dezember 1994 wurde das Kernkraftwerk Würgassen mehrmals abgeschaltet:
• an 1.309 Tagen für 16 Revisionen,
• an 180,9 Tagen für 42 geplante Stillstände,
• an 61,8 Tagen wegen 63 Betriebsstörungen,
• an 64,6 Tagen wegen 17 außerplanmäßigen Reparaturen,
• an 386 Tagen wegen 2 sonstigen Anlässen (Brandschutzmaßnahmen 1989/90 und Befunden am Kernmantel, 1994)

So normal war also der Normalbetrieb nicht. Das Kraftwerk war von den 19 Jahren Betrieb 5,5 Jahre abgeschaltet. Und was macht die Mannschaft, wenn der Betrieb nicht so normal läuft? Schmeißt riesige Schaltpläne mit winzigen Details auf einen Tisch, häufig im Stapel, und versucht, eine Störfallanalyse zu machen. Und da kommt der Haken. Zwischen etwa 5 Mann (kleine Störung) bis zu 20 (irgendwas ist wirklich am Dampfen) beugen sich über den Tisch und sehen dabei wenig, weil sie das Licht abschatten. Wenn es richtig heiß hergeht, schaltet man auch noch zwei Drittel der Beleuchtung ab. Schön gemütlich! So kuschelig hat sich die Bevölkerung des Landes eine Störfallaufklärung und -bekämpfung bestimmt nicht vorgestellt.

Um den Unfug richtig perfekt zu machen, reicht die Macht eines Prof.´s nicht. Dazu braucht man einen Fachmann der Elektrik. Den habe ich nie kennen gelernt. Gegeben haben muss es ihn schon, denn sonst hätte ein Laie die Beleuchtung installiert und nie die dämlichst-mögliche Variante gewählt: Jeweils ein Drittel der Warte an eine Phase hängen. Im Störfall reduziert man die Beleuchtung auf ein Drittel und schaltet damit zwei Drittel der Warte in den Zustand eines Schlafzimmers. Von den elektromagnetischen Feldern ganz zu schweigen, die dadurch entstehen, dass die gegenseitige Aufhebung durch drei gleichmäßig belastete Phasen entfällt. In einer Warte haben zusätzliche elektromagnetische Felder nichts verloren, weil sie Messwerte beeinflussen können. Übrigens, allzu kreative Elektriker auch nicht. Ein Störfall, der sich hätte leicht zu einer Tschernobyl-Nord hätte entwickeln könnte, in Greifswald in der ehemaligen DDR, wurde ausgelöst, weil ein Elektriker seinem Azubi zeigen wollte, wie man etwas misst. Der Arme wusste nicht, dass manche Einrichtungen von so wahren Künstlern entworfen worden waren, dass man zum Messen eines einfachen Elementes den ganzen Laden hat abschalten müssen. Als Ergebnis wurde der ganze Laden für immer abgeschaltet. Der Name Tschernobyl-Nord lebt noch. Hätte die Mannschaft damals nicht alle Gesetze gebrochen, um die Katastrophe abzuwenden, hätte Nordeuropa etwa wie nach dem Dreißig-Jährigen-Krieg ausgesehen. Allerdings hätte die Erholung etwas länger gedauert, weil das Zeug teilweise 500.000 Jahre nachstrahlt.

Jetzt aber das Schönste: Warum hat man dem DAP und dem Elektriker das Betätigungsfeld so erweitert, dass sie diesen Fehler machen durften? Man wollte im Störfall die Notstromdiesel schonen. Logisch! Wenn Not am Mann ist, spart man an der Beleuchtung. Und was gewinnt man dabei? Muss ich vorrechnen, wie viel Watt eine Beleuchtung von ca. 100 m2 braucht und welchen Anteil von 25 MW Generatorleistung (5 Diesel a´ 5 MW) man spart? Es gibt ganz normale Elektriker, die mit 10 W pro m2  (2 W pro m2 und 100 lx) auskommen. Nach der damaligen Norm (300 lx) hätte man also insgesamt 600 W gebraucht und davon 400 W durch Abschalten von zwei Dritteln der Beleuchtung gewonnen. Lassen wir die Knickrigkeit und spendieren der Mannschaft 1.000 lx. Dann hätten wir 20 W pro m2 und damit 2 kW installieren müssen. Gespart hätten wir 1, 2 kW. Gegenüber 25 MW fällt die Ersparnis derart gewaltig aus, dass man viele Nullen benötigt, die man hinter dem Komma anordnen muss, um den Unsinn zu illustrieren.

Wem das Alles schlimm vorkommt, der hat einen "Ergonomie"-Professor nicht gesehen, der in der nach der Kerntechnik zweit-gefährlichsten Branche tätig war, dem Verkehrswesen. Dort entwarf er Warten getreu dem Designer-Motto "Licht gehört dorthin, wo man sehen muss. Stimmt! Schade, dass die Kerle in der Warte Grafik-Monitore benutzten, die kein Licht vertragen. Erst kein Spotlight über ihnen. Das würde unserem kreativsten Elektriker nicht einfallen. Vor allem nicht, dass der Rest der Warte dunkel sein muss, damit die Monitore so schön präsentiert werden. Manche Leute denken, Unfälle sind Zufälle. Man kann sie aber auch systematisch erzeugen. Nichts dem Zufall überlassen!