14.11.2024
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Wer Geschichte schreiben will, muss sich warm anziehen. Das hatte sich ein gewisser Napoleon Bonaparte sagen lassen, als er gen Moskau zog. Doch seine Mannen kamen geschlagen zurück, wenn überhaupt. Deren traurige Geschichte ist nicht nur bei Leo Tolstoj zu lesen, sondern auch in einer der berühmtesten Grafiken der Geschichte. Später wolle ein gewisser Adolf H. dasselbe, ohne es aber Napoleon nachmachen zu wollen. Dieser war der Erfinder des schnellen Kriegs. Durch ihn wurde ein deutsches Wort ein Lehnwort in Englisch: Blitz wie Blitzkrieg. Er zog auch gen Moskau, so überzeugt vom Blitz, dass er seine Mannen in Sommeruniformen losschickte. Von insgesamt 18 Millionen Soldaten, die der GRÖFAZ - Größter Feldherr Aller Zeiten - in den Krieg warf, kamen 6 Millionen nie wieder heim. Napoleon war da schlechter. Er war mit 422.000 Mann Ende Juni 1812 losgezogen. Gen Weihnachten kam er mit 4.000 Mann heim. Nur 1 % seiner Krieger hatte den Feldzug überlebt.
Ein Feldzug mit zivilen Mitteln, aber viel mehr Menschen betreffend, sollte die Nacht- und Schichtarbeit revolutionieren. Dazu sollte das neue bzw. neu aufgewärmte Wissen über die circadianen Rhythmen des Menschen als Vehikel dienen. Dieses besagte, dass man mit Licht die Rhythmik der menschlichen Hormone steuern könne. Erwiesen durch die Arbeit von Rosenthal et al 1984 (hier). Ergo: Man mache mit viel Licht die Nacht zum Tage, nicht die in Bars oder sonstigen schrägen Etablissements, sondern in der Physiologie des Arbeiters. Zwar hatten die Autoren der Originalarbeit die Therapie einer Krankheit im Sinn, die die Menschen dieser Tage im November alljährlich befällt, aber in der Lichttechnik ist science faction eine legitime Methode. Das ist, wenn man eine wahre wissenschaftliche Erkenntnis mit einer Marketingidee kreuzt. So sollten Mitarbeiter eines Autowerks, Volkswagen, mit einer Methode nachts sicherer arbeiten, die sonst dazu dient, die Winterdepression zu heilen, die durch Lichtmangel entsteht.
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So wollte auch der deutsche Volkswagen Konzern die neue Erkenntnis nutzen und führte ein Großprojekt durch, bei dem die Nachtschicht mit 2000 lx beleuchtet wurde, um die Mannschaften wach zu halten. Die Betriebsärztin Angelika Guth war begeistert: „Es gibt Hinweise, dass sich die innere Uhr von Schichtarbeitern mit Licht umstellen lässt.“, berichtete das Hamburger Abendblatt am 3. Januar 2004 (hier). "Wenn wir die Nacht zum Tag machen, müssen wir den Tag zur Nacht machen", sagte Guth. Auch wenn Frau Dr. Guth bereits ein Jahr danach nicht mehr auf diese Studie angesprochen werden wollte, blieb es bei der Motivation des Lichtmarketing bis heute: Schichtarbeit mit viel Licht ändern.
Der Initiator der Idee war ein anderer großer deutscher Konzern: Siemens. Dieser hatte damals noch etwas Interesse an Licht, durch das er groß geworden war. Aber noch mehr an dem Stromverbrauch durch Licht, an dem er viel verdient hatte. Denn der Firmengründer war, wie auch sein größter Konkurrent Edison, ein Systemmensch und verdiente nicht etwa an Lampen allein, sondern an Leitungen und Kraftwerken, die man dazu brauchte.
Gegen diese Studie gab es mindestens einen Widersacher, der die Beteiligung an dem Projekt unmittelbar abgelehnt hatte. Das war der Professor für Arbeitspsychologie Nachreiner. Nicht dass er etwas dagegen hätte, dass die physiologische Wirkung der Nacharbeit gemildert werden sollte. Als Experte für die Nacht- und Schichtarbeit wusste er, dass diese immer den Körper belastet. Aber ebenso schlimm oder schlimmer sind die sozialen Auswirkungen auf Familie, Freunde u.ä. So hatte Professor Nachreiner u.a. Optimierungsprogramme für Schichtpläne entwickelt, die die sozialen Wirkungen minimieren.
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Neben Nachreiner hatte auch ich meine Bedenken. Aber nicht wegen der Physiologie, da ich eine Eigenschaft habe wie nur wenige Menschen: von Geburt an war mir die circadiane Wirkung egal. Ich kann schlafen, wann es geht, aber auch tagelang wach bleiben. Das können rechnerisch maximal 20% aller Menschen vom Chronotyp Eule, davon bin ich die extremste. Der größte Teil der Menschen gehört zu den Lerchen. Diese und auch die "Normaltypen" stehen zur gleichen Zeit auf, egal was sie in der Nacht davor getan haben. Daher findet man in Warten und Leitständen fast nur Eulen. Aber so viele Eulen, wie die Gesellschaft braucht, gib es aber nicht. Außerdem weiß ich nicht recht, ob man etwa die Polizei oder die Gewerbeaufsicht nur mit Eulen bestücken sollte.
Meine Bedenken waren daher eher technischer Art. Ich mag keine Studien, die auf Beleuchtungsstärken beruhen, weil dieser Begriff eine künstliche Größe bezeichnet. Die Beleuchtungsstärke ist erfunden worden, um alles Licht, das sich in einem Punkt auswirkt, ungeachtet seiner Quellen und deren Eigenschaften in eine Messgröße zu fassen. Nur wer gelernt hat, was dabei alles unberücksichtigt bleibt, Blendung, Richtung des Lichteinfalls, Modellierung von Gesichtern, Lichtfarbe, Farbwiedergabe, Leuchtdichte und und und, kann damit umgehen. Dass ausgerechnet die physiologischen Auswirkungen auf die Körperhormone an der Beleuchtungsstärke des Arbeitsplatzes gemessen werden sollten, wollte mir nicht in den Kopf.
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Es gibt einen eindeutigen Nachweis dafür, dass die lichttechnische Industrie den Versuch im Volkswagenwerk als Vehikel benutzen wollte, helles Licht allgemein zu propagieren, als Heilmittel, vielleicht sogar als Allheilmittel. Das Projekt wurde der deutschen Öffentlichkeit nicht etwa durch eine Fachzeitschrift für Produktionstechnik präsentiert, sondern durch die Bürozeitschrift Mensch und Büro. Wer nicht gutgläubig alles abnimmt, was ihm vorgesetzt wird, fragt sich, was eine Bürozeitschrift wohl mit Schichtarbeit zu tun hat. Zu der Präsentation war Nachreiner nicht eingeladen. Er wäre vermutlich auch nicht gekommen, weil er den Versuch bereits methodisch unterirdisch gefunden hatte. Als Moderator hatte Mensch und Büro mich vorgesehen. Das war der Industrie aber nicht genehm. Sie argumentierte, ein prominenter Fernsehmoderator von Wissenschaftssendungen wäre angemessen für das historische Event. So wurde Karsten Schwanke zum Moderator gewählt. Immerhin der Moderator von "Abenteuer Wissen", einer Sendung, die zuvor von Wolf von Lojewski präsentiert worden war, und Schwanke eine Goldene Kamera für "Beste Information Wissensmagazine" einbrachte. Dieser verdiente viel später eine "Medaille für naturwissenschaftliche Publizistik" der Deutschen Physikalischen Gesellschaft.
Die Wahl von Karsten Schwanke zeigt den Stellenwert, den die Industrie dem Projekt beigemessen hat. Nur kurz danach wurde das großartige Werk begraben. Was war der Grund? Jedenfalls nicht meine Bedenken bezüglich der Beleuchtungsstärke. Diese haben die Lichtplaner wohl so hinbekommen. dass in keiner Publikation von Blendung die Rede war. Die circadiane Rhythmik der Arbeiter wurde auch um Stunden verschoben. So gesehen ein Erfolg. Das einzig Dumme war, was Nachreiner beanstandet hatte. Die Arbeiter mussten nach der Nachtschicht im Dunkeln nach Hause fahren, damit die Verschiebung durch die dumme Sonne nicht wieder zurück verschoben wurde. Dann war da noch eine Kleinigkeit: Es mussten Nachtschichten drei Wochen in Folge durchgehalten werden. Und zwischendurch musste der Arbeiter tagsüber nur mit einer Sonnenbrille herumlaufen.
Zu praktisch, um in die Geschichte einzugehen!
30.09.2024
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In der letzten Woche habe ich dargestellt, dass alle Hoffnung auf das "Richtige Licht zur rechten Zeit" wohl verloren ist. Jedenfalls wenn man darauf wartet, dass einem die lichttechnischen Normen oder die Gurus der Chronobiologie helfen. Doch ist es nicht angebracht, die Flinte ins Korn zu werfen. Man kann immer noch sich selbst helfen, wenn man weiß, wie man die Erkentnisse der Chronobiologie anwendet. Und das ist so kompliziert nicht.
Warum können aber die Lichttechniker nicht helfen? Das ist eine lange Geschichte, die genau 100 Jahre alt ist. Man hat im Jahre 2024 die sog. V(λ)-Kurve aufgestellt und behauptet seitdem, dass Licht nur das ist, was diese Kurve umfasst. Alle physiologischen Wirkungen der Strahlung sind damit ausgeklammert, die nicht in den Bereich der Kurve passen. Das ist eindeutig fehlerhaft. Die Normer müssen von diesem Ross runter. Können aber wohl nicht. Man muss sich aber nicht an deren Probleme halten.
Es gibt zudem ein Problem, das Normer nie lösen können, aber der Einzelne bzw. der einzelne Arbeitgeber. Das ist das Gedächtnis des Körpers für die vergangenen Lichtexpositionen. So wirkt sich die Beleuchtung am Tage in der Nacht aus, und die Beleuchtung im Privatbereich in der Nacht am nächsten Tag bei der Arbeit. Der Arbeitgeber darf keine Vorschriften für deine Mitarbeitenden machen, wie sie denn ihre Wohnung beleuchten. Er will auch nicht die Beleuchtung in seinem Betrieb so gestalten, dass man sich später zu Hause anders fühlt. Denn die behaupteten Wirkungen haben viel mit der Physiologie des Menschen zu tun, und kollektive Massnahmen, die sich darauf auswirken können, sind Tabu! Aber niemand verbietet es, vorhandenes Wissen sinnvoll anzuwenden.
Ich habe in einem ergonomischen Standard bestimmte Wirkungen des Lichts herausgearbeitet, über die es keine Diskussion gibt. Warum nicht diese umsetzen, so gut es geht? Das ist nur durch einen Trick gelungen, denn bestimmte Standards dürfen keine Empfehlungen enthalten. Aber man kann Dinge erklären, die empfehlenswert sind.
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Circadiane Rhythmen werden durch den Hell-Dunkel-Wechsel des natürlichen Lichts gesteuert.
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Licht in den frühen Stunden des Tages entfaltet die größte circadiane Wirkung.
Künstliches Licht in der Nacht kann eine Gesundheitsgefahr sein.-
Nur natürkiches Licht enthält alle Teile der Strahlung, die viele biologische Wirkungen entfalten.
Circadiane Wirkungen hängen vom Lichtspektrum ab.
Licht von Bildschirmen entfaltet circadiane Wirkungen.
Circadiane Wirkungen hängen vom Lichtspektrum ab.
Circadiane Wirkungen hängen vom Alter ab.
Das Lichtniveau während des Tages meist zu gering.
Der Körper hat ein Gedächtnis für die Beleuchtung.
Die räumliche Verteilung der Lichtquellen spielt bei der circadianen Wirkung eine wichtige Rolle.
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Die obigen Empfehlungen stammen aus ISO/TR 9241-610 "Ergonomics of human-system interaction - Part 610: Impact of light and lighting on users of interactive systems". Sie sind aus 85 Quellen extrahiert. Wer die Details wissen möchte, muss leider den Standard mit 35 Seiten durcharbeiten. Noch mehr Details gibt es in dem Buch "Genesis 2.0 - Die Schöpfung der elektrischen Sonne". Dort kann man die gesamte Historie von Licht und Gesundheit lesen und verstehen lernen, warum man sich so schwer tut mit dem Licht. Genesis 2.0 ist ein Kindle Buch zum Durcharbeiten, wenn man Lust hat.
26.09.2024
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Vorgestern berichtete ich über die dritte Verlautbarung der CIE zum Thema "Richtiges Licht zum richtigen Zeitpunkt". Der Bericht wurde von manchen wohl als Kritik an der CIE aufgefasst. Der Eindruck trügt. Die Kritik ging an eine andere Adresse. Daher möchte ich die Aussage vertiefen.
Vor drei Jahren hatten die führenden Chronobiologen der Welt ein Memorandum veröffentlicht und darin - übrigens ohne Begründung - angegeben, wie eine der Gesundheit zuträgliche Beleuchtung ausschaut, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert. Das war überfällig, nachdem man seit 2001 Tausende Veröffentlichungen dazu produziert hatte.
Wohl auf keinem Fachgebiet klaffen so große Unterschiede zwischen Wissenschaft und Technik wie in der Beleuchtung. Dies habe ich in dem Buch "Genesis 2.0 - Die Schöpfung der elektrischen Sonne" dargelegt. Warum ist das aber so? Ignorieren die Techniker wissenschaftliche Erkenntnisse? Manchmal schon. Aber der Grund liegt woanders. Das Produkt der Lichttechnik, die künstliche Beleuchtung, ist nur Mittel zum Zweck. Es entwickelte sich viele tausend Jahre, bevor die Technik einen Namen bekam. Die Menschen brauchten es, um die Dunkelheit zu vertreiben. Zum einen aus den Höhlen, in die die Sonne nicht hinein gucken konnte. Aber die wesentliche Aufgabe des künstlichen Lichtes war, den natürlichen Tag zu verlängern. So nebenbei schuf die Lichttechnik die 24/7- Gesellschaft im Privaten wie in der Arbeitswelt.
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Der Rat der Wissenschaftler besagte, in Innenräumen muss das Lichtniveau viel höher sein als heute üblich. Es besagt aber nicht, in welchen Räumen das gelten soll. Aber der Zeitraum wird angegeben: Zwischen 06:00 Uhr und 19:00 Uhr, also an einem fiktiven Tag während des Tages. Danach soll das Licht auf maximal 1/25 des Tageswertes abgesenkt werden. Also können nicht Arbeitsräume gemeint sein. Nach 19 Uhr sind die entweder unbesetzt oder mit arbeitenden Menschen belegt. Diese können im Halbdunklen nicht arbeiten. Ich denke, es ist nicht einmal möglich, dass sie sich sicher bewegen.
Was wird wohl ein Lichtplaner von seinem Auftraggeber hören, wenn er diesem erklärt, er würde die neue Anlage mindestens um den Faktor drei größer planen, damit es am Tage heller wird? Dafür müsste das Licht abends heruntergedimmt werden, bis es flackert. Lassen wir das Spekulieren sein und denken weiter, dass der Auftraggeber den Plan akzeptiert. wo findet man an der Decke so viel Platz, dass alle neuen Leuchten installiert werden können? Alternativ könnte man hellere Lampen nehmen. So oder so wird das neue Licht blenden, weil die Empfehlung lautet, eine hohe vertikale Beleuchtungsstärke zu erzielen.
Und diese Blendung gilt doppelt, denn der Benutzer wird nicht nur direkt geblendet, sondern auch über seinen Bildschirm. So ist zu verstehen, warum die Antwort der CIE auf diese Empfehlung entsprechend ausgefallen ist: "Ein hoher melanopischer EDI (eine sehr hohe Lichtexposition) während des Tages ist förderlich für die Wachsamkeit, den zirkadianen Rhythmus und einen guten Nachtschlaf.“ Die CIE antwortete darauf "Die CIE erkennt an, dass der Aufenthalt im Freien während des Tages mit einer besseren Gesundheit und einem höheren Wohlbefinden in Verbindung gebracht wird und dass die Exposition gegenüber Tageslicht eine wichtige kausale Komponente für diese Effekte darstellt."
Das ist keine Satire, sondern vermutlich die einzig mögliche Realisierung der Empfehlung für Arbeitsstätten. Warum dem so ist, hatte ich bereits einige Male erklärt, so z.B. hier oder da oder dort.
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Ich hoffe, dass es klar wird, warum die CIE alle Hoffnungen aufgegeben zu haben scheint. Interessant in diesem Zusammenhang ist, wie eigentlich 18 führende Köpfe der Chronobiologie mit solch einem Vorschlag kommen konnten, den kein Lichtplaner realisieren kann, was es auch nicht dessen Aufgabe ist. Und wieso sie auf Daten zurückgegriffen haben, die von jungen Menschen bzw. von solchen mit mittlerem Alter stammen.
Eigentlich ist es in der Wissenschaft keine Seltenheit, das man junge und gesunde Probanden beschäftigt. Dass dies ein Fehler ist, wird jeder Wissenschaftler bestätigen. Warum tut man es dennoch? Aus methodischen Gründen! Viele Untersuchungen, die etwas mit der Physiologie zu tun haben, werden mit gesunden Probanden ausgeführt, weil man nicht genau spezifizieren kann, was krank ist. Diese sind häufig auch männlich, weil sich die Physiologie der Frau im Rhythmus des Mondes ändern kann, aber nicht unbedingt muss. Daher wird in der Pharmazie meist mit männlichen Probanden gearbeitet.
Wie kommt es aber bei der Chronobiologie dazu, dass man Licht mit Daten on jungen Menschen bzw. von solchen mit mittlerem Alter bestimmt? Die CIE sagt dazu, die Forschenden hätten 19 Veröffentlichungen aus den Jahren 2000 bis 2019 einer Meta-Analyse unterzogen. Da schwant mir etwas: Der Forschende mit dem größten Einfluss aus dieser Zeit war Prof George Brainard, und der forschte u.a. für die NASA (NASA, Lighting design of space vehicle and space craft interiors: space shuttle, space station and space laboratory) seit 1987). Das größte Interesse an der Chronobiologie besteht in der Raumfahrt, weil der Tag für die jetzigen Raumfahrer (ISS-Besatzung) etwa 90 Minuten beträgt und nicht 24 Stunden. Zudem würden diese bei einer Mars-Mission einem unbestimmten Rhythmus unterworfen werden bzw. keinem Rhythmus. Böse Zungen behaupten, die Daten, aus denen eine gesunde Beleuchtung für Irdische abgeleitet worden ist, würden von Brainards Studien mit Raumfahrern stammen. Und diese sind in dem kritisierten Alter.
Während die Sache mit den Probanden noch irgendwie akzeptiert werden kann, beanstandet die CIE das Wesentliche an der Empfehlung, die Angabe eines Wertes für die Beleuchtungsstärke ohne Zeitangabe. Die 250 lx (EDI) gelten für die gesamte Zeit von 06:00 Uhr bis 18:00 Uhr. Eine solche Angabe ist üblich für die Beleuchtung für das Sehen, weil man nichts mehr sehen kann, sobald das Licht erlischt. Bei den circadianen Wirkungen wurde hingegen fast immer von einer Lichtdosis gesprochen, die sich aus Beleuchtungsstärke und Zeit errechnet, so wie bei der Fotografie. Während das Auge kein Gedächtnis hat, von einem Kurzzeitgedächtnis für Sekunden abgesehen, haben circadiane Wirkungen ein Gedächtnis, das etwa 24 h beträgt. Wenn man alle physiologischen Wirkungen des Lichts berücksichtigen will, reicht auch ein Jahr nicht als Gedächtnis aus. Wie die Erfahrung zeigt, gibt es von Licht gesteuerte Vorgänge, die noch länger dauern. Aber die untersucht ja keiner, weil das lange dauern kann.
Summa summarum bedeutet die Deklaration der CIE ein Verschieben der richtigen Zeit für das richtige Licht auf Sankt Nimmerlein. Die Revolution fällt erst einmal aus. Übrigens … das ist nicht die erste Pleite des Anspruchs, mit gutem Licht eine gesunde Umgebung zu schaffen. Der erste Versuch wurde in 1925 von Matthew Luckiesh eingeleitet. Damals wollte die Lichttechnik die Sonne im Innern der Gebäude nachbilden, damit die Menschen keinen Vitamin D Mangel erleiden sollten. Das sollte das Dual Purpose Light besorgen. Am Ende gab es Milch mit Vitamin D Zusatz. Heute will man den Melatoninhaushalt des Menschen in Ordnung bringen. Das könnte mit Melatoninpillen enden.
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24.04.2024
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Heute ist mir ein historisch wertvolles Dokument in die Hände gefallen, das für viele von uns den Alltag im Arbeitsleben mitbestimmt. Es wurde von zwei Herren geschrieben, die ich einst gut kannte. Sie berufen sich auf einen anderen Herrn, den ich auch mal kennenlernen durfte. Dessen Titel nimmt in der Publikation eine ganze Zeile ein: Herr Prof. Dr. phil. Dr. med. Dr. med. h. c. Herbert Schober. Einst ein Name wie Donnerhall! Da muss man vor Ehrfurcht erstarren, zumal die anderen Herren, die als Autor genannt werden, auch nicht über viel kürzere Titel verfügten, Herr Prof. Dr. rer. nat. Erwin Hartmann und Herr Prof. Dr. med. Wolf Müller-Limmroth. Echte Pandits ihrer Zunft. Bei so viel Kompetenz muss man deren Schrift als so eine Art Bibel betrachten. Da steckt Wahrheit drin!.
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Das Dokument stammt vom Juni 1981 und baut auf einem einem Gutachten von Schober von 1971 auf. Wer Schober war? Die Koryphäe was Sehen und Physiologie angeht. Bereits 1950 hatte er sich zu Worte gemeldet. Sein Artikel in Lichttechnik hieß "Die angeblichen Sehstörungen bei Beleuchtung durch Entladungslampen". Übrigens, die angeblichen Störungen gibt es heute 75 Jahre später noch. Bei mir steht er mit dem folgenden Satz im Gedächtnis: „Erst die Einführung der Leuchtstofflampen hat es ermöglicht, zwei alte Wünsche der Technik zu erfüllen, nämlich die Arbeit in fensterlosen und genau klimatisierten Räumen auf der einen Seite und die von der Tageszeit unabhängige kontinuierliche Maschinenarbeit auf der anderen Seite.“ Wenn das so allein da stünde, hätte ich nichts dagegen. Ist ja nur ein Statement, auch wenn nicht ganz so unparteiisch. Das Wörtchen genau vor "klimatisierten Räumen" hätte ich gerne erklärt bekommen. Prof. Schober hat wohl nie in einem klimatisierten Raum gesessen.
Auf dem Kongress, wo diese Worte von 1961 wiederholt wurden, gab es aber noch ein Statement: „Menschen in fensterlosen Fabrikationsräumen haben - sofern diese in arbeitshygienischer Sicht optimal gestaltet sind - keine gesundheitsschädigenden Einflüsse zu befürchten.“ Das war die 6. Arbeitstagung der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und dokumentiert, dass die deutschen Arbeitsmediziner dem Tageslicht keine hygienische Bedeutung beimaßen. Diese Tagung lief zum Thema "Der fensterlose Arbeitsraum". Könnte auch "Eine Welt ohne Sonne" heißen.
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Schobers Gutachten von 1961 wurde 1971 aufgefrischt und besagte, dass alle Behauptungen zu gesundheitlichen Wirkungen vom Leuchtstofflampenlicht irgendwie falsch seien. Leider liegt mir das Urdokument nicht vor. Aber darauf kommt es nicht an, weil weitere zwei hochdekorierte Herren im Jahre 1981 seine Ausführungen wieder aufnahmen. Das Jahr 1971 war übrigens nicht so eine Zahl wie jede andere. In dem Jahr veranstaltete die LiTG eine Sondertagung "Auge-Licht-Arbeit" in Karlsruhe, bei dem es um fensterlose Arbeitsräume ging. Auf dieser Tagung ging der spätere Vorsitzende des Normenausschusses Beleuchtung, H.-J. Hentschel, sogar noch weiter als andere: „Hohe Ansprüche an die Beleuchtung, wie sie in der künstlichen Beleuchtung gestellt werden, können nicht befriedigt werden.“ Ergo: Die Menschen haben es besser, wenn man das Tageslicht aussperrt und ihre Arbeitsräume nur noch künstlich beleuchtet. Hentschel wusste im Übrigen nicht, dass sinngemäß dasselbe in einem Buch von Luckiesh und Pacini im Jahre 1926 gestanden hatte. Und der im Bild an der Seite dozierende Prof. C. T. Larson bereits 1965 diese Weisheit wissenschaftlich ermittelt zu haben glaubte.
Dummerweise bauen Menschen Fenster nicht wegen der Beleuchtung in ihre Behausungen ein. Diese dienen vornehmlich der Belüftung. Während man ohne Licht leben kann, auch wenn nicht allzu fröhlich, ist ein Leben ohne Luft nur in der Tiefsee möglich, wo riesige Würmer an schwarzen Schloten vom Schwefel leben. Naturverbunden, aber nicht ganz menschenwürdig. Aber die Lösung war längst da. Die künstliche Klimatisierung war zu Beginn des 20. Jahrhunderts erfunden worden. In den USA war man bereits in den 1930ern dabei, unterirdische Städte zu entwerfen. Aber ein gewisser Georg Rössler vom Institut für Lichttechnik in Berlin war der Meinung, Menschen bräuchten eine Kommunikation mit ihrer Umwelt. Dem widersprach ein gewisser Weber, Autor von "Praktische Erfahrungen bei fensterlosen Arbeitsräumen", und stellte die glanzvolle Zukunft so dar: "… richtige Dosierung folgender Reize: Eine Luftbewegung durch die Klimaanlage, akustische Reize durch die Maschinen, stärkere optische Gestaltung durch die Farbgestaltung sowie letztlich durch die Tätigkeit am Arbeitsplatz selbst." Was braucht der Mensch noch? Rösslers Idee (mehr dazu hier) kam 1975 in die Arbeitsstättenverordnung und ist im Jahr 2024 immer noch dort. Vom Herrn Weber mit dem Ideenreichtum ohnegleichen fehlt bis auf die zitierte jede Spur. .
Eine Luftbewegung durch die Klimaanlage, um ein Frühlingslüftchen ins Büro zu holen? Mindestens zwei Generationen von deutschen Büromenschen, die das besondere Los gezogen hatten, in einem Großraumbüro zu arbeiten, würden dem Herrn Weber nichts Gutes wünschen. Er dürfte sich in einem Großraumbüro auch nicht als Autor dieser Weisheiten outen, ohne sich Sorgen um seine Sicherheit zu machen. Aber Hentschel und ähnlich Denkende kamen ungeschoren davon, weil sie nur in Fachkreisen auftraten. Ihr wichtigstes Problem bildeten ein Prof. Hollwich und dessen Anhänger. Dieser behauptete, Leuchtstofflampenlicht erzeuge Stress und stünde im Verdacht, die Stoffwechselprozesse im Körper zu stören. Sie hätten ein falsches Spektrum. Seine diesbezüglichen Arbeiten füllen eine lange Liste.
In den Jahren ist auch irgendwie der Verdacht entstanden, Leuchtstofflampen könnten Krebs erzeugen. Da musste die Lichttechnische Gesellschaft dagegen halten. Das ganze Gutachten von Hartmann und Müller-Limmroth von 1981 kann kostenlos im Internet abgerufen werden. Ich will nur einige Passagen anführen und kommentieren. Hollwich wird da nicht etwa als ein irregeleiteter Ahnungloser hingestellt, sondern so: "Hollwich hat, und das ist zweifellos verdienstvoll, immer wieder darauf hingewiesen, daß Licht, das vom Auge aufgenommen wird, nicht nur der visuellen Information dient, sondern auch indirekt über den Hypothalamus und die Hypophyse das vegetative Nervensystem und das Endokrinum beeinflussen kann. Damit steht heute zweifellos fest, daß Licht eine stimulierende Wirkung besitzt."
Über 40 Jahre später verändert die hier subsumierte Erkenntnis von Hollwich die Lichtwelt. Allzuweit kann er also nicht daneben gelegen haben. Dennoch wird mit großen Aufwand erläutert, warum seine Vorstellung vom falschen Spektrum grundsätzlich falsch sei: "Das Farbensehen des Menschen basiert also darauf, daß der Lichtreiz, wie immer er auch spektral zusammengesetzt sein mag, von den drei Zapfenpigmenten entsprechend ihren Absorptionskurven absorbiert wird und daraus drei entsprechende Rezeptorsignale resultieren. Aus den Rezeptorsignalen kann nicht mehr eindeutig auf die spektrale Zusammensetzung der erregenden Strahlen zurückgeschlossen werden. Es ist seit langem bekannt, daß das Auge nicht in der Lage ist, die spektrale Zusammensetzung des Lichtes zu erkennen."
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Wie dumm, dass etwa zwei Jahrzehnte später die Chronobiologie nachweist, dass das menschliche Auge so gut mit dem Spektrum umgehen kann, dass alle lichttechnischen Größen eine vom Spektrum der Beleuchtung abhängige Variante bekommen haben. "Bei gleicher Hellempfindung und Lichtfarbe ist es daher nicht vorstellbar, daß biologische Funktionen unmittelbar von der spektralen Zusammensetzung des Lichtes abhängig sind." hieß es 1981 in dem Gutachten. Das Unvorstellbare ist wahr. Kann das wahr sein?
Es geht noch weiter: "Ein Zusammenhang biologischer Funktionen mit der spektralen Zusammensetzung des Lichtes ist aber bei gleicher Hellempfindung und Lichtfarbe nach heutigen Erkenntnissen nicht gegeben." Aber ja, doch! Manche Aussage lässt sich später doch als ziemlich dummes Geschwätz vorführen. So z.B. dieses Statement: "Nachdem es heute wohl kaum noch einen Wissenschaftler gibt, der im Ernst behauptet, daß durch Licht über das Auge, den Hypothalamus und die Hypophyse Krebs entsteht, bleibt aber immer noch die Frage nach der „Streßwirkung durch Licht” zu klären." Erstens gibt es nicht nur einige Wissenschaftler, die das Licht in der Nacht (light at night bzw. LAN) als ernsthafte Forschung betreiben, weil es bis heute nicht aufgeklärte Wirkungen des Lichts gibt, die die Entstehung mehrerer Krebsarten begünstigen. LAN = light at night hat sich zu einem Dauerthema in der Medizin entwickelt. Allerdings zu keinem erfreulichen. Es gibt einen Wirkungspfad, der realistisch erscheint: Licht in der Nacht ist mit einer Unterdrückung des Melatonin im Blut verbunden. Da Melatonin u.a. als Jäger von Krebszellen gilt, bedeutet weniger Melatonin im Blut länger am Tag freie Fahrt für Krebserreger. Bei bestimmten Berufen ist die WHO davon überzeugt, dass Nacht- und Schichtarbeit Krebs fördert. Und als ein möglicher Faktor gilt Licht. (mehr z.B. hier)
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Lassen wir die großen Krankmacher und reden wir vom Stress. Hartmann und Müller Limmroth haben dazu etwas geschrieben, was heute ebenso bedeutsam ist wie damals. Die Herren wollten eigentlich einen Persilschein für das künstliche Licht ausstellen und fingen die Sache mit dem Stress so an: "Leider ist es heute Mode geworden, bei jeder möglichen und unmöglichen Gelegenheit von Streß zu sprechen …" Sie schreiben weiterhin, dass man Stress am Arbeitsplatz nicht einem einzelnen Faktor anlasten kann. Auch heute würde niemand etwas anderes behaupten als damals: "Infolgedessen ist bei der Bewertung irgendeines Umweltfaktors am Arbeitsplatz immer die Gesamtheit aller Stressoren zu berücksichtigen. Das sind physische Stressoren wie Lärm, Klima, Beleuchtung, Geruch, Arbeitsposition usw., psychomentale Stressoren wie nervliche Beanspruchung, Aufmerksamkeitsanforderungen, Wachsamkeitsprobleme, Schichtarbeit usw. sowie soziale Stressoren …" Wie wahr! Was hat aber die Lichttechnik von dieser von ihr selbst veröffentlichten Weisheit gemacht?
Es gibt einen einzigen Faktor, den man bei der Beleuchtungstechnik in dieser Hinsicht systematisch berücksichtigt hat: Blendung. (Den zweiten Faktor nenne ich weiter unten). Die Art und Weise, wie dies geschehen ist, ist zum junge Hunde kriegen. In zwei Laboren von Lichtherstellern (GE und Philips) hat man 1947 bzw. 1960 Versuche gemacht. In deren Folge wurden zwei Verfahren zur Blendungsbewertung (Luckiesh und Guth bei GE, Söllner bei Philips) aufgestellt. Schlappe 50 Jahre später wurde daraus - auf dem Papier - ein drittes Verfahren errechnet. Das nennt sich UGR wie unified glare rating. Jede Leuchte, die man kaufen kann, erhält zwei Werte, einen für Blick in Querrichtung, einen für 90º gedrehten. Im Lampenkatalog stehen die Werte dreistellig, z.B. UGR l = 16.2, UGR q = 16.3 (l = längs, q = quer). Die Verfahren erlauben aber nicht einmal eine einstellige Angabe, weil keines der drei Verfahren validiert werden konnte.
Nicht nur das. Validieren heißt, dass ein angegebener Wert eine nachweisbare Bedeutung hat. Dafür muss das Verfahren reliabel sein, d.h. für eine bestimmte Lichtsituation muss es immer den gleichen Wert ergeben. Dazu heißt es, die Versuche seien nicht wiederholbar. Aber auch die Ergebnisse, die Angaben zu Leuchten, sind kaum wiederholbar, denn es heißt:"Ein einzelner UGR-Datenblattwert ist nur dann eine Eigenschaft der Leuchte, wenn diese sich in dessen speziellem Standardraum mit definierten Eigenschaften befindet. In der Praxis kann der UGR-Wert wesentlich anders aussehen, er dient lediglich als eine Art grobe Orientierung für den Planer." (aus ZVEI Positionspapier - UGR-Verfahren Anwendung und Grenzen - Unified Glare Rating", Oktober 2021). In diesem Positionspapier werden insgesamt 12 Grenzen der UGR-Verfahrens aufgezeigt, die von den Grenzen der Basis (UGR-Formel) bis Grenzen durch Alterung der Anlage reichen. Fragt sich, wozu sich das Verfahren überhaupt eignet. Der ZVEI meint genau dazu: "Der einzelne UGR-Datenblattwert für den überschlägigen Leuchtenvergleich". Und das nach 110 Jahren Forschung zu Blendung. Alao mea culpa. Wir haben unser Bestes gegeben. War aber nicht gut genug.
Immerhin besteht Hoffnung, denn die LiTG hat sich nach 111 Jahren umbenannt in "Deutsche Gesellschaft für LichtTechnik und LichtGestaltung". Es kann also nicht mehr sehr lange dauern, bis man von Blendungsvermeidung zu einer menschengerechten Gestaltung kommt. Das Ziel ist bereits ausgemacht: "Beleuchtung dient der Schönheit und Gesundheit", so nach DIN 5035 Innenraumbeleuchtung mit künstlichem Licht von 1935. Die Umsetzung folgt auf dem Fuß!
Dass die Verfahren von Luckiesh und Guth sowie Söllner nicht reliabel waren, wussten die Leute, die das UGR-Verfahren ausgearbeitet haben. Und Versuche, UGR zu validieren, sind fehlgeschlagen. Kein Wunder, denn alle Versuche waren ohne irgendwelche zusätzliche Belastung durchgeführt worden. Nach Hartmann und Müller-Limmroth hätten sie daher nie zu einem validen Ergebnis führen können: "… bei der Bewertung irgendeines Umweltfaktors am Arbeitsplatz immer die Gesamtheit aller Stressoren zu berücksichtigen." Da den beiden Herren aber die Situation bekannt war, hätten sie durchaus den Umstand nennen müssen. So etwa könnte es lauten "Trotz der bereits von Thomas Edison erkannten herausragenden Bedeutung der Blendung wurden bislang keine adäquaten Studien angestellt, um die Beleuchtung von Arbeitsstätten stressfrei zu gestalten." Stress durch einen systematischen Mangel an der Beleuchtung war durchaus gegeben. Und dies war direkt mit der Leuchtstofflampe verbunden, weil alle Versuche mit der Blendung einer geräuschlosen Einführung dieser Lampe dienten.
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Es gab mindestens einen weiteren Stressfaktor, das war Flimmern. Der Effekt war bereits bei der Einführung der Leuchtstofflampe bekannt. Man argumentierte aber, dass das menschliche Auge das Flimmern nicht sehen könne, weil dies mit hinreichend hoher Frequenz geschah (100 Hz und Europa, 120 Hz in den USA). Tatsächlich kann das ruhende menschliche Auge Schwankungen mit dieser Frequenz nicht auflösen. Warum beschwerten sich aber so viele Menschen? Erstens, weil das menschliche Auge bei der Arbeit nicht ruht. Und zweitens die Ermittlung der FVF (Flimmerverschmelzungfrequenz) fehlerhaft war. Diese wurde mit kleinen Lichtquellen im Zentrum des Auges ermittelt. Beleuchtungsanlagen erstrecken sich aber über den ganzen Himmel von Arbeitsräumen. Der Faktor Flimmern wurde so lange geleugnet, bis es eine richtige Lösung gab: Elektronisches Vorschaltgerät. Dass die Beschwerden einen realen Hintergrund hatten, wurde in einem EU-Projekt experimentell nachgewiesen (Wilkins, A.J.; Nimmo-Smith, I.; Slater, A.I.; Bedocs, L.: Fluorescent lighting, headaches and eyestrain, Lighting Research and Technology, 1989, S. 11-18). In einem Bürohaus verschwanden die Hälfte der Kopfschmerzen durch flimmerfreies Licht.
Übrigens, Flimmern ist wieder zurück, als flicker. In Brüssel ringt die Lobby der Lichttechnik mit der EU-Kommission darum, wie hoch LEDs flimmern dürfen. Dabei war es bereits vor der Einführung der LED als Beleuchtung bekannt, wie man sie flimmerfrei betreibt. Wer keine persönliche Begegnung mit Flimmern hatte, möge zu einer belebten Straße in einer deutschen Stadt gehen oder zu einem Bahnhof. Dort flimmern die Fahrradlichter, wenn einer langsam fährt oder schiebt. Gestern kamen mir bei Sonnenschein Dutzende Fahrräder einer Öko-Gruppe an einem Berg entgegen. Die Lahmen flimmerten, die Schnellen machten eine Weiterfahrt unmöglich. Sie blendeten schlimmer als die viel beschimpften SUVs. Langsam wird mir klar, warum die "Fachleute" der EU, die die neue Richtlinie bearbeiten, nicht vom Fach sind, aber mindestens einer aus der Walachei.
Wie man sieht, hatten unsere Väter gar keinen Grund, sich über das Licht der Leuchtstofflampe zu beschweren. Die Pandits von damals, Schober, Hartmann und Müller-Limmroth, haben sich echt Gedanken darüber gemacht. Sie sagten abschließend: "Es gilt auch heute noch die alte Feststellung [von 1961], daß Sehstörungen bei Leuchtstofflampenlicht auf nicht einwandfrei korrigierte Refraktionsanomalien, auf unzweckmäßige Installation der Beleuchtungsanlage oder auf Sehanforderungen zurückzuführen sind, denen der betreffende Mitarbeiter auch bei einwandfreier Korrektur nicht gerecht werden kann." Wir müssen nur noch auf eine zweckmäßige Installation der Beleuchtunganlage warten! Ansonsten eine andere Brille kaufen oder die Arbeit wechseln.
Alternativ kann man darauf warten, dass die Wissenschaft der Technik hilft, das Phänomen Blendung zu verstehen und ihre Produkte danach zu bauen. Es besteht berechtigte Hoffnung darauf, wie der Beitrag von Prof. Völker, TU Berlin, zum 100, Jubiläum der Deutschen Gesellschaft für Lichttechnik (LichtGestaltung fehlte noch für weitere 11 Jahre) zeigt. Er führt aus: "Der vorliegende Beitrag zeigt, dass es möglich scheint, die vorhandenen Blendungsbewertungsmodelle auf ein Modell zurückzuführen. Zurzeit fehlen noch einige Einflussgrößen, welche aber bereits in Kürze vorliegen dürften. Diese müssen anschließend für alle Anwendungsfälle (Innen-, Außen-, Kfz-, Sportstättenbeleuchtung, etc.) validiert werden.“ Die Entwicklung eines Blendungsmodells würde nach Meinung von Völker gar noch mehrere Dissertationen erfordern. Will sagen, wir wissen nicht, was Blendung ist. Welche dieser Dissertationen heute nach 10 Jahren entstanden sind, steht nicht in der Literatur. Man wird aber hoffen dürfen.
Im Jahre 2021 veröffentlichte eine erlauchte Medizinergruppe, die erste Garde der internationalen Forschenden zu nichtvisuellen Wirkungen der Beleuchtung, ein Memorandum, das zu diesem Schluss kommt: "Ocular light exposure has important influences on human health and well-being through modulation of circadian rhythms and sleep, as well as neuroendocrine and cognitive functions. Current patterns of light exposure do not optimally engage these actions for many individuals, but advances in our understanding of the underpinning mechanisms and emerging lighting technologies now present opportunities to adjust lighting to promote optimal physical and mental health and performance." (In Klartext : Die Lichtexposition des Auges hat einen wichtigen Einfluss auf die Gesundheit und das Wohlbefinden des Menschen, indem sie den zirkadianen Rhythmus und den Schlaf sowie die neuroendokrinen und kognitiven Funktionen moduliert. Die derzeitigen Lichtexpositionsmuster wirken sich bei vielen Menschen nicht optimal auf diese Funktionen aus. Fortschritte im Verständnis der zugrundeliegenden Mechanismen und neue Beleuchtungstechnologien bieten nun jedoch die Möglichkeit, die Beleuchtung so anzupassen, dass eine optimale körperliche und geistige Gesundheit und Leistungsfähigkeit gefördert wird." Vorerst gelten die Empfehlungen nur, wenn die Sonne scheint. Zwischen 19:00 Uhr und 06:00 morgens darf man nur wenig Licht machen. Für die Arbeitnehmer, die nachts arbeiten und alle Leute, die auf ihrem Handy rumfummeln, wird man sich was überlegen. Echt! Versprochen.
Es besteht also Hoffnung!
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13.03.2024
Gestern hatte ich mit dem Begriff Zwielicht erklärt, warum ich nichts von einer Internationalisierung von Beleuchtungsnormen halte. Heute will ich ausführen, was aus dem Zwielicht geworden ist. Denn anders als seine Folgen ist es aus der Literatur verschwunden. Den letzten Eintrag dazu hatte ich von einem schwedischen Psychologen gelesen. Das letzte Wort hatte der selige Hajo Richter, seinerzeit der Vorstand der LiTG, gesprochen: "Glauben Sie mir, es gibt kein Zwielicht in Innenräumen."
Für mich konnte die Sache nicht so glatt über die Bühne gehen, denn meine Beratungskunden hatten mit Augenproblemen ihrer Mitarbeitenden zu kämpfen. Zwar meinten damals fast alle, die Ursache müssten die Bildschirme sein. Aber eine Lichtfirma witterte ein gutes Geschäft und behauptete, der Missetäter wäre die Beleuchtung. Deswegen müsse eine neue Beleuchtung her und ein nagelneues Gütemerkmal. Da die Sache den Computerfirmen sehr gut gefiel, sie wären damit aus dem Schneider, wurde die alte Zwielichttheorie schön wieder aufgewärmt. Auf der rechten Spalte sieht man, was die künstliche Intelligenz heute auf die Frage ausspuckt: "Wer hat die Theorie vom Zwielicht in der Beleuchtung aufgestellt". Ähnlich qualifiziert waren die Fragen seinerzeit.
Ich musste die ernst nehmen und veranstaltete eine Reihe Feldstudien, das sind Untersuchungen am Arbeitsplatz. Da die Augenbeschwerden der Menschen eher von der Klimatisierung herrühren denn von Bildschirmen, habe ich in mehreren Großraumbüros die Arbeitsplätze nummeriert, den Ort erfasst, die Mitarbeitenden zu verschiedenen Tageszeiten ( = andere Raumzonen mit Zwielicht) befragt.
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Bitte vermeiden Sie in dieser Frage die KI anzurufen. Als ich wissen wollte, wer die Sache sich ausgedacht hat, bekam ich diese wunderbaren Antworten:
Die Theorie vom Zwielicht ist ein relativ neues Konzept, das sich mit der Beleuchtung von Räumen mit künstlichem Licht befasst. Es geht darum, eine Beleuchtung zu schaffen, die sowohl die Vorteile von natürlichem Licht als auch die Vorteile von künstlichem Licht nutzt.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Theorie vom Zwielicht in der Praxis umzusetzen. Zum Beispiel können dimmbare Leuchten verwendet werden, um die Lichtintensität an die jeweiligen Bedürfnisse anzupassen.
Die Theorie vom Zwielicht ist ein wichtiger Schritt in der Entwicklung der Beleuchtungstechnologie. Sie trägt dazu bei, eine Beleuchtung zu schaffen, die sowohl funktional als auch komfortabel ist.
Das Ergebnis war eindeutig. In bestimmten Bereichen beschwerten sich die Leute signifikant stärker als in anderen. Und das in allen Fällen. Dummerweise hatte das Ergebnis nichts mit Licht zu tun. Wir deckten auf, dass in den Büros manche Stränge der Klimaanlage abgeschaltet waren, ohne dass dies jahrelang aufgefallen war. Dafür blies sie in den anderen Bereichen stärker und verursachte so mehr Augenbeschwerden. In einem Fall hatte sich die Isolierung des Gebäudes verkrümelt. Das Haus musste komplett saniert werden.
In einem eklatanten Fall hatten wir doch etwas aufgedeckt, was etwas mit Sehen zu tun hatte. Aber nur kurz. Die Klimaanlage des betreffenden Büros war viele Jahre andersherum geschaltet und hatte die Luft dort eingesaugt, wo die verunreinigte Luft ausgeblasen werden sollte. Als die Richtung umgedreht wurde, legte sich eine Staubwolke auf die Leute.
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Für mich war das Thema Zwielicht damit erledigt. Aber die glaubhafteste Quelle für Zwielicht, das Buch "Optimale Beleuchtung am Arbeitsplatz" von Prof. Erwin Hartmann, steht noch in den Bibliotheken im Regal. Schlimmer noch, viele seiner Empfehlungen führen in die Irre. So hat er ein ganzes Kapitel zu Zwielicht geschrieben, in dem u.a. dies steht: "… In ähnlicher Wewise sprechen wir auch vom Zwielicht, wenn ein Arbeitsplatz deutlicht erkennbar Licht verschiedener Lichtfarbe von zwei oder mehr örtlich getrennten Lichtquellen erhält. … " (kursiv im Original). Und weiter geht es: "Im übrigen ist es wohl selbstverständlich, daß in ein und demselben Raum keine Lichtquellen unterschiedlicher Lichtfarbe oder Farbwiedergabe verwendet werden dürfen."
Rund 50 Jahre später wissen wir, selbstverständlich ist das nicht. Auch nicht, was der Herr Prof. als eine Lösung zu Zwielichtproblemen anbot und begründete: fensterlose Büros. Dazu schreibt er: "Es gibt wenige Probleme im Zusammenhang mit Kunstlicht, die so umstritten sind, wie der fensterlose Arbeitsraum. Dabei wird in aller Regel mehr emotionell als sachlich argumentiert. Die Licht- und Beleuchtungstechnik kann heute jede vernünftige spektrale Zusammensetzung des Lichtes realisierren … und die Klimatechnik bietet heute so hervorragende Lösungen an, daß es - zumindest aus physiologisch-optischer Sicht - keine Bedenken gegen fensterlose Arbeitsräume gibt." Irre, was der so dachte. Das Sick Building Syndrome, das hauptsächlich auf die Klimaanlagen zurückgeführt wird, wartete noch auf seine Entstehung. Es hat in Google Scholar (wissenschaftlich) zu 234.000 Einträgen gebracht, Allein 2023 gab es 14,200 Fundstellen. Die Unbedenklichkeit der fensterlosen Arbeitsräume aus seiner physiologisch-optischer Sicht ist spätestens mit dem Aufdecken der Wirkungen der Beleuchtung auf die circadianen Rhythmen Makulatur. Ganz ohne Zwielicht gesehen …
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