Was erntet man in einem Unternehmen, wenn man diese Frage an die Mitarbeiter stellt? Lassen wir die üblen Antworten aus und gucken uns die üblichen an. Begeisterte Gesichter wird man eher selten sehen. Manche werden eher sagen "Mach das Licht aus, bevor Du gehst!" Wie kommt das eigentlich?
Ich fange mal mit dem an, was nicht mit dem Licht zusammen hängt. Die Sache kann man am besten verstehen, wenn man sich anschaut, was sich Leute (in diesem Fall waren es die Personen, die eine Beleuchtungsnorm geschrieben haben) unter einem Büroraum so vorstellen. Spaßeshalber habe ich die Darstellung etwas übertrieben. Nicht übertrieben sind aber die Flächen, die sind im Original so eingezeichnet.

Wenn man diesen Raum einem guten Lichtplaner gibt, wird er mit einiger Sicherheit eine Beleuchtung planen, die zufrieden stellt, insbesondere dann, wenn der Raum auch noch über 3 m hoch ist. Warum derselbe Planer bei üblichen Verhältnissen eher eine schlechte Beleuchtung planen wird, kann man leicht verstehen, wenn man ausrechnet, wie viele Menschen in einem üblichen Unternehmen auf dieser Fläche untergebracht werden. Wenn man das obige Bild ausmisst, wird man feststellen, dass der Raum mindestens 45 m2 und maximal 80 m2 groß sein dürfte. Nehmen wir den unteren Wert und schauen wir uns die Flächenansätze großer Unternehmen an, z.B. 7 m2 in einem der größten Konzerne der Republik, so wird die Fläche von etwa 6 Personen geteilt. Kauft das Unternehmen aus Kostengründen Rasterleuchten mit T5-Lampen (sie sollen so effizient sein) geht die Wahrscheinlichkeit, dass einer der sechs im Raum zufrieden sein wird, gegen 0 (in Worten Null). Ist die Bude auch gerade so hoch, wie zulässig (2,40 m) geht sie nicht gegen Null, sondern sie ist Null.
Jetzt nehmen wir weiter an, dass die Leuchten Einbauleuchten sind. Bei denen gucken Lampen mit einer eher unerträglich hohen Leuchtdichte aus einer dunklen Decke raus. Kein vernünftiger Architekt käme auf die Idee, so etwas freiwillig einzuplanen. Ich denke mal, dass die meisten Räume in Deutschland weder einen Architekten noch einen Lichtplaner je sehen werden, wenn eine neue Beleuchtung geplant wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass beide Hand anlegen, ist etwa Null. Dass einer von den beiden dabei ist, dürfte bei 5% der Fälle eintreten.
Und bei diesen 5% der Fälle wird eher selten vorkommen, dass man dem Planer keine Handfesseln namens Kosten anlegt. Was denn sonst? Unternehmen müssen wirtschaftlich handeln. Bei manchen (Versicherungsunternehmen) passt sogar eine Aufsicht auf, damit sie keine Luxusbauten erstellen. Soweit so gut …
Als Nächstes kommt etwas, was mit Licht überhaupt nichts zu tun hat, Akustik. Da Menschen gerne sprechen, und auch noch bei der Arbeit sprechen müssen, müssen sie möglichst gut akustisch isoliert werden. Das macht man z.B. mit Paneelen, die meistens grau sind. Zwar kann man einen Nutzen der Einrichtung bestenfalls mit einer Goldwaage, sprich feine akustische Messgeräte, erfassen. Aber die Akrobatik in Sachen Akustik macht jede Mühe des Lichtplaners leicht zunichte.
Wie man sieht, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Büroraum zufrieden stellend beleuchtet sein wird, recht gering. Dabei habe ich noch gar nicht davon gesprochen, dass die zulässige Blendung (UGR = 19) bedeutet, dass bereits theoretisch nur 48 % der Bewohner des Raum zufrieden sein werden. Niemand in der Praxis scheint gehört zu haben, dass es auch Leuchten mit UGR = 0 gibt. Bedeutet so viel wie "blendet nie". Zu den Leuchten sagt man offiziell "UGR-Verfahren nicht anwendbar". Warum eigentlich? Weil das Ergebnis 0 ist? Ist jemand auf die Idee gekommen, dass bereits diese Aussage gesetzwidrig ist? Und zwar deswegen:
"Um Fehler, Ermüdung und Unfälle zu vermeiden, ist es wichtig, Blendung zu begrenzen." (DIN EN 12464-1) Und das Arbeitsschutzgesetz sagt dazu:
"Der Arbeitgeber hat bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes von folgenden allgemeinen Grundsätzen auszugehen:
1. Die Arbeit ist so zu gestalten, daß eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und die psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird; …" Klartext: Wenn eine Gefährdung vermieden werden kann, muss sie vermieden werden. Warum also Menschen bei der Arbeit mehr belasten als mit vernünftigen Mitteln möglich? Zulässig ist ein solches Vorgehen z.B. dann, wenn der Aufwand unverhältnismäßig hoch ist oder durch die Lösung eines Problems ein anderes verschlimmert wird. Nichts davon ist aber wahr. Warum handelt eine ganze Branche gesetzwidrig?
Es war einmal ein kleiner Lichttechniker … Klein war er allerdings nur im Wuchs, sein Intellekt war wohl so mächtig, dass man noch Jahrzehnte nach seinem Tod seinen Namen wissen muss. Er hatte das amerikanische System für die Blendungsbewertung in der Innenraumbeleuchtung aufgestellt. Als er hörte, dass ich mich auf eine Doktorarbeit zur Blendung vorbereite, sagte er, ich solle es lieber sein lassen. Er hätte so etwa 25 Jahre seines Lebens darauf vergeudet. Ich habe es trotzdem getan. So ganz vergeudet waren meine Jahre nicht. Ich sehe wenigstens klarer, was in unserem Metier falsch läuft. Und zwar bereits im Grundsatz.
Als der besagte Lichttechniker seine Arbeiten ausgeführt hatte, wurden Büroräume hauptsächlich mit Wannenleuchten beleuchtet. Ich meine, die besseren. Die anderen glänzten durch nackte Lampen an einer Fassung und brachten die Leute bereits damals aus derselben. Er sagte mir, dass die Vorstellungen von der Blendung, die er entwickelt hatte, würden nur dann gelten, wenn die sichtbare Leuchte eine sehr gleichmäßige Leuchtdichteverteilung aufweisen würde. Der hellste Teil dürfte niemals heller als das 5fache der dunkelsten Teile leuchten.
Dann wurde unser Metier richtig effizient. Licht wurde nicht einfach dadurch gewogen, dass eine bestimmte Wattzahl in den Raum installiert und irgendwie an die Decke, Wände und Arbeitstische verteilt wurde. Zählen tat nur noch das Licht, das in die Arbeitsebene fiel. Anstelle der gleichmäßigen Leuchtdichte alter Leuchten traten immer größer werdende Ungleichmäßigkeiten. Und das erhöht die Blendung, weil jedes sichtbare Stück heller Fläche blendet derart, dass in der Summe eine höhere Störung verursacht wird, als wenn man die gleiche Beleuchtungsstärke mit einem Objekt gleichmäßiger Leuchtdichte erzeugt. Dies war übrigens bekannt, bevor ich den kleinen Lichttechniker getroffen hatte.
Das tat lange nicht weh, weil die Leuchten immer noch machten, was sie wollten. Sie schickten ihr Licht irgendwohin, natürlich nur in dem Raum, in dem sie installiert waren. (Leuchten, die andere Räume beleuchten als ihren eigenen wurden später erfunden) Doch dann kamen die, die die Optiken haben schön berechnen können. Am Ende kam noch die BAP-Leuchte, die möglichst nur nach unten leuchten sollte, weil man sonst ihre Reflexe auf den Bildschirmen sehen würde. Damit war die Ausrichtung des Lichts (fast) perfekt beherrscht. Was dagegen?
Eigentlich nicht. Wenn man das erreicht, was man will, nennt man das Effizienz. Dumm nur, dass das, was man erreichen wollte, nicht das war, was man erreichen sollte. Zumindest für das Büro ist die Menge des Lichts in der Arbeitsebene ziemlich schnuppe. Das haben übrigens nicht Ahnungslose erklärt, sondern die Leute, die seinerzeit für die Normung von Beleuchtung in Arbeitsstätten maßgeblich waren.
Diese wussten ziemlich genau, was sie taten. Sie wussten z.B. auch, dass man Wände und Decken anstrahlen müsste, wenn man diese Leuchten mit direktem Licht in die Decke einbaut. Ansonsten blenden sie einmal direkt und nochmal indirekt über Reflexe. Nennt sich Reflexblendung. Was die einsame eingebaute Leuchte an der Decke produziert, nennt man Relativblendung.
Die Sache mit dem Anstrahlen unterblieb fast immer. Wer soll dem Kunden erklären, was der Unsinn sein soll? (In der neuesten Version der gültigen Beleuchtungsnorm, DIN EN 12464-1, steht so etwas geschrieben. Zum ersten Mal deutlich in einer Norm.) Nun waren die Erzeuger des visuellen Komforts, die schönen Leuchten, hauptsächlich als Störer unterwegs. Beleuchten taten sie auch, so die Mitarbeiter sie ließen. Sie wurden aber vornehmlich ausgeschaltet und erst ein-, wenn es wirklich nicht mehr ging. Auch heute - gesehen Vorgestern - gibt es Leute, die die Lampen über ihrem Arbeitsplatz ausbauen lassen, weil sie den Unsinn nicht ertragen können.
Seit einigen Jahren gibt es eine noch trübere Entwicklung: Akustikpaneele. Da die Menschen von heute nicht mehr ruhig ihre Akten kauen, sondern zwischen 30% bis 80% ihrer Zeit telefonieren oder Gespräche führen, werden sie durch Stellwände oder sonstige Paneele in meist grauer Farbe voneinander getrennt. Es entstehen Licht- und Luftfallen bis zu einer Höhe von 2,10 m. Da das Licht nicht um die Ecke gehen kann, dienen die Leuchten über der Nachbarschaft nur noch der Blendung, weil ihr Licht nicht mehr den Arbeitsplatz aufhellen kann.
Auch das Tageslicht findet nicht mehr freien Eingang je nach Fenstergröße. Man bekommt Licht nur noch von den Leuchten über dem eigenen Kopf. Und das, hatte mir der kleine Lichttechniker erklärt, darf nie sein, weil man Reflexblendung vermeiden muss. Auch ganz große Lichttechniker erzählen das.
Nun wollen neue Lichttechniker die Methode des ehemaligen Kollegen auf LED-Lampen anwenden, die noch viel ungleichmäßiger leuchten als frühere Leuchtmittel hätten je geschafft. Da die Industrie Interesse daran hat, die "moderne" Technik gesund zu beten, wird wieder mal die Helligkeit gemittelt. Dummerweise liegen die Spitzenleuchtdichten bei LEDs derart jenseits von Gut und Böse, dass sie so oder so blenden. Nur wird die angewendete Methode keine Blendung feststellen.
Die Sache hat Methode. Vor Jahrzehnten versuchte ein Computerhersteller das Flimmern seiner Geräte dadurch "erträglich " zu machen, indem er eine Truppe "flicker-looker" beschäftigte, die den Geräten bei 60 Hz Flimmerfreiheit bescheinigten, während sie auch bei 70 Hz flimmerten. Coca Cola beschäftigt Wissenschaftler, die nachweisen, dass die Jugend nicht durch den Zucker in deren Limonade fett wird, sondern durch eigene Schuld. Die bewegt sich zu wenig. Aber auch unsere alt-ehrwürdige Blendungsbewertung nach Söllner, die vor einiger Zeit in Rente geschickt wurde, diente lediglich dazu, Leuchten als blendfrei zu klassifizieren. Geblendet haben sie trotzdem. Denn Söllner hat nie Blendung durch Leute bewerten lassen, die unter den Leuchten saßen. Seine Kurven wurden mit Hilfe eines Modellversuchs ermittelt, bei dem Leute in einen Guckkasten schauten. Und seine Leuchten in dem Versuch leuchteten wie die des kleinen Lichttechnikers - äußerst gleichmäßig.
Die Zeiten … die sind anders. Statt des angestrebten Sehkomforts ernten wir immer mehr visuelle Störungen - umso stärker, je stärker die realen Leuchten von denen abweichen, die anno tobak für die Versuche zur Blendungsbewertung benutzt wurden. Und LED-Lampen sind jenseits von Gut und Böse. Wer es wissen will, möge Räume bemustern mit gleicher Beleuchtungsstärke aber mit unterschiedlichen Leuchten: (a) LED-Lampen in Rasterleuchten, tiefstrahlend, und (b) groß LED-Paneele gleichmäßig leuchtend. Das ist klüger als Methoden zu glauben, die ein Dreiviertel Jahrhundert alt sind - und ebenso alt aussehen.
Alles ist relativ, hatte ich in der Schule gelernt. Später lernte ich, dass auch Blendung relativ ist. So, wenn man in eine Umgebung blickt, in der sich zu helle Flächen und zu dunkle zueinander gefunden haben. Ob die zu hellen eher moderat hell sind, bzw. die zu dunklen woanders als blendend angesehen werden, hängt von den jeweils den anderen ab. Das Auge kann einen immensen Bereich an Helligkeiten abdecken, leider nicht gleichzeitig.
Dann gibt es aber Helligkeiten, die nicht relativ sind, sondern absolut, egal durch welches Auge gesehen und wann. Ihre Wirkung nennt sich Absolutblendung. So wird niemand freiwillig in die Mittagssonne im Sommer gucken können bzw. wollen. Die ist einfach zu hell. Früher waren Autoscheinwerfer relativ blendend, sie blendeten nur nachts, und draußen mehr als auf der Kö oder auf dem Kudamm. Jetzt blenden sogar Kinderfahrräder am helllichten Tag (s. da)
Als ich vor wenigen Tagen in die Toskana reisen durfte, habe ich den Zug gewählt, der sich durch die liebliche Landschaft schlängeln würde. Mitte August ist es zudem angenehmer, die Landschaft an sich vorbei ziehen zu lassen als ständig in die gleißenden Autoschlangen gucken. Und dann das: Trenitalia hat das Design seiner Züge neu überlegt. Die alten Leuchtstofflampen sind weg. Sie nahmen den Weg, den die Glühlampen genommen haben - in die Vergessenheit. Jetzt dominiert die LED - absolut! Wenn im Hochsommer mittags ein Zugabteil so aussieht wie hier, hat irgendwer seinen Beruf verfehlt. Draußen sind die sprichwörtlichen 100.000 Lux, drinnen Dunkelheit, relativ sozusagen.
Eindrucksvoller kann man nicht beweisen, dass man mit viel Licht Dunkelheit schafft. Möchte jemand diesen Zug betreten, wenn es draußen dunkel ist?
Gestern tickerten Meldungen über die neueste Strategie von Coca Cola, das ist ein Unternehmen, das klare Gewinne aus einer trüben Brühe zieht, die Wissenschaft vor den eigenen Karren zu spannen. Diverse Wissenschaftler sollen sich dafür stark machen, zuckerhaltige Limonaden aus dem Verdacht zu befreien, für die barocken Formen amerikanischer Mittel- und Unterschicht verantwortlich zu sein. Wobei barock etwas oder gar hoch untertrieben sein dürfte. Die Menschen verließen die Proportionen a la Leonardo da Vinci und gingen zu einer Birnenform über. Zwar thront oben immer noch der Kopf. Dieser verlor massiv an relativer Größe je stärker wabernde Fettmassen die Region oberhalb der Beine eroberten. Lösung: Nicht die Kalorien in den Limonaden sind schuld, sondern die Bewegungsarmut. Warum sind wir seit 60 Jahren bloß nicht darauf gekommen?
Allerdings entlastet diese geniale Idee nicht die amerikanische Industrie insgesamt, sondern nur die Limonadenwirtschaft. Denn an der Bewegungsarmut ist eine andere Industrie schuld, wie wissenschaftliche Studien über das Verhalten von mobilen Menschen nachweisen. Das sind Leute, die mit einem Mobilgerät unterwegs sind, in Amerika meistens mit einem iPhone oder iPad einer Firma, die einst mit einem bunten angebissenen Apfel firmierte. Jetzt ist der Apfel edelgrau, aber immer noch abgebissen. Eine mir vorliegende Studie besagt, dass Studenten im Schnitt 9 Stunden mit einem Smartphone unterwegs wären - am Tag. Unterwegs ist schön gesagt - sie verbringen laut Studie 3 Stunden am Tag im Bett mit einem Smartphone in der Hand. Von dem verbleibenden Rest des Tages hacken sie 4,5 Stunden auf einem Laptop oder Tablett herum. Muss dafür Coca Cola herhalten, dass solche Figuren keine Figur mehr haben? Man merke: Mobil ist man, wenn man sich kaum noch bewegt.
Was lernt man daraus? Man muss bei Wissenschaft immer auf die Quellen achten, auf die Geldquellen. So auch bei den Studien, aus denen eine eindeutige Message sprudelt: Blau macht schlau oder so ähnlich. Ich hatte spaßeshalber die Vergleichsobjekte von Studien zusammengezeichnet, mit deren Hilfe man die märchenhafte Wirkung von blauem Licht nachgewiesen haben will. Links das Original, rechts - nein, nicht die Fälschung, das ist doch keine Quizfrage - die blau-optimierte Beleuchtung.
Links: Eine Warte, wie man sie kennt, so man Warten nicht mit Warten verwechselt. Hier wird gearbeitet. Rechts die für den Versuch hergerichtete Warte. Ungelogen hat das Licht mehr Blauanteile. Was denn sonst anders ist? Man suche und finde den Unterschied!
Was sehen wir da? Man hat die gesamte visuelle Umwelt verändert. Die ehemals dunkle Decke ist jetzt hell, die Leuchten großflächig und die Lampen mit geringer Leuchtdichte (= weniger Blendung bei gleichem Lux auf dem Tisch) und die grüne Frontseite mit den Monitoren ist jetzt blau angestrichen worden und wird blau angeleuchtet. Ich denke mal das Blaue aus dem Farbtopf wäre, so blaues Licht die fantastischen Wirkungen ausübt, die man ihm andichtet, viel nachhaltiger, weil man es nur einmal bezahlt. Kleiner Tipp: Wenn man die Monitore richtig einstellt, bringen sie mehr Blau ins Auge. Das aber ist eine andere Story, die Verkäufer von Bildschirmen mit circadianer Wirkung erzählen.
Guter Rat: Fragen Sie bei jedem Vortrag, bei dem blaues Licht über den grünen Klee gelobt wird, wer die Studie bezahlt hat, wo der Redner angestellt war und warum er ausgerechnet dieses Thema für so interessant hält, dass er damit über die Weltgeschichte tourt. Ich hatte mich einmal in die Nesseln gesetzt und in einem Seminar die Lichtquellen für die Farben verantwortlich gemacht. Ein Teilnehmer wetterte laut dagegen und redete von Farben - von denen, die aus dem Topf kommen. Er war Schüler des seligen Dr. Frieling aus Marquartstein, Gründer des Instituts für Farbenpsychologie. Dieses hatte es mit denen, die Farbeimer füllen und verkaufen. Die modernen Blaulichtverkäufer sind eher mit Vermarktern von LED verbandelt. Die haben aus technischen Gründen mehr Blau im Spektrum als nötig. Es müsste mit dem Deibel zugehen, wenn man nicht die wissenschaftlichen Erkenntnisse nutzen würde, um das Blaue schön zu reden. Ich denke mal, die Sache ebbt mächtig ab, wenn die Mehrzahl der LEDs ein vernünftiges Spektrum aufweisen.
Soeben erreichte mich die freudige Meldung, dass wir mit einer einfachen Maßnahme, einen großen Gewinn an Akzeptanz einer Beleuchtung erreicht haben. Und dazu Energie gespart. Schlüssel zum Erfolg: Wissen über ein Vorschaltgerät, das mehr kann als es soll, was eigentlich gut ist. Allerdings nur dann, wenn man den Umgang damit gelernt hat. Das erinnerte mich an einen früheren Beitrag, der so anfing:
In einem verwunschenen Labor sitzt ein freundlicher Chemiker und forscht vor sich hin: Wann denkt ein Stoff von sich, denkt er, dass er zum Leuchten auserkoren ist? Irgendwann ruft er Heureka („ich hab's“ auf Griechisch, εὕρηκα, ausgesprochen [hɛːǔ̯rɛːka]). Nicht der Stoff, der Chemiker. Der Stoff würde zwar ab und an mal gerne leuchten, aber nicht immer. Das soll der Chemiker ändern. Nun gesellt sich ein Physiker dazu. Er weiß, wie man den Stoff elektrisieren kann, damit er dauernd leuchtet. Und zwar immer dann, wann der Benutzer will. Irgendwann mal rufen beide Heureka. Das ist auch Griechisch. (In Wirklichkeit ist diese Geschichte etwas langwieriger, weil die beiden eine ganze Giftküche elektrisieren müssen, bis etwas ordentlich leuchtet. Wenn man alles erzählen würde, käme es manchem Spanisch vor.)
Wenn auch noch ein Dritter sich hinzugesellt, ein Lampenentwickler, und mit den beiden zusammen hɛːǔ̯rɛːka ruft, ist es so weit. Aus dem Stoff ist ein Lampenprototyp geworden.
Wenn in den oberen Etagen der Firma O. bzw. P. viele Leute auch Heureka rufen, wird aus dem Lampenprototypen eine Lampe.
Ja, wenn in den oberen Etagen der Firmen O. bzw. P. heute was sagen, wird keiner Heureka rufen. Nicht der freundliche Chemiker, auch nicht der freundliche Physiker sind die Macher von Licht der Zukunft, sondern schnöde Elektroniker. Und die kennt man nicht. Ist da ein Problem?
Das Problem will ich mit einer Studie aus einem anderen Feld erklären: Ich sollte einst messen und ergründen, warum Computer und ihre Peripherie Lärm machten. Die damaligen Hersteller, Pendants zu den Firmen O. und P., hießen IBM, HP oder Siemens. Bei denen konnte man nicht nur Daten über die Lärmemissionen ihrer Maschinen bekommen, sondern auch komplette Umweltdatenblätter. Viele Anwender kauften aber ihre Maschinen nicht bei den o.g. Herstellern, weil zu teuer empfunden, sondern hier und da. Einen Hersteller gab es nicht, sondern viele. Man kaufte sich Teile und packte alles zusammen in ein Gehäuse. Wie viel Lärm aus diesem Kasten kommt? Das konnte ich nie herausbekommen, weil die Gehäuse aus Dutzenden von Firmen aus Taiwan kamen, die wohl noch nie was von Lärm gehört hatten. Dafür aber was von € oder $, denn Lüfter, die keinen oder wenig Lärm machen, sind teuer. Und im Computershop hört der Kunde nicht, wie laut ein Lüfter ist, der ihm die nächsten Jahre die Ohren voll brummen wird. Das Fehlen der Firmen IBM oder Siemens ersparte dem Kunden zwar einige Euro, dafür bekam er kein System geliefert, sondern Teile, die man zusammenwürfelt. Die allerschlimmsten Folgen mussten diejenigen erleben, die - mangels Messwerte - auf lüfterlose Gehäuse schworen. Denen starben plötzlich die Festplatten. Die reagieren nämlich sehr empfindlich auf thermische Probleme. Sie bekommen keine Grippe und keinen Husten wie Menschen, sondern sterben einfach.
Mit dem Vormarsch der LED aus Südostasien und Ostasien erwartet uns Ähnliches. Wir werden zwar die Lampen billiger bekommen, weil viel Konkurrenz herrscht, jedoch müssen wir Dinge wie Blendung, für die z.B. die Firma P. Jahrzehnte ein Labor betrieb, halt selber regeln müssen - und leider nicht können. Siehe meine lauten Gehäuse und toten Festplatten. Wer es nicht glaubt, soll sich auf der Straße etwas umsehen. Heute blenden einen Kinderfahrräder bei helllichtem Tage. Teure Autos stehlen allen Fußgängern die Schau mit ihrem eleganten Tagfahrlicht. Dass sie manchem Fußgänger auch noch das Leben nehmen könnten, behauptet ein kleiner Zirkel von Augenärzten, denen wohl niemand zuhört.
Zurück zum Anlass dieses Beitrags: Die von uns verbesserte Beleuchtung hatte ein Vorschaltgerät, das zwei Lampen unterschiedlicher Leistung versorgen konnte. Da hat jemand zu der "leistungsfähigeren" Lampe gegriffen, und erzeugte sehr effizient Blendung. Keine Chance zu einer Lösung, wenn man das Problem nicht versteht. Und verstehen kann man Dinge, die irgendwie geregelt sind. Heute kann man nicht einmal davon ausgehen, dass ich an der Leistungsangabe einer Lampe auch gleich erkennen kann, wie viel Licht die produziert. Nicht einmal kann man gemessenen Werten trauen.
Die Lichttechnik muss sich halt neu erfinden. Wenigstens das ist wie in der guten alten Zeit.