Die beiden Bilder trennen schlappe 35 Jahre. Links ein Bild aus einer früheren Ausgabe einer "Vorschrift" der BG, die für Metaller zuständig war, rechts die moderne Fassung des Bildes von der modernen Fassung der BG (DGUV = Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung) vom September 2016. Diesmal Sachgebiet Verwaltung. Der Fachmann wird sagen, was soll sich denn da ändern, das Bild zeigt die Grundgrößen und ihren Zusammenhang. Eben! Vor 35 Jahren ging es um Sehen an der Drehbank. Heute behaupten Leute, Beleuchtung müsse human centric sein, was das immer sein mag. Kann man die mit den Grundgrößen von anno tobak erklären? (Das rechte Bild könnte man "sau-centric" nennen. Das gehört aber nicht hierher)
Übrigens, die beiden Leuchten, mit denen die lichttechnischen Grundgrößen erklärt werden, sind nach der Meinung der Lichtindustrie exakt seit Januar 1972 "verboten", weil an diesem Tag die sog. Allgemeinbeleuchtung als grundlegendes Konzept in DIN 5035-1 eingeführt wurde. Die Tischleuchten waren den Lichttechnikern zu "human centric", ein Statussymbol. In Verwaltungen gab es erbitterte Kämpfe um solche Objekte, die nicht sein durften. Wer ein solches hat ergattern können, behielt es so lange wie möglich. So kann man heute in Betrieben Objekte finden, deren Produktion in den 1980ern eingestellt wurde. Manch geniales Objekt wird nach einer Modernisierung weiter betrieben.
In Betrieben mit Produktion (linkes Bild) blieb das Konzept aber erhalten, einfach weil es Sinn macht. Allerdings trug man da selten einen Schlips an der Maschine. Nicht weil einer aus Versehen hätte darauf treten können, sondern weil möglicherweise lebensgefährlich. Ein Fall für die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung - oder hoffentlich nicht.
Erklären der Grundbegriffe einer Technik mit Produkten, die es nicht geben sollte. Eine ordentliche Leistung! Mal sehen, wann sich die DGUV die gar nicht so modernen Märchen der Lichtbranche vornimmt: z.B. "Indirektbeleuchtung erzeugt langweiligen Raumeindruck" (so etwa seit 1935), "Allgemeinbeleuchtung fördert Arbeitsleistung" (seit etwa 1932), "Arbeitsplatzleuchten sind verboten" (seit 1980), "Beleuchtungsstärke steigert Sehleistung" (seit etwa 1920). Die Mär, dass Märchen nur im Morgenland verbreitet erzählt werden, gehört zu den weit verbreiteten Mären im Abendland. Vielleicht erklärt man die mit Objekten, die schon Edison loswerden wollte: Ich will eine elektrische Lampe bauen, dessen Licht so billig ist, dass sich nur Reiche eine Kerze leisten können.
*Erklärung der Blendwirkung einer Lichtquelle als Funktion der Umgebung in der DGUV Information. Rechts soll sie am stärksten sein. Stimmt sogar. Ob das aber jemand glaubt? (Ich denke, hier müsste man dem Fotografen den Hosenboden stramm ziehen.)
Wer sich wundert, dass ihm im Betrieb nur Kolleginnen und Kollegen begegnen, die wie Zombies aussehen, möge sich die folgenden Zahlen angucken. Selbst Mitmenschen, die im eigenen Arbeitsraum ganz passabel aussehen, können so einen Zombie ergeben:
Das sind die (Kenn)Zahlen, die die Qualität der Beleuchtung in den Fluren und Gängen von professionell genutzten Gebäuden beschreiben. Sie sind entnommen DIN EN 12464-1 und der fast identischen CIE S 008, also Normen, die für Europa und für den Rest der Welt gelten.
Was bedeutet 100? Das sind 100 lx 20 cm über dem Fußboden gemessen, horizontal. Im schlimmsten Fall steht der Kollege direkt unter der Leuchte, Kopf nicht einmal einen halben Meter tiefer und sieht aus eben wie Zombies mit tiefen Augenschatten und einer glänzenden Nase. Den noch schlimmeren Fall, Beleuchtung von unten, findet man zum Glück aus praktischen Gründen nur in bestimmten Bereichen. (So werden z.B. Hexen im Theater gemacht).
Was bedeutet 28? Das ist die sog. "psychologische" Blendung. Für Büroräume gilt "19", und das ist zufriedenstellend für 47 % der fiktiven Benutzer. Was der Rest denkt, ist der Lichttechnik erst einmal egal. Was ist denn 28? Das lässt sich in gutem Deutsch schlecht ausdrücken. So wird die Zahl von der CIE kommentiert: Uncomfortable. Auf Deutsch: einfach störend. Ende der Skala.
Und die letzte Zahl 40? Das ist die Güte der Farbwiedergabe. Für Büros wird meistens 80 empfohlen, was für mich eine ziemlich miserable Farbwiedergabe bedeutet. (Wer es besser haben möchte, muss leider viel mehr Watt in die selbe Menge Lux stecken.) Was die 40 bedeutet, kann man wohl so schlecht demonstrieren, dass man in der Literatur keine prägnanten Bilder oder sonstige Abbildungen findet. Das liegt vermutlich daran, dass Lampen mit einer solchen Farbwiedergabe in Gebäuden unüblich sind. Daher zeige ich erst, wo die Lampen zu finden sind, die eine solche Farbwiedergabe ermöglichen (!)
Wer in etwa einen Eindruck von dieser Farbqualität haben will, ist auf seine Fantasie angewiesen. Dazu muss man wissen, dass auch Ra von 100 nicht bedeutet, dass ausgeprägte gesättigte Farben so wiedergegeben werden wie bei Tageslicht. Bei Ra = 90 spricht man von einer sehr guten Farbwiedergabe, was man gelten lassen kann. Wenn der Wert bei 80 liegt, muss man wissen, dass der so hingebogen wurde, dass auch Dreibandenlampen noch ein "Gut" bekommen, obwohl sie die meisten Farben gar nicht so gut wiedergeben. Das kann aber kein Mensch nachvollziehen, weil die Testfarben nicht mehr verfügbar sind. Die waren wohl irgendwann mal in den 1960ern diesseits der Realität zu verorten gewesen.
Und ein Ra von 40 war etwas, wogegen sich mein Chef mit Händen und Füßen gewehrt hatte (s. hier). Offensichtlich hat er nur verhindern können, dass solche Leuchtmittel in Büros selber verbaut werden, aber nicht in Bürohäusern. Also, wenn man die genormte Qualität vom Licht auf den Fluren von Büros vorstellen will, muss man auf dem unteren Bild den Unterschied von CRI = 90 und CRI = 50 nach unten verlängern und ...
Was man auch will, niemand wäre vermutlich imstande, sich ein Bild von der Flurbeleuchtung zu machen, die nur die geschriebenen Anforderungen erfüllen würde. Es lässt sich vermutlich auch kein Planer finden, der eine solche Beleuchtung entwerfen würde. Wenn - dann nicht mehr lange, denn bei einem solchen Referenzobjekt wäre es sein letztes Projekt gewesen.
Dennoch: Selbst wenn nur eine der "Qualitätsmerkmale" der Beleuchtung, Konzentrieren auf nur horizontale Beleuchtungsstärke, Beschränken der Blendung nur so weit wie erforderlich, Begrenzen der Farbwiedergabe auf die Fähigkeiten unterhalb der einer Quecksilberdampf-Hochdrucklampe, realisiert würde, entstünde eine Beleuchtung, deren Urheberschaft kein Lichtplaner gerne zugeben würde. Und solche Objekte gibt es zuhauf.
Ergo: Wenn Sie demnächst auf dem Flur einem Zombie begegnen, handelt es sich nicht um eine(n) verzauberte(n) Prinzen oder Prinzessin. Das Wesen könnte bei ordnungsgemäßer Lichtplanung tatsächlich zauberhaft aussehen.
Hurra! Die Energiesparer haben die vertikale Beleuchtungsstärke entdeckt! Die Rede ist von der Renovierung der (ewigen) Vornorm DIN V 18599 Energetische Bewertung von Gebäuden. Die gesamte Vornorm wurde 2016 stark überarbeitet. Dabei hat man entdeckt, dass es auch eine vertikale Beleuchtungsstärke gibt, gemeint ist die Vertikalbeleuchtungsstärke. In der Normung des FNL gab es die schon lange, in DIN EN 12464-1 musste sie mühsam eingearbeitet werden (jetzt gibt es sogar eine Beleuchtungsstärke an der Decke - kein Spaß, die musste ich auch mal messen. Allerdings wüsste ich gerne, wie ich die Ebene nennen würde, in der gemessen wird. Horizontal geht nicht, weil schon besetzt. Unhorizontal? Anti-Horizontal?). Jetzt wird berücksichtigt, dass man z.B. in einem Lagerraum mit Regalen nicht den Fußboden beleuchten sollte, sondern die Regale. Im Buchladen gilt die Sache auch. Na, so was! Falls ich mich nicht irre, hatte uns unser Professor die Sache so etwa 1967 erklärt. Jetzt ist sie in der realen Welt angekommen. Herzlichsten Glückwunsch. (Ich weiß allerdings nicht, an wen.)
Obwohl die Sache nicht an die ganz große Glocke gehängt wurde, hat sich etwas gewaltig geändert, was die Bewertung von LED angeht. Nicht nur die Änderung, sondern auch die Modalitäten der Änderung sind sehenswert. Erst zum Thema: Die Referenz für Lampen ist die Stablampe (Leuchtstoffl.), die als am effizientesten unter den üblichen Objekten galt, weil sie am häufigsten anzutreffen ist (bzw. war.). Weniger effiziente Lampen wurden (und werden) mit Faktoren angerechnet:
Die Logik der Tabelle: Wir gehen von einer Beleuchtung aus, die mit einer stabförmigen Leuchtstofflampe bestückt ist und mit einem EVG betrieben wird. Eine Glühlampe geht mit dem Faktor 6 ein, wer sich traut, seine Sekretärin mit eine Natriumdampf-Hochdrucklampe zu beleuchten, darf 0,8 ansetzen. Spart Strom, bringt eine Menge Ärger.
Die Energiesparlampe, die ein paar Jahre die Szene - auch in der Politik - beherrscht hat, geht dummerweise mit dem Faktor 1,6 ein. Um ein Lumen abzustrahlen, muss sie also 60 % mehr Energie schlucken. Das nennt sich einen ökologischen Fortschritt, für den sich die Minister Gabriel + Trittin (A.D.) vehement eingesetzt hatten. Das nebenbei. Die LEDs in LED-Leuchten, waren damals noch recht ineffizient (Faktor 1,1). Die LED-Klone, die man hier und da einschraubt, haben mit 1,5 50% mehr Energie verbraucht als die brave alte Stablampe. (Fragen Sie lieber nicht, was die mit der Energie macht. Die Versicherer warnen die Kundschaft vor Brandgefahren durch Retrofit-Lampen). Das ist keine Satire, sondern Realsatire. LED in bestimmten Leuchten können mehr Energien freisetzen als man in sie hinein steckt. So empfiehlt ein LED-Berater: "Wir empfehlen Ihnen mit Ihrer Brandversicherung abzuklären, welche Normen Ihre Brandversicherung fordert, wie z.B. CE, VDE, KEMA, TÜV... Lassen Sie sich die Aussage Ihrer Brandversicherung schriftlich bestätigen!" Ist doch beruhigend oder?
Jetzt sind die Retrofit-Lampen in zwei Kategorien angeführt: Die mit der Fassung E27 (Ersatz für Glühlampen) gelten als besser als die Stablampe, die man als Ersatz für LL-Lampen produziert, liegen bei 0,65. Sind die LED in echten LED-Leuchten untergebracht, die für sie konzipiert sind, liegt der Faktor unter 0,50. Will sagen: Pro Watt kommen doppelt so viele Lumen heraus wie einst bei der LL-Lampe.
Anders gesagt: Retrofit-Birnen verbrauchen fast doppelt so viel Strom. Ganz schön birnig. Wenn einer nicht in die Birne kriegt, dass LED wirklich andere Leuchtmittel sind als gewohnt, muss eben zahlen. Ganz so schlüssig ist die Sache nicht, denn ein Häuslebesitzer muss seinen Dachstuhl isolieren, koste es was es wolle, während man nach derselben Verordnung wählen kann, ob man den alten Schrott behalten und neue Röhren einbauen will oder gleich die ganze Beleuchtung erneuern.
(Mehr in DIN Mitteilungen, Oktober 2016, alle Teile auf 14 Seiten ausführlich und sachlich erklärt und kommentiert.)
Wer diesen Blog häufig liest, kennt meine Meinung über Marketing. Es muss sein, darf aber Konzepte nicht ersetzen. Nachdem ich die Sache auch nach Jahren nicht verstanden hatte (hier) und auch nicht nach einer zweitägigen sehr intensiven Diskussion unter Fachleuten und Stakeholdern, zu der KAN (Kommission Arbeitsschutz und Normung) jüngst eingeladen hatte (kan-position_kuenstliche_biologisch_wirksame_beleuchtung_2015-1), freue ich mich, dass das UBA die Sache zum Forschungsgegenstand machen will.
Es heißt: "Schwerpunkt sollen die tageslaufabhängige Beleuchtung (engl. human centric lighting) und die Farbwiedergabe sein". Wie nüchtern - aus human centric lighting soll tageslaufabhängige Beleuchtung werden. Wie man sieht, gibt es in Deutschland offensichtlich Ämter, die ihre Nominierung zum Sprachpanscher des Jahres gefährden.
Da das Projekt mir sinnvoll erscheint, gebe ich unten in Kopie die Zielsetzung, die gesamte Ausschreibung kann man hier abrufen.
Hinter dem Projekt steckt kein Spaß, sondern superharte Arbeit. Denn seit fast 100 Jahren ist die Währung in der Lichttechnik Helligkeit und wird in Lumen abgewogen. Die Verteilung der Lumen auf die Arbeitsfläche heißt Lux und wird meistens zusammen mit 500 benutzt (wer eine Rede zur Beleuchtung hält und nicht 500 lx pro Minute anführt, gilt als Außenseiter.). Was nützt mir aber die ganze Helligkeit, wenn es keine Farben gibt? (nicht nur bei der untersten Helligkeit (Nacht) gibt es keine Farben, sondern auch bei der obersten (Blick in die Sonne)). Farbenerkennen gehört nicht zur Sehleistung. Die Lichttechnik lebt noch in dem Schwarz-Weiß-Zeitalter.
Soweit kann jeder die Sache verstehen. Warum soll die Arbeit aber hart sein? Hat jemand schon mal Sprüche gehört wie "Nachts sind LEDs effizienter" oder "kaltes Licht ist effizienter"? Zumindest das letzte kennt aber jeder Praktiker: Lampen mit einem miesen Spektrum, die (deswegen?) kalt aussehen, haben eine höhere Lichtausbeute. Und wenn man sich denn ein volleres Spektrum wünscht, muss man bis zu 60% mehr Strom aufwenden für die gleiche Menge an Lux bzw. Lumen. Man stelle sich einen Lichtplaner vor, der 20% mehr Strom (und entsprechend mehr an Lampen und Leuchten + Kabel & Klimbim) benötigt als sein Konkurrent, erklärt dem Kunden, sein Licht sei aber wärmer auch wenn ungleich teurer (mal hier gucken: http://healthylight.de/energiesparen-gegen-behaglichkeit/)
Es geht also nicht um die kinderleichte Aufgabe einer Währungsumstellung, sondern um die Frage, ob eine eingeführte Währung überhaupt eine ist. Nach meinem Dafürhalten ist sie keine. Niemand hat aber bislang eine bessere gefunden. Wer nach tiefergründigen Ursachen sucht, kann hier viele finden (Beleuchtungsstärke – Grundgröße oder Irreführung?). Noch mehr gibt es hier. und da und dort.
Übrigens, das UBA ist nicht das erste Amt, dem die Sache stinkt. Auch The California Energy Commission (CEC) will Schluss machen mit der Mauschelei (auch hier). Mal sehen, wer was zustande bringt. Auch als Optimist sehe ich keine großen Aussichten. Denn es geht ans Eingemachte, und eingemacht wurde es etwa 1925 - in einem Land vor unserer Zeit.
"EVUPLAN 37EV 16 123 0: „Berücksichtigung der Lichtdienstleistung bei der Festlegung von Effizienzanforderungen an Produkte der Beleuchtungstechnik“
Ziel des Vorhabens ist es, Maßstäbe für die Bewertung der Stromeffizienz von Beleuchtungsprodukten – Lampen, Module, Leuchten – (weiter) zu entwickeln.
Die Stromeffizienz von Produkten der Beleuchtungstechniken erfolgt vielfach mittels der Lichtausbeute. Diese ist jedoch nur ein Maß für die Helligkeit, also nur einen Einzelnutzen, den ein Beleuchtungsprodukt bieten kann. Bewertet werden sollten aber alle von Beleuchtungsprodukten gelieferten Einzelnutzen, die in ihrer Gesamtheit die Lichtdienstleistung ergeben: Licht mit der richtigen Helligkeit, dem richtigen Spektrum, der richtigen Verteilung und zur richtigen Zeit. Die Berücksichtigung der Farbwiedergabe ist eine notwendige, aber nicht hinreichende Verbesserung; der dafür vielfach verwendete Index Ra umstritten. Die Bedeutung der Tageslaufabhängigen Beleuchtung (engl. human centric lighting) als weiterer Einzelnutzen wird zunehmend erkannt; sie kann aber in ihrer Stromeffizienz noch nicht ausreichend bewertet werden.
In dem Vorhaben soll der Stand der Stromeffizienzbewertung ermittelt werden und auf Grundlage von herstellunabhängig ermittelten Produktdaten soll die Stromeffizienzbewertung erweitert und verbessert werden.
Der Scherpunkte liegt bei den Beleuchtungsprodukten Lampe, Modul und Leuchte, nicht der bei der Gesamtanlage."
Doch Tageslicht auf deutschen Firmenklos? (siehe Bundesregierung streitet über Tageslicht in Firmentoiletten) Die Arbeitsstättenverordnung, auf der der Buddha gesessen hat, wurde endlich vom Bundesrat befreit. Dat weer ook Tied! Der, Buddha alias Altmaier, hatte sich eigenmächtig (?) darauf gesetzt, nachdem sich ein gewisser Herr Kramer beschwert hatte, dass Arbeitnehmern abschließbare Spinde als Recht zugewiesen würden und vor allem, weil alle Firmentoiletten eine Sichtverbindung nach Außen haben sollten. Gott verhüt´s! Sichtverbindung vom gemütlichsten Ort auf dem Planeten nach Außen bedeutet auch eine Sichtverbindung von außen zur gemütlichen Sitzung! Da gleich zwei Ministerinnen das Ganze heimlich vorbereitet haben sollten, protestierte Herr Kramer heftig über die Presse. Er ist nämlich nicht irgendein Kramer, sondern der leibhaftige Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Der oberste deutsche Arbeitgeber also. Und der war über die Entstehung der neuen Arbeitsstättenverordnung nicht informiert worden. Wie die Ministerinnen Ursula von der Leyen und Andrea Nahles (hier und dort) wohl haben ihn übergehen können? Nur in Absurdistan ist alles möglich. Daher hat der BDA-Präsident seinem Ärger Luft gemacht, indem er erzählte, er käme sich vor wie in Absurdistan. Recht hat er, meistens jedenfalls. Daher muss ich annehmen, dass auch Deutschland zum intergalaktischen Staat Absurdistan gehört. So war es auch den Pressemeldungen zum Thema zu entnehmen, deren schnelles Wachstum wir dokumentiert haben. (Von wegen Grimms Märchen, in denen ein Körnchen Wahrheit stecken soll. In der besagten Story steckte etwa ein halbes Körnchen und von der Wahrheit nicht einmal die Hälfte.) Am meisten hat sich der Vizefraktionsvorsitzende der Christlichen Sozialen (!) Union aufgeregt und den Vizekanzler öffentlich aufgefordert, Frau Nahles "bei diesem Irrsinn zu stoppen". Anscheinend hatte Frau Nahles fertig. An die Frau von der Leyen wagten sich die Kritiker nicht mehr, denn sie befehligt mittlerweile die drittgrößte Armee der NATO. (Wenn dies nicht ganz stimmen sollte, schwer bewaffnet sind die Ihrigen schon, auch wenn über deren Treffsicherheit sich trefflich streiten lässt.)
Nu können sich die deutschen Arbeitnehmer freuen! Die vermutlich kürzeste, aber umso wichtigste Vorschrift kommt zurück: Die Sichtverbindung nach draußen. Die ist ein Alleinstellungsmerkmal des deutschen Arbeitsrechts - und wenn alle noch so laut schreien "Alle Politiker raus" und "Alle Gesetze auf die Müllkippe" - mit Ewigkeitswirkung. Wer nicht glaubt , dass ein gewisser Dr. Lammert, seines Zeichens der Präsident des Deutschen Bundestages, gestern in der Semper Oper die Wahrheit sagte, als er behauptete, dass Deutschland zwar nicht das Paradies auf Erden sei, aber von vielen Menschen dafür gehalten werde, hier ist der Beweis: Selbst Amerikaner beneiden uns wegen dieser Vorschrift. Und selbst die Dänen, die die heiligsten Sozialgesetze ihr eigen nennen, dürfen sich nur auf ihr Recht auf Tageslicht am Arbeitsplatz berufen, aber nicht auf eine Sichtverbindung zur Natur. (Na, ja, manchmal auf die verbaute bzw. versaute Natur)
Jetzt zurück zum Absurdistan. Dem BDA-Präsidenten war die Regelungswut der beiden Ministerinnen übel aufgestoßen. Stimmt, da sind jede Menge ganz neue Vorschriften in der ArbStättV, die vorher nie da waren. Stimmt voll und ganz, oder auch nicht? Die waren nämlich in der Bildschirmarbeitsverordnung und regelten z.T. die gleichen Dinge. Ein bürokratisches Unding! Ergo hat das Arbeitsministerium die beiden Verordnungen zusammengepackt. Das nennt sich Deregulierung - alle überflüssigen Vorschriften entfernen, vor Allem Doppelregelungen. Wer solche heilsamen Bereinigungen von Vorschriften verhindert, soll von mir aus König von Absurdistan werden. Aber wie soll man es nennen, die BRD zum Absurdistan auszurufen, weil nicht nur einer geschlafen hat? Vielleicht schlafen sie immer noch, weil sie denken, diese Vorschriften aus der ehemaligen BildscharbV könnte man so einfach weglassen. Dann hätten wir das nächste Verfahren der EU-Kommission am Halse. Die hatte nämlich diesbezügliche Vorschriften schon 1989 erlassen und geklagt, weil der deutsche Bundeskanzler so schlappe 7 Jahre für die Umsetzung eines Teils gebraucht hatte. Die EU-Arbeitsstättenverordnung gar musste bis 2004 warten, ehe das deutsche Arbeitsrecht entsprechend renoviert wurde. Das lag bestimmt nicht an der Überlegenheit des alten deutschen Rechts. Aber an dem neuen Bundeskanzler. Leider habe ich von dem keine Karikatur. (Man wird auch sobald keine bekommen. Der Herr hat einfach keinen Humor.)
Die gute Nachricht für die Beleuchtung ist, es gibt nicht mehr zwei Verordnungen, die Beleuchtung und Sehen regeln. Wenn wir Glück haben, gibt es eine neue ASR Beleuchtung. Die alte kann man nämlich nicht anwenden. Die schlechte Nachricht trifft die Bildschirmhersteller. Jetzt können sie nicht mehr Normen machen, in denen drin steht, dass Bildschirme ruhig glänzen dürfen, da die EU gesagt haben soll, dass man dann andere Beleuchtung vorsehen muss. (Wenn die wüssten, wie einer am Bahnhof denkt, wenn sein Handy die Straßennamen für sich behält, weil das Display glänzt.)
Da ich in vorauseilendem gehorsam die kommende ArbStättV schon 2015 kommentiert hatte, füge ich den Beitrag hier (cua_15_01-arbstattv) ein. Fast alles dürfte weiterhin so bleiben. (Bitte in den nächsten Monaten CUA nach dem Nachfolgeartikel absuchen.)