Ich schreibe Dir einen langen Brief,
weil ich keine Zeit habe,
einen kurzen zu schreiben.
Goethe oder Pascal oder Voltaire
oder ein anderer Wichtiger
Ein Mensch malt, von Begeisterung wild,
Drei Jahre lang an einem Bild.
Dann legt er stolz den Pinsel hin
Und sagt: "Da steckt viel Arbeit drin."
Doch damit war´s auch leider aus:
Die Arbeit kam nicht mehr heraus.
Eugen Roth
Gestern hatte ich das unten rechts angegebene Papier kommentiert. Es soll Lichtqualität für den Praktiker und Lichtplaner ... ja, was denn? Definieren? Beschreiben? Umschreiben? Dabei wurden moderne Autoren zitiert, die mittlerweile 83 Jahre alte Zielsetzung von DIN 5035 geschafft haben, mit etwas anderen Worten zu replizieren.
Ist ja nichts Neues. Bemühen sich doch noch "modernere" Autoren Weisheiten aus der Antike neu zu formulieren - und fallen dabei nicht selten auf die Nase. Insofern nichts Ehrenrühriges. Oder doch? Irgendwie müssten z.B. diejenigen im Gesicht rot anlaufen, die dafür gesorgt haben, dass in DIN 5035 (jetzt Teil 1) "Kosten der Beleuchtungsanlage" den gleichen Stellenwert einnimmt wie "Licht und Farbe", Farbwiedergabe, oder "Begrenzung der Blendung". Denn in dem besprochenen Papier heißt es: "Energieeffizienz und Kosten einer Lichtlösung bilden [daher] keine Kriterien zur Bewertung der Lichtqualität". Die Änderung kam in die Norm mit der Ausgabe von 1972.
Wer nicht ganz doof ist, weiß, warum sie/er zwei unterschiedliche Dinge in einen Topf wirft, wie hier z.B.. Preis eines Autos und dessen Qualität. So kann man nämlich Äpfel mit Birnen vergleichen. Willst Du lieber wenig Blendung oder preisgünstigere Beleuchtung? Mein damaliger Chef hat den Vorgang etwas drastischer formuliert: "Der [Obmann] ist doch bescheuert. Lass doch den Kunden entscheiden, wie viel Geld er wofür ausgeben will."
Die zarte Röte im Gesicht der Verantwortlichen dürfte sich weiter vertiefen, wenn sie lesen würden, was über Tageslicht und Qualität ausgeführt wird. Dieses, das Tageslicht, wurde nämlich 1972 für entbehrlich erklärt, ach was, eher für störend (hier). Die Entwicklung der Lichtnormen habe ich in dem Forschungsbericht "Licht und Gesundheit" ausführlich dokumentiert (hier). Was weniger gut dokumentiert ist, sind die Folgen für den deutschen Arbeitsschutz. Denn die Vorschriften der Berufsgenossenschaften kannten bis zum Jahr 2004 kein Tageslicht und keine Beleuchtung durch das Tageslicht. Auch der Staat wollte die Sache nicht anders sehen: "Da eine gleichmäßige und stets gleichbleibende Beleuchtung der Arbeitsplätze, Arbeitsbereiche und Verkehrswege über den gesamten Tag nur durch künstliche Beleuchtung zu erreichen ist, wird in der Arbeitsstättenverordnung die allgemeine Forderung des früheren § 120 a Abs. 2 GewO nach genügendem Licht nur für die Beleuchtung mit künstlichem Licht im einzelnen präzisiert." (Betonung im Original, Rainer Opfermann, zuständiger Referent im Arbeitsministerium)
Im neuen Papier hört sich die Sache sehr anders an:
"Funktionale Anforderungen: Durch Tageslicht, insbesondere durch die dynamische Änderung des Beleuchtungsstärkeniveaus, der Leuchtdichten im Bereich der Fenster und der ähnlichsten Farbtemperatur, ändern sich die visuellen Bedingungen im Raum.
Biologische Anforderungen: Der Mensch ist in seinem circadianen Rhythmus an die Änderungen des Tageslichts, insbesondere an den Wechsel von Tag und Nacht, angepasst und dadurch geprägt.
Psychologische Anforderungen: Emotional hat das Tageslicht in der Regel einen positiven Einfluss auf den Menschen. Besonders die Sichtverbindung bietet wertvolle Informationen über die Außenwelt.
Architektonische Anforderungen: Die Nutzer von Tageslicht und auch der Schutz vor Sonnenlicht bestimmen die architektonische Gestaltung der Fassaden und der Tageslichtöffnungen."
Weiterhin heißt es: "Lichtqualität ergibt sich aus dem Abgleich von Anforderungen und ihrer Erfüllung."
Da haben wir dummerweise den Salat: Den Adressaten "ambitionierter Praktiker" gibt es leider nicht für dieses Anforderungsprofil. Denn für das Tageslicht ist nach wie vor der Architekt zuständig, für die "Beleuchtung", sprich künstliches Licht, erklärt der sich meist nicht zuständig. Wie dargestellt (hier), ist der Zuständige der "Lichtplaner", und mangels Lichtplaner, meist der Elektroplaner. In der Entstehungsphase eines Gebäudes weiß dieser noch nichts von seinem Glück. Auch wenn der alles wüsste und könnte, würde ihm kein Architekt kein Mitspracherecht an seinem Gebäude einräumen.
Ergo: Um die Lichtqualität ist es nicht gerade gut bestellt im Jahre 2017. Wie es besser laufen könnte? Ein gutes, leider nicht sehr praktisches, Kooperationsmodell hatte die Gütegemeinschaft Licht schon in den 1970er Jahren veröffentlicht. Vielleicht kommt man mit ähnlichen Modellen weiter. Ansonsten wird der rechts abgebildete Kollege wieder die Leuchten, die er beim Elektrogroßhändler abholt, gleichmäßig an der Decke verteilen. Und sagen "Da steckt viel Arbeit drin!".
Für wirklich Ambitionierte:
Lichtqualität - ein Prozess statt einer Kennzahl
Methodik zum Erfassen der Anforderungen an eine
Lichtlösung und zu ihrer Bewertung zur Bestimmung
ihrer Qualität
Veröffentlichung der
Deutschen Lichttechnischen Gesellschaft e.V.
So sagt das Technikmuseum Berlin. Solange es unsere Gaslaternen dort stehen lässt, wo sie schon immer stehen, habe ich nichts dagegen. Jetzt verstehe ich, warum letztes Jahr das Gaslaternenmuseum im Tiergarten aufgelöst werden sollte. Die Freunde der historischen Gaslaternen wollen es dort halten, wo das gemeine Volk täglich, Pardon allabendlich, darunter spazieren geht. Die Senatsverwaltung drängte auf einen Umzug der Gaslaternen in das Deutsche Technikmuseum in Kreuzberg. Soll bedeuten: sie gehören ins Museum. Sie, die Senatsverwaltung, als Freunde des Gaslichts zu bezeichnen, schafft man bei aller Selbstüberwindung nicht. Diese Senatsverwaltung beschäftigte einen Kollegen von mir bis zu seinem Ende mit der Aufgabe, die Gasbeleuchtung niederzumachen. Und die Methoden kenne ich sogar besser als die Hauptdarsteller.
Die Methode ist erprobt bei Tageslicht, von dem man Jahrzehnte lang behauptete, es wäre schlechter als das künstliche Licht - und dazu auch den Beweis führte: Bei Nacht ist die Sonne woanders, die Lampe bleibt aber, wo man sie hin hängt. Meistens jedenfalls.
Man hat die Sache naturgemäß nicht so doof ausgedrückt. Man lese nur die Kommentare vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung anlässlich der Veröffentlichung der Arbeitsstättenverordnung - nicht die von 2016, sondern die von 1975. Dort kam das Tageslicht nicht als Beleuchtung vor! Auf die Idee muss man kommen! Später begründete dies der zuständige Referent im Ministerium, Rainer Opfermann so: "Da eine gleichmäßige und stets gleichbleibende Beleuchtung der Arbeitsplätze, Arbeitsbereiche und Verkehrswege über den gesamten Tag nur durch künstliche Beleuchtung zu erreichen ist, wird in der Arbeitsstättenverordnung die allgemeine Forderung des früheren § 120 a Abs. 2 GewO nach genügendem Licht nur für die Beleuchtung mit künstlichem Licht im einzelnen präzisiert." (Betonung im Original)
Wer hat denn bestimmt, dass die Beleuchtung gleichmäßig sein muss und über den gesamten Tag (also auch über die Nacht) stets gleich bleiben? Das ist die Logik der Technik des künstlichen Lichts. Das Prinzip hieß "örtliche und zeitliche Gleichmäßigkeit", im Jahre 1935 klang es klein bisschen anders. Wenn man Kaviar nach Merkmalen bewertet, die für Brötchen gelten, darf man sich nicht wundern, dass Kaviar absolut nichts taugt. Wie aber Leute, die nur Brötchen backen können, die Welt jahrzehntelang davon überzeugt haben, die Brötchen wären besser als Kaviar, das war ein echtes Wunder.
Da wir in Deutschland die Kunst des Unsinns nicht dem Staat allein überlassen, gibt (gab) es ein zweites Arbeitsschutzrecht, das die Berufsgenossenschaften (ziemlich) autonom erließen. Deren oberstes Gesetz hieß UVV VBG 1 und kannte das Tageslicht überhaupt nicht. Das erklärt Opfermann in seinen offiziellen Kommentaren so: "Im Unfallverhütungsrecht mit seiner gegenüber dem staatlichen Arbeitsschutzrecht engeren Zielsetzung ist die Beleuchtung im Betrieb in unterschiedlicher Weise angesprochen. § 19 Abs. 3 der UVV "Allgemeine Vorschriften" VBG1 wiederholt die Vorschrift des § 7 Abs. 3 ArbStättV, bezieht sich also wie diese nur auf die künstliche Beleuchtung. Stimmt! Das Tageslicht hat weder mit Unfallgeschehen noch mit der Gesundheit etwas zu tun. Oder doch? Seit Jahren versucht die lichttechnische Industrie, die Anwender vom Nutzen einer veränderlichen Beleuchtung zu überzeugen und nennt den Versuch HCL wie human centric lighting.
Was lernt uns das? Man darf das Urteil über etwas Lebenswichtiges nicht Technokraten oder Bürokraten überlassen, die in deren Fahrwasser schwimmen. Wenn sich die LED auf den Laufsteg begibt - catwalk klingt um Längen besser -, sollte man seine Stimme erheben, aber vorher sich das Ganze angucken. Wenn man "nur" dagegen ist, erreicht man weder bei Technokraten noch bei Bürokraten etwas. Nicht einmal eigene Freunde kann man damit dauerhaft überzeugen. Und auch erklärte Feinde der LED schmücken ihren Weihnachtsbaum mit LED oder holen die alten Kerzen aus dem Keller.
Falls man jetzt nicht aufpasst, verschwinden die wunderbaren Gaslaternen im Technikmuseum und steigen durch dessen Hintertür als LED-Laternen raus in die Landschaft.
Die am häufigsten missverstandene Berufsgruppe ist nicht die der Psychologen, die unser Bestes wollen, sondern der Lichttechniker. Der will nur Gutes, wird aber nicht verstanden. Er hadert mit den Ahnungslosen, die Lux für ein Maß für die Lichtstärke halten, beantragt die Exkommunizierung von Professoren mit grauen Haaren, die dem Wort „Leuchtstoff“ die Endung „röhre“ folgen lassen, straft Leute, wie man mit bösen Blicken eben strafen kann, die „500“ für eine profane Zahl halten. Wer gar von Neonlicht spricht, wird nicht einmal eines bösen Blickes gewürdigt.
Warum sind die Leute so doof, dass sie unser fein formuliertes Konzept zur Erleuchtung aller, die die sie nicht wollen, eingeschlossen, einfach nicht verstehen wollen? Ich hatte neben Lichttechnik noch gelernt, dass, wenn einer nicht verstanden wird, der Doofe im Prinzip der Unverstandene ist. Erst wenn er sich selbst gegenüber alle Zweifel ausräumt, darf er den Doofen bei den anderen suchen. Ansonsten, doppelt doof.
Wieso ich gerade heute daran denke? Mich hat heute morgen jemand gefragt, warum ein Licht mit einer höheren Farbtemperatur kälter sei. Als ich das erklärte, ging dieser jemand Kopf schüttelnd weg. Doof? Ja, die Definition der Farbtemperatur. Damit qualifiziert man ein Licht bzw. eine Lampe. Wessen Temperatur ist aber gemeint? Das ist die Temperatur des Strahlers, der das Licht erzeugt. Hat also mit dem Licht nicht direkt zu tun. Und die Lampen mit hohen Farbtemperaturen sind gar nicht so warm.
Oder doch? Mit etwas Phantasie kann man die Farbtemperatur verteidigen: Etwas, was wärmer ist, hat mehr Energie. So hat z.B. blaues Licht (= höhere Farbtemperatur als bei rotem Licht) mehr Energie. Wieso ist es dann kalt? Ja, das hat mit der Energie nichts zu tun, sondern mit unserer Empfindung. Rotes Licht assoziieren wir mit Feuer oder Kerze. Warm! Sonne? Dass deren Licht kälter ist als das einer Kerze, weil höhere Farbtemperatur, wird kein Mensch verstehen, bei dem alle Tassen noch im Schrank sind und die Dachlatten feste geschraubt.
Mit dem Begriff Farbtemperatur gehen hingegen Fachleute problemlos um, z.B. Foto- und Fernsehleute. Währenddessen bleibt sie den anderen ein Rätsel, das sie glauben können oder auch nicht. So ist es mit allen Größen der Lichttechnik. Sie sollen einer Empfindung entsprechen, so z.B. Beleuchtungsstärke, die nach landläufiger Meinung für das Beleuchtungsniveau steht. Tut es aber nicht. Die Leuchtdichte soll der Helligkeit entsprechen. Tut es noch weniger.
Jedes Fachgebiet, sogar jede isolierte Gruppe von Menschen, schafft seine eigene Begriffswelt, sofern die übliche Sprache nicht ausreicht. Wenn dieses Fachgebiet tatsächlich etwas Neues hervorgebracht hat, wird die Umgangssprache i.d.R. nicht ausreichen. Dies geht so lange problemlos, solange die Fachleute aus dem betreffenden Gebiet unter sich sind. So muss kein Mensch außer Materialkundlern wissen, was eine Wöhlerkurve ist. Damit wird die Dauerfestigkeit von einem Objekt gemessen. Natürlich auch Maschinenbauer, die müssen es auch wissen. Sie bauen die Maschinen, die schütteln und rütteln. In den 1980ern mussten aber andere erfahren, was es damit auf sich hat. Einige Bürodrehstühle explodierten: „Unter Millionen Büromenschen lauert Gefahr: Ihr Stuhl kann explodieren.“ Stand im Spiegel vom 16.05.1983. Etwa 3,5 Millionen Stühle mussten eingesammelt und unschädlich gemacht werden. Man hatte eine weitere Weisheit aus dem Maschinenbau vergessen: Kerbwirkung. So kam es dazu, dass Millionen deutscher Büromenschen auf Bomben mit fünf Rollen darunter saßen. Damit keiner glaubt, nur den doofen Stuhlbauern unterlaufe so ein Missgeschick: auch die Erbauer der letzten deutschen Kernkraftwerke hatten damit zu schaffen. Beim Studium hätten sie das erste Semester so nicht absolvieren können. Ihre Turbinenwellen mussten wegen der Kerbwirkung, bzw. vergessenen Kerbwirkung, ausgetauscht werden. Wer ein Kernkraftwerk baut, hat ja sein erstes Semester Maschinenbau lange hinter sich.
Da der Begriff Beleuchtungsstärke – das unverstandene Wesen – im Laufe der Zeit Kinder gekriegt hat, die sich in Normen und Vorschriften eingeschlichen haben, gibt es noch mehr lustige Slapstick-Geschichten zu lesen. So hat ein Gremium im Auftrag des Arbeitsministeriums eine Technische Regel zur Beleuchtung geschrieben (ASR A3.4). Die konkretisiert die Verordnung für Arbeitsstätten und ist eine ziemlich heilige Schrift: „Die Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR) geben den Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Arbeitshygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse für das Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten wieder.“ Also muss man die einhalten, will man sich nicht dem – ebenso heiligen - Zorn der Behörden aussetzen. (mehr dazu hier und dort)
Das ist auch gut so. Dummerweise steht dort was von einer horizontalen Beleuchtungsstärke, die man sonst so nicht liest. Deswegen wird der Begriff erklärt. Das ist die B. in einer horizontalen Ebene gemessen. Verstanden. Dann gibt es auch eine vertikale B. Die wird in einer vertikalen Ebene gemessen. Logo! Auch verstanden? Nicht ganz, denn ich weiß nicht, wozu das dient. Das erklärt eine BG-Schrift mit der Modellierung von Gesichtern. Natürlich in übertragenem Sinne. Gesichter müssen so beleuchtet werden, dass man sie richtig sieht. Dazu später noch was.
Ganz dumm, dass die Verfasser der ASR vergessen haben, die vertikale Ebene anzugeben. Davon gibt es nämlich Millionen, während es eine einzige horizontale gibt. Damit Millionen, die die Sache anwenden sollen, richtig handeln, schob eine Arbeitsschutzorganisation die fehlende Ebene nach: Keine. Denn niemandem kann zugemutet werden, in jeder Richtung, in die ein erleuchteter deutscher Arbeitnehmer blicken will, auch die Beleuchtungsstärke zu messen. Ergo: Ein weiterer Begriff aus dem Arsenal der Lichttechnik soll helfen: Die zylindrische Beleuchtungsstärke. Die ist wieder so eindeutig wie die horizontale. Leider, leider, kann sie niemand verstehen. Kann eine Ebene zylindrisch sein?
Die Menschen müssen geholfen werden. Also malt man schöne Bilder. Sie sehen eindeutig aus. Stimmt! Dummerweise sitzen deutsche Arbeitnehmer sehr häufig in Karnickelställen mit dem Rücken zur Wand. Und deutsche Bürowände strahlen nur wenig Licht ab. Und wenn der Mensch in der weiten weiten Prärie säße, das Licht, das von hinten kommt, modelliert weder sein noch ein anderes Gesicht. Es macht das Gesicht eventuell sogar schlechter sichtbar. Das gilt auch für den Arbeiter mitten in der Fabrikhalle. Die Sache nennt sich Gegenlicht und ist jedem (Amateur)Fotografen bekannt. Jede halbwegs gute Kamera hat einen Einstellungsknopf, der die Störung beseitigt. Nur dem menschlichen Auge fehlt der Knopf.
Was wäre perfekt? Z.B. die halb-zylindrische Beleuchtungsstärke. Um Gottes Willen! Wer soll denn das verstehen? Mmmh, einige Leute im Labor tun es. Die planen dummerweise nicht die Beleuchtung für 40 Millionen Arbeitnehmer. Und wenn sie es denn wirklich täten, eine vertikale Beleuchtungsstärke werden sie im echten Leben nie erzeugen, weil in der Arbeitswelt die Leuchten fast immer an der Decke hängen. Das heiß ersehnte Ding gibt es nur im Labor, im Theater und nördlich des Polarkreises durch die Sonne, die immer flach einfällt. Ansonsten hat man ein mehr oder wenig schräg von oben nach unten abgestrahltes Licht. Wenn man damit einen Wassertopf erwärmen will, ist es egal, unter welchem Winkel es kommt (außer bei Totalreflexion). Will man hingegen Gesichter modellieren, gibt es immer lange Nasen, weil das Licht von oben kommt. Bei Downlights dunkle Augenhöhlen dazu.
Der legendäre Ort Schilda, den die bösen Nachbarn eines alpinen Staats im Norden und im Osten gerne dorthin verlegen, damit sie mehr Witze reißen können über Jogger, die vom Gletscher überholt werden, wird bei uns am häufigsten mit dem Bau des Ratshauses erwähnt, bei dem man die Fenster vergessen hatte. Zwar gab es später noch bessere Möglichkeiten, sich über die realen Geschichten lustig zu machen. So etwa über die Hochrheinbrücke, die auf der Schweizer Seite etwas zu hoch geplant wurde (54 cm), so dass in der Flussmitte eine Treppe hätte vorgesehen werden müssen. Das, aber ist eine andere Geschichte. So bleiben wir beim Vergessen der Fenster und den Folgen davon, Licht in Säcken hinein zu tragen.
Natürlich kommt so etwas in der realen Welt der High-Tech Nation nicht vor. Oder? Ach, was, wir schaffen lässig eine Mega-Version davon. Was, berichtet Licht (Heft 11-12, 2016). Über Details kann ich leider nicht berichten, da die wichtigsten Daten nicht lesbar weil gelb auf weiß gedruckt sind, aber den Tenor. Roman Jacobiak hat Gebäude untersucht, deren Hülle thermisch saniert worden war. Ergebnis: Das Tageslichtniveau ist im Schnitt 28% gesunken. In 15 von untersuchten 18 Fällen war eine ausreichende Tageslichtversorgung nach der Fassadensanierung nicht mehr gegeben. Die Abnahme betrug in einem Fall sogar 48%.
Langsam zum Mitschreiben: Eine energetische Sanierung von Gebäuden geschieht, um deren "Energieeffizienz" zu erhöhen. Und Effizienz heißt, dass man das gleiche Ziel mit weniger Aufwand erreicht. Wie viel Heizenergie muss ich einsparen, um 1 W Mehraufwand für die Beleuchtung auszugleichen? Das hängt ganz und gar davon ab, wie man heizt:
Bezieht man seine Heizung aus Nahwärmequellen, muss man für den Betrieb von Beleuchtung (Strom) 24 Mal so viel Primärenergie aufwenden. Bei Holz immer noch 12 Mal. Dabei ist der Strom bei EnEV 2014 noch gnädig weggekommen, weil man in Deutschland mittlerweile die Landschaft so weit verspargelt hat, dass ein erheblich Teil des Stroms aus Windmühlen kommt. Früher betrug der Faktor 3,0, was dem Umwandlungsprozess in einem Kraftwerk entspricht: Ein Drittel der Primärenergie geht bei der Umwandlung in elektrische zum Schornstein, ein Drittel fressen die Leitungen, die die Landschaft heizen, und nur das letzte Drittel kommt an der Steckdose an.
Ergo: Man spart Heizenergie ein, und man muss deswegen elektrische Energie zum Beleuchten einsetzen. Anders als bei Schilda kann man über diesen Witz nicht lachen. Vor allem dann nicht, wenn man hinter der verdusterten Fassade arbeiten muss. Ach, ja, gestern wurde die neue Arbeitsstättenverordnung (endlich) veröffentlicht. Die sagt:
(1) Der Arbeitgeber darf als Arbeitsräume nur solche Räume betreiben, die möglichst ausreichend Tageslicht erhalten und die eine Sichtverbindung nach außen haben.
Und in ihrer ASR A3.4 wird die Anforderung so konkretisiert:
(3) Die Anforderung nach ausreichendem Tageslicht wird erfüllt, wenn in Arbeitsräumen
- am Arbeitplatz ein Tageslichtquotient größer als 2 %, bei Dachoberlichtern größer als 4 % erreicht wird oder …
Nach Jacobiak wird es nicht erreicht … oder?
Doch Tageslicht auf deutschen Firmenklos? (siehe Bundesregierung streitet über Tageslicht in Firmentoiletten) Die Arbeitsstättenverordnung, auf der der Buddha gesessen hat, wurde endlich vom Bundesrat befreit. Dat weer ook Tied! Der, Buddha alias Altmaier, hatte sich eigenmächtig (?) darauf gesetzt, nachdem sich ein gewisser Herr Kramer beschwert hatte, dass Arbeitnehmern abschließbare Spinde als Recht zugewiesen würden und vor allem, weil alle Firmentoiletten eine Sichtverbindung nach Außen haben sollten. Gott verhüt´s! Sichtverbindung vom gemütlichsten Ort auf dem Planeten nach Außen bedeutet auch eine Sichtverbindung von außen zur gemütlichen Sitzung! Da gleich zwei Ministerinnen das Ganze heimlich vorbereitet haben sollten, protestierte Herr Kramer heftig über die Presse. Er ist nämlich nicht irgendein Kramer, sondern der leibhaftige Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Der oberste deutsche Arbeitgeber also. Und der war über die Entstehung der neuen Arbeitsstättenverordnung nicht informiert worden. Wie die Ministerinnen Ursula von der Leyen und Andrea Nahles (hier und dort) wohl haben ihn übergehen können? Nur in Absurdistan ist alles möglich. Daher hat der BDA-Präsident seinem Ärger Luft gemacht, indem er erzählte, er käme sich vor wie in Absurdistan. Recht hat er, meistens jedenfalls. Daher muss ich annehmen, dass auch Deutschland zum intergalaktischen Staat Absurdistan gehört. So war es auch den Pressemeldungen zum Thema zu entnehmen, deren schnelles Wachstum wir dokumentiert haben. (Von wegen Grimms Märchen, in denen ein Körnchen Wahrheit stecken soll. In der besagten Story steckte etwa ein halbes Körnchen und von der Wahrheit nicht einmal die Hälfte.) Am meisten hat sich der Vizefraktionsvorsitzende der Christlichen Sozialen (!) Union aufgeregt und den Vizekanzler öffentlich aufgefordert, Frau Nahles "bei diesem Irrsinn zu stoppen". Anscheinend hatte Frau Nahles fertig. An die Frau von der Leyen wagten sich die Kritiker nicht mehr, denn sie befehligt mittlerweile die drittgrößte Armee der NATO. (Wenn dies nicht ganz stimmen sollte, schwer bewaffnet sind die Ihrigen schon, auch wenn über deren Treffsicherheit sich trefflich streiten lässt.)
Nu können sich die deutschen Arbeitnehmer freuen! Die vermutlich kürzeste, aber umso wichtigste Vorschrift kommt zurück: Die Sichtverbindung nach draußen. Die ist ein Alleinstellungsmerkmal des deutschen Arbeitsrechts - und wenn alle noch so laut schreien "Alle Politiker raus" und "Alle Gesetze auf die Müllkippe" - mit Ewigkeitswirkung. Wer nicht glaubt , dass ein gewisser Dr. Lammert, seines Zeichens der Präsident des Deutschen Bundestages, gestern in der Semper Oper die Wahrheit sagte, als er behauptete, dass Deutschland zwar nicht das Paradies auf Erden sei, aber von vielen Menschen dafür gehalten werde, hier ist der Beweis: Selbst Amerikaner beneiden uns wegen dieser Vorschrift. Und selbst die Dänen, die die heiligsten Sozialgesetze ihr eigen nennen, dürfen sich nur auf ihr Recht auf Tageslicht am Arbeitsplatz berufen, aber nicht auf eine Sichtverbindung zur Natur. (Na, ja, manchmal auf die verbaute bzw. versaute Natur)
Jetzt zurück zum Absurdistan. Dem BDA-Präsidenten war die Regelungswut der beiden Ministerinnen übel aufgestoßen. Stimmt, da sind jede Menge ganz neue Vorschriften in der ArbStättV, die vorher nie da waren. Stimmt voll und ganz, oder auch nicht? Die waren nämlich in der Bildschirmarbeitsverordnung und regelten z.T. die gleichen Dinge. Ein bürokratisches Unding! Ergo hat das Arbeitsministerium die beiden Verordnungen zusammengepackt. Das nennt sich Deregulierung - alle überflüssigen Vorschriften entfernen, vor Allem Doppelregelungen. Wer solche heilsamen Bereinigungen von Vorschriften verhindert, soll von mir aus König von Absurdistan werden. Aber wie soll man es nennen, die BRD zum Absurdistan auszurufen, weil nicht nur einer geschlafen hat? Vielleicht schlafen sie immer noch, weil sie denken, diese Vorschriften aus der ehemaligen BildscharbV könnte man so einfach weglassen. Dann hätten wir das nächste Verfahren der EU-Kommission am Halse. Die hatte nämlich diesbezügliche Vorschriften schon 1989 erlassen und geklagt, weil der deutsche Bundeskanzler so schlappe 7 Jahre für die Umsetzung eines Teils gebraucht hatte. Die EU-Arbeitsstättenverordnung gar musste bis 2004 warten, ehe das deutsche Arbeitsrecht entsprechend renoviert wurde. Das lag bestimmt nicht an der Überlegenheit des alten deutschen Rechts. Aber an dem neuen Bundeskanzler. Leider habe ich von dem keine Karikatur. (Man wird auch sobald keine bekommen. Der Herr hat einfach keinen Humor.)
Die gute Nachricht für die Beleuchtung ist, es gibt nicht mehr zwei Verordnungen, die Beleuchtung und Sehen regeln. Wenn wir Glück haben, gibt es eine neue ASR Beleuchtung. Die alte kann man nämlich nicht anwenden. Die schlechte Nachricht trifft die Bildschirmhersteller. Jetzt können sie nicht mehr Normen machen, in denen drin steht, dass Bildschirme ruhig glänzen dürfen, da die EU gesagt haben soll, dass man dann andere Beleuchtung vorsehen muss. (Wenn die wüssten, wie einer am Bahnhof denkt, wenn sein Handy die Straßennamen für sich behält, weil das Display glänzt.)
Da ich in vorauseilendem gehorsam die kommende ArbStättV schon 2015 kommentiert hatte, füge ich den Beitrag hier (cua_15_01-arbstattv) ein. Fast alles dürfte weiterhin so bleiben. (Bitte in den nächsten Monaten CUA nach dem Nachfolgeartikel absuchen.)