In Deutschland wird alles, was durchgehen und Schaden anrichten kann, an die Leine gelegt. Die ganz wilden, die Hengste, sogar an die Kandare. Bei Hunden reicht vorerst eine Leine.
Als ich bei einer Satiresendung von einem Leinenzwang für Politiker hörte, fiel mir sofort die Gilde der Lichttechniker als weiterer Kandidat für’s Anleinen ein. Sie verdient das Prädikat „gefährlich“ in mehrfacher Hinsicht. (Obwohl: ohne die Lichttechniker wäre die Welt wohl eine andere, aber nicht bessere.) Mir fallen gerade folgende Beispiele ein.
Erfindung der BAP-Leuchte: Eine der wunderbaren Lösungen, für die man lange das Problem suchen musste. Die Leuchte wurde so etwa 1967 erfunden. Mädchenname: Dark light Leuchte (mehr dazu hier). Das geeignete Problem entstand etwa 1977. Eine Studie des Arbeitsministeriums hatte gezeigt, dass Bildschirmbenutzer unter Augenbeschwerden litten. Unter den Ursachen waren auch Spiegelungen auf Bildschirmen zu finden. Schwupdibus wurde die Leuchte zur Bildschirmarbeitsplatzleuchte umgetauft, durch zwei eigens dafür geschaffene Normen (DIN 66234-7 und DIN 5035-7) zum Stand der Technik erklärt und für viel Geld in deutsche Verwaltungen gebracht. Die Studie, die nachwies, dass sie dem Arbeitsschutz widerspricht, erschienen 1990, wird ungern zitiert, aber deren Titel hat sich zum Renner gemausert: Licht und Gesundheit. (letzte Ausgabe hier) Unzählige Kongresse haben unter dem Titel stattgefunden. Es gibt sogar Professuren dafür. Der Titel war wie gemacht für das Marketing für Licht. Präzise gesagt: Er war dafür gemacht. Das weiß ich, weil ich ihn erfunden habe, weil es mich ärgert, das man das Licht unter’n Scheffel stellt. So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten. Warum bloß lesen die Leute nur den Titel meiner Arbeit? Die BAP-Leuchte assoziiere ich immer mit dem Nihilit von Kafka. Etwas kafkaesk war ja deren Mädchenname: dark light. Kann Licht dunkel sein?
LED in KfZ-und Straßenbeleuchtung: Die LED hat neben vielen guten Eigenschaften auch zwei schlimme (hier und da): unerträglich hohe Leuchtdichten und Flimmern. Für beide gibt es Lösungen, die zu einer guten Beleuchtung führen können. Nicht nur in der Theorie. Viele gute praktische Beispiele gibt es auch. Dennoch haben sich Auto- und Fahrradscheinwerfer zu einer Pest der Straße entwickelt, und das nicht nur in der Nacht. Sie blenden rund um die Uhr. Gegen die Straßenbeleuchtung klagen mittlerweile Bürger erfolgreich (hier und da). Hätte man LED-Beleuchtung mit Hilfe vorhandenen Wissens entwickelt, wäre es unwahrscheinlich, dass es überhaupt zu Beschwerden gekommen wäre.
Die schlimmere Sache ist das Flimmern. Dass hier ein Problem besteht, das die Sicherheit des öffentlichen Verkehrs berührt, ist länger bekannt (hier und da und dort). Wie die Lösung aussehen kann, etwa ebenso lange: höhere Frequenzen. Was gibt es dagegen für gute Argumente außer das liebe Geld?
Sparen an der Beleuchtung der Steuerwarten von Kernkraftwerken: Leute, die nicht rechnen konnten, wollten Ende der 1970er Jahre die Notstromdiesel ihrer Kernkraftwerke schonen, weil deren Leistung für wichtigere Aufgaben eingesetzt werden sollte als für die Beleuchtung. Zum Verständnis: Jedes KKW benötigt 3 Stromversorgungen, die eigene, die aus Fremdnetzen bezogene und die Notstromversorgung. Dafür stehen 5 Diesel bereit. Jedes KKW verbraucht etwa 10% seines Stroms für den eigenen Betrieb. Also bei 700 MW werden 70 MW selbst verbraucht. Die Diesel müssten etwa die gleiche Leistung aufbringen. Da dies zugegebenermaßen schwierig ist, müssen sie nicht so viel. Die die ich kenne, lieferten je 5 MW. Und was verbraucht so eine Beleuchtung? Sagen wir großzügig 10 W pro Quadratmeter und 100 lx. Macht 50 W pro Quadratmeter. Kleine Warten können 50 Quadratmeter groß sein, also braucht man für die Beleuchtung schlappe 2500 W. Größere Warten mögen entsprechend mehr verbrauchen. So 5 kW für 100 Quadratmeter. Und was macht das gegen 5 x 5 MW? Wenn mir einer die Nullen liefert, die ich hinter’m Komma brauche, schreibe ich das gerne.
Was würden Sie als deutscher Professor sagen, wenn einer mit der bescheuerten Frage an Sie herantritt, wie viel von Hundertster Promille man sparen darf? Bei unserem Professor hätte man nicht genug Zeit, zur Tür zu rennen. Man würde eher zum Fenster hinaus komplimentiert. Man hat wohl deswegen die Frage an einen anderen gestellt. Und der erteilte Absolution (protokolliert im Entwurf KTA 3904 vom Jahre 1987): Es ist unproblematisch, im Falle eines Störfalls die Beleuchtungsstärke in der Warte auf ein Drittel abzusenken. Das Auge adaptiert schnell um.
Zum Verständnis: KTA 3904 ist eine Sicherheitstechnische Regel des KTA, ein Störfall ist ein „In der Kerntechnik ist ein Störfall gemäß § 3 der Strahlenschutzverordnung „ein Ereignisablauf, bei dessen Eintreten der Betrieb der Anlage oder die Tätigkeit aus sicherheitstechnischen Gründen nicht fortgeführt werden kann und für den die Anlage auszulegen ist oder für den bei der Tätigkeit vorsorglich Schutzvorkehrungen vorzusehen sind.“
Man stelle sich vor, dass bei einem Unfall, der halb Europa unbewohnbar machen kann, an der Stelle, an der der Störfall analysiert und beherrscht werden soll, die Lichter plötzlich gedimmt werden! Grauen lass bitte nach! Dabei ist das Grauen nicht einmal komplett. Ohne den Elektriker wäre er nicht einmal halb so schlimm. In einem mir bekannten Fall (keine Sorge, der Laden existiert nicht mehr) hatte der Elektriker ganze Arbeit geleistet: je ein Drittel der Warte an eine andere Phase angeschlossen. Absenken auf ein Drittel hieß dort, zwei Drittel der Warte ohne Beleuchtung.
Technische Maßnahmen, die garantiert nicht funktionieren können: Lichttechnische Lehrbücher enthalten zwei Lösungen, mit denen man Flimmern vorbeugen kann, die heißen Duoschaltung und Dreiphasenschaltung. Die Duoschaltung versorgt jeweils zwei Lampen mit phasenverschobenem Strom. Dadurch leuchtet die eine Lampe heller, wenn gerade de andere dunkel ist. Die Dreiphasenschaltung heißt so, weil man jede Dritte Lampe an eine Phase des Drehstroms hängt. Ist dasselbe wie die Duoschaltung, nutzt aber die vorgegebene Phasenverschiebung.
Soweit, so gut. Funktionieren könnten die Lösungen, wenn die zwei oder drei Lampen an jeweils der gleichen Stelle befänden. Das können sie aus physikalischen Gründen nicht. Ergo: möglichst nahe beieinander anordnen. Da die meisten Leuchten aber einflammig sind, geht die Sache auch nicht. Also: Auch ohne den superintelligenten Elektriker, der jeweils eine Phase an ein Drittel des Raums zuordnet, ist Pleite programmiert. Leuchten mit Optik besitzen diese, um das Licht einer Lampe umzulenken. Licht von Lampen in unterschiedlicher Position geht in jeweils andere Raumteile. Jede flimmert also für sich allein, egal in welcher Schaltung.
Und wenn der Elektriker ganz normal ist und tatsächlich jede dritte Lampe an eine Phase hängt? Da kommt der geniale Facility Manager ins Spiel: Weil niemand die 1.000 lx, die einst Norm für Großraumbüros waren, haben wollte, hat der geniale Dienstleister einfach zwei Phasen abgeschaltet. Die verbleibende Phase erzeugt dann so starke elektromagnetische Felder, dass jegliche „Strahlung“ und Elektrosmog, denen man nachging, in lächerlichen Größenordnungen wären. Elektrosmog frei Haus.
Sollen wir nu den Hundefänger umbauen lassen, um Jagd auf die Lichttechniker zu machen? Leider würde die Situation nicht ein Deut besser, weil in Deutschland über 95% der Gebäude ohne Zutun eines Lichtplaners beleuchtet werden.
Neulich hatte ich vom Redesign meines Lieblingsladens erzählt (hier). Gestern war ich wieder da und nahm die neu beleuchteten Vitrinen genauer unter die Lupe. Die neue LED-aufgepeppte Einkaufswelt scheint eher geschäftsschädigend ausgefallen zu sein. So'ne Ladenvitrine wird nicht zufällig mit Waren gefüllt. Es fängt ganz unten an, wo die Ware lagert, die der Kunde immer sucht. Deswegen bückt er sich ganz unaufgefordert. Kartoffeln, Zwiebeln u.v.a.m. (Ist aber keine Bückware. Die gab es in der verblichenen DDR unter'm Tresen. Sich bücken tat der Verkäufer) Etwa in Augenhöhe findet man Ware, die einem ins Auge springen soll. Teure Käsesorten, Edelschinken u.ä. In der Höhe von Kleinkinderaugen findet man die Quengelware. Meist in der Nähe der Kasse.
Der Glanzeffekt der LED-Beleuchtung trifft nicht das, was glänzen soll, sondern je nach Größe des Kunden und Abstand vom Regal alle verpackte Ware. Nur die Billigware unten bleibt verschont. Sack Kartoffel muss nicht glänzen. Tut auch nicht. Wenn die verpackte Ware auch noch kühl gehalten werden muss, sieht man zuerst die Reflexe auf de Abdeckung, dann auf der Verpackung. Visueller Müll. Die meisten Dinge, die mich interessieren, sehen so aus:
Wer macht denn sowas? Amateure? Nein, die Lichtlein wurden im Rahmen eines Milliardenprogramms installiert in und für Läden, die die effizientesten der Welt sein wollen. Der Händler heiß nicht Tante Emma. Der Ladenbauer liest wohl keine Broschüren von licht.de. Wozu auch, die sind für Amateure. LED holt nicht nur deutsche Tornados vom HImmel (hier). Sie ist für mehr gut.
Der wahre Profi bringt mit Licht Leben in die Bude. Mit LED klappt dies besonders dynamisch. Wenn man an den Tresen entlang geht, guckt und was sucht, bewegt sich die Lichterkette unablässig mit. Mal vorwärts, mal rückwärts. Wie man den Kopf bewegt. Wer was sehen will, muss still halten. (mehr hier)
Man merke: Braucht man bling-bling, nimmt man kleine Lichtquellen mit hoher Leuchtdichte, will man beleuchten, braucht man großflächige Leuchten. Wenn man Deutsches Corned Beef wie Pretiosen beleuchtet, kommt eben das heraus.
Irgendwie scheinen Preisträger meinen Argwohn zu schüren. Von Tausenden gleicher Produkte fällt mir häufig eines negativ auf - leider der Preisträger. Dabei wollten die Preisverleiher, dass das Produkt auffällt, aber sehr positiv. Warum diese Abneigung gegen die Preisträger? Eigentlich stimmt meine Aussage nur für manchen Preisträger, die meisten nehme ich so zur Kenntnis. Aber manche eben nicht.
Ich denke, meine Abneigung hängt mit einem bestimmten Preisträger zusammen, einem Gebäude, das einen Architekturpreis gewonnen hatte. Dem glücklichen Bauherrn waren aber diverse Unstimmigkeiten zwischen Auftrag und Ausführung aufgefallen. So bekamen wir den Auftrag, das fast fertige Gebäude anhand von Arbeitsschutzvorschriften zu begutachten. Eine ziemliche Katastrophe! Der preisgekrönte Architekt hatte nicht einmal so eindeutige Hygienevorschriften wie "keine Tapete hinter`m Pissoir" beachtet. Eigentlich ist eine solche Vorschrift überflüssig wie alle Vorschriften, außer dass die Nutzer eine Todsünde begehen. Beim Pissoir heißt die Todsünde: den Strahl schlecht lenken.
Natürlich wird man einen Preisträger nicht hängen, weil er die Herrentoilette tapeziert hat, obwohl die gekachelt gehört. Da war noch etwas. Ja - die Raumhöhe stimmte nicht. Sie musste laut Arbeitsstättenverordnung von damals 2,50 m betragen, betrug aber nur 2,47 m, weil der Preisträger bei der Festlegung der Raumhöhen den Estrich vergessen hatte. Soll vorkommen - aber nicht so häufig. Auch das hätte ein Gewerbeaufsichtbeamter mit einem Gummibandmaß vielleicht noch durchgehen lassen. Aber nicht, dass die Möblierung nicht wie im Auftrag festgehalten erfolgen konnte. Der Preisträger hatte den Auftrag, 2200 Arbeitsplätze in Doppelzimmern zu bauen. Man konnte aber nur 1100 davon einrichten. Aber Einzelzimmer wollten weder der Bauherr noch die Belegschaft haben. Was tun? Der Bauherr reduzierte den Preis, den der Preisträger vereinbart hatte, um die Hälfte. Dieser war danach unmittelbar pleite. Und versuchte, sich umzubringen.
Irgendwie hängt meine Abneigung gegen Preisträger mit diesem lange zurück liegenden Ereignis zusammen. Jahre danach verlieh man einem anderen, sehr bekannten Architekten einen Designpreis für ein Arbeitsmöbel. Die Fachpresse lobte das Objekt über den grünen Klee. Sogar ein wissenschaftliches Institut fand lobende Worte in Fülle. So baute ein bekannter Büromöbler das Objekt in Serie - in sehr kleiner, freilich, weil sich die Kunden das Wunderwerk anguckten, aber nie kauften. Dabei kenne ich von dem Architekten jede Menge gelungene Werke. Warum musste er etwas entwerfen, was niemand haben will, während das rechts abgebildete Objekt seit über 60 Jahren der Menschen Seele erfreut?
Das alles flog durch meinen Kopf, als ich die Laudatio über das jüngste Wunderwerk der Lichttechnik las. Die Leuchte des Jahres. In den Begleitfotos leuchtet die aber nicht. Ich hingegen durfte sie beim Leuchten betrachten. Macht so 2.500 lx auf dem Tisch. Da sie nicht blenden darf, bringt sie die 2.500 lx an der hinteren Tischkante. O.K., da kann sie keinen Schaden anrichten. Aber zweckmäßig kann man es nicht nennen, wenn das Licht vornehmlich dort landet, wo nichts oder nicht Bedeutendes zu sehen ist (weitere Ausführungen hier). Die in dem zitierten Beitrag abgebildete Leuchte macht es ähnlich, ist aber nach meinem Geschmack viel eleganter. Zudem: Meine Vergleichsleuchte hängt am Tisch und ändert ihre Höhe mit diesem. Da bleiben die Lichtverhältnisse etwa gleich. Hingegen produziert die Leuchte des Jahres so um 3.800 lx, wenn man den Tisch im Stehen benutzen will. Und das wollen sehr viele. Müssen sogar, weil ihnen sonst der Rücken weh tut. Aber ständig Sonnenschein will keiner.
Hand auf`s Herz: Wer braucht 3.800 lx beim Arbeiten mit einem Laptop? Wer gar mit einem Tablett arbeiten will oder muss, kann die Arbeit vergessen. Das Gerät reflektiert die LED derart, dass man an der Decke die Elemente der Leuchte nachzählen kann.
Frage an die Jury: Warum ist gerade dieses Objekt die Leuchte des Jahres?
So ein Anwendungsbereich liest sich doch gut an? Oder? Für Leute, die gewöhnlich keine Normen lesen -- und das sind fast alle -- der Anwendungsbereich legt fest wozu eine Norm gut ist. Die hier gemeinte (DIN EN 12464-1) regelt die Beleuchtung von Arbeitsstätten in ganz Europa einschließlich aller, an denen Leute am Computer arbeiten. Wie löblich!
Leute, die Normen lesen oder gar anwenden, lassen sich von solchen Paragraphen nicht irritieren. Sie lesen eher die Anforderungen, da stehen knackige Zahlen, wie ein Fachmann es mal genannt hatte. So etwa 25 Seiten lang. Mich interessierte, wie man diese 25 Seiten mit Daten gefüllt hat. Na klar -- man bestimmt die Sehleistung, die man für eine bestimmte Sehaufgabe benötigt. Dann berechnet man, wie die Beleuchtung sein muss, damit der Sehleitung genüge getan wird. Tatsächlich hatte das mal einer getan. Der hieß Blackwell und untersuchte, wieviel Licht Piloten von Bombern benötigen, um nachts ihre Ziele erkennen zu können. So lange mussten die Phosphorbomben brennen. Blackwell bekam für seine Verdienste Medaillen von der US Luftwaffe und Navy. Dass die Ziele vornehmlich deutsche Wohnhäuser waren -- bitte vergessen. Spätere Untersuchungen von Bodmann zeigten, dass ein solcher Ansatz in der Arbeitswelt nur wenig Aussicht auf Erfolg hatte. Deswegen hat man in der deutschen Normung 1972 einen anderen Ansatz verfolgt (z.B. hier). Wer den Ansatz nicht mag, kann sich an die Arbeit machen und alle üblichen Sehaufgaben "Arbeitsplätze am Kupolofen und am Mischer" feststellen und die jeweils nötige Sehleistung. Abzuarbeiten sind 49 Tabellen mit 4 bis 26 Räumen/Arbeitsplätzen, die auf den Forscher warten.
Die Norm sagt aber auch heute noch Sehleistung. Sei's drum. Aber welche Sehleistung? Die für Menschen mit "normalem" Sehvermögen. Schön wär's, wüsste man was Sehvermögen ist. Heute sitzen am Bildschirm Mannschaften -- Pardon Frauschaften -- mit bis zu 70% Brillen bewaffnet, ohne die sie nicht mehr arbeiten können. Normales Sehvermögen?
Na, schön. Man wird doch nicht so zimperlich sein. Sehleistung ist Sehleistung! Oder? Leider nicht, die ist nämlich weicher definiert als sämtliche Gummiparagraphen der Welt: "Leistung des visuellen Systems, wie sie beispielsweise durch die Geschwindigkeit und die Genauigkeit gemessen wird, mit welcher eine Sehaufgabe gelöst wird" So steht es im Internationalen Wörterbuch der Lichttechnik geschrieben. Da alle Autoren davon weiße Haare und teilweise auch weiße Bärte hatten, muss das stimmen.
Man nimmt also alle "üblichen" Sehaufgaben - einschließlich solcher am Bildschirm -, Menschen mit "normalem" Sehvermögen, die es nur noch selten gibt, misst "beispielsweise" die Geschwindigkeit und Genauigkeit, mit der sie "übliche" Sehaufgaben lösen. Und leitet daraus 25 Seiten Anforderungen für alle möglichen Arbeitsstätten? Nein doch! Es kommt dazu noch Sehkomfort. Was das ist, steht in keinem Buch der Lichttechnik.
War das alles? Immer noch nicht. Die Norm sagt nämlich, dass zur Bestimmung der Anforderungen noch etwas berücksichtigt werden muss: "Die Anforderungen an die Beleuchtung werden bestimmt durch die Zufriedenstellung von drei grundsätzlichen Bedürfnissen des Menschen:
Die hatte ich vergessen, die Sicherheit. Was ist bitte schön Sicherheit? Der Begriff ist derart klar, dass die internationale Normungsorganisation ISO die Verwendung des Wortes ohne weitere Bezeichner nicht zulässt. Man könnte z.B. betriebliche Sicherheit schreiben. Da man gemeinhin behauptet, Licht hätte was mit der Sicherheit bei der Arbeit zu tun, müsste man annehmen, der Arbeitsschutz wäre gemeint. Dummerweise steht in der Norm im Anwendungsbereich geschrieben, der Arbeitsschutz darf nicht gemeint sein. Den zu regeln, behält sich der Staat vor. Und in seiner ASR A3.4 steht ausdrücklich geschrieben, dass die Norm nicht satisfaktionsfähig ist: "ie DIN EN 12464 Teil 1 und 2 legen Planungsgrundlagen für Beleuchtungsanlagen fest, berück sichtigen aber nicht die Anforderungen, die an Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit zu stellen sind."
Bei so viel Klarheit kommen einem die Tränen. Vielleicht haben die Autoren der Norm doch was Haltbares zuwege gebracht. So z.B. einen Beitrag zur Nachhaltigkeit von Arbeitsstätten. Da wurde ich fündig (hier). Den Sehkomfort haben sie wohl nicht umsonst in den Katalog der Beliebigkeit aufgenommen. Ein leibhaftiges Ministerium beschäftigt sich damit (mehr hier). Leider, leider schätzt das Ministerium die Norm nicht allzu hoch, hier die Bewertungsliste:
Ergo: Wenn man die Normen einhält, bekommt man bei dem Sehkomfort die halbe Punktzahl. Eigentlich gar keine Punkte, denn in der gennanten Norm gibt es keine Spur von individueller Beleuchtung. Also 0 Punkte, setzen! (zu dem Kriterien für visuellen Komfort Übersicht DGNB Visueller-Komfort)
Es geht hier nicht um den Bart des Propheten, sondern um 40% der elektrischen Energie, die ein Büro verbraucht oder 15% des Stroms, den Deutschland verbraucht. Man verspargelt die Republik, um Strom aus dem Wind zu machen, baut 3000 km Tunnel, um den in den Süden zu bringen. Oder vernichtet 12.000 Jahre alten Forst, um Futter für Kraftwerke zu fördern. Und dann schüttet man den ganzen Strom über den Büroteppich. Wofür? Steht oben! Was hier nicht steht, ist die Empfehlung Ihrer BG (DGUV-I 215-220), die genau an diesem Tag veröffentlicht wurde: Wollen Sie, dass Ihre circadiane Rhythmik in Takt bleibt, hilft z.B. das Abschalten nicht benötigter Lichtquellen. Das ist aber ganz schön individuell.
Warum soll eine Beleuchtung überhaupt individuell sein? Man könnte einfach darum sagen. Wenig höflich. Einen simplen Grund hat die Lichttechnik vor über einem halben Jahrhundert erarbeitet: Die Präferenz von Menschen für Beleuchtungsstärke variiert von 20 lx bis 20.000 lx. Allein diese Erkenntnis dürfte als Grund für die Anforderung nach Individualität reichen. Aber auch die Sehaufgaben ändern sich ständig während des Tages, die Augen während der Jahre. Man sollte eher den Spieß umdrehen und fragen, darf die Beleuchtung von Arbeitsstätten für alle gleich sein? Von mir aus. 0 Punkte dann.
Den Altvorderen der Lichttechnik ist etwas gelungen, das in der Technik selten gelingt. Sie schufen einst die erste Norm der Beleuchtungsgeschichte und wussten aber, dass die Technik nicht das war, was sie sich vorstellten. Was macht man denn da? Ich lernte zwei Professoren kennen, die beide den Weg zum Gelingen einer weltweiten Technologie vorgezeichnet hatten, wohl wissend, dass der Zustand - wohlwollend gesagt - entwicklungsfähig war. Ist das so wichtig? Und ob! Denn bei jeder Technik muss man davon ausgehen, dass sie bald zum "alten Eisen" wird. Man kann hiervon für Morgen lernen, obwohl die Herren noch vor dem 2. Weltkrieg gewirkt hatten.
Was haben die gemacht? Beschrieben, wie mies die Technik war? Das wäre fatal. Der eine hat mit die Grundsätze festgelegt, nach denen das internationale Telefonnetz von ein paar Teilnehmern in ein paar Ländern zum globalen Netz entwickelt hat. Das war in den 1920er Jahren. Das Netz funktioniert nach 100 Jahren besser als als die ach so modernen Mobilfunknetze. Der andere wirkte an der DIN 5035 von 1935 mit, eine Norm, die man heute noch anwenden könnte, wäre sie nicht durch die Dusseligkeit eines ehemaligen DIN-Mitarbeiters verloren gegangen.
Das Besondere daran? Die Norm gab zwei globale Ziele an: “Die künstliche Beleuchtung von Innenräumen muß den Forderungen der Gesundheit und Schönheit entsprechen, dabei zweckmäßig und wirtschaftlich sein.” Punkt! Und setzte Qualitätsmerkmale, dort genannt Gütekriterien. Die von 1935 könnte man, etwas in Neusprech übersetzt, immer noch sehr gut gebrauchen, zumal die Erneuerer, die Autoren der Nachfolgenorm DIN EN 12464-1, Gütekriterien ganz vergessen haben.
Ist doch wunderbar! Wo liegt das Problem? Hätten die Nachfahren ihre Technik den einst gesetzten Prinzipien nachgefahren, wäre die Welt des Lichts heute - meine Meinung - in bester Verfassung. Man müsste nur das Ziel Schönheit, damals vorgegebenen durch den Staat, durch Anmutungsqualität oder ähnlich ersetzen. Gesundheit kann bleiben. Und Zweckmäßigkeit? Was denn sonst? Steht seit langem sogar in der Arbeitsstättenverordnung.
In der letzten "Voll" Ausgabe von DIN 5035 hieß es aber: “In Arbeitsräumen muß die Beleuchtung ein müheloses Erkennen der Sehobjekte ermöglichen.” Es gab keine andere Anforderung. Und die Gütemerkmale? Die muss man dem Ziel entsprechend auslegen. Oder? Seit etwa 1970 weiß man, dass das angegebene Ziel für die meisten Arbeitsplätze nicht relevant war. Und die seitenlangen Listen für Beleuchtungsstärken in DIN 5035-2 und später DIN EN 12464-1 gar keine Basis hatten, weil das Ziel irrelevant war. (siehe hier und da). Sie wurden, je nach Lesart, nach Gutdünken festgelegt oder nach Expertenwissen bestimmt. Die Sehleistung als Basis für die Festlegung von Beleuchtungsstärken in Normen ist der Stoff, aus dem moderne Märchen gemacht werden.
Wer so etwas für verwerflich hält, liegt allerdings falsch. Denn nicht nur die Lichtwerte werden so festgelegt. Verwerflich ist, wenn man gegen die festgelegten Gütekriterien handelt, um neuen technischen Produkten zum Erfolg zu verhelfen. So geschehen in DIN 5035-7, in der ein neuer, völlig überflüssiger Grundsatz, Gütekriterium "Vermeidung von Spiegelungen auf dem Bildschirm" eingeführt wurde. Das Gütekriterium diente allein dem Absatz von tiefstrahlenden Leuchten (siehe hier und da). Einen Nutzen entfalteten sie nie, verpassten den Arbeitsräumen einen Höhlenlook und erhöhten Störungen durch Reflexblendung. Letzendlich konnten wir nachweisen, dass sie dem Arbeitsschutz widersprechen (hier).
Zweckmäßig waren sie nicht, weil das meiste Licht nicht dort landete, wo nichts oder nichts Bedeutendes zu sehen ist. Am Tischrand oder auf dem Teppich. Heute könnten wir den Unsinn toppen und sogar zwei uralten Gütekriterien zuwider handeln. Was dies bedeutet, sieht man (zur einen Hälfte) auf dem folgenden Bild aus einem Werbekatalog. Ich habe dieses Bild gewählt, weil man vergessen hat, die Mängel der Beleuchtung wegzuretuschieren. Alle anderen Produkte mit ähnlichen Design sind in ähnlicher Weise betroffen.
Gemeint ist das Gütekriterium Schattigkeit, das mit Lichtrichtung bzw. mit der Gerichtetheit von Licht zusammenhängt. Man sieht auf diesem Bild viele Gegenstände auf dem Tisch, die es gar nicht gibt. Es sind die Schatten davon. Sie sollen aber nicht sein. Wer sich über die Bedeutung von Lichtrichtung und Schattigkeit informieren möchte, kann sich die LiTG Publikation zu Lichtqualität anlesen (hier und da kommentiert und auch dort), oder gar DIN EN 15193 ansehen, die verschiedene Güteklassen der Beleuchtung anführt. Die höchste Klasse – nach dieser Norm mit drei *** ausgezeichnet – unterscheidet sich von der darunter nur in zwei Aspekten: „Besondere Beachtung der gegenseitigen Blickkommunikation durch beleuchtete Gesichter” und “Besondere Beachtung von gesundheitlichen Belangen”. Um diesen Aspekten Rechnung zu tragen, muss man laut Norm je nach Einsatzort bis zu 100% mehr Energie aufwenden. Und? Bei der gezeigten Anordnung der Beleuchtung bleiben die Gesichter eher im Dunklen (s. Lichtkegel an der Wand). Und Direkt- und Reflexblendung ist höher als bei vielen anderen Beleuchtungen. Zudem fließt ein großer Teil des Lichts in die Mitte der Tische – nutzlos.
Bei der abgebildeten Leuchte muss übrigens kein Benutzer mit den Problemen leben, man kann den Direktanteil einfach abschalten oder reduzieren. Es ist nur eine Frage der Energieeffizienz, wenn man nur die Horizontalbeleuchtungsstärke bewertet. Bei anderen Produkten gibt es die Möglichkeit einfach nicht.
Was das obige Bild nicht zeigt, ist Flimmern. LED sind superschnelle Elemente, die eben superschnell flimmern. Dieser nimmt stark zu, wenn man sie dimmt. Allerdings muss niemand dies akzeptieren, weil es die geeignete Technik gibt. Allerdings kostet sie Geld. Die billigere Lösung haben zwei Professoren der Lichttechnik gefunden. Sie hatten eine neue LED Beleuchtung begutachtet, das Flimmern gesehen. Und? Sie urteilten, die wäre nicht so schlimm, weil das künstliche Licht nur tagsüber benutzt würde. Dazu sagte DIN 5035 im Jahre 1935: "Ruhe der Beleuchtung - ... es dürfen aber, von vorübergehenden Unregelmäßigkeiten abgesehen, keine mit dem Auge wahrnehmbaren Schwankungen der Beleuchtung als Folge zeitlicher Änderungen eintreten." Die meinten wohl das Flackern der Flamme der Petroleumlampe. LED ist modern und arbeitet ohne Flamme.