Nostalgie - Retro - oder einfach schön?

  
Heute flatterte das neueste Heft von Licht + Wohnen auf meinen Tisch. Die oberste Zeile im Titelblatt verkündet "LICHTPLANUNG TRIFFT INNENARCHITEKTUR". Wie schön wär´s. Leider fand ich auf der Facebook-Seite das Passende nicht. Eher ein Gewinnspiel zu Nikolaus - passt nicht zu Ostern.

energyup_KickstarterSchöne Leuchten gibt es zu bestaunen. So z.B. EnergieUp White von Philips. Die kann man in Starbucks zum Kaffee nehmen. Das soll gegen Winterblues helfen. Huch - habe ich das falsche Heft geliefert bekommen? Nö - Philips baut vor. Ehe man die Winterblues 2016/2017 bekommt, könnte die Leuchte ankommen, wenn man sie jetzt bestellt. Die kommt vermutlich wo alle Industrieprodukte herkommen, und als Seefracht. Man bekommt 10.000 lx natürliches Licht ins Auge gedonnert. Kickstarter* für den Tag - so wird das gute Stück in der Zeitung genannt. Ein ausgewiesener Auszeit - und Stressbewältigungscoach, Susanne Preiss, preist die Leuchte an - auch in Blue.

Etwas ganz anderes kommt aus Griechenland. Eine sanfte Leuchte wie aus den 1970ern. Kein Kickstarter, garantiert nicht. Keine 10.000 lx zum Kaffee, um den Restalkohol von der letzten Nacht zu vertreiben. Meine circadiane Rhythmik gehört mir. Ich möchte nicht durch einen Kick in den Allerwertesten geweckt werden. (Das ist meine Interpretation vom Kickstarter, die wahre wird unten erklärt.)

Geht mehr Nostalgie? Denke ja. Eine Hommage an die Birne - nicht an unseren Altbundeskanzler ohne Humor - an die gute alte Glühlampe. Arme Birne, wie hast Du Dir verändert!

*Wissen alle, was ein Kickstarter ist? Früher waren Batterien wie Elektromotoren so teuer, dass die Motorräder zu Fuß angeschmissen werden wollten. Man klappte einen Hebel raus und sprang darauf. Das erste Mal gaaanz sanft. Mit zunehmendem Ärger immer heftiger. Wenn nach 10 Minuten das gute Objekt immer noch nicht angesprungen war, bat man einen gewichtigeren Passanten. Irgendwann machte die Schüssel bruuummm. Das war´s!

 

Licht fühlen und Ambiente schaffen

 
Heute staunte ich nicht schlecht, als ich von einem Projekt einer Kollegin erfuhr, die sich einen Namen mit der Erforschung von "fühlenden" Computern gemacht hat. Ihr Buch von 1997 "Affective Computing" - bitte nicht als affektierter Computer übersetzen - schlägt bis heute Wellen, weil sich viele Leute von ihrem Computer unverstanden fühlen. Der Computer von Rosalind Picard hingegen soll meine Emotionen verstehen - und sich darauf einstellen.

Das neue Projekt heißt "Lux Meter: Real-Time Feedback in Ambient Light Environment". Es geht davon aus, dass das Licht für alle möglichen circadianen Rhythmen des Körpers ein wichtiger Steuerungsfaktor sei, was stimmt, und will die visuelle Umgebung des Menschen messen, um "real-time feedback" zu geben. Leider, leider, konnte ich nirgendwo etwas über die Ergebnisse finden.

 
Reicht uns "human centric lighting" nicht mehr? Es scheint, der Wettbewerb um den Menschen nimmt an Tempo zu. Wir wollen dem Menschen ……? Ich weiß nicht, zu was man dem Menschen verhelfen will. Aber halt intelligent … Moment mal, war alles, was wir bislang getan haben, etwa nicht intelligent? Gott verhüt´s! Ich kenne Menschen, die mich Kommunist beschimpft haben, weil ich flexible Beleuchtung forderte. Das war nicht etwa eine revolutionäre Technik, sondern lediglich eine Möglichkeit, das Licht am Arbeitsplatz ein- und auszuschalten, Leuchte umdrehen und etwas zu ändern, wenn nötig - eine Arbeitsplatzleuchte etwa.

Ich erinnere mich noch, dass auf einer Firmenwebsite zu lesen stand, dass Arbeitsplatzleuchten in Deutschland verboten seien. Warum, stand nicht dabei. Berufsgenossenschaften verboten ihren Betrieb, weil dadurch die Leuchtdichteverhältnisse am Arbeitsplatz so schlimm würden, dass man vorzeitige Ermüdung befürchten müsste. Falls man so etwas installieren wollte, müsste sichergestellt sein, dass beim Einschalten des unsäglichen Objekts gleich die Allgemeinbeleuchtung angehen musste. Wer denkt sich denn so etwas aus?

 So doof, wie es sich anhört, ist das Ganze nicht. Denn eine Leuchte, die nur ein kleines Stück des Arbeitsplatzes erhellt, schafft eine Störung durch den Kontrast zur dunklen Umwelt. Stimmt! Aber seit wann ist die Umwelt im Büro bei Tage dunkel? Genau seit dem 20. März 1975. An diesem Tage erschien die Verordnung über Arbeitsstätten, aka Arbeitsstättenverordnung. Dort hatte das Tageslicht keine Funktion als Beleuchtung - fast 30 Jahre bis zur Revision im Jahre 2004. So gab es für die Berufsgenossenschaften diese Beleuchtungsart nicht.

Anders für den Staat, der nicht nur aus Bund, sondern auch aus Ländern besteht. Und die letzteren hatten und haben die Oberherrschaft über das deutsche Bauwesen. Das Tageslicht als Beleuchtung war bei deren Landesbauordnungen geregelt. Der Bund hat lediglich die Sichtverbindung vorgeschrieben, die aber halt keine Beleuchtung ist. Sie beleuchtet zwar, ist aber keine Beleuchtung. Punkt!

Noch viel intelligenter als der Staat haben es die Normer gemacht. Die hatten bereits 1935 Tageslicht und künstliches Licht getrennt. Ein genialer Schachzug. Aus damaliger Sicht sogar eine Notwendigkeit, denn niemand käme 1935 auf die Idee tagsüber die Jalousien herunterzulassen und eine künstliche Beleuchtung mit ca. 10 - 20 W pro Quadratmeter zu betreiben. Lampen wie Strom waren zu teuer, um verschwendet zu werden. Genau genommen, war 1935 die künstliche Beleuchtung eine Art Notbeleuchtung. Im Jahre 2015 hatten wir zwar Strom im Überfluss - Pardon aus der Nordsee - den man verbraten musste, weil der Großfürst von Bayern keine Leitungen erlaubte. Aber gegen das Tageslicht anstinken, war immer noch nicht möglich. Ergo: In deutschen Arbeitsstätten gibt es - Gott und Edison sei Dank - Tageslicht und künstliches dazu.

Wenn dem so ist, was macht unser Luxmeter-Projekt im Jahre 2016? Misst einmal die Umgebung, und dann die Emotionen des Menschen, und dazu seinen circadianen Zustand, und ? Regelt es die Sonne und den Mond? Nicht doch, bestenfalls die künstliche Beleuchtung. Und wie kommt man auf diese grandiose Idee, das Tageslicht wegzudenken? Hört sich blöd an, ist aber so: in US-Amerikanischen Forschungslabors scheint keine Sonne. Schiene sie doch und würde der Computer die Emotionen der Menschen richtig bewerten, um danach die visuelle Umgebung zu steuern, könnten wir schlagartig viele Kraftwerke abschalten. Tagsüber. Und  nachts? Einen Großteil der Beleuchtung auch abschalten. Menschen brauchen nachts keine große Helligkeit! Man hat sogar den begründeten Verdacht, dass nächtliche Beleuchtung bei der Arbeit Krebs fördert.

Liege ich falsch in der Vermutung, dass das Luxmeter Projekt nicht von der lichttechnischen Industrie gesponsort wird?

Light + Building, aber auch ohne Building
 

Heute war ich auf der Light + Building in Frankfurt. Auch Licht zum Installieren draußen, an Straßen und Autos, wurde präsentiert. Bemerkenswert war, dass die großen Stände eher verschlossen waren als auf nach allen Seiten Licht atmend. Irgend jemand muss den Firmen wohl gehustet haben, dass hier nicht Las Vegas ist. Immerhin ein Fortschritt!

Mich hatte es brennend interessiert, was Osram zeigen würde. Na, ja, ganz habe ich nicht mitbekommen, was sie zeigen wollten. Es waren jede Menge große Displays zu sehen, aus denen Licht kommt. Aber zum Beleuchten sind solche Lichte nicht.

Erfreulicherweise gab es - wohl wegen der Standgestaltung - halb so viel Blendung wie vor zwei Jahren. Das liegt nicht daran, dass die bösen Leuchtstofflampen, die bereits vor Jahrzehnten als Krebserreger verschrien waren, nicht mehr gezeigt werden. Nicht die Krebsgefahr, die längst vergessen ist, spielt dabei eine Rolle, sondern LED. Eigentlich könnte den Herstellern nichts Besseres passieren, als dass die Leute endlich glauben, dass die alten Lampen Krebs erregen tun. Dann könnte man alle durch frisches Licht ersetzen:

Grundschule

 
Irgendwie scheinen auch gestandene Mannsbilder - bitte gendermäßig korrekt ergänzen (etwa durch Frauenbilder?) - sich damit abgefunden haben, dass man selbst widerspenstige Biester mit 12000K auf Zack bringen kann und mit 4000K in Standardlaune versetzen. Mit 2700K wird beruhigt. Wer es noch besser haben will, muss das Intimat bemühen - das war der Markenname von Siemens für Lichtdimmer, zusammengesetzt aus intim und Automat (oder war es eher Atmosphäre?).

Die Lichter außerhalb von Building waren von gewohnter Qualität. Die Straßenlaternen scheinen es auf die Fahnen geschrieben haben, dass ihre Aufgabe eher in Anregen bzw. Aufregen besteht, sprich Blenden. Noch besser sind die Autolichter. Sie blenden selbst bei Sonnenschein so prächtig, dass die Besitzer von stolzen Karossen auf frühere Insignien getrost verzichten können, die da hießen "Bart" einfach zum Auffallen, "Pfeife" wenn Bart allein nicht hilft, und "Porsche", wenn alle Stricke reißen. Jetzt reichen LED an der Vorderfront für ein blendendes Erscheinungsbild.

 
Was war L + B 2016? Außer LED nix gewesen? Doch doch - sie hat viele Kräfte gebunden und so manche Weltkulturerbestätte vor Verbuntung gerettet. Leider kam für Teotihuacán alles zu spät.

Teotihuacán

Genug geärgert über die 50.000 h

 
Heute fiel mir ein, nachzuprüfen, ob auch andere Leute über die Lebensdauer von LED schreiben. Da habe ich mir einige deftige Worte einfallen lassen, die einem so einfallen, wenn man sich betrogen oder über den Tisch gezogen fühlt. Genug gefunden! Was sagt das Internet dazu?

Was man da alles findet, kann sich jeder selber ausprobieren. Mir geht es aber um die positive Seite. Wie man seit langem weiß, haben die LED ein "thermisches Problem" (siehe da oder dort), das die Lebensdauer drastisch kürzt. Daher die drastischen Worte in den Blogs. Mehrere Leute haben eine sehr praktische Lösung gefunden: Man gehe in den Baumarkt und lasse die begehrte Lampe einschalten. Fühlt sie sich nach einigen Minuten warm an, Finger weg. Die die cool bleiben, sollen lange leben.

Andere haben herausgekriegt, dass Retrofit-LED ein Problem sind. Das hat aber schon früher die Industrie thematisiert. Die einschlägigen Websites geben gute Auskunft. Dummerweise lesen die wohl Profis nicht, sonst würden wir nie so viele durchgebrannte LEDs in Betrieben finden.

Noch etwas: Dass billig einen sehr teuer kommen kann, wussten die Altvorderen lange bevor die LED erfunden wurde. Teuer ist zwar nicht immer gut. Aber man sollte seinen Zorn im Zaum halten, wenn man sich nicht davon abhalten lässt, hightech für Pennies einkaufen zu wollen. Oder für 49,99 nach Istanbul fliegen und eine Ladung Glühlampen holen.

LED als Kunst

Kalifornien für bessere Farbwiedergabe von LED

 
Jetzt reicht es auch den Vereinigten Staaten - zumindest einem aus denen. Kalifornien - einst Wegbereiter des mieffreien Luftraums, zuerst durch den Katalysator, später durch Rauchverbote - erlässt Vorschriften für eine bessere Farbwiedergabe. In dem LED Magazine von 25. Februar 2016 heißt es:
"The California Energy Commission (CEC) has approved the new Title 20 Appliance Efficiency Regulations document that includes regulations on the performance of LED-based replacement lamps. Both general-service A-lamps and small directional lamps sold in California will now have to meet more stringent color rendering requirements that some in the industry believe will both cost more and use more energy than do the most popular lamps on the market today. Indeed, the National Electrical Manufacturers Association (NEMA) lobbied the CEC against the rulemaking, but the CEC also received numerous comments in support of the new lighting regulations."

Was hat denn eine Energiekommission mit Lichtfarbe zu tun? Viel! Es ist eine uralte Weisheit, dass man für ein gutes Spektrum, das eine gute Farbwiedergabe ermöglicht, mehr Energie aufwenden muss. Das Geheimnis, das keines ist, liegt in der Empfindlichkeitskurve des Auges. So wird grün/gelbes Licht mit etwa 1 multipliziert, während rotes und blaues eine miese Bewertung erfährt. Deswegen haben viele "energieffiziente" Leuchtstofflampen, einen Grünstich. Die die sich mit dem Titel "Energiesparlampe" schmücken, einen noch tieferen Stich. Übrigens, "Wärmeschutzgläser" auch. Der Champion - uneinholbar - ist die Natriumdampflampe - und rühmt sich als einzige, drei Plüsse in dem Energisparklassement - A+++ - aufzuweisen. (mehr hier oder da)

Zwar sind die neuen Herren der LED nicht mehr die alten. Den Trick beherrschen sie aber aus dem ff. Es ist aber weder Trick, noch Betrug, sondern so lange legal, bis es den Leuten zu viel wird. Na, ja. Ein klein bisschen Betrug ist auch dabei.

 
Der wesentliche Grund ist älter als die ältesten LED und liegt tiefer in der Historie verbuddelt. Einst, als man froh war, nur ein bisschen Licht zu machen, wurde die Helligkeitswirkung zur Grundlage der Lichtwirkung gemacht. Darauf baut der Handel mit Lichtprodukten. Zwar weiß jeder Lichttechniker, dass auch andere wichtige Faktoren gibt, die Basis bleibt aber halt die Helligkeit - Lumen und Lux - und nicht die Farbwiedergabe. Es ist so ähnlich wie mit der holländischen Tomate, sie wird in Kilo verkauft und nicht in olf (neuerdings als European odour unit benutzt), womit ein Maß für den Geruch der Tomate gemeint wäre. Wenn man auch noch den Geschmack erfassen wollte, müsste man eine gustometrische Skala anwenden. Es wäre auch nicht schlecht, etwas Haptik da hinein zu bringen - wie fühlt sich die Tomate an?

Ist es ein Wunder, dass die Lichttechnik nicht zu besseren Bewertungsmethoden als Helligkeit gekommen ist? Man lebte ja nicht schlecht mit dem herkömmlichen Wissen. Jetzt wird aber eine neue Technologie mit Macht in dem Markt gepresst. Dieser ist bereits einige Jahrzehnte auf Energieeffizienz vorgepolt, die man ins Deutsche auch noch als Energiesparen übersetzt hat. Und Energiesparleute verstehen unter Lichtqualität nur Beleuchtungsstärke. Was denn sonst, wenn die ganze Lichtbranche seit Jahrzehnten dasselbe getan hat?