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Warum man nicht nachweisen kann, dass gutes Licht die Arbeitsleistung verbessert

Wasser tut’s freilich
höher jedoch steht die Luft,
am höchsten das Licht!
Arnold Rikli

03.10.2025

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Jeder Lichttechniker wird bei dieser Überschrift etwa dasselbe Gefühl haben wie ich einst auch: Das kann nie stimmen. Wir alle haben gelernt, dass man mit gutem Licht die Arbeit verbessere. Ich selbst habe sogar ein Buch geschrieben, dessen Schlussfolgerung besagt, dass das künstliche Licht einer der wichtigsten Autoren der Industriegeschichte ist (Licht formt Leben). Wieso will der Nachweis nicht gelingen, dass Menschen bei besserem Licht bessere Arbeit leisten?

Einen wichtigen Grund habe ich hier dargelegt: Hawthorne-Effekt und sonstige Narrative in der Lichtwelt. Kurz zusammengefasst: Menschen leisten mehr, wenn sie beobachtet werden. Die Erkenntnis wurde beim ersten großangelegten Versuch – unfreiwillig – gewonnen, die Wirkung des Lichts auf die Arbeit nachzuweisen (Hawthorne Studies in den 1920er Jahren).

Was nicht in dem Artikel steht, ist der Zusammenhang zwischen der Sehleistung, die man mit Licht beeinflussen kann, und der Arbeitsleistung. Ich stelle das mit einem Bild dar, das von Jennifer Veitch stammt, der derzeitigen Präsidentin der CIE. Dabei ist noch zu beachten, dass dieses Bild die später bekannt bzw. bewusst gewordenen nicht-visuellen Wirkungen des Lichts nicht genau berücksichtigt.


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Man möge mir einen Forschenden zeigen, der die dargestellten Zusammenhänge experimentell nachweisen will. Allein unter lichttechnisch bedingten Arbeitsbedingungen werden 10 Faktoren aufgezählt, die die Arbeitsleistung beeinflussen können. Davon reicht allein Flimmern aus, um einem das Leben zu vermiesen. Lärm, Streßfaktor Nummer 1 im Büro, und  ebenso die Nummer 1 Ursache für Berufskrankheiten in der Produktion wird nicht einmal angedeutet. Die psychobiologischen Prozesse haben es in sich. Will man z.B. den Einfluss der Beleuchtungsstärke auf die Arbeitsleistung untersuchen, muss man all das, was in diesem Bild steht, kontrollieren und noch viel mehr. Jedes denkbare Studiendesign ist dazu verurteilt, verworfen zu werden.

Eigentlich reicht eine einzige Zahl aus, um die Erkenntnis, dass man zwischen der Qualität der Beleuchtung und der Arbeitsleistung keine Beziehung nachweisen kann, glaubhaft zu machen: Etwa 50% des menschlichen Gehirns dient der Bearbeitung visueller Signale. Sehen ist unsere wichtigste Informationsquelle. Und Licht bedeutet viel mehr als nur Sehen.

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Licht ohne Schatten

31.08.2025

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Der Volksmund sagt: Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten. Das ist nicht physikalisch gemeint, sondern symbolisch. Er will sagen, dass jeder Mensch, so perfekt er auch scheinen möge, eben seine Schattenseiten hat. Ob die Aussage auch für die Physik gilt?

Licht, das uns das Sehen ermöglicht, kann man nicht sehen. Es fliegt so lange geradeaus, bis es in die Nähe einer großen Masse kommt, so nach Einstein, die seine Bahn biegt. Ansonsten lässt es sich nur durch undurchsichtige Objekte bremsen und erzeugt dann Schatten. Licht und Schatten sind somit untrennbar miteinander verbunden. Wenn ein Scheinwerfer, müsste eigentlich Lichtwerfer heißen, auf einen Menschen gerichtet wird, ist es hinter ihm voller Schatten. Der Theaterbeleuchter, vor Edison noch Komödien-Lichtputzer genannt, versteckt die Schatten unsichtbar vor dem Publikum hinten in den Tiefen der Bühne.

Leider hat nicht jeder Beleuchter so viel uneinsehbaren Raum wie auf der Theaterbühne, um den Schatten zu verstecken. Man muss andere Wege finden, wenn die Zuschauer alles sehen können, auch die Schatten. So etwa wie bei diesem Bild. Die angestrahlte Dame hat mehrere Jahrtausende voll im Dunkeln verbracht. So wie hier dargestellt, hätte sie noch weiter in der Pyramide bleiben dürfen. Aber sie sollte zum Star des Neuen Museums zu Berlin werden. So wurde ihre Beleuchtung zum künstlerischen Akt. Als die “Beleuchterin” der Büste, die Lichtplanerin Gabriele von Kardoff, diesen Akt auf dem Global Professional Lighting Design Convention in Oktober 2009 beschrieb, glich der Saal einem Volksauflauf. Fast alle über 1000 Teilnehmenden hatten ihn gestürmt und bis in die letzten Lücken gefüllt. (Mehr zu Frau Kardoff hier)

Weniger künstlerisch ging es indes bei der Beleuchtung von Sportarenen zu. Einst sah man auf dem Fußballfeld jeden Feldspieler mit vier Schatten als Krake übers Feld laufen. Nur die Tormänner warfen ihren Schatten nach vorn. Schuld waren die vier Masten, die an vier Ecken des Stadions herumstanden. Heute sind die Schatten weg bei den Erstligastadien, die ein Dach rundherum haben. Die vielen Scheinwerfer am Dach lassen dem Schatten keine Chance. Wenn Licht aus allen Richtungen kommt, verschwindet der Schatten.
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Leider kann man sich an der Schattenfreiheit im Büro nicht so erfreuen. Denn dort sitzt der Mensch mitten in der Beleuchtung. Daher bedeutet die Schattenfreiheit, besser gesagt, Schattenarmut, eine Orientierungslosigkeit. In den großen Büros hat die Beleuchtungstechnik dem Licht seine wichtigste Eigenschaft genommen, die Richtung. Dabei hatten die Macher der Büros bereits in den 1920ern Angst vor der Schattenlosigkeit und lehnten deswegen die Indirektbeleuchtung direkt ab. Lesbar in den Büchern von Leffingwell, dem großen Protagonisten des Office Management (Leffingwell, W.H.: Scientific Office Management, A.W. Shaw Company, 1917). Die Mär hat über ein Jahrhundert überlebt und sich bis heute hartnäckig gehalten. Man kann es hier lesen: "Der Vorteil von indirekter Beleuchtung liegt in der Erzeugung von gleichmäßigem, blendfreiem Licht, das als angenehm empfunden wird. Ein möglicher Nachteil liegt in der verminderten Schattenbildung, die zu einer verunklärten Raumwahrnehmung führen kann." Wenn man in dem rechts abgebildeten Raum sitzt, wüsste ich, was zu einer verunklärten Raumwahrnehmung führt. 

Was sich Leffingwell hat so alles einfallen lassen, habe ich hier zusammengefasst (Erbschaft der 1920er Jahre – Wo Sie heutiges Wissen bestimmt). Er hatte u.a. herausgearbeitet, dass Indirektbeleuchtung ohne Blendung sei. Was stimmt. Was weniger stimmt, ist die Wirkung der Schattenlosigkeit. Unter einer solchen Beleuchtung wird der Mensch nicht geblendet, aber er wird blind. Wenn man einen Menschen in eine strukturlos helle Umgebung steckt, wird ihm zunächst unwohl. Nach einer Weile kann er ohnmächtig werden. Polarforscher, die in weiten Schneefeldern reisten, wurden schneeblind, während die Kollegen, die im Packeis unterwegs waren, wo auch unendlich weiße Felder waren, damit keine Probleme hatten.
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Das böse Spiel spielen die Gehirnwellen. In einem weißen Raum ohne Konturen, der visuell monoton ist, kommt es zu einem Zustand der sensorischen Deprivation, der die Gehirnwellen stark beeinflusst. Normalerweise passt sich das Gehirn ständig an neue Reize an, aber in einer solchen Umgebung fallen die externen Signale weg.

Wenn Sie in einen solchen Raum eintreten, dominieren anfangs die Beta-Wellen, die mit einem wachen, konzentrierten Zustand verbunden sind. Wenn das Gehirn jedoch keine neuen visuellen Reize erhält, schaltet es schnell auf einen entspannteren, nach innen gerichteten Zustand um. Dies führt zu einem Anstieg der Alpha-Wellen (8–13 Hz). Diese Wellen treten typischerweise auf, wenn die Augen geschlossen sind oder sich das Gehirn in einem entspannten, meditationsähnlichen Zustand befindet.

Der Mangel an externen Reizen kann paradoxerweise dazu führen, dass das Gehirn eigene, spontane neuronale Signale generiert, um die Stimulation aufrechtzuerhalten. Diese internen "Entladungen" können als visuelle, akustische oder taktile Halluzinationen wahrgenommen werden.

Kein Wunder, dass Maler, Fotografen oder Innenraumarchitekten versuchen, einen harmonischen Stand zwischen dem ruhigen und dem anregenden Zustand zu erreichen. Mein früherer Kollege Dr. Fred Häger forschte lange Jahre daran und schrieb 1975 eine Dissertation darüber. Leider ist davon nichts mehr übrig geblieben als eine Leerformel: “Die Beleuchtung sollte weder zu gerichtet sein, da dies zu harten Schatten führt, noch zu diffus, da sonst der Modellierungseffekt vollständig verloren geht und eine sehr langweilige Lichtumgebung entsteht. Mehrere Schatten, die durch gerichtete Beleuchtung aus mehr als einer Position entstehen, sollten vermieden werden, da dies zu einem verwirrenden visuellen Effekt führen kann.” (DIN EN 12464-1).

Das ist sehr dumm. Oder auch nicht. Denn die Regel erlaubt es dem Gestalter, mit Licht und Schatten zu spielen, bis er seine gute Lösung erreicht. In der guten alten Zeit hieß es noch, Lichtrichtung und Schattigkeit wären ein lichttechnisches Gütemerkmal, was sie tatsächlich sind. Es wurde aber nur gesagt, dass eine “mittlere” Schattigkeit gewünscht wäre, was man an dem Verhältnis der an einem Punkt herrschenden Beleuchtungsstärke zu der “zylindrischen” in 1,20 Höhe (Augenhöhe im Sitzen) misst. Leider gibt es kaum einen Menschen, der eine zylindrische Beleuchtungsstärke messen kann, weil ihm die Instrumente fehlen. Sollte einer diese kaufen, wird er an etwas scheitern, was er nicht kaufen kann, Zeit. Einen Arbeitsraum voll zu vermessen, dauert eine halbe Nacht.

Wer eine Beleuchtung den geltenden Normen entsprechend realisieren möchte, muss sich an die acht Anforderungen halten, die die Norm EN 12464-1 für jeden Arbeitsplatztyp stellt. Ob ihm dann noch Zeit und Muße verbleiben, Licht und Schatten zu optimieren, mag jeder selbst beurteilen.

Dieser Beitrag sollte die Bedeutung des Schattens herausstreichen, der angesichts der Diskussion um Licht vergessen wird. Dass ich nicht aufzeigen konnte, wie man richtig handelt, ist eigentlich ein gutes Zeichen. Das gibt den Kreativen Freiheiten wie z.B. beim Schneiden von Schriften. Es ist bislang niemandem gelungen, aufzuzeigen, wie man eine gute Schrift macht und wie man misst, dass sie gut geworden ist. Dennoch blüht und gedeiht die Typographie seit dem 15. Jahrhundert. 

 

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Aufstieg Dank Digitalisierung oder Quantität schlägt Qualität

27.08.2025
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Eine schwitzende Stirn ist nicht das Kriterium für die 
Qualität einer neuen Idee
Pavel Kosorin

Das Buch Genesis 2.0 - Schöpfung der elektrischen Sonne dokumentiert u.a. einen beispiellosen Aufstieg der elektrischen Sonne seit 1924. Künstliches Licht wurde zwar schon immer gebraucht (s. Epochen der Kunst der Lichtmacher), aber wie kam es, dass seine Bedeutung plötzlich so steil aufstieg? Erfunden wurde die Glühlampe schon mehrere Jahrzehnte früher. Wie ich in dem Kapitel “Erbe der 1920er Jahre“ darstelle, stammt viel Wissen in der heutigen Lichttechnik aus den 1920ern, wobei die Techniken dazu in den Jahrzehnten zuvor entwickelt worden waren. Was Besonderes hat sich 1924 ereignet?

Wie die CIE letztes Jahr feierte, hat sie im Jahre 1924 die sog. V(λ)-Kurve geschaffen. Diese bildet die Empfindlichkeitsfunktion des menschlichen Auges für Licht ab. Damit war zum ersten Mal möglich geworden, Licht zu “wiegen“. Und was man wog, setzte man dem Licht gleich. Man misst die Menge des Lichts, den Lichtstrom, den eine Lampe abgibt, in Lumen. Auf Lateinisch heißt Lumen schlicht Licht. So wurde der Lichtstrom = Licht gesetzt. Quantität wie Qualität.

So weiß man seit 1924, was man bekommt, wenn man 5 Thaler für eine Lampe bezahlt. Sie erzeuge sagen wir Mal 300 Lumen Licht (bitte um Nachsicht wegen der Tautologie). Man weiß auch, wie effizient die Lampe mit Energie umgeht. Ist sie eine alte kleine Glühlampe, macht sie 5 Lumen aus einem Watt, das man hinein steckt. So muss man für die 300 Lumen  60 W Energie in die Lampe stecken. Auch moderne kleine Glühlampen schaffen kaum mehr. Ist sie eine LED der Effizienzklasse A, dann erzeugt sie 210 Lumen daraus. Sie ist also 42 x effizienter als die gute alte Lampe. So muss man für die 300 Lumen nur noch 1,42 W aufwenden.
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Effizienter ist die Lichtquelle – aber in was? Diese Frage beschäftigt viele Leute nicht nur seit 1924. Eindeutig ist die Sache nur, wenn man die Lampe zur Messung des Lichtstroms in die geeignete Einrichtung steckt, in eine Ulbrichtsche Kugel. Dort kann man bei der LED Klasse A an jedem Ort 42-mal mehr Beleuchtung messen als bei der kleinen alten Glühlampe. Mit der LED könnte nur noch eine Natriumdampflampe konkurrieren, die nur 40-mal so viel Licht produziert.

Die letztere Lampe wird allerdings kaum noch jemand kennen. Sie zierte und ziert belgische Autobahnen wie manche deutsche Landstraßen, war aber in keiner Wohnstube zu finden. Als ein Philips-Direktor vorschlug, dass man sie, die Natriumdampflampe, auch in Büros zulassen sollte, drohte mein Doktorvater damit, die erste Installation bei der Sekretärin des besagten Herrn vorzunehmen. Wir Studenten wollten mit ihr den Berliner Straßenstrich beleuchten, um den Freiern die Lust am käuflichen Sex zu vermiesen. Denn der Lampe fehlte an Wichtigem. Ihre Farbwidergabe war unterirdisch. Die Schönen der Nacht würden sich unter ihrem Licht in gruselige Hexen verwandeln.

Womit wir beim Thema Qualität wären. Diesen Begriff hatten die Alten Griechen vor etwa 2500 Jahren geprägt. Er ist vielen immer noch kein Begriff und musste im 20. Jahrhundert von Leuten wie Walter A. Shewhart (1920er/30er Jahre) oder W. Edwards Deming (Mitte des 20. Jahrhunderts) neu “erfunden" werden. Auch wenn diese Herren zu den Pionieren des technischen Fortschritts gehören, war ihr Begriff einseitig. Ihre Qualität ist sogar international genormt (ISO 9000ff). Aber der normale Mensch begreift etwas anderes darunter. Fatalerweise gibt es diese Dualität seit der Antike. Qualität ist die Eignung einer Sache für den vorgesehenen Zweck. Der gesunde Menschenverstand versteht darunter aber einfach “gut“ oder eine hohe Qualität.
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Die Lichttechnik tat sich mit dem Qualitätsverständnis besonders schwer. Lichtqualität kam erst 2021 in das seit 1938 existierende Internationale Wörterbuch der Lichttechnik (hier). Die heutige Präsidentin der CIE ist stolz darauf, dies bewerkstelligt zu haben. Zuvor hatte sich ein Ausschuss der LiTG (heute Deutsche Gesellschaft für LichtTechnik + LichtGestaltung) vergeblich um die Qualität des Lichts bemüht, was man an der internen Bezeichnung der zuständigen Kommission (Qual-Ausschuss) erkennen kann. Da mir das Ganze hat die Hutschnur hochgehen lassen, habe ich  versucht, die Lichtqualität mithilfe eines bekannten Begriffs zu erklären, mit Gebrauchstauglichkeit alias Usability. Das Konzept habe ich hier erklärt.

Dabei benutzte ich als Beispiel für eine praktische Vorgehensweise ein Bild von IESNA, der lichttechnischen Gesellschaft von Nordamerika.  IESNA sah damals im Jahr 2000 in diesem Konzept einen neuen Meilenstein in der Geschichte der Beleuchtungstechnik. Ein Jahrzehnt später gab es kein IESNA mehr und das Zukunftskonzept verschwand wieder. Und die Deutsche Gesellschaft für LichtTechnik + LichtGestaltung, damals noch Deutsche Lichttechnische  Gesellschaft,hatte vergessen, dass sie einst ein Qualitätskonzept hatte. Im Jahre 1935 in der Norm DIN 5035.

Nach vielen Jahren des Mühens war dann in Deutschland ein vollständiges Konzept erschienen, dessen Beschreibung  immerhin 116 Seiten umfasste (hier). Mich erschütterte insbesondere der Titel: „Lichtqualität – ein Prozess statt einer Kennzahl“. Nicht etwa weil der Titel falsch war, sondern weil er voll zutraf. Die Publikation habe ich ausführlich dokumentiert und kommentiert (hier und da und dort und so weiter fort).
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Warum füllen die Autoren einer Broschüre 114 Seiten, um einen 2500 Jahre alten Begriff zu erklären? Und warum musste ich fast ebenso lange Kommentare dazu schreiben? Das liegt im Begriff selbst – Qualität. Während man Quantität mit einem Zollstock oder mit einer Waage messen kann und in einer einzigen Zahl ausdrückt, muss man bei der Bestimmung der Qualität erst einmal begründen und festlegen, warum man sie woran misst. Beispielsweise gibt es den Hammer seit der Urzeit, aber den Hammer gibt es immer noch nicht. Es gibt aber einen Schlosserhammer, Latthammer, Fäustel, Vorschlaghammer und sogar Schonhammer, der das Gegenteil vom Vorschlaghammer bewirkt, die Einschlagstelle zu zertrümmern.

Ähnlich ist es mit der Lichtqualität. Weiß man, was man mit dem Licht will, gibt es äußerst präzise definiertes Licht. So jagen Laserdioden und Lichtdioden, im Grunde beides dasselbe, unvorstellbare Mengen Daten über 5 Milliarden Kilometer Glasfaserkabel sicher um die Welt. Weiß man hingegen nicht, wofür sich eine Lichtquelle eignet, z.B. Lampen und Leuchten, dann sollte man nicht von Lichtqualität reden, sondern schlicht und einfach das technische Produkt beschreiben, auf dass jemand eine Verwendung dafür findet. So schaffen Lichtplaner, Lichtdesigner oder Angehörige ähnlicher Berufe die Beleuchtungsqualität, die die Anwender brauchen. In den Beschreibungen der Hersteller findet man nüchterne Daten, die ihre Produkte beschreiben.

Dumm nur, dass es in unseren Ausschüssen, die Beleuchtung normen, der letzte Lichtdesigner zuletzt vor vielen Jahren gesichtet worden ist. Auch sonst waren sie in der Minderheit und fanden selten Gehör. Selbst in dem Ausschuss, der die biologischen Wirkungen des Lichts auf den Menschen normt, gibt es seit Jahren keinen Lichtdesigner oder Planer. So bestimmt ein Gremium, das zu 70% aus Herstellern besteht, was an Lichtqualität verordnet wird. Diese wissen, was Quantität ist, und verwechseln dies häufig mit Qualität.
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Der natürliche Partner des Architekten, was das künstliche Licht angeht, wäre der Lichtdesigner. Bei namhaften Projekten ist er das auch. Etwa 95% der Bauprojekte, die ich gekannt habe, wurden aber ohne Beteiligung von Lichtdesignern abgewickelt, was etwa dem Anteil von Leuchten entspricht, der über die Ladentheke beim Elektrogroßhandel geht. Die Planenden waren meist Elektroplaner. Und die Normen zur Beleuchtung werden so geschrieben, dass der möglichst nichts anderes machen kann, als die Hersteller wollen. Bei kleineren Bauprojekten trifft man eher ein Einhorn den einen Lichtdesigner.

Noch ein Seitenhieb auf die Auftraggeber. Man findet sie bei der Aufzählung der Ersteller der Normen nicht. Das war nicht immer so. Beleuchtung wurde einst in den 1930ern als übergeordnete Aufgabe verstanden, bei deren Normung alle betroffenen Kreise mitwirken sollten. Das Prinzip gilt unverändert bis heute. Es wird bei jeder Sitzung eines Normenausschusses geprüft, ob und wie die interessierten Kreise vertreten sind. Wer seine Interessen nicht vertritt, muss sich damit begnügen, was eben die wirklich interessierten Kreise ihm geben.

Ausgezeichnetes Licht - Lichtdesignpreis 2025 vergeben

18.08.2025
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Eine ausgezeichnete Idee, Lichtprojekte auszuzeichnen, wurde auch 2025 fortgesetzt. Die Gewinner des Wettbewerbs DER DEUTSCHE LICHTDESIGN-PREIS 2025 wurden am 3. Juli 2025 in der Osnabrück-Halle bekannt gegeben. Die Videos sind aus Hüthig GmbH/falscherfilm.org. Die Bildquellen sind hier aufgelistet. Weitere Infos hier

 

Mea culpa – Asche von Gestern über mein Haupt

17.07.2025
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Man lästert gerne über Leute, die wichtige Entwicklungen nicht vorhersehen konnten. So z.B. die historische Leistung, aus der einst nur so glimmenden LED ein Leuchtmittel geschafft zu haben, dessen Größe von mikroskopischen Elementen zwischen Badfliesen bis ein fast kilometerlanges Display reicht, das eine Straße überdacht (kein Scherz - hier oder vor allem da). Kein Leuchtmittel der Vergangenheit war zudem effizienter.

Mir ist das Lästern über andere Leute zu mühsam, da ich sichergehen muss, dass sie sich wirklich geirrt haben. Da ist es einfacher, sich an die eigene Nase zu fassen. Mir fällt da gerade eine Anfrage der Zeitschrift Form ein, die im Jahr 2000 von mir wissen wollte, welche neuen Entwicklungen in der Lichttechnik eine große Zukunft hätten.

So schrieb ich einen Artikel über zwei Neuigkeiten aus dem vorhergehenden Jahrzehnt. Die eine war die Schwefellampe, die ein volles Tageslichtspektrum versprach. Die andere war ein Schlauch, der das Licht von einem Ort zum anderen leiten konnte. Hätten die Schildaer den Schlauch besessen, hätte man ihr Rathaus nicht mit Säcken voll Licht beliefern müssen.
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Die Schwefellampe, besser gesagt Schwefelkugellampe, würde die große Schwachstelle der Leuchtstofflampe beseitigen, das Spektrum. Zwar schaffte auch die Leuchtstofflampe u.U. ein recht volles Spektrum, sie brauchte dazu rund 60% mehr Energie per Lux als ihre Schwestern mit einem mageren Spektrum. Deren schlechte Farbwiedergabe wurde nur durch die Bemühungen des Marketings erträglich erklärt: Damit die Farbwiedergabe nicht drittklassig schien, erfand man eine Farbwiedergabe der Stufe 2b. Die Schwefel-Lampe würde diese Krücke nicht brauchen.

Dann war da noch was. Das Leuchtmittel war eine Kugel ohne Elektroden. Also kein Elektrodenverschleiss, die die Lampe frühzeitig sterben lässt, wenn man sie zu häufig schaltet. Da musste man den verdutzten Benutzern nicht erklären, dass sie ihr Licht auch dann nicht ausschalten sollen, wenn sie es nicht brauchen. Die Lampen waren zudem gut dimmbar und änderten dabei ihr Spektrum überhaupt nicht. Wer hingegen eine Glühlampe dimmt, erhält einen wärmenden Ofen. Bei der Leuchtstofflampe bleibt man eventuell durch das Flimmern wach.
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Nun zu dem Schlauch, einem Lichtleiter. Er ließ mich seinen Vorgänger aus den 1970ern vergessen, der die Welt der Architektur in Aufruhr versetzt hatte. Mit Lichtleitern würde man die Sonne in unterirdische Städte leiten. Adieu Energiekrise, unterirdische Städte brauchen keine Heizung. Kein Regenschirm, kein Schlamm, kein Schneefall. Rundherum glücklich.

Im Institut für Lichttechnik der TU Berlin wurde in den 1990ern eine Anlage installiert, die die Sonne vom Dach in den Keller durch vier Etagen leitete. Da man in Häusern Licht auch braucht, wenn die Sonne woanders weilt, konnte der Lichtleiter umgeschaltet werden auf eine künstliche Quelle.

Die hätte ich mir angucken sollen. Dann hätte ich den besagten Artikel nie geschrieben. Denn ihre Leistung betrug ganze 2 kW. Warum aber gerade 2 kW? Wer hat sie festgelegt? Kann man sie nicht ändern, wo man in der Technik alles Mögliche nahezu beliebig ändern kann? Diese lässt sich leider nicht ändern, sie beruht auf einer Naturkonstanten. 
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Um die Frage zu verstehen, muss man wieder zurück in die 1970er. Der Protagonist der damaligen Idee vom Lichtschlauch, ein russischer Professor, erzählt an der Uni vor staunendem Publikum von dem neuen Wunder. Am Ende großer Applaus! Nur mein Doktorvater hat eine Frage, eine schön dumme. Er fragt den Professor, ob er gerechnet hätte, wieviel Tageslicht in die unterirdische Stadt müsste. Dieser fragt verdutzt zurück, was die Rechnerei sein soll. Genau da kamen die ominösen 2 kW ins Spiel. Man kann Sonnenlicht nur mit Spiegeln einfangen. Und diese können pro Quadratmeter Fläche senkrecht zur Sonne maximal nur etwa 1 kW Leistung einfangen. Wenn die denn zu scheinen beliebt.

Ergo muss der Spiegel groß sein und ständig nach der Sonne gedreht werden. So ein Ding heißt Heliostat und funktioniert leider nur, wenn Helios ohne Wolken scheint. Soll es in der unterirdischen Stadt sonnig hell sein, muss der Spiegel vergleichbar groß wie die Fläche der Stadt sein. Ansonsten kann man mit vernünftig großen Spiegeln halt nur 2 kW einfangen. Den sachlichen Hintergrund kann man hier ausfühlicher lesen. Den hatte ein Österreicher, der sich als den Gottvater des Lichts feiern lässt, auch nicht verstanden. Er wollte den Tiroler Ort Rattenberg, der im Schatten des Bergs gebaut war, mit Spiegeln auf dem gegenüberliegenden Hügel mit Tageslicht beleuchten. Aus dem Nachbarort Kramsach sollten 30 gewaltige Spiegel, Heliostaten in der Fachsprache, aufgestellt werden. Da deren Licht womöglich über Rattenberg hinweg fliegen würde, statt das Örtchen zu beleuchten, sollte auf den Ausläufern des Schlossberges eine zweite Spiegelwand aufgestellt werden. Damit sollten die Bewohner von Rattenberg von ihrer Winterdepression befreit werden. (mehr hier oder da oder dort). Von Schattendorf zu Sonnenau - im Märchen geht es anders. Man baut das Dorf einfach auf der Sonnenseite auf.
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Die Sache in den 1970ern war mit dem Diskussionsbeitrag meines Doktorvaters gegessen. Sie kam wieder, als die EU das Tageslicht zum Energiesparen entdeckte und massenweise mit Geld warf. So kam es zu der Installation an der TU. Als ich mich auch an einem solchen Tageslichtprojekt beteiligen wollte, sagte ein erfahrener Kollege aus der TU Berlin lapidar „Bevor du was glaubst, prüfe nach, ob die rechnen können.“ Dem Rat folgte ich. Und siehe, einer meiner beiden Partner, ein Architekt, konnte bestens rechnen, der andere, ein Physiker, überhaupt nicht. In der Theorie ist es andersherum.

Wir rechneten den Beitrag des Tageslichts zum Energieeinsparen wunderbar schön. Doch ein Fachmann aus dem Facility Management eines großen Konzerns rechnete uns auf ein Zehntelcent pro kW, dass sich Tageslicht nicht rechnet, wenn man nur an Lux denkt. Es hat andere Meriten. Nicht weniger enttäuschend las sich ein Angebot einer renommierten Lichtfirma an einen Konzern, das die Einsparung von Energie mithilfe des Tageslicht vorrechnete. Die Investition würde sich lohnen. Allerdings in 42 Jahren.

Und der Lichtschlauch? Wie intelligent ist es, einen Schlauch mit ca. 30 cm Durchmesser durch ein Gebäude zu ziehen, um eine Leistung von 2 kW zu transportieren? Das entspricht ca. 8 Ampere, die man notfalls über einen Klingeldraht übertragen kann. Dieser überträgt den Strom 24 h, während der Schlauch mindestens die Hälfte des Jahres leer bleibt.

Leider sieht die Bilanz des Nutzens der Schwefellampe auch nicht besser aus. Erfunden wurde die Schwefelkugellampe 1990 von Wissenschaftlern, die für Fusion Systems Corporation in Rockville, Maryland, arbeiteten. Eigentlich durch einen Unfall. Ein Mitarbeiter hatte eine Glaskugel mit Schwefelfüllung in die Mikrowelle gelegt, die dort schön strahlte. Die Erfindung weckte so große Hoffnungen, dass man gleich ein Unternehmen gründete (Fusion Lighting).
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Dumm nur, dass man die Schwefellampe nicht in kleinen Einheiten bauen kann. Deswegen hatte Fusion Lighting 1997 ein System entwickelt, das das reichlich vorhandene Licht über lange Strecken verteilte. Das war ein Lichtleitertunnel (Lightpipe) aus reflektierendem Polykarbonat von 3M, von mir respektlos Lichtschlauch genannt. Mich tröstet es, dass ein Prototyp im Smithsonian-Nationalmuseum in Washington neben der Glühbirne von Thomas Edison ausgestellt wurde. So groß war mein Irrtum wieder nicht. 

Die ersten „Lampen“ waren 80 m bzw. 31 m lang. Sie sparten Unmengen Energie. Übrigens, Lichtschläuche, die Licht über große Entfernungen leiten, gibt es. Es wird geschätzt, dass die ausgerollte Länge der Glasfaserkabel weltweit mehr als 5 Milliarden Kilometer überschritten hat. Dies entspricht in etwa dem 57-fachen der Entfernung von der Erde zum Mars oder der ungefähren Entfernung zum Planeten Pluto am Rande des Sonnensystems. Beleuchten tun die Kabel allerdings nichts. Sie leiten Information weiter. 

Im Jahr 2000 verschwanden die Internetseiten von Fusion Lighting. Es wurde bekannt, dass die Lichttunnel nicht den Erwartungen entsprachen, da sie vergilbten. Dann wurde es still um das Wunder. Wenn sie nicht vergilbt wären? Hat jemand berechnet, mit welchen Kosten man einen dicken Schlauch, der sich durch alle Räume zieht, staubfrei hält?

(Näheres hier und da, aber leider sonst nirgendwo) Ich vermute, nicht allzu viele Leute wollten 80 m Licht an- oder ausschalten. Jedenfalls nicht gleich auf einmal.