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Das Kreuz mit der Angst - Strahlenschutz strahlt selbst
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Vor einigen Jahren regte ich mich über die Umfirmierung von LED von Laser zu Lampe auf. Sie war einst als Laserdiode bekannt. Da ihre Strahlung aber relativ schwach ist, gehörte sie der Laserschutzklasse 1: Sicher durch geringe Strahlung oder Schutzgehäuse. Das Klassifizierungssystem wurde 2001 mit den Normen EN 60825-1 und IEC 60825-1 grundlegend überarbeitet. Dass die Normen die gleiche Nummer tragen, ist keine Überraschung, es kann nicht unterschiedliche "Sicherheiten" geben. Warum wollte man aber die LED, die als Beleuchtung eingesetzt werden, nicht Laser nennen lassen? Das liegt an dem Wort Strahlung, und mit dem habe ich seit 45 Jahren Probleme.

Während das Wort Licht für Positives steht, man denke nur an die christliche Liturgie, die seit 2000 Jahren an der Kerze hängt, steht Strahlung für das Gegenteil. Nicht einmal Leute, die ihre Gesundheit einer Strahlentherapie verdanken, mögen in der Strahlung viel Positives entdecken. Der gesunde Menschenverstand, auf den ich sonst viel gebe, versagt beim Wort Strahlung. Dass das ganze Leben auf der Erde der Strahlung der Sonne zu verdanken ist? Ja, aber …

Ahnungslos, wie ich war, habe ich mich vor 45 Jahren forschend an die "Bildschirmstrahlung" gemacht. Diese entstand durch die Röhren der Bildschirmgeräte, die eben für diesen Zweck gebaut wurden. Deren Bild wird durch Strahlen gezeichnet. Findige Leute haben aber gleich herausgefunden, dass diese Strahlung auch Anteile enthält, die gefährlich sind, Röntgenstrahlung. Eigentlich könnte man bestimmt bei allem, was Licht abgibt, auch etwas Röntgenstrahlung finden - theoretisch zumindest. So beispielsweise auch bei Kathodenstrahlröhren. Die Menge ist aber so gering, dass man sie nur mit vielen Nullen hinterm Komma schreiben kann. Da die vorhandenen Nullen dazu nicht reichen, muss man welche importieren. Den Sachverhalt habe ich in einem Buch sachlich dargelegt. Und dachte, damit wäre alles gesagt.

Denkste. Eine Frau Fisch (Name ist echt) pilgerte durch die Republik und erzählte jedem, dass die Strahlung auch noch giftig sei. Sie würde durch eine Bombardierung von Phosphor mit Elektronen entstehen. Das hätte ich geschrieben. Und Phosphor sei giftig. Die Strahlen würden dann die Brust der Benutzer von Bildschirmen durchlöchern. Bei so viel Unsinn müsste doch jeder vernünftige Mensch aufhören zuzuhören? Meine Schwägerin, eine Physikerin, lachte darüber und sagte, du musst eben keinen Unsinn schreiben. Jeder wisse, dass die Röntgenstrahlen aus dem Bildschirm zu schwach seien, um überhaupt gemessen zu werden. Stimmt! Genau das hatte ich auch beschrieben. Und dann? Eines Tages ruft die Schwägerin an und fragt nach Kopien aus meinem Buch. Wozu? Sie sagte, sie hätte soeben erfahren, dass sie schwanger sei. Sie wolle entscheiden, ob sie weiterhin am Bildschirm arbeiten will.

Wenn es bei der Röntgenstrahlung geblieben wär! Einem renommierten Institut, Karolinska Institutet, bekannt von Verleihungen des Nobel Preises für Medizin, ist das seltene Kunststück gelungen, jegliche Abstrahlung von irgendwelchen Feldern von Bildschirmgeräten unter Strahlung einzureihen. So auch elektrische und magnetische Felder. Damals erzeugten die dummen Geräte solche Felder, wie übrigens alle möglichen elektrischen Geräte. Zwar kümmerte sich niemand um Magnetfelder, die von Schweißgeräten erzeugt werden, aber Felder mit einer Stärke von einem Millionstel eines Schweißgerätes wurden zum Politikum.

Eine Technologie, die noch ihrer Erfindung harrte, der digitale Mobilfunk, der den analogen Funknetzen (1. Generation oder 1G) folgte, wurde ein Opfer der Angst vor Strahlung. Man muss nur "Handystrahlung" in einen Browser tippen, und schon hat man ganze Waggonladungen voll Lesestoff. Dass sich Hinz und Kunz im Internet tummeln, um Gruselgeschichten loszuwerden, lässt sich leider nicht vermeiden. Mein Anlass für diesen Beitrag war aber dies (frisch fotografiert vom Bildschirm am 20. Dezember 2021):Handystrahlung1Die frohe Kunde verbreitet die Technische Universität Berlin - Stabsstelle Sicherheitstechnische Dienste und Umweltschutz (hier). Also die älteste Technische "Universität" von Deutschland, die ein Heinrich-Hertz-Institut betreibt, benannt nach einem Physiker namens Hertz, nach dem die Frequenz der Strahlung benannt ist. Licht und Gammastrahlung in einem Topf, dazu noch Röntgenstrahlung, alles ionisierende Strahlung? Radargerät, Gammastrahlung, Tumor, Röntgenstrahlung. Alles beisammen, fertig zum Gruseln.

Die Stabsstelle Sicherheitstechnische Dienste und Umweltschutz gibt noch gute Tipps zum Schutze vor der Handystrahlung. Als gesundheitsbewusster Mensch kann man sich auch anders schützen. Gegen die 5G-Strahlung gibt es sogar Produkte, die man sich einfach vor die Brust hängen kann. Sogar Schlafmasken kann man sich kaufen. Was die bringen? Sehen Sie selbst: Die Niederländische Behörde zum Strahlenschutz (Authority for Nuclear Safety and Radiation Protection) hat zehn solcher Produkte verboten und diese einzeln aufgelistet. In dem Screenshot kann man die Namen der verbotenen Produkte sehen. Wer mehr wissen will, kann hier weiterlesen. Manches ist sogar für Kinder bestimmt.

Ich will keineswegs mögliche Gefahren klein reden. Jeder kann sich nach eigener Auffassung schützen. Man sollte nur wissen, dass mancher Schutz schlimmer ist als die Gefahr selbst.

 

Ach wie schön war es ohne LED - Nostalgie zu Weihnachten
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Menschen neigen gen Weihnachten besonders zur Nostalgie. Früher war alles schöner - auch das Licht? Das meine ich, immer wenn ich eine Glühlampe für eine alte Leuchte suche. Dann ein Blick aus dem Fenster zur Weihnachtsdekoration. Auch der eingefleischte Nostalgiker muss zugeben, dass die Weihnachtsdeko seit der Verfügbarkeit der LED jeglichem Vergleich spottet. Ich nehme an, niemand vergleicht das Neue mit dem was er als Kind erlebt hatte.

Wie ist es aber mit der Allgemeinbeleuchtung? Welchen Lampen müssen wir nachweinen? Ein Papier, das ich in den alten Tagungsbänden der LiTG gefunden habe, hat mir jegliche wehmütige Erinnerung madig gemacht. Das Bild stammt aus "Licht '86", eine Tagung in Baden bei Wien. Es zeigt die UV- Entwicklung von damals üblichen und modernen Lampen. (Vorsicht: UV-A wird in %, UV-B in Promille und UV-C in Zehntelpromille abgebildet)

Egal, was man auch tat, wurde eine unerwünschte Strahlung mit erzeugt. Zu erwähnen wäre, dass UV-C hoch gefährlich ist und natürlich nur im Weltraum vorkommt. Auf Erden wird es zum Abtöten von Keimen erzeugt, aber streng abgeschirmt von Lebewesen. Alle Konterbande muss vernichtet werden, so gut es geht. Der Autor schreibt: "Die Möglichkeiten der Einflussnahme auf die ultravioletten Anteile im Grundspektrum der Lampe sind gering. Das primäre Entwicklungsziel sind die Eigenschaften im Sichtbaren. Verbesserungen in diesem Bereich bringen meist zwangsläufig Änderungen im UV mit sich."

Den notwendigen Schutz des Menschen musste das Kolbenglas übernehmen. Aber auch das gelang nicht vollkommen. Etwas UV kam  immer durch:UV in Lampen annotated
Man begnügte sich damals mit der Feststellung, dass photobiologische Schäden nicht zu befürchten seien, weil die Sonne viel mehr UV produziere. Zum Glück der Lampenbauer hatten die Menschen damals mit einer anderen Art von "Strahlung" zu schaffen, die sie fürchteten: Röntgenstrahlung aus Bildschirmen. Sie ließen sich nicht dadurch beschwichtigen, dass man zeigte, dass ein Kasten Bier mehr strahlt als ein Bildschirm. Uns ist damals ein sehr guter Kunde abhanden gekommen, weil wir uns weigerten, über Maßnahmen für Schwangere am Bildschirm zu diskutieren. Aber sogar 10 Jahre danach, also in 1996, mussten wir für eine große Firma "strahlungsarme" Bildschirme aussuchen. Diese liefen im Betrieb rosa an, weil die Stromleitungen in die Bildschirme strahlten. Das hatten die Leute 25 Jahre lang nicht bemerkt. Es fiel erst auf, als empfindliche Bildschirme aufgestellt wurden.

Bei der LED-Beleuchtung wird man derlei nicht erleben. Die Lichterzeugung bei den LEDs lässt sich sehr genau steuern bzw. vorbestimmen.

Nicht-visuelle Wirkungen von Licht - Heißt das unsichtbar, die Wirkungen?
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Bei dem Thema "Licht und Gesundheit" fällt mir fast immer eine Phrase ein "Grandios vergeigt!". Gestern war es wieder so weit. Ein Kollege schickte mir einen Normenentwurf, den ich gefühlt Jahrzehnte kenne. In echt ist er nur drei Jahre alt - und schon wieder veraltet. Denn die darin zu lesende Message hatte mir mein Professor mitgeteilt - so etwa 1968. Später habe ich sie meinen Studenten weiter gegeben. Ich hoffe, die haben sie auch weiter gegeben. Bei meinem Professor ist es allerdings nicht bei Worten geblieben. Heute beruft sich der ASTA, Ausschuss für Arbeitsstätten, auf eine gesetzliche Bestimmung, die er bewirkt hat, wenn es um nicht-visuelle Wirkungen von Licht geht. 63 Jahre frisch geblieben und immer noch besser als das, was man heute mit großem Aufwand als eine wissenschaftlich fundierte Erkenntnis von Weltrang etablieren will. Uffff!

Es geht um die Erkenntnis, dass Licht nicht nur zum Sehen da ist. Es soll psychologische und physiologische Wirkungen haben. Der Laie hat keine Probleme damit. Das kennt er. Das Problem sind die Fachleute. Die haben vor rund 100 Jahren bestimmt, dass Licht zum Sehen diene und beschlossen, alle seine diesbezüglich relevanten Eigenschaften zu beschrieben und zu normen. Protest gab es von Leuten, die behaupteten, das Licht diene auch der Gesundheit. Und Gesundheit sei auch eine psychologische Wirkung - man freue sich am Gesehenen. Ob man glaubt oder nicht - das Licht war ein hohes Politikum. Noch unglaublicher ist das: Der deutsche Staat gründete im Jahr 1934 das "Amt für die Schönheit der Arbeit" mit der größten Abteilung "Gutes Licht".
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Der Staat ließ es nicht dabei bewenden. Er ließ schöne Filme drehen, um gutes Licht zu fördern. Eine DIN-Norm musste her (DIN 5035 vom Jahre 1935). Dabei entstand ein klitzekleiner Fehler, den man heute mit Kräften versucht, rückgängig zu machen. Es wurden zwei Normen für Licht erstellt. Eine für die künstliche Beleuchtung (wie gesagt, DIN 5035) und eine für die natürliche, DIN 5034. Irgendwie musste sich das Licht in den Arbeitsräumen mischen. Da verließ man sich auf die Natur. Niemand kann verhindern, dass sich das elektrische Licht mit dem Sonnenlicht mischt. Leider verstand das mancher "Fachmann" als Zwielicht. Anfang der 1970er Jahre sollte es verschwinden. Die Lichttechnische Gesellschaft diskutierte auf einer Sondertagung 1971 "Auge - Licht - Arbeit" fensterlose Arbeitsräume. Und die erste Ausgabe von DIN 5035, die Abschied vom Tageslicht bedeutete, entstand 1972. Die Zukunft sollte dem Großraumbüro gehören, das den Tag nur aus der Ferne ahnen ließ wie die großen Fabrikhallen auch. Ansonsten hieß es nach den Worten des großen Vorsitzenden des Ausschusses Innenraumbeleuchtung "Bei seitlicher Befensterung können gehobene Ansprüche an die Beleuchtung, wie sie in der künstlichen Beleuchtung gestellt werden, nicht befriedigt werden." Will sagen, nur die künstliche Beleuchtung reicht qualitativ für den Menschen aus. Da Fenster definitionsgemäß seitlich angeordnet sind - sonst hießen sie Oberlichter - können sie gehobenen Ansprüchen nicht genügen. Wer die Ansprüche stellt, ist übrigens ein großes Geheimnis. Die Benutzer sind es nicht. Die lieben die Fenster.

Ungeachtet all des fachmännischen Rats erschien 1975 in der ersten Arbeitsstättenverordnung der Bundesrepublik Deutschland unter Beleuchtung eine Vorschrift, die kein Lichttechniker so gewollt hätte, außer zwei. Der eine war mein Chef, und der andere war ein Kollege. Die beiden haben es geschafft, diese Vorschrift in die Welt zu setzen.

Das war übrigens der Aufhänger, mit dem der Arbeitgeberpräsident im Jahr 2014 die vom Gesetzgeber verabschiedeten Fassung der ArbStättV hat vom Bundeskanzleramt kassieren lassen. Der meinte, Toiletten wären auch Sanitätsräume und die bräuchten keine Sichtverbindung nach außen. Sonst hätten die da Draußen eine Sichtverbindung nach drinnen. Und das ist wahrlich unerwünscht, wg. Datenschutz und so.

Auch mancher Arbeitgeber war nicht allzu glücklich damit und nutzte ein Schlupfloch. Arbeitsräume mit einer Grundfläche von mindestens 2000 m2 mit Oberlichtern waren ausgenommen. So hat z.B. Heinz Nixdorf seine Arbeitsstätten sehr "flexibel" gestaltet. Die hatten mindestens 2001 m2. Somit brauchten sie keine Sichtverbindung. Sie hätten allerdings eine lichte Höhe von mindestens 3,25 m aufweisen müssen. Kein Problem für den findigen Unternehmer. Wenn sich die Gewerbeaufsicht meldete, wurden die Räume schwuppdiwupp unterteilt. Die Aufsichtsbeamten hatten bei diesem Besuch nur die Raumhöhe betrachten dürfen. Die Sichtverbindung nicht.

Der größte Teil der Arbeitgeber war allerdings nicht so findig und hielt sich brav an die Vorschrift. Aber niemand konnte verstehen, was diese Vorschrift unter "Beleuchtung" zu suchen hatte. Musste auch nicht. Die Vorschrift war unter Mitwirkung einer Psychologin erarbeitet worden und betraf nur die Psychologie. Die Beleuchtungswirkung ist reine Konterbande. Worauf basierte die Forschung und warum haben zwei Lichttechniker eine Vorschrift zur Psychologie erarbeitet? Den Grund sieht man hier. Er stammt aus der Broschüre "Ein kleines Kapitel praktischer Lichttechnik" von 1970. Allerdings war dies schon die 18. Auflage.

Die erste Chance, in die Fußstapfen der anscheinend erfolgreichen Forscher aus den 1960er und 1970er Jahren zu treten, entstand als unser Institut den Forschungsbericht "Licht und Gesundheit" veröffentlichte. Das war 1990. Darin wurde abgeleitet, welche Art der Beleuchtung die beste Akzeptanz fand und vor allem warum. Wir haben in den folgenden Jahren dann diese Beleuchtung optimiert, an ca. 1500 Arbeitsplätzen installiert und die (positive) Wirkung dokumentiert. Nur die lichttechnische Industrie konnte damit nicht warm werden, denn die Hauptaussage des Forschungsberichts war, dass die Mehrzahl der Probanden die Beleuchtung als eine Störung ihrer Gesundheit erlebte. Dass es aber auch Beleuchtungen gab, die von fast allen akzeptiert wurden und sich positiv auf die Gesundheit wirkten und wirken? Man wollte halt Leuchten verkaufen, die man nicht auf den Bildschirmen reflektiert sehen würde. Dass diese Leuchten den Büros einen Höhlenlook verpassten? Ach, was, interessiert keinen.

Die zweite Chance kam etwa 10 Jahre später und war viel gewaltiger. Forscher hatten im Auge Sehzellen identifiziert, die die Tagesrhythmik der menschlichen Hormone steuern. Nur menschliche Hormone? Selbst Tiere der Tiefsee, die nie Tageslicht sehen, zeigen eine 24-Stunden-Rhythmik in ihrem Verhalten. Und ich dachte, jetzt werde man endlich sich den nicht-visuellen Wirkungen des Lichts annehmen. Das schien sich zu bewahrheiten, als die CIE im Jahr 2004 ein Symposium veranstaltete: "Light and Health: Non-visual effects". Vielleicht war der Tagungsort nicht allzu kreativ gewählt: Universität für Musik und Darstellende Kunst in Wien. Es folgten eher abstrakte Aktionen aber keine technischen Innovationen. Dass die CIE nicht vollends in einen Schnarchmodus verfallen war, erlebte die Welt als sie die Marschroute zu neuen Lichtwelten festlegte. In 2016 - also schlappe 12 Jahre später - erschien ein Technical Report "Research Roadmap for Healthful Interior Lighting Applications", vorbereitet unter der Leitung einer kanadischen Koryphäe, die Psychologin ist.

Wer allerdings dieses Werk studierte, konnte sich schnarchen legen, ohne befürchten zu müssen, etwas zu verpassen. Denn die zu klärenden Fragen wiesen gewaltige Ausmaße auf, während sich die geklärten Umstände in der CIE-Literatur ziemlich bescheiden ausnahmen. Doch die CIE war ungemein aktiv, für ihre Verhältnisse jedenfalls. Sie veröffentlichte eine offizielle Stellungnahme in 2015, in dem ein guter Slogan proklamiert wurde "Recommending proper light at the proper time", will sagen, "Das richtige Licht zur richtigen Zeit". Damit wollte man endlich damit aufhören, das falsche Licht zur falschen Zeit vorzuschreiben, was Beleuchtungsnormen weltweit tun und wohl auf absehbare Zeit tun werden. Unser Institut hatte in einem Gutachten für die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zusammen mit dem lichttechnischen Institut der Uni Ilmenau just dies und viel mehr empfohlen, aber Jahre zuvor in 2011.

Die Stellungnahme der CIE wurde im Jahre 2019 erneut ausgegeben. Diesmal gab man an, endlich Butter bei die Fische zu tun. Man wolle in Zusammenarbeit mit der ISO die Norm ISO 8995-1:2002 alias CIE S 008:2001 wieder aktivieren. Diese war nämlich 2001 erschienen und von allen guten Geistern in Ruhe gelassen worden. Niemand hat sie je angewendet. Immerhin - man tut sein Bestes. Wir werden im Laufe des Jahrzehnts sicherlich erleben, dass die gute alte Norm ISO 8995 in voller Schönheit wieder aufersteht, bevor es 30 wird. Volljährig ist sie bereits 2019 gewesen, als die Erklärung erschienen war.

Damit die Zeit einem nicht langweilig wird, gibt es ein Technical Report zum Thema. Darin finden sich viele Statements zu den Vorteilen einer sog. "integrativen" Beleuchtung. Die heißt so, weil sie nicht nur die Wirkungen vom Licht auf das Sehen berücksichtigt, sondern auch auf die Gesundheit und das Wohlbefinden (s. oben die Bemerkung zum Kenntnisstand von 1968). Allerdings sind die deutlichen Warnungen nicht zu übersehen.

Will sagen, die Beleuchtung muss von qualifizierten Spezialisten geplant und auch angewendet werden. Zudem kann man gute Ergebnisse nur dann erzielen, wenn der Lichtplaner mit einer muttidisziplinären Mannschaft kooperiert, wozu u.a. angehören Arbeitsmediziner, Psychologen und sonstige. Mir sind die ersten beiden Expertengruppen bekannt, allerdings nicht aus der Lichtplanung. Die sonstigen sind wirklich wichtig. Man wüsste gerne, wer damit gemeint ist. Ansonsten muss der Lichtplaner eben selber zusehen, mit wem der kooperiert.

Was diese Expertengruppe wissen muss, bevor das integrative Licht geplant wird? Ganz einfach, wirklich unglaublich einfach:

  • Benutzereigenschaften (z.B. Altersverteilung, Sehfähigkeit, Gesundheitszustand)
  • Tätigkeitsprofil (vorwiegend stehend, vorwiegend sitzend oder in nur einer Position)
  • Kontrollierbare oder Nicht-kontrollierbare Benutzerpopulation

Man zeige mir auch nur einen einzigen Lichtplaner, der dieses Wissen hat. Nicht einmal der Arbeitgeber hat es.  Was wenn er es denn hätte? Seit einigen Jahrzehnten werden Bürohäuser "spekulativ" gebaut. D.h., man erstellt das Gebäude und vermietet oder verleast es anschließend. Zwar ist der künftige Mieter oft bekannt, der wird aber den Deubel tun und dem Lichtplaner Daten zur Verfügung stellen, die die Sehfähigkeit der Belegschaft oder gar den Gesundheitszustand aufschlüsseln. Zudem steht manches Gebäude zwar fast ewig, 80 Jahre oder länger. Die Nutzer geben sich aber die Klinke. So geschehen mit Denkmal geschützten Gebäuden von AEG in Berlin. Als die AEG in die ewigen Jagdgründe wechselte, übernahm Nixdorf diese und machte ein Innovationszentrum. Als dann auch Nixdorf der AEG in den Industriehimmel folgte, zog die Berliner Sparkasse ein. Deren MItarbeiter arbeiteten wie einst alle Büromenschen - sitzend. Mit der Ergonomie zog die stehende Arbeitsweise ein. Trotzdem will oder muss ein Teil der Belegschaft sitzend arbeiten. Was macht eigentlich die Expertentruppe mit diesbezüglichem Wissen, wenn sie es denn bekäme? Sie muss sie beachten, um Folgendes zu bewerten:

  • vorhersehbare Gesundheitsbedingungen, die zu erwarten sind
  • generalisierte Schlafrhythmen (es ist zu erwarten, dass Teenager andere Schlafgewohnheiten haben als ältere Insassen)
  • die Menge des Lichts am Auge, die benötigt wird, um eine circadiane Aktivierung zu erzeugen, was sich von Person zu Person unterscheidet.

Generalisierte Schlafrhythmen bewerten? Diese Aufgabe werden Lichtplaner einem mit Handkuss abnehmen. Von dem Lichtdesigner wird etwa eine ähnliche Fähigkeit erwartet wie von Clark Kent beim Heben von Lokomotiven samt Brücke, die einstürzen will. Z.B. muss dieser Folgendes können:

  • Es können Konflikte eintreten durch unterschiedliche Bedürfnisse (z.B. durch unterschiedliche Benutzer des gleichen Ortes). Der Designer muss das Problem lösen, ohne die Qualität der Beleuchtung zu beeinträchtigen.

Lichtdesigner und Lichtqualität! Den Lichtplaner oder Lighting Designer gibt es leider nicht. Es gibt zwar Menschen und Firmen, die sich so nennen, sie unterscheiden sich voneinander gewaltig. Deren Fachverbände versuchen seit Ewigkeiten, eine anerkannte Berufsbezeichnung durchzusetzen. Bislang vergeblich. Und Lichtqualität wurde zum 1.1.2021 nach 100-jähriger Geschichte der CIE zum ersten Mal erwähnt (hier oder da) Was die sein soll, muss noch ausgearbeitet werden. Wir haben ja Zeit.

Nachdem ich das alles gelesen hatte, habe ich den zuständigen Ausschuss gefragt, um was für eine Beleuchtung es hierbei handelt, das derart aufwändig gestaltet werden soll. Die Antwort lautet, alles gilt für jede Beleuchtung. Bevor ich demnächst zum Baumarkt gehe, um mir paar Lampen zu besorgen, werde ich anrufen und fragen, ob ich mein Beraterteam mitbringen muss oder ob der Baumarkt mir Psychologen, Arbeitsmediziner und auch sonstige zur Verfügung stellt.

Verstehen Sie jetzt, warum ich denke "Grandios vergeigt"?

Als die Menschen nach der Sonne lechzten - das rotierende Solarium

Heute fiel mir wieder das Bild vom rotierenden Solarium in die Hände. Eigentlich suchte ich nach der Quelle der Weisheit, dass sich Menschen zu 90% ihrer Zeit in Gebäuden aufhalten sollen. Deswegen will man die Beleuchtung in Innenräumen so ändern, dass die Leute ständig vom künstlichen Licht beschienen werden. Niemand scheint zu wissen, wie so etwas gehen soll, weil sich das Licht von einer Quelle immer nur in eine Richtung fortpflanzt. Bewegt sich die Quelle, so etwa wie die Sonne, setzt man die in ein Karussel und dreht sie so nach dem Licht. Was macht man, wenn die Lichtquelle steht?

Man kann die Leute nach dem Licht drehen. Warum denn nicht? Früher, ganz früher, als die Menschen uneinsichtig waren, saßen sie Kopf an Kopf und guckten sie sich den ganzen lieben Tag an. Das nannte sich Doppelzimmer und war äußerst beliebt. Ich denke mal, 1990 waren etwa 60 % deutscher Büroinsassen in solchen Räumen untergebracht. Damit beide viel von dem gesunden LIcht abbekommen, müsste die Leuchte zwischen die beiden Tische gestellt werden. So wie die Beleuchtung immer geplant wird, kann es nicht gesund werden. Der größte Teil des Lichts fällt nicht ins Auge.

Schlimmer wäre es geworden, hätte ein Konzept eines Stuttgarter Instituts Fuß gefasst. Die hatten - zum Erstaunen aller - wissenschaftlich festgestellt, dass Menschen in Doppelzimmern lieber Rücken an Rücken säßen. Da wir alle vor der Wissenschaft kuschen, haben Bürozeitschriften die Kunde in die Betriebe getragen. Es kann sein, dass das Forschungsinstitut wirklich das Richtige herausgefunden hätte. Glauben tat es kaum jemand. So sitzen die Leute über 30 Jahre danach immer noch Kopf and Kopf. Wenn sie anders säßen, könnte die gesunde Beleuchtung  nirgendwo sinnvoll installiert werden. Wenn die Menschen schon eine Wand vor dem Kopf haben wollen, dass wollen sie die Bilder ihrer Liebsten oder von schönen Stränden mit Palmen sehen. Dauernd auf Laternen gucken, weil das gesund ist, will keiner.

Man suche in beiden Raumkonzepten die Stellen aus, an denen man eine Leuchte anbringt, die etwa 500 lx vertikal am Auge des dort arbeitenden Menschen erzeugt. Ich denke mal, dass das melanopisch wirksame Licht im Büro noch etwas reifen muss. Unten eine alte Planungshilfe als Beispiel. Das Büro hatte eine Berufsgenossenschaft zum Modellbüro erklärt.

Visuelle, gesundheitliche und ökologische Vorteile von Fenstern in Gebäuden am Tag

Hurra! Jemand will die Fenster endlich aufwerten. Vor drei Tagen hatte ich ein sehr häufig zitiertes Papier kommentiert, in dem stand: "Feldstudien unter Büromitarbeitern besagen, das Menschen ein Fenster haben wollen." (hier). Ob das des Gedanken Vater war, kann ich nicht behaupten. Bemerkenswert ist, dass man 50 Jahre nach der Feststellung, Fenster seien überflüssig, weil man Räume ohne diese besser beleuchten und klimatisieren kann, und noch eine bessere Akustik obendrein bekommt, anfängt die Vorteile von Fenstern wissenschaftlich zu untersuchen.

Allerdings nur am Tage. Denn nachts sind Fenster echt überflüssig. Die saugen förmlich das Licht aus dem Innenraum und mischen es draußen mit der Dunkelheit. So erzeugen sie Zwielicht. Und wenn man sie aus Versehen offen lässt, schneien Einbrecher hinein. Von Fledermäusen ganz zu schweigen. In einem Gruselroman, dem echten Dracula-Buch von Bram Stoker, kriechen die Vampire durch die Fensterritzen als Nebel in die Bude und nehmen da drinnen ihre gruselige Gestalt an. Brrrr!

Die CIE hat sich der Aufgabe angenommen und ein TC gegründet. TC heißt Technical Committee und ist sehr mächtig. Nur noch JTC, also Joint TC, sind mächtiger. So zeichnet sich z.B. ISO/IEC JTC1 verantwortlich für 3278 internationale Standards, die nicht von Pappe sind. Ohne die kann keiner etwas auf dem Computer schreiben, weil sie die Fonts normen. Videos u.ä. wären nur analog möglich, weil sie die MPEG-Standards produziert haben. Smart cities, cloud computing, autonome Fahrzeuge … Da die Fenster immer mehrere Seiten haben, wurde für sie auch ein JTC gegründet. Mit drei guten Experten als Führung. Das war in 2013. Eigentlich hätte man vier TCs gründen müssen. Denn Fenster haben auch Nachteile am Tag. Und Vorteile in der Nacht (zumindest in Bayern, fensterln). Die Nachteile würde ich auch durch ein TC bearbeiten lassen.

Im Jahre 2021 hatte der Berg zwar mächtig gekreist, aber nicht mal ein Mäuschen geboren. Das TC wurde ohne Ergebnis geschlossen. So bleibt vorerst mal der Verantwortliche für den Durchblick der Fensterputzer.