Posts in Category: Energieeffizienz

Erzwungene Blauäugigkeit statt nüchterne Analyse

 
Gestern tickerten Meldungen über die neueste Strategie von Coca Cola, das ist ein Unternehmen, das klare Gewinne aus einer trüben Brühe zieht, die Wissenschaft vor den eigenen Karren zu spannen. Diverse Wissenschaftler sollen sich dafür stark machen, zuckerhaltige Limonaden aus dem Verdacht zu befreien, für die barocken Formen amerikanischer Mittel- und Unterschicht verantwortlich zu sein. Wobei barock etwas oder gar hoch untertrieben sein dürfte. Die Menschen verließen die Proportionen a la Leonardo da Vinci und gingen zu einer Birnenform über. Zwar thront oben immer noch der Kopf. Dieser verlor massiv an relativer Größe je stärker wabernde Fettmassen die Region oberhalb der Beine eroberten. Lösung: Nicht die Kalorien in den Limonaden sind schuld, sondern die Bewegungsarmut. Warum sind wir seit 60 Jahren bloß nicht darauf gekommen?

Allerdings entlastet diese geniale Idee nicht die amerikanische Industrie insgesamt, sondern nur die Limonadenwirtschaft. Denn an der Bewegungsarmut ist eine andere Industrie schuld, wie wissenschaftliche Studien über das Verhalten von mobilen Menschen nachweisen. Das sind Leute, die mit einem Mobilgerät unterwegs sind, in Amerika meistens mit einem iPhone oder iPad einer Firma, die einst mit einem bunten angebissenen Apfel firmierte. Jetzt ist der Apfel edelgrau, aber immer noch abgebissen. Eine mir vorliegende Studie besagt, dass Studenten im Schnitt 9 Stunden mit einem Smartphone unterwegs wären - am Tag. Unterwegs ist schön gesagt - sie verbringen laut Studie 3 Stunden am Tag im Bett mit einem Smartphone in der Hand. Von dem verbleibenden Rest des Tages hacken sie 4,5 Stunden auf einem Laptop oder Tablett herum. Muss dafür Coca Cola herhalten, dass solche Figuren keine Figur mehr haben? Man merke: Mobil ist man, wenn man sich kaum noch bewegt.

Was lernt man daraus? Man muss bei Wissenschaft immer auf die Quellen achten, auf die Geldquellen. So auch bei den Studien, aus denen eine eindeutige Message sprudelt: Blau macht schlau oder so ähnlich. Ich hatte spaßeshalber die Vergleichsobjekte von Studien zusammengezeichnet, mit deren Hilfe man die märchenhafte Wirkung von blauem Licht nachgewiesen haben will. Links das Original, rechts - nein, nicht die Fälschung, das ist doch keine Quizfrage - die blau-optimierte Beleuchtung. 

Links: Eine Warte, wie man sie kennt, so man Warten nicht mit Warten verwechselt. Hier wird gearbeitet. Rechts die für den Versuch hergerichtete Warte. Ungelogen hat das Licht mehr Blauanteile. Was denn sonst anders ist? Man suche und finde den Unterschied!

  
Was sehen wir da? Man hat die gesamte visuelle Umwelt verändert. Die ehemals dunkle Decke ist jetzt hell, die Leuchten großflächig und die Lampen mit geringer Leuchtdichte (= weniger Blendung bei gleichem Lux auf dem Tisch) und die grüne Frontseite mit den Monitoren ist jetzt blau angestrichen worden und wird blau angeleuchtet. Ich denke mal das Blaue aus dem Farbtopf wäre, so blaues Licht die fantastischen Wirkungen ausübt, die man ihm andichtet, viel nachhaltiger, weil man es nur einmal bezahlt. Kleiner Tipp: Wenn man die Monitore richtig einstellt, bringen sie mehr Blau ins Auge. Das aber ist eine andere Story, die Verkäufer von Bildschirmen mit circadianer Wirkung erzählen. 

  
Guter Rat: Fragen Sie bei jedem Vortrag, bei dem blaues Licht über den grünen Klee gelobt wird, wer die Studie bezahlt hat, wo der Redner angestellt war und warum er ausgerechnet dieses Thema für so interessant hält, dass er damit über die Weltgeschichte tourt. Ich hatte mich einmal in die Nesseln gesetzt und in einem Seminar die Lichtquellen für die Farben verantwortlich gemacht. Ein Teilnehmer wetterte laut dagegen und redete von Farben - von denen, die aus dem Topf kommen. Er war Schüler des seligen Dr. Frieling aus Marquartstein, Gründer des Instituts für Farbenpsychologie. Dieses hatte es mit denen, die Farbeimer füllen und verkaufen. Die modernen Blaulichtverkäufer sind eher mit Vermarktern von LED verbandelt. Die haben aus technischen Gründen mehr Blau im Spektrum als nötig. Es müsste mit dem Deibel zugehen, wenn man nicht die wissenschaftlichen Erkenntnisse nutzen würde, um das Blaue schön zu reden. Ich denke mal, die Sache ebbt mächtig ab, wenn die Mehrzahl der LEDs ein vernünftiges Spektrum aufweisen. 

Was man so alles mit künstlicher Beleuchtung kann

 
Meine Neu/Wiederentdeckung "Fensterlose Industriebauten" entwickelt sich zur Fundgrube. Heute habe ich gelernt, was man im Innenraum künstlich so alles machen kann. Eine der Möglichkeiten betrifft die Lichtrichtung und die Lichtverteilung. Die kam mir deswegen gerade in den Sinn, weil beim gerade eingetroffenen Licht-Heft ein Einleger von DIAL war, bei dem der Geschäftsführer ein Plädoyer für Akzentuierung bei der Beleuchtung hält. Wenn man im Jahre 2015 ein Plädoyer für etwas hält, was eigentlich jedem Architekten seit jeher sozusagen mit der Muttermilch eingeflößt wird, muss was falsch gelaufen sein. Die Sache hätte ein gewisser Fred Häger etwa zu dem Zeitpunkt des Erscheinens des Buchs mit einer Doktorarbeit erledigt haben müssen. Seinen Doktor hat er gebaut, Die Sache mit der Lichtrichtung hingegen hat er angesichts der obwaltenden Umstände - alle Welt wollte Großraumbüros haben - geschmissen. Mal sehen, was die Kollegen von damals so für möglich hielten:
 

Lichtrichtung-beliebig

 
Toll, man kann stufenlos alles steuern, und zwar beliebig. Von der Decke, von den Wänden … Stopp, da war was mit den Wänden. Steht am Ende des Buches als Teil der Lösung: Man braucht keinen Blickkontakt nach außen, wenn man z.B. im Großraumbüro sitzt, weil alle Wände, die den sozialen Kontakt zwischen den Mitarbeitern stören, entfallen sind. Also, Wände weglassen. Bleibt die Decke … So beliebig steuern ließe sich das Licht nur, wenn das Licht von oben kommen darf. Also doch nicht so beliebig!

Man kann aber die Decke anstrahlen. Stimmt, man muss es sogar, wenn man tiefstrahlende Leuchten einsetzt. So hatte ich als Student gelernt. Viele Jahre später, als ich Studien veröffentlichte, die die ominösen BAP-Leuchten als den besten Förderer von Krankfühlen und Unwohlsein nachgewiesen haben, sagte ein führender Lichttechniker, das sei kein Wunder, zu diesen Leuchten gehört immer eine Anstrahlung der Decke dazu. Diese Weisheit müssen allerdings sämtliche Planer von Bürobeleuchtung so etwa seit 1984 übersehen haben. Auch in der Norm, die die BAP-Leuchte praktisch zum Muss machte, DIN 5035-7, fand man nie eine Spur von Decken(an)strahlern. Dafür gab es in einigen bedeutsamen Büchern zur Beleuchtung so bedeutsame Aussagen wie "die natürliche Helligkeitsverteilung ist unten heller, oben dunkler". Nur bei Abhandlungen in gut aufgemachten Büchern findet man Hinweise zur Akzentuierung und Anstrahlung von Decken und Wänden. Und das schon seit über zwei Jahrzehnten. Wo liegt das Problem?

 
Das Problem liegt in dem Wort technisch-wirtschaftlich. Technisch gesehen kann man Innenräume nicht nur so beleuchten, dass man Licht aus allen Richtungen komponiert, beliebige Lichteinfallsszenarien realisiert, und das Ganze auch noch vom Computer in Richtung, Intensität und Farbe so steuern lässt, dass der Mensch sich in den Räumen wie in Abrahams Schoß fühlt. Technisch-wirtschaftlich gesehen steht jedem Büromitarbeiter etwa eine Achse mal Raumtiefe, so etwa sieben bis 12 m2 zur Verfügung. Da kann man zwei Leuchten an die Decke über ihr/ihm hängen und basta! Rührige Planer bemühen überdimensionierte Planungsprogramme, die die Leuchtenreihen an der Decke etwas hin und her schieben. Fertig ist die Lichtsoße.

 
Die Lichttechnik sowie die Klimatechnik, die übrigens von den Autoren des Buchs mitbemüht wird, um den fensterlosen Raum bewohnbar zu machen, kann man auch als Opfer der wirtschaftlichen Rationalität sehen. Bürohäuser sind keine Wohlfühloasen, für die sie uns verkauft werden. Sie sind Produktionsmittel und unterliegen den Gesetzen der Wirtschaftlichkeit. In Deutschland haben wir noch Schwein, weil es hierzulande niemandem gelungen ist, so etwas wie das Action Office durchzusetzen. Da kriegt jeder seine Minimalzelle und fertig. Was Technik kann, interessiert kein Sch...

 
Ein Büro menschengerecht zu gestalten
ist überhaupt nicht schwierig.
Es ist unmöglich.

Pipilight - Erleuchtung durch Pinkeln

     
In Großbritannien, in dem Land wo man seine Zigaretten gegen Feuer versichern kann, wurde eine geniale Methode entwickelt, um dem (frischen) Urin die Energie abzuziehen und einer besseren Verwendung zuzuführen. Pee-Power Toilet ist die Lösung für Flüchtlingcamps: "Pee-power' to light camps in disaster zones" steht über der Pressemeldung der Forscher von University of the West of England.  

Naturgemäß funktioniert das Ganze nur mit LEDs. Ich weiß nicht, ob sich die Energiegewinnung auch mit festeren Materialien aus dem Körper klappt. Kann sein. 

Gemäß dem indischen Kastensystem, wo manche oben sitzen und viele unten, und denen da Oben dienen müssen, durfte der Mensch aus der oberen Kaste (z.B. ein Brahmane) zuerst auf den Topf, wenn es nur einen gab. Das System muss sich umstellen, denn auch ein Brahmane erleichtert sich ungern im Dunkeln. Also geht zuerst der Paria darauf und macht Licht an. Dann kann der Brahmane …
 
Somit haben wir ein wunderbares Beispiel für soziale Auswirkungen von Licht. Auf soziale Beziehungen wirkt es … erschütternd. 

2015

 

Ich weiß nicht, warum die Sache nur mit Männern funktioniert. Dabei hatte ein anderer Prof. aus Germany ein Urinal für Frauen entwickelt, und damit eine der wichtigsten Genderfragen endgültig gelöst. Vielleicht meldet er sich bis morgen*.

*Morgen ist Weltfrauentag .  Weltmännertag  gibt es
allerdings nicht. Bei denen ist jeder Tag …

Sind LED effizient?
   

Was nützt es, die Geschwindigkeit zu verdoppeln,
wenn man gar nicht weiß,
in welche Richtung man will?

Heute hatte ich Zeit, das Februar Heft von High Light zu lesen. Ich hatte mit einem Freund gewettet, dass wir keinen Beitrag ohne LED darin finden würden. Bingo! Wär´ auch ein Wunder. Die eignen sich doch bestens als Highlight …

Ein Autor, ein Key Expert von einem der Key Suppliers (Pardon!) versucht sich in Effizienz. Er meint, dass die LED aufgrund diverser Vorteile ein integraler Teil der Allgemeinbeleuchtung sei. Seit geraumer Zeit sei die Effizienz höher als bei "konventionellen" Lichttechnologien. Dann fragt er sich "Wie wird die Effizienz jedoch definiert?"

Das frage ich mich auch. Der Mann hat einen grenzenlosen Humor: "Spricht man umgangssprachlich von der Effizienz von Lichtquellen, so ist meist die Lichtausbeute gemeint." Seit wann redet der Volksmund von Effizienz? Der sagt bestenfalls, "taucht nix, saugt zu viel Strom" oder ähnlich. Dann beschreibt der Autor, was man auch vor 40 oder gar 50 Jahren über die V(λ)-Kurve, das Strahlungsspektrum der Lampe und der Lichtausbeute gelernt hat. So etwa sinngemäß, "setzt Du blaue Lampen ein und willst rotes Licht, kriegst nicht viel raus." (Nicht genau, aber eine ähnliche Story hatte der selige Prof. Helwig auf Lager aus der Zeit, als das blaue Licht deutscher Polizeiautos festgelegt wurde. Da waren die Lampen eher rot und die Signalleuchte sollte blau leuchten.) Dann kommt es: Weil (oder wenn) man zum Erzeugen von weißem Licht blaue LEDs einsetzt, sind sie dann effizient, wenn die Farbtemperatur höher ist. Wär´ ich nie auf die Idee gekommen.

Will man eine gute Farbwiedergabe haben, muss man halt mit einer geringeren Effizienz leben. Der lichttechnische Volksmund kannte dies auch von den konventionellen Lichttechnologien, hat das ganze nur nicht so geschwollen ausgedrückt. "Bisherige Lampentechnik" hätte vollauf genügt.

Der Autor erzählt weiter: "LED wurden im Laufe ihrer Entwicklung immer heller und damit immer effizienter. In manchen Anwendungen ist aber eine höhere Effizienz nicht unbedingt notwendig. Warum ist die Nachfrage nach immer helleren und effizienten LED dennoch so groß? Ein Grund ist gewiss, dass effizientere Leuchtdioden die Kosten auf Systemlevel signifikant reduzieren können." Wenn man nur wüsste, was Systemlevel ist und welche Kosten der Mann meint.

Wenn er gewusst hätte, was ich unter Systemlevel verstehe wie viele andere, hätte er sich den ganzen Artikel sparen können. Auch seine Altvorderen sind vor einiger Zeit in Brüssel vorstellig geworden, weil die "Effizienzexperten" der EU-Kommission Lampen für sich betrachten. Eine Effizienz von Lampen allein zu betrachten, sei Unsinn, lautete deren Argument. Ist es auch! Während man eine Edison-Funzel einfach in eine Fassung schrauben kann, die selbst an einer Strippe von der Decke hängen darf, muss man für andere Leuchtmittel eine formidable Elektronik betreiben. Immer hellere und "effizientere" LEDs freibrennend zu betreiben, kommt einer vorsätzlichen Körperverletzung gleich - oder ist eine Körperverletzung -, ergo muss man sie in Leuchten packen und eventuell auch indirekt betreiben. Baut man die Leuchten falsch, geben die LED den Geist sehr schnell auf, nachdem sie ganz schön ineffizient gelebt haben. Sprich geringere Lichtausbeute, wildes Flackern gegen Ende der (kurzen) Lebensdauer etc. bis Exitus! Da haben die konventionellen Lichttechnologien, so z.B. Glühlampen oder Leuchtstofflampen sogar unschlagbare Vorteile, sie gehen einfach aus. Hingegen leuchten in LED-bestückten nicht-konventinellen Lichttechnologien viele Elemente munter weiter, während manche dunkler werden und andere flackern. Die ganz dunklen toten LEDs runden das Erscheinungsbild eindrucksvoll ab. (mehr hier)

So gesehen ist der Artikel erst einmal für die Katz. Schlimmer ist aber das Fehlende in dem Artikel: Die Eignung, sprich Gebrauchstauglichkeit. LEDs mit hoher Leuchtdichte eignen sich wie gesagt als Highlight, damit macht man Dekoration und keine Allgemein-Beleuchtung. Der Architekt setzt "Lichter", um Glanz in eine Szenerie zu bringen, der Fotograf tut dasselbe, um Gesichter zu beleben. OLEDs weisen hingegen geringe Leuchtdichten auf und eignen sich besser als Leuchtmittel für Allgemeinbeleuchtung. Leider sind sie halt nicht so "effizient". Schert man LEDs im Allgemeinen, und OLEDs im Speziellen, über denselben Kamm, schneiden die letzteren schlecht ab. Somit würgt man durch Vorstellungen, die schon immer falsch waren, eine vielversprechende Technologie ab.

2015
     

 
Dieser Effizienzartikel ist neuer Wein in alten Schläuchen. Leider kein Highlight! Ich wäre als Lichttechniker stolz, den Begriff Lichtausbeute zu verwenden, den diese Technik seit Ewigkeiten verfolgt und pflegt, während anderen das Wort "Effizienz" erst neulich ein Begriff zu werden scheint.

 

Es werde Licht - sagt der Tagesspiegel

2015

Es werde Licht - sagt normalerweise Gott, jedenfalls für Gläubige, die das Testament lesen. (Ich will nicht behaupten, ob es im AT oder NT so heißt). Heute hieß es im Berliner Tagesspiegel so: "In der Stadt gibt es von allem zu viel. Lärm, Schmutz, Bewegung. Auch öffentliche Beleuchtung ist dabei ein Ärgernis. Plätze und Straßen gehen in einer „Soße“ unter, und Energie wird an den Himmel verschwendet. Ein Spaziergang durch einen Berliner Notstand …"

Zum Abkürzen ist der schöne Beitrag zu schade. Deswegen möge jeder selber lesen, was die beiden Autoren, Dagmar Dehmer und Stefan Jacobs uns sagen wollen (hier). (Politically correct wäre "die Autorin Dagmar Dehmer und der Autor Stefan Jacobs" zu schreiben. Der Artikel stammt aber nicht aus der TAZ.). Ich will nur einige Highlights (keine missglückte Anspielung) zitieren, die ich lustig finde:
das Licht fällt auch auf vieles, was gar nicht
beleuchtet werden müsste“. Etwa den Himmel."
Bis dato dachte ich, der Himmel schwebe über Erden, und den würde der Herr selbst beleuchten. Und fallen tun Dinge bestenfalls vom Himmel, aber nicht darauf.

Viel viel lustiger finde ich die Bemerkung über die Speer-Leuchten, so genannt nach dem Rüstungsminister Hitlers, der ein großer Fan von Licht war:
"Zwar erfüllen die Speer-Leuchten ihren Job, sie
machen hell – den neunspurigen Boulevard mit
Mittelinsel, und die Fußgänger darauf, die
schon von Weitem Gesichter derjenigen erkennen
können, die ihnen entgegenkommen. Sogar
Farben unterscheiden sich voneinander. Doch
Völker bemängelt, dass diese Leuchten die
Straße „mit einer einzigen Lichtsoße übergießen“.
Eine einzige Erleuchtung für mich. Ich wohne seit einigen Jahrzehnten dort, finde die Leuchten toll. Mir ist aber äußerst selten auf dem Kaiserdamm einer entgegen gekommen. Die Lichtsoße ist mir hingegen gut bekannt. Die habe ich mit meinem Professor an der Uni, Vor- Vorgänger von Völker, messen müssen, wenn etwa ein Autofahrer einen Fußgänger angefahren hatte. Auf richterlichen Beschluss wurde gutachterlich festgestellt, ob der Missetäter, Pardon Autofahrer, den Angefahrenen etwa hätte erkennen können. Wenn man anstelle der Lichtsoße womöglich kuschelige Lichtinseln geschaffen hätte, damit sich z.B. Liebespärchen wohlfühlen und einen wichtigen Akt der Erhaltung des Biodeutschen begehen, kämen womöglich motorisierte Totschläger ohne Strafe davon. So müssen die Liebespärchen in den angrenzenden Park am Lietzensee, der ohne Soße kuschelig-heimelig beleuchtet ist.

Für das Kuschelig-Heimelige ist Sabine Röck zuständig, deren Vorstellungen von Vorgestern ist, so jedenfalls nach Meinung von Effizienzexperten:
"Trotzdem schwärmt Sabine Röck für das „zauberhafte
Licht, das funkelt“, wie sie sagt. Röck
hat die Firmenchronik für den Lampenhersteller
Selux geschrieben und 2002 über die öffentliche
Beleuchtung in Berlin promoviert. Sie, die auch
das Gaslaternenmuseum im Berliner Tiergarten
wissenschaftlich betreut, setzt sich seit Jahren
dafür ein, die Gaslaternen zu erhalten. Das Effizienzargument
sei bloß vorgeschoben. Röck sieht „die E-Lobby“ am Werk.
„Das Brandenburger Tor wird ja auch nicht abgerissen, weil es
nicht praktisch ist“, sagt sie.“.
Das Effizienzargument ist leider nicht vorgeschoben, sondern einfach falsch. Denn Effizienz ist, wenn man dasselbe Ergebnis mit geringerem Einsatz von Ressourcen erreicht. Im Falle von Licht wäre das Ergebnis die Lichtqualität. Wer die zauberhaften Abende in Berliner Kiezen kennt, die mit Gaslaternen geschmückt sind, wird sich mit Händen und Füßen dagegen wehren, LED Funzeln dorthin zu pflanzen. Vor dem Brandenburger Tor stehen hinreichend viele, die einem einen Abriss schmackhaft machen wollen. Oder ist die lila Beleuchtung etwa eine neue Qualität, die mir verborgen geblieben wäre?

Niemand in der Lichttechnik weiß, was Lichtqualität ist. Solche die es versucht haben, Lichtqualität zu Papier zu bringen, haben sich daran die Zähne ausgebissen. Solange die Effizienz der Beleuchtung in Lux gemessen wird, und sie wird heute so gemessen, werden Techniker wie ökonomisch Denkende nie verstehen, warum angeblich ineffiziente Beleuchtung die Herzen der Menschen mit Freude erfüllt. Gaslaternen sind keine Beleuchtung, sondern Stadtgestaltung. Na, ja, beleuchten tun sie auch - etwas …
     

Speer-Leuchte

Am Ende des schönen Beitrags kommt der Effizienzexperte zu Wort, in der Person von Sven Lemiss, Geschäftsführer von BIM, das ist der Verwalter der Immobilien des Landes Berlin. Der sagt:
"Etwa sechs Prozent des gesamten
Energiebedarfs in Deutschland gehen auf die
Straßenbeleuchtung zurück.
“. Ergo?
"Bei LEDs sprechen wir von einer Lebensdauer von etwa
50000 Betriebsstunden. ... Zum Vergleich:
Herkömmliche Glühlampen haben etwa 1000 Betriebsstunden,
Energiesparlampen etwa 10000 Betriebsstunden."
Der Herr über die öffentliche Beleuchtung (man siehe sich die vom Brandenburger Tor zum Anlass des Terroranschlags von Paris (hier), und vom Olympiastadion, Anlass s. hier) noch einmal an.) weiß über die Lebensdauer von Leuchtmitteln so weit Bescheid, soweit ihm das Marketing von Lichtfirmen das vorgaukeln. Wie mehrfach in diesem Blog dargestellt, gibt es auch LEDs, die ihren Dienst nach 500 Stunden einstellen, weil ihnen die Umgebung nicht behagt. Und die 10.000 h von Energiesparlampen gehören zu den modernen Märchen, denen sogar Politiker des Kalibers Trittin oder Gabriel geglaubt haben (wollen?). 

Es kommt aber noch schöner. Wie begründet man seine Vorliebe für LED? Z.B. durch Sachargumente: Während die altmodischen Gaslaternen von Berlin, die einst vom Laternenanzünder angezündet werden mussten, auch in heutiger Fassung leider nur ein- und ausschaltbar sind, kann man die LED steuern, und das millionenfach in der Sekunde, wenn man weiß warum. Sven Lemiss weiß, warum:
"Die LEDs bringen eben nicht nur eine
effiziente und gesetzeskonforme Beleuchtung
auf die Straße, sondern machen auch eine ganz
andere Aufenthaltsqualität möglich. So lässt
sich beispielsweise das Licht so steuern, dass
es heller ist, wenn mehr Licht gebraucht wird,
und es gedimmt wird, wenn kaum noch jemand
unterwegs ist."
Da komme ich zurück auf unser Liebespärchen. Wenn es dem nach Kuscheln ist, dimmt sich die Straßenbeleuchtung? Natürlich nicht, erst wenn kaum noch jemand unterwegs ist …! Mir wird es richtig warm ums Herz. Die Straße wird hell wie der Rummelplatz, wenn sie voller Leute ist. Wenn alle weg sind, wird gedimmt. Tolle Vorstellung z.B. für Frauen, die nachts aus der Bahn steigen und die ansonsten sehr helle Straße zappenduster vorfinden:
Denn die einen sind im Dunkeln
Und die andern sind im Licht.
Und man siehet die im Lichte
Die im Dunkeln sieht man nicht.

Wer sich ein Bild von den tollen Vorstellungen der "Effizienzexperten" und Gleichgesinnten machen will, bekommt hier einige Anregungen. Was von den Vorstellungen über die moderne Straßenbeleuchtung zu halten ist, kann man hier lesen. Sie handelt vom modernen Nachfolger des römischen Laternarius. Und er sieht so urgemütlich aus wie das Exemplar rechts (so hat es sein Hersteller auf der Light & Building 2014 präsentiert). Es ist garantiert, Pardon, zertifiziert gesetzeskonform. Kann mir einer erklären, welche Aufenhaltsqualität mich erwartet, wenn ich an einem Sommerabend am Marheinekeplatz ein Bierchen trinke, nachdem diese Laternen die Gasleuchten ersetzt haben?