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KAN das sein? 

 
Soeben erreichte mich die Nachricht

KAN-Positionspapier zum Thema künstliche, biologisch wirksame Beleuchtung in der Normung verabschiedet

Da KAN (= Kommission Arbeitsschutz und Normung) mit den Stimmen der Sozialpartner die Meinung über Sachverhalte sagen darf, die genormt werden sollen, hat deren Wort Gewicht, vor allem, wenn es um Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit geht. Da die Beleuchtung von Arbeitsstätten schon immer die Sicherheit und Gesundheit von Arbeitnehmern berühren soll, so etwa seit 1935, fällt das Thema eindeutig in deren Ressort. Die Festellung ist recht schlicht gefasst:

Normung im Bereich „Anforderungen oder Empfehlungen für die Planung und den Betrieb künstlicher, biologisch wirksamer Beleuchtung an Arbeitsplätzen“ ist allerdings aus Sicht der Kommission Arbeitsschutz und Normung (KAN) aktuell nicht sinnvoll.

Anschließend werden die Gründe für diese Feststellung genannt:

  1. bestehen keine ausreichend gesicherten Erkenntnisse im Bereich künstlicher, biologisch wirksamer Beleuchtung, um Anforderungen an die Planung festlegen zu können;
  2. müssen Störungen des circadianen Rhythmus des Menschen durch künstliche, biologisch wirksame Beleuchtung vermieden werden;
  3. sind im Bereich künstlicher, biologisch wirksamer Beleuchtung im Wesentlichen Belange des betrieblichen Arbeitsschutzes betroffen.

KAN meint auch: Das Licht hat für den Menschen zwei Funktionen. Einerseits ermöglicht Licht das Sehen. Auf der anderen Seite hat es nicht-visuelle Wirkungen auf den Menschen. Diese biologische Wirkung erzielt Tageslicht, kann aber ebenso durch spezielle künstliche Beleuchtung erreicht werden. Künstliche Beleuchtung kann dabei dem Tageslicht ähneln, es aber in seiner Gesamtheit nicht ersetzen. Die künstliche, biologisch wirksame Beleuchtung wird mit dem Ziel eingesetzt, eine biologische Wirkung über das Sehen hinaus im Menschen hervorzurufen.

Das vollständige Positionspapier kann man hier herunterladen (KAN-Position_kuenstliche_biologisch_wirksame_Beleuchtung_2015). Dort steht übrigens nicht nur, dass die KAN eine solche Normung nicht für sinnvoll erachtet, sondern nicht zulässig (mehr dazu hier):

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Leider, leider hat die Sache einen Haken: Auch die heute installierte Beleuchtung ist biologisch wirksam. Leider nicht immer zum Wohle des Menschen. Was machen wir damit? Merkeln? Wäre zu einfach. Das Problem ist, dass biologisch wirksames Licht individuell wirkt und individuell unterschiedlich. In der Arbeitswelt gehören individuell beeinflussbare Umgebungen eher zu Raritäten, und auch im Privatbereich sind wir nicht immer frei zu tun und lassen, was und wie wir es wollen. 

Wie viele Lichttechniker braucht man, um eine Lampe einzuschrauben?

  
Die Titelfrage dieses Beitrags "Wie rum dreht sich das Universum?" ergab sich aus der Frage "Wie viele Lichttechniker braucht man, um eine Lampe einzuschrauben?" Und auf die brachte mich ein bekannter Lichttechniker, der jüngst eine Norm entwerfen wollte. Wie soll man künftig Arbeitsstätten einrichten? Das ist seine wichtigste Antwort: "Die grundlegenden Anforderungen an die Beleuchtung bilden die Basis für die Anordnung der Arbeitsplätze im Raum." Super, was? Wenn man eine Arbeitsstätte einrichtet, guckt man zuerst in die Liste der Anforderungen an die Beleuchtung. Danach kommen so unwichtige Dinge wie Arbeit, Tätigkeit, Arbeitsmittel,  Maschinen, Kollegen, Kommunikation, Arbeitsablauf u.ä. 

 Dem, der das geschrieben hat, hat die Vergangenheit der Lichttechnik die Feder geführt. Schon immer wollte sie vorgegeben haben, wie die Arbeitsmittel auszusehen haben (immer matt, egal ob es Sinn macht oder nicht), wie die Tische aufgestellt werden (brav zwischen den Leuchtenreihen), wie die Reflexionsgrade im Raum aussehen (mittel bis grau) … Ihre Normen waren anno 1935 Grundnormen, d.h. man brauchte die mit keinem anderen Bereich abzustimmen. Nicht einmal mit dem Bauwesen und der Architektur! Und das war auch anno 1985 so. 

Und jetzt zur Auflösung der Fragen in der richtigen Reihenfolge: Wie viele Lichttechniker braucht man, um eine Lampe … Antwort: Exakt einen. Er hält die Lampe fest und wartet, bis sich das Universum etwa drei Mal um ihn herum dreht. 

Und wie rum dreht sich das Universum? Das hängt davon ab, ob der Lichttechniker die Lampe ein- oder ausdrehen will. 

Wer dies für übertrieben hält, möge sich die Palette an Normen kaufen, die seit 1935 (DIN 5035) veröffentlicht wurden, und sorgfältig lesen. Um Kritiken vorzubeugen: Ganz so unrealistisch waren die nicht. Aber fast …

Hier weitere Anmerkungen zum Drehen einer Lampe. Es gibt noch andere Disziplinen, in denen es lustig zugeht:

Wie viele Microsoft Programmierer braucht man, um eine Lampe zu ersetzen?
Keinen. Bill Gates wird Dunkelheit zum neuen Industriestandard® erklären.

Wie viele Microsoft Vizepräsidenten braucht man, um eine Lampe zu ersetzen?
Acht. Einer schraubt die Lampe raus und die neue rein, sieben sehen zu, dass Microsoft für jede ersetzte Lampe auf der Welt 2$ einzieht.

Relativitätstheorie der besonderen Art

 
Alles ist relativ, hatte ich in der Schule gelernt. Später lernte ich, dass auch Blendung relativ ist. So, wenn man in eine Umgebung blickt, in der sich zu helle Flächen und zu dunkle zueinander gefunden haben. Ob die zu hellen eher moderat hell sind, bzw. die zu dunklen woanders als blendend angesehen werden, hängt von den jeweils den anderen ab. Das Auge kann einen immensen Bereich an Helligkeiten abdecken, leider nicht gleichzeitig.

LED-in-der-Toskana

 
Dann gibt es aber Helligkeiten, die nicht relativ sind, sondern absolut, egal durch welches Auge gesehen und wann. Ihre Wirkung nennt sich Absolutblendung. So wird niemand freiwillig in die Mittagssonne im Sommer gucken können bzw. wollen. Die ist einfach zu hell. Früher waren Autoscheinwerfer relativ blendend, sie blendeten nur nachts, und draußen mehr als auf der Kö oder auf dem Kudamm. Jetzt blenden sogar Kinderfahrräder am helllichten Tag (s. da)

Als ich vor wenigen Tagen in die Toskana reisen durfte, habe ich den Zug gewählt, der sich durch die liebliche Landschaft schlängeln würde. Mitte August ist es zudem angenehmer, die Landschaft an sich vorbei ziehen zu lassen als ständig in die gleißenden Autoschlangen gucken. Und dann das: Trenitalia hat das Design seiner Züge neu überlegt. Die alten Leuchtstofflampen sind weg. Sie nahmen den Weg, den die Glühlampen genommen haben - in die Vergessenheit. Jetzt dominiert die LED - absolut! Wenn im Hochsommer mittags ein Zugabteil so aussieht wie hier, hat irgendwer seinen Beruf verfehlt. Draußen sind die sprichwörtlichen 100.000 Lux, drinnen Dunkelheit, relativ sozusagen.

Eindrucksvoller kann man nicht beweisen, dass man mit viel Licht Dunkelheit schafft. Möchte jemand diesen Zug betreten, wenn es draußen dunkel ist?

Unter Big Cheese

 
Heute erreichte mich ein Anruf einer Frau, die wissen wollte, was denn das Lux sei. Bei ihr im Büro würden so viele davon reden. Sie wollte wissen, ob sie das wissen muss. 

Der Anruf erinnerte mich an eine Geschichte, die beinahe historisch zu bezeichnen wäre. Lang, lang ist es her, da trafen sich die Großen unserer Branche zu ihrem großen Treffen, das sie aller drei Jahre irgendwo auf der Welt abhalten. Diesmal sollte es in Washington sein, der Hauptstadt der USA. Das Event, das man früher natürlich nicht so nannte, war der Kongress der CIE, nicht Council on Islamic Education, sondern Commission Internationale de l'Éclairage, frz. für: Internationale Beleuchtungskommission. Zum CIE Kongress treffen sich immer die Big Cheese der Big Cheese der Welt. Man darf das Wort nicht wörtlich übersetzen, denn da wird Großer Käse daraus. Big Cheese bedeutet soviel wie die Größten. Bei der deutschen Politik wären das die Bundeskanzlerin, ein Bisschen Gauck, der Vizekanzler und so heiter. Beim Fußball uns Uwe, der Kaiser und die sonstigen Ballkönige.

 
Bei diesem Treffen der Allergrößten hatte sich ein Prof. aus einem nicht so bedeutenden Land erdreistet, einen Vortrag einzureichen. Na, ja! Dürfen tun sie ja, wenn ihr Land Beiträge zahlt. Dieser hatte aber arg übertrieben und wollte einen Vortrag über lichttechnische Grundgrößen halten. Oh je, das ist so, als wenn Timbuktu zur nächsten Olympiade eine Mannschaft zum Sackhüpfen anmeldet. Großes Gelächter!

Bei der Lichttechnik ist es so, dass zum Treffen von Big Cheese auch kleine Würstchen kommen dürfen. Sie können den Großkopheten auch was an den Kopf werfen, so sie können. Sie dürfen beim Bierabend zuweilen auch die Grundlagen in Zweifel ziehen, was z.B. bei Elektrotechnik einem Sakrileg gleichkäme, wenn man Volt und Ampere in Zweifel zöge! Machen die Größen Sinn? Weiß ich nicht, weil alle damit irgendwie zufrieden zu sein scheinen. Warum zum Teufel muss ein unbedeutender Mensch aus einem unbedeutenden Land unser Volt bzw. Ampere alias Lux und Lumen in Zweifel ziehen, so dass er einen Vortrag darüber halten möchte, wenn sich die Größten der Größten ein Stelldichein geben, um über den Wolken zu schweben? (Bitte nicht so böse sein und Cool Runnings anführen. Das ist eine andere Geschichte, die man sich besser am Fernseher anguckt.)

 
Etwa 25 Jahre später war ich mit meinem Normenausschuss, der die visuelle Welt normen wollte, in seinem Labor. Den meisten blieb die Spucke weg angesichts dessen, was die Assistenten und Studenten des unbedeutenden Profs. aus dem unbedeutenden Land uns vorführten. Sie suchten nach einer Größe, die die Farbempfindung und deren Änderung durch kleine bunte Flächen in einer Umgebung kennzeichnen könnte. Mit unseren Größen und Messgeräten konnte man die nicht erfassen. Sehen taten wir sie aber.

 
Jetzt weiß ich, warum der unbedeutende Prof. aus dem unbedeutenden Land einen Vortrag über lichttechnische Grundgrößen halten wollte. Diese sagten ihm nämlich nichts. Den meisten Menschen in bedeutenden Ländern auch nichts.

Seit diesem Ereignis in Washington ist fast ein halbes Jahrhundert vergangen. Mal sehen, wann der nächste Ahnungslose einen Vortrag zu lichttechnischen Grundgrößen anmeldet. Bis dahin, habe ich der Anruferin gesagt, soll sie sich Lux wie eine magische Größe vorstellen, die nur dem Magier etwas sagt. Anderen ist sie schnuppe! Ein Berliner würde sagen Mumpe. Er darf aber nicht!

Manchmal ist es besser, das Ziel zu verfehlen

 
Im letzten Heft von Licht (7/8 2015) findet sich ein Artikel über die Änderung der Straßenbeleuchtung in Nürnberg mit Hilfe von LED-Leuchten (Autoren Alena Taranka und Alexander Hoffmann). Obwohl der Artikel an sich bemerkenswert ist, daher auch lesenswert, will ich nur einen Aspekt heraus greifen. Den zeigt das Bild untenSicher-durch-LED

Das Bild besagt, dass das Sicherheitsgefühl der Passanten durch die LED-Beleuchtung schwindet. Was auch immer die Ursache sein kann, die Interpretation der Autoren ist interessant: "Dies ist möglicherweise auf den Rückgang des Streulichts und somit auf die fehlende Ausleuchtung der Umgebung zurückzuführen. …" Das heißt, je besser ich mit Licht ziele und genau das beleuchte, was ich beleuchten will, desto stärker verfehle ich das Ziel, wofür ich beleuchte. Die Straßenbeleuchtung ist nämlich mitnichten dafür da, dass man besser bzw. gut sieht. Sie ist eher dafür da, dass man sich nachts auf einsamen Straßen sicher fühlt. Denn zum Herumlaufen benötigt man häufig kein Licht, wie man sich vergewissern kann, wenn man nachts auf Feldern oder im Wald läuft. Natürlich ist es vorteilhaft, dass man auch mehr und besser sieht. So gesehen hilft das Streulicht den Mangel an Zielgenauigkeit bei der Auswahl der Aufgabe für die Beleuchtung verdecken.

Horror im Dunkeln
Horror im Dunkeln
Horror im Dunkeln

   
So etwas erlebte man mit den sog. "BAP-Leuchten", die im Prinzip nichts anderes waren als (nicht-perfekte) Scheinwerfer mit Leuchtstofflampen. Anders als frühere Leuchten, z.B. solche mit Trübglaswannen, konzentrierten sie ihr Licht auf die Arbeitsebene. Dies ist bei jedem Scheinwerfer im Prinzip das gleiche: Nur das beleuchten, was man anvisiert. Ansonsten kein Licht. Streulicht ist verlorenes Licht.

Die Vorstellung, das man die Arbeitsebene beleuchten solle und sonst nichts, wurde perfektioniert mit der ersten Ausgabe von DIN EN 12464-1, bei der der "Bereich der Sehaufgabe" im Fokus steht. Also nicht mehr die Arbeitsebene im gesamten Raum, sondern nur noch der Bereich der Sehaufgabe. Das Licht, das drumherum fällt, das Licht auf der Umgebung des Bereichs der Sehaufgabe, darf nur deswegen nicht fehlen, weil die Beleuchtung der Sehaufgabe allein nach lichttechnischem Wissen problematisch ist. Was weiter im Raum passiert, wollte EN 12464-1 aber nicht regeln.

        
Dummerweise findet sich an sehr vielen Arbeitsplätzen kaum mehr etwas in der Arbeitsebene, was man sich genauer ansehen muss. Die Musik spielt sich auf dem (den) Bildschirm(en) ab. Was erntet man, wenn man die Beleuchtung auf genau das reduziert, was man zum Sehen in der Arbeitsebene braucht?  Nach meiner Erfahrung kranke Menschen. So etwas hat man nämlich etwa seit der Erfindung von CAD und Bildretusche am Bildschirm, Licht exakt auf dem Sehobjekt, ansonsten nichts. In beiden Fällen stört das viele Licht und wurde entweder gar nicht installiert oder von den Mitarbeitern einfach abgeschaltet. Als der Betriebsrat eines großen Verlags das Befinden der Grafiker in den Betrieben untersucht hatte, traute er sich nicht das Ergebnis der Geschäftsleitung mitzuteilen. Alle Grafiker fühlten sich mehr oder weniger krank, so die Studie.

 
Manchmal, so scheint es, ist es besser, wenn man sein Ziel nicht erreicht. Insbesondere, wenn das Ziel falsch gewählt ist. In Arbeitsräumen muss nicht die Arbeitsebene beleuchtet werden, sondern der Raum, um ihn hell erscheinen zu lassen. Dann fällt genug Licht auf die Arbeitsebene - jedenfalls genug oder mehr als genug für viele Berufe. Und in der Straßenbeleuchtung kommt es in erster Linie auf das Gefühl der Sicherheit an. Ansonsten müssten in Deutschland nicht 9 Millionen Laternen am Straßenrand stehen und geduldig auf Passanten warten.

Straßenlaternen