Posts Tagged: Nacht

Altersweisheit oder späte Einsicht?
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27.02.2024

Es hat nur 111 Jahre gedauert. Aber es ist so weit! Die LiTG hat im November 2023 beschlossen, ihren Namen zu ändern. Auf Wikipedia heißt sie am 27. Februar 2024 noch Deutsche Lichttechnische Gesellschaft e. V. Aber das kann sich ja noch ändern. Offiziell heißt sie aber Deutsche Gesellschaft für LichtTechnik + LichtGestaltung.

Damit soll das Ende einer Ära eingeläutet werden, in der die Sicht auf die Welt, die bekanntlich nur Licht vermitteln kann, nicht mehr parzelliert beackert wird. Mit dem Parzellieren meine ich die arbeitsteilige Behandlung von Wissen und Techniken, die uns das Erkennen unserer Umwelt ermöglichen sollen. So erkennen wir Dinge um uns herum durch ihre Gestalt, Helligkeit, Farbe und ihren Glanz. Zum Erfassen gehören noch mehr dazu, aber die haben mit Sehen nichts zu tun. Was ist der Beitrag von Lichttechnik zum Erleben der Umgebung?

Fangen wir von hinten an. Glanz… Was ist das eigentlich? Physikalisch gesehen ist Glanz "eine optische Eigenschaft einer Oberfläche, Licht ganz oder teilweise spiegelnd zu reflektieren." Damit ist eigentlich alles gesagt, was die Behandlung von Glanz in der Technik angeht. Man könnte nur dazu addieren, dass Glanz der Feind von Farbe ist. Denn glänzende Stellen sehen weiß aus. Glanz verhindert auch das Erkennen der Gestalt. Was sich hinter einer glänzenden Fassade verbirgt, erkennt man schlecht. Und eine glänzende Nase sieht weder beim Opernball noch in einer Frittenranch anziehend aus.

Indes das alles sagt nichts über die gesamte Wirkung von Glanz aus. Sie ist janusköpfig. Ein Portrait ohne Glanz auf den Augen zeigt meistens einen Toten. Würde jemand eine sechsstellige Summe für ein Auto hinlegen, das einem matt daher kommt? Kann die Lackindustrie existieren ohne Töpfe voller Farben, die Oberflächen funkeln lassen? Könnte ein Juwelier auch nur einen einzigen Diamanten verkaufen, der eine Oberfläche hätte wie ein Ziegelstein? Was wäre Weihnachten ohne Lametta?
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Wenn man sich die Bedeutungen des Glanzes anguckt, die u.a. mit den besagten Wirkungen verbunden sind, erkennt man den Begriff Glanz noch deutlicher. Glänzende Aussichten …, eine glanzvolle Gala …, Hochglanzprospekte … Wer einer solch bedeutsamen Erscheinung nur eine Nebenrolle einräumt, dazu noch eine negative, kann nicht auf eine glänzende Zukunft hoffen. Die Lichttechnik beschäftigt sich vornehmlich mit der Physik des Ganzen und mit dem Vermeiden störender Wirkungen. Das Geschäft mit Glanz machen andere.
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Gehen wir weiter nach hinten. Farbe! Es gibt nur wenige Menschen, die keine Farbe sehen. Vermutlich noch weniger Menschen wollen in einer farblosen Welt leben. Dennoch gehört die Farbenlehre in der Lichttechnik ins Nebenfach. Das hat einen sachlich wichtigen Grund. Denn die Beleuchtungstechnik für allgemeine Umgebungen will "farbneutral" sein. D.h. Farben sollen durch die beschienenen Objekte entstehen und nicht durch das Licht vorgezeichnet. Daher ist in der Beleuchtungstechnik das bevorzugte Licht weiß, was das immer heißen mag. Farbiges Licht benutzt man für beabsichtigte Effekte.

Der Umgang mit Farbe erfolgt noch arbeitsteiliger als der mit dem Glanz. Die Farbenlehre, also die Lehre von der Ordnung und Beschreibung von Farben, sowie deren Wirkung und Anwendung, ist nicht Thema einer Disziplin. Die Farbtheorie und Farbforschung beschäftigt sich mit der wissenschaftlichen Untersuchung von Farben, z. B. mit der Entstehung von Farbempfindungen im Auge oder der physikalischen Beschaffenheit von Licht. Wenn man sich aber anguckt, was für Menschen sich damit beschäftigen und wie viele Farbsysteme es gibt, kann einem schwindlig werden. Den berühmtesten davon, einen J.W.v. Goethe, kennt man eigentlich als begnadeten Literaten. Er selbst hielt aber seine Farbenlehre als sein wichtigstes Werk. Bei einer weit weniger bekannten, aber nicht minder bedeutsamen Person, Manfred Richter, maßgeblicher Entwickler des DIN-Farbsystems, habe ich studiert. Im Gegensatz zu den beiden stand eine Frau, die ich gerne kennengelernt hätte, Eva Heller. Sie hat die Bedeutung von Farben im Alltag hervorgehoben und ein größeres Bewusstsein für ihre subtilen psychologischen Effekte geschaffen. Sie war vom Beruf Sozialwissenschaftlerin. Ansonsten war ihre Hauptbeschäftigung dieselbe wie bei Goethe, Literatin ("Beim nächsten Mann wird es anders") 

Bei den Farbsystemen und Farbmodellen mischen Technik, Wissenschaft und vielleicht auch Kultur mit. So ist es garantiert nicht die Physik, die Newton dazu bewegt hatte, im Regenbogen genau 7 Farben zu erkennen. Es sind unendlich viele. Farbsysteme, abstrakte Konzepte zur Organisation von Farben, bilden die Grundlage für Farbmodelle, also konkrete Anwendungen dieser Systeme in bestimmten Medien. Kein Wunder, dass es mehrere davon gibt.

Der Umgang in der Technik mit dieser Komplexität fällt indes ernüchternd aus. Die Beleuchtung soll Farben sichtbar machen. Der einstige Traum vor 100 Jahren, den ein gewisser Luckiesh geträumt hatte, ein künstliches Tageslicht zu schaffen, weil Menschen ein Recht darauf hätten, natürliche Farben zu sehen, ist ausgeträumt. Die Lichttechnik schlägt sich mit einem Konzept des Farbwiedergabeindex aus den 1960ern herum. Etwas Neueres lässt sich leider nicht in die Praxis bringen. An einem Mangel an Ideen liegt es nicht.
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Bevor wir uns zum Hauptbetätigungsfeld der Lichttechnik begeben, der Helligkeit, noch ein Wort zu Gestalt. Das ist die Form der Dinge, die wir z.B. mit den Händen erfassen könnten. Man kann diese auch messen, weil sie physikalisch existiert. Ob diese Messung etwas bringt, sei dahingestellt. Wer anders denkt, kann sich z.B. daran machen, den David von Michelangelo mit dem Zollstock zu vermessen.

Wie nimmt einer den David wahr? Sehr unterschiedlich! Denn es gibt drei davon. Sie stehen in Florenz in drei Umgebungen. Der echte David muss wetterbedingt in ein Museum (Galleria dell’Accademia). Eine Kopie steht vor dem Palazzo Vecchio, die andere auf einem Sockel auf der Piazzale Michelangelo. Der letztere David ist aus Bronze, hat aber dieselbe Gestalt. Das Licht in der Galleria wechselt über den ganzen Tag. Zu später Zeit ist es auch elektrisch. Auf dem Palazzo Vecchio kann man von morgens bis abends einen David unter Tageslicht bewundern, zu später Zeit naturgemäß im Lichterschein der Cafes drumherum. Den David in Bronze sieht man vor dem Panorama der Stadt Florenz, aber gegen den Himmel. Wie David einst, vor einer Ziegelmauer lieblos aufgestellt, ausgesehen hat, will man besser nicht wissen. Ich zeige das Bild dennoch, damit es deutlich wird, was eines der wichtigsten Kunstwerke der Geschichte mit seiner Umgebung gewinnt oder verliert.

Welchen Anteil an den Eindrücken, die die Menschen erleben, bestimmt der Beitrag der Lichttechnik? Erleben sie nur das, was sie sehen? Die Bibelschüler, die Taliban, die Touristen auf dem Platz, die Kunstschüler?

Die Lichttechnik liefert zum einen die Technik, also die Lampen und Leuchten, und zum anderen die Sehleistung, das ist was man braucht, um etwas zu erkennen. Um David zu erleben, braucht man nur wenig davon. Wer hingegen Oberflächenfehler auf dem Blech suchen will, bevor es zum Auto wird, kann es ohne den Beitrag der Lichttechnik nicht. Wir verbringen aber unser Leben nicht in solchen Umgebungen und trennen nicht scharf zwischen einem Privatleben, wo uns wohlgeformte Produkte unter die Nase gehalten werden, wenn wir als Käufer auftreten, und einem Berufsleben, wo sich alles einer Leistung unterordnet. Schon gar nicht einer Sehleistung, von der niemand weiß, was sie ist, bis man den Faden durch die Öse ziehen muss.
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Die Lichttechnik hat sich auf die Helligkeit konzentriert, die das Erkennen der Dinge ermöglicht bzw. erleichtert. Diese Aufgabe ist keine Kleinigkeit. Vielmehr hat sie mit dem Beitrag dazu Industriegeschichte geschrieben. Allerdings musste man zu diesem Zweck erstens von den Umgebungen für das Privatleben verabschieden. So gehört der Bereich "Wohnraumleuchten" nicht zum harten Bereich von Lichttechnik. Die Unternehmen, die auf dem Gebiet tätig sind, dürfen sich Leuchtmittel kaufen und diese in ihre Produkte einbauen, die man verächtlich als Lichttöter bezeichnet. Die Normen der Lichttechnik sparen diesen Bereich aus: „Die Gestaltung der Beleuchtung lässt sich nicht in Richtlinien festlegen.“, sagte DIN 5035-1 von 1979.

Von dem Rest der Nichtwohngebäude will man auch nicht alles wissen. Die dort angesiedelten Räume werden in zwei Gruppen geteilt: sog. stimmungsbetonte Räume und … (Ich lästere oft, das seien stimmungstötende Räume). Dementsprechend unterschiedlich fällt der normative Rat aus, an dem die LiTG seit etwa 1935 beteiligt war: „In den stimmungsbetonten Räumen spielen gestalterische Gesichtspunkte und solche der Behaglichkeit eine Rolle.“, hieß es in der Norm. Wie man bei solchen Räumen gestalterische Gesichtspunkte behandelt, umschreibt, regelt…? Fehlanzeige. Das überließ man an ungenannte andere. Gestalterische Aspekte und Behaglichkeit spielen in Arbeitsräumen keine Rolle.

Und man sah die Hauptaufgabe darin, die Arbeitsräume zu beglücken: "In Arbeitsräumen muß die Beleuchtung eines müheloses Erkennen der Sehobjekte ermöglichen." Man konnte übrigens mühelos erkennen, was für Künstler da am Werk waren.

Just darum geht es im 112. Lebensjahr der LiTG. Mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer arbeitet am Computer und pfeift auf die Sehleistung. Für viele von ihnen bietet die Beleuchtung das Gegenteil von Sehleistung - Störungen des Sehens. Zudem ist die einst wohlbegründete Trennung zwischen dem Arbeitsraum und dem Wohnraum unwiderbringlich entfallen. Viele Arbeitgeber kämpfen darum, ihre Angestellten in die Büros zu locken.
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Sollen die Leute doch mit ihren geliebten Wohnraumleuchten glücklich werden! Leider war es dem nie so, dass Menschen in ihrer Wohnumgebung auf eine hohe Sehleistung verzichten konnten, während sie in ihrer Arbeitsumgebung diese unbedingt gebraucht hätten. Die Trennung war nur durch den Marktsegment bedingt, den bestimmte Firmen bedienen wollten. Auch in Wohnbereichen braucht man funktionelle Leuchten. Sie dürfen nur nicht nach lieblos gebogenem Blech ausschauen. In diesem Zusammenhang sagte einst ein bekannter Leuchtenentwickler seufzend: "Loch an der Decke braucht kein Design."

Die Namensänderung der LiTG bedeutet nichts anderes als die Anerkennung der Sachlage: Wir brauchen Lichtprodukte von 100% dekorativ bis 100% funktional. Dass man so etwas nicht normativ regeln kann, ist nur der Phantasiearmut der einstigen Protagonisten zu verdanken. Es geht. Nur nicht so, wie es gemacht wurde.

 

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Nicht wie einst Lili Marleen
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16.09.2022

Obwohl der Bericht mit etwas Kritik an die Umwandlung des nächtlichen Straßenbildes durch die LED daherkommt, bleibt er weit hinter den wissenschaftlichen Erkenntnissen anderer Art zurück. Diese fasst man unter dem Wort LAN - Light at Night oder ALAN - Artificial Light at Night zusammen.

Zunächst zum Bericht: "Da blaues Licht beispielsweise die Ausschüttung des Hormons Melatonin hemmt, das schlaffördernd wirkt, kann die Umstellung auf LEDs Auswirkungen auf Tier und Mensch haben, schreibt das Forscherteam der University of Exeter in Penryn um Kevin Gaston. „Die Vorteile, die die LED-Technologie für die öffentliche Beleuchtung und insbesondere die Straßenbeleuchtung bieten kann, wurden viel gerühmt, wobei der Schwerpunkt auf einer höheren Energieeffizienz und der damit verbundenen Reduzierung der Energiekosten und Kohlendioxid-Emissionen lag“, heißt es in der Studie."

Weiterhin schreiben die Forscher, was eigentlich alle wissen müssen: "Der Grund dafür liegt in den üblichen Satellitensensoren, die für die Messung der künstlichen Beleuchtung eingesetzt werden und die nur die Intensität des Lichts, aber nicht dessen Farbe registrieren. Noch dazu sind diese Sensoren kaum empfindlich für die Wellenlängen des blauen Lichts." Nicht nur die üblichen Satellitensensoren, sondern alle Sensoren, die Licht messen, ignorieren Blau wie Rot, nicht etwa aus Versehen, sondern definitionsgemäß. Das haben die Beleuchtungstechniker 1924 so definiert und den Begriff Licht für sich gekapert. Dieser Begriff bezeichnet nicht etwa alle Lichtwirkungen, sondern nur die Hellempfindung, nicht etwa die Hellempfindung für alle Lebewesen, mit denen wir die Welt oder die Wohnung teilen, sondern nur die für den Menschen. Und nicht etwa alle Menschen, sondern nur für junge Menschen. Nach 98 Jahren wurde deren internationales Wörterbuch total überarbeitet. Wer die neue Definition liest, wird auf den Rücken fallen: "[light] radiation within the spectral range of visible radiation", also wie immer sichtbare Strahlung. Aber das dicke Ende kommt noch . "Sometimes, the term "light" is also used in physics as a synonym of optical radiation, … This misuse of the term "light" should be avoided." Salopp übersetzt: "In der Physik der Begriff "Licht" wird manchmal als Synonym für optische Strahlung benutzt. Ein solcher Missbrauch des Begriffs "Licht" ist zu vermeiden." Die Physik missbraucht den Begriff Licht. Welchen Begriff hatte eigentlich Gott gemeint, als er sprach: "Es werde Licht!"?

Als Folge dieser Kaperung des Begriffs wird aus der natürlichen Strahlung, die Mensch wie Pflanzen oder Tiere maßgeblich beeinflusst, das herausgeschnitten, was zum absichtlichen Sehen von Objekten dient, auf die man fokussiert. Denn die 1924 definierte Kurve berücksichtigt nur das Zentrum der Retina. Sehen tun wir aber mit dem gesamten Auge. So sind die feinsten Lichtinstrumente blind für alle sonstigen Wirkungen auf den Menschen und bewerten das natürliche Licht, unter dem alle Pflanzen leben und gedeihen, nach der komplett falschen Bewertungskurve.

Was können denn Wirkungen sein, die man so übersieht bzw. nicht versteht? Der Überbegriff für alle wird in dem Artikel vom Tagesspiegel erwähnt, aber nicht ganz "Weil blaues Licht die Ausschüttung des auch für das Immunsystem wichtigen „Schlafhormons“ Melatonin hemmt, kann der Biorhythmus bei Tieren, aber auch beim Menschen durcheinandergeraten. …" Eine Studie, die weltweit alle annehmbaren Wirkungen von LAN (Light at Night) ausgewertet hat, kommt zu diesem Schluss: "“Artificial light at night is significantly correlated for all forms of cancer as well as lung, breast, colorectal, and prostate cancers individually.” In Deutsch, künstliche Beleuchtung in der Nacht ist signifikant korreliert mit allen Arten von Krebs, im Einzelnen mit Lungen-, Brust-, Dickdarm- und Prostata-Krebs." (Quelle: Al-Naggar, R. A., & Anil, S. (2016). Artificial Light at Night and Cancer: Global Study. Asian Pacific Journal of Cancer Prevention: APJCP)

Während der in dem Artikel genannte Missetäter, die Straßenbeleuchtung, eine Funktion erfüllt, die den Menschen bereits im Alten Rom bedeutend erschienen war, deswegen hatten sie den Laternarius erfunden, sind unsere Städte voll mit z.T. scheußlichen "Illuminationen", die man braucht wie ein Klavier beim Schwimmen ans Knie gebunden. Es ist Zeit, Lichtverschmutzung ernst zu nehmen. (Artikel im Tagesspiegel 15.9.2022 hier)

Vor der KaserneVor dem großen TorSteht eine LaterneUnd ist blauer als je zuvor
So woll'n wir uns da nicht mehr wieder seh'n
Bei dieser Laterne wollen wir nicht steh'n!
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Blaues Laternen-Licht wird zum Problem
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So tituliert der Berliner Tagesspiegel die Änderung des Weltbildes des nächtlichen Planeten. "Die Umstellung von Straßenlampen auf LEDs in vielen Ländern Europas hat das Farbspektrum der nächtlichen Beleuchtung verändert – mit möglichen Folgen für Mensch und Tier. Das schreiben britische Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Science Advances“. Sie hatten anhand von Fotos, die von der Internationalen Raumstation ISS aus aufgenommen wurden, festgestellt, dass durch LEDs insbesondere der Anteil der Emissionen im blauen Bereich des Spektrums zugenommen hat. Deutschland ist von diesem Effekt ebenfalls bereits betroffen, …"

High Noon oder täglich Scirocco - vom Konzept einer künstlichen Lebenswelt
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25.07.2022

Menschen, die sich z.B. in einem Großraumbüro unwohl fühlen, suchen die Lösung ihrer Probleme beim nächsten Verantwortlichen, den sie dafür halten. Zu allererst trifft es die Haustechnik. Das sind Männer, die vor Bildschirmen sitzen und die Klimaanlage kontrollieren. Die tun ihr Bestes. Leider ist das Beste, was sie können, nie genug. Außer an heißen Sommertagen, wo alle nur ein wichtiges Bedürfnis haben. Kühle! An solchen Tagen kommt keiner auf die Idee, auf die Beleuchtung zu schimpfen. Die ist meistens aus. Sie kommt an die Reihe, wenn sich der Herbst meldet. Und egal bei welchem Wetter, man schimpft über Lärm im Büro. Seit Generationen sind Akustiker eifrig dabei, die Probleme zu lösen. Wenn sie noch nicht gestorben sind, lösen sie auch morgen noch …

Selten kommt jemand auf die Idee, dass die Schöpfer unserer Probleme von heute schon längst gestorben sind, aber nicht ihre Vorstellungen. Diese überleben ihre Väter (Mütter waren es mehrheitlich nicht, weil alle Ingeniere waren) unbemerkt, als lästiges Erbe sozusagen. Eine solche Vorstellung feiert fröhliche Urständ in Form von Empfehlungen zu gesundem Licht im Innenraum, geschrieben von einer hochkarätigen Gruppe von Medizinern (hier). Sie fordern tagsüber ein Minimum an Licht, das ins Auge geht. Und das Maß dazu ist das Tageslicht. Ist das etwa ein Problem?

Ganz und gar nicht. Denn die Vorstellung, mit Tageslicht eine gesunde Umgebung zu schaffen, stammt auf dem späten 19. Jahrhundert und wurde von den Progressiven entwickelt. Diese wurden angetrieben durch die verdüsterten Städte wie Manchester oder New York in der Spätphase der industriellen Revolution, aus denen übrigen Marx und Engels den Kommunismus entwickelten. Das Tageslicht sollte Wohn- wie Arbeitsstätten erleuchten.

Leider stellte man schnell fest, dass es gar nicht so einfach ist, das gesunde Tageslicht in die Räume zu locken. Denn der Ruß und Rauch, die die Städte verdunkelten, machten auch vor den Fenstern kein Halt. Sie waren bald dicht. Und UV-Licht, das gesund sein sollte, machte im Winter sowieso einen Bogen um New York, Chicago oder London. Ergo? Wir bilden den Tag im Innenraum mit Lampen nach. Es fragt sich welchen? Die Antwort, die der Spiritus Rector der ganzen Idee, Matthew Luckiesh, fand, unterscheidet sich nur wenige Grad Kelvin von der heutigen Lösung. Luckiesh, Leiter des Entwicklungslabors von General Electric zu Beginn des 20. Jahrhunderts, setzte der Lichttechnik das Ziel, den mittleren Sommertag zu simulieren. Und das rund um die Uhr. Dieser hätte eine Farbtemperatur von 6300 K, so nach dem Augenmediziner Höfling. Die heutigen Mediziner, allesamt Chronobiologen, machen ein Tageslichtäquivalent D65 zum Maßstab. Dessen Farbtemperatur beträgt 6504 K. Und danach werden alle melanopischen Beleuchtungswerte berechnet.

Theorie beiseite, was sagt die Praxis? Höfling hat vor über 40 Jahren festgestellt, dass dieses Tageslicht keineswegs den Tageslichtverhältnissen im Raum entspricht. Er spricht davon, der Volksmund hätte die Lampen als zu blau, kalkig und leichenfarbig empfunden. Soll etwa das gesunde Licht  für die Zukunft sein?

Das Problem liegt darin, dass das Tageslicht extrem veränderlich ist. Auch dessen Verschwinden, die Nacht, hat eine Bedeutung, die schon in der Bibel zu Beginn der Schöpfungsgeschichte steht "Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht.  Und Gott sah, dass das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis 5 und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag." Können wir dies nachbilden?

Mag sein. Wir müssen aber noch mehr nachbilden, wenn die künstliche Umgebung perfekt sein soll. Was das bedeutet, hatte ein gewisser Weber, Autor von "Praktische Erfahrungen bei fensterlosen Arbeitsräumen" im Jahre 1969 so dargestellt: "… richtige Dosierung folgender Reize: Eine Luftbewegung durch die Klimaanlage, akustische Reize durch die Maschinen, stärkere optische Gestaltung durch die Farbgestaltung sowie letztlich durch die Tätigkeit am Arbeitsplatz selbst." Ergo, wir müssen nicht nur den mittleren Sommertag, leider mit bewölktem Himmel und diffusem Licht, simulieren, sondern auch Umweltreize durch Maschinengeräusche. Wie man dabei vorgeht, wüsste ich sehr gerne. Noch schöner wäre es zu wissen, wie man durch farbige Umweltgestaltung den Blick in die Natur ersetzen soll. Leider ist der Autor der Weisheiten verstorben, ohne die Lösung zu verraten.

Wer heute seine Probleme mit der Arbeitsumgebung gelöst oder gemildert haben möchte, muss sich die Vorwahl vom Himmel besorgen (oder vielleicht von dem wärmeren Teil davon). Wer, was, wann verzapft hat, kann ich bei Licht gut verorten. Bei dem Rest geht es weniger gut. O Herr, gib uns unser täglich Scirocco! Begleitet durch Geräusche einer Nähmaschine oder Windmühle.

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Es isch over
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Heute sprach der Berliner Tagesspiegel von schmutzigen Lichtern der Großstadt und meinte Berlin. Zwar hat die Geschichte der Straßenbeleuchtung nicht hier angefangen. Kaum eine Stadt der Welt hat den Titel "City of Lights" aber besser verdient als Berlin. So beschreibt der Artikel denn auch, wie sich die öffentliche Beleuchtung von Berlin entwickelt hat. Im Anfang stand die Verordnung des Großen Kurfürsten von 1679 jedes dritte Haus mit einer Laterne zu versehen, egal womit. Die Armen konnten mit ranzigem Fett beleuchten, die Reichen mit Wachskerzen. Davon soll die Lindenoper bei einer Veranstaltung 3000 Pfund verbraucht haben. Innen wie außen. Es isch over, würde heute Wolfgang S. sagen, wäre er noch an der Macht. Von Festival of Lights zu "schmutzigen Lichtern der Großstadt"!

Vorgestern sprach der deutsche Wirtschaftsminister an das Volk, es möge kürzer duschen. Bis auf die FDP, die bekanntlich die Freiheit liebt, hört man nirgendwo eine Widerrede. Deren Haudegen Kubicki soll gesagt haben, er gucke unter der Dusche nicht auf die Uhr. Ich denke aber, das war so ein Reflex. Was das Volk derzeit von solchen Figuren hält, hat dessen Reaktion auf die Glamour-Hochzeit des Spitzenpolitikers dieser Partei gezeigt. Sämtliche deutsche Politiker wurden abgestraft. Nur die ewige Sozialistin Sahra W. wurde aufgewertet, auch wenn es zur Beliebheit der Mutti von einst nicht reichte. (Quelle: ZDF-Politbarometer)

Was das Volk dem Finanzminister als Wertschätzung entgegen gebracht hat, könnte bald alle treffen, die in Krisenzeiten weiter machen wie schon immer. So diskutiert der Tagesspiegel schon, ob man in Berlin nicht um Mitternacht die Straßenbeleuchtung abschaltet wie in Posemuckel bereits geschehen. Was gestern noch wie eine Stadt aussah, die nie schläft, könnte morgen schon früh ins Bett beordert werden wie in der Jugendherberge. (hier zum Artikel vom Tagesspiegel)

Wie wahrscheinlich ist das, wenn nicht nur die normgerechte Beleuchtung etwa verdoppelt werden soll, wie die jüngst in Kraft getretene Beleuchtungsnorm so elegant mit Kontextmodifikatoren eingeführt hat. Was das ist? Also: Der Kasten, in dem menschliche Aktivitäten stattfinden, heißt nicht mehr Bürohaus oder Fabrik, sondern Nutzungskontext. Wie dieser Kontext im Normalfall beleuchtet werden soll, wird schon immer in Normen haargenau festgelegt. Zwar weiß keiner, was der Normalfall ist. Aber man soll so tolle Konzepte nicht mit Detailfragen madig machen. Es gibt also einen Normalkontext. Was immer das auch sein mag.

Damit dieser Normalkontext immer eine Mindestbeleuchtungsstärke hat, wurde 2003 der Wartungswert eingeführt. Der darf nie unterschritten werden. Es ist eine Art Grundrecht. Neuerdings muss der Wartungswert erhöht werden, wenn bestimmte Kontextmodifikatoren vorliegen. Die liegen vor z.B. wenn „die Sehaufgabe kritisch für den Arbeitsablauf ist“. So gesehen also immer. Noch ein Kontextmodifikator ist eine erhöhte Konzentration: „Genauigkeit, höhere Produktivität oder erhöhte Konzentration sind von großer Bedeutung“. Also auch immer. Oder „die Sehfähigkeit des Arbeitnehmers liegt unter dem üblichen Sehvermögen“. Dann weiß der Chef, wen er zuerst entlässt. Den Leuten, die lange an einer Aufgabe sitzen, muss auch geholfen werden: „die Aufgabe wird ungewöhnlich lange ausgeführt“  gehört auch zu den 7 Kontextmodifikatoren. Wenn einer also ungewöhnlich lange an einer Aufgabe frimelt, wird er mit einem erhöhten Wartungswert belohnt. Das ist also ein erhöhtes Grundrecht.

Wenn es im nächsten WInter darum geht, ob man lieber etwas frieren, dafür aber mehr essen will oder umgekehrt, werden viele gewohnte Vorstellungen unter die Lupe genommen werden. Man wird sehen, welche Ressourcen weiterhin verbraucht werden dürfen, weil gut begründet. Und welche Dinge entbehrlich sind. Wenn die deutsche Hauptstadt gezwungen werden soll, Windmühlen dort aufzustellen, wo einst der Kaiser zum Spaß und seine Kavallerie für den Ernstfall ritten, im Grunewald, damit mehr Ökostrom produziert wird, werden manche Augen genau hinsehen, ob es denn nötig ist CAD-Arbeitsplätze mit 1000 lx statt mit 500 lx zu beleuchten. Vor 2003 war es 200 lx. Wobei man nicht vergessen darf, dass die dort Arbeitenden zum Arbeiten gar kein Lux brauchen. Wozu denn sonst?

Diese Frage hat der langjährige Chefredakteur von der wichtigsten Publikation der Lichtforschung, Lighting Research and Technology, Peter Boyce überdeutlich beantwortet. Sein Artikel von 1993 trägt den Titel "Von der Festlegung von Beleuchtungsstärken nach der Sehleistung - Und andere Märchen". Wer das Märchen dennoch hat drei weitere Jahrzehnte länger erzählen wollen, muss jetzt anderen erklären, wie denn 50 Tabellen mit Tausenden Anforderungen bis hin zur Gleichmäßigkeit der Beleuchtungsstärke an den Decken von Ankunftshallen von Flughäfen entstanden sind. Boyce hatte für die Zeit vor 1993 recherchiert und eine eindeutige Antwort gefunden: Die festgelegten Beleuchtungsstärkewerte folgen der allgemeinen Wirtschaftslage. (hier) Unser Institut hat noch tiefer recherchiert und herausgefunden, wie die überhaupt entstanden sind (hier). Mit der Sehleistung haben sie jedenfalls nichts zu tun.

Mal sehen, wie man das Ganze im kommenden Winter sieht.

INSELN VERSENKEN MIT LICHT

Die Welt hat verstanden: Wenn man weiterhin mit fossilen Brennstoffen die Atmosphäre voll CO2 pumpt, steigt der Meerwasserspiegel. Am Himalaya wird sich das vielleicht nicht auswirken, außer dass der Mount Everest zwei Meter weniger über N.N. messen wird. Aber das Land, das gerade 1,5 m über dem Wasser rausguckt, wird es nicht mehr geben. Gluck! Es handelt sich um eine der schönsten Atolllandschaften der Erde, die Inselwelt der Malediven.

Der Präsident der dem Untergang geweihten Republik hat die Sache mit einer spektakulären Aktion publik gemacht: Das Kabinett tagte 2009 unter Wasser (mehr hier). Eigentlich kaum vorzustellen, dass so etwas bei uns passiert - Kabinett Merkel unter Wasser. Man sieht wie einzelne Minister heiße Luft ablassen statt Weisheiten. Die Betonfrisur einer Ministerin gerät durcheinander, was aber nicht weiter auffällt, weil das Make-up stärker derangiert wird. Und über allem schwebt Mutti nebst ihrem Umweltminister, der neulich der uneitelsten Spruch von sich gegeben hat, den je ein Politiker ausgesprochen haben dürfte: Auf die Frage, wie er sich die Speicherung der sommerlichen Sonnenenergie für das winterliche Heizen vorstellt, guckte er kurz auf seinen Bauch und sagte, an der allgemeinen Lösung würden seine Fachleute derzeit arbeiten. Die private Lösung sei ihm aber bereits gelungen. Bei dem Mann kann ich mir vorstellen, dass er auch als Manta über´m Riff schweben würde, ohne an Würde zu verlieren.

Leider ist der Anlass von diesem Blogbeitrag weniger lustig als der humorvolle Minister: Heute wurde auf Mauna Loa die höchste CO2-Konzentration der letzten 2 Millionen Jahre gemessen. Die Menschen haben nur 55 Jahre benötigt, wofür die Natur 2 Mio Jahre verplempert hat. Soll der Präsident der Malediven demnächst die Tauchgeräte an den Rest seines Volkes austeilen?

Ich denke, das sollte er sofort tun. Denn die Inselwelt könnte viel eher versinken als durch die Erhöhung des Meeresspiegels, die noch 50 oder 100 Jahre auf sich warten lässt. Und die Korallen können in der Zeit weiter wachsen, womit die Republik weiter bestehen könnte, sogar auf einem höheren Niveau. Doch die Korallen benötigen zum Wachstum Nachwuchs, den sie wie viele andere Spezies über sexuelle Kontakte bewerkstelligen. Da die dummen Tiere aber nicht gelernt haben, sich bewegliche Häuser zu bauen wie Schnecken, bleiben sie für immer in der Behausung stecken, die sie mal als Larve ausgesucht haben. Wie läuft ein junger Kerl einer hübschen Schnecke nach, wenn er in einem Zimmer gefangen lebt, und sie auch, aber in einem anderen?

Bei den Korallen geht die Sache recht gut, weil sie nicht an der Luft leben, sondern im Wasser. Die Korallenfrauen lassen ihre Eier einfach ins Wasser, die Korallenmänner tun dasselbe mit den Samen. Fehlt nur noch die Organisation des Zusammentreffens, speed dating für ortsgebundene Riffbewohner - Einsamer sucht Einsame zum Einsamen reicht nicht. Der Einsame und die Einzusamende müssen sich zum gleichen Zeitraum im gleichen physikalischen Raum treffen - Ei und Samen. Und dafür sorgt der Mond mit seinem Licht.

Einmal im Jahr sehen die Riffe nachts aus, als wären sie in Nebel verhüllt. Man sieht aber deutlich, dass es sich nicht um Nebel bzw. Verschmutzung handelt. Es ist die Hochzeitsnacht der Korallen. Was in dieser Nacht keinen Partner gefunden hat, treibt am nächsten Tag oben tatsächlich als eine Art Verschmutzung, während die Glücklichen ihr Larvenleben beginnen, indem sie abtreiben. An einem anderen Ort. Keimzelle eines neuen Riffs?

Und was ist mit dem Untergang? Eine Hochzeitsnacht unter´m Vollmond ist doch was Tolles? Stimmt! Allerdings darf nicht 365 Nächte im Jahr Vollmond sein. Auf den Malediven ist aber die Sache so weit gediehen. In der einstigen Wildnis gibt es kaum Ecken, wo es nachts noch dunkel wird. (mehr hier: http://www.walkabout-talkabout.de/Malediven/Nacht_weg.html oder  hier)

Wenn Korallen 365 Nächte im Jahr Hochzeit feiern (müssen), können sie ihre Eier und Samen jederzeit in die Fluten feuern. Das Ergebnis - bezüglich des Nachwuchses - dürfte wie bei den Menschen ausfallen: Sehr geringe Trefferquote. Als Folge verkalken die menschlichen Gesellschaften. Bei dieser Republik kracht es im Gebälk, weil die Malediven keinen einzigen Stein ihr eigen nennen, sondern nur auf Korallenkalk aufgebaut sind. Die Inseln sind ständig im Auf- und Abbau begriffen und brechen auch ohne Weltuntergang in der Mitte durch, wo dann eine Lagune entsteht - und ein Mini-Atoll drum herum. Andernorts wächst dann ein Thila oder Giri langsam nach oben und bildet die nächste Inselgeneration.

Damit ist Sense, wenn die einstige Wildnis als neue Partymeile nächtlich in Lichterglanz erstrahlt. Man schwebt im Jumbo Jet ein, steigt in einen Wasserflieger um, und schon ist man im Superbungalow. Keine Koralle ohne Korallenhochzeit - Keine Insel, ohne neue Koralle. Es ist als wenn man im ersten Stock wohnt und zugucken muss, wie Keller und Parterre abgetragen werden. Toter Kalk löst sich hervorragend im Wasser. Und die Stelzen unterm Bungalow spülen die Wellen in den Ozean.

Wer beanstandet hatte, dass durch das primitive Verbrennen fossiler Brennstoffe sowie Abfackeln tropischer Wälder der Weltuntergang nur schleppend herbei gezaubert werden kann, kann lernen, wie man das schneller und gründlicher bewerkstelligen kann. Titanic lässt grüßen. Ein leuchtendes Vorbild!

 

Dieser Beitrag stammt aus dem Jahr 2013, als ich meine längste Maledivenreise noch nicht angetreten hatte. Er handelt von der theoretischen Möglichkeit, die Inseln zu versenken. Ein Jahr danach war ich auf der Insel Gan, auf der kurz davor ein internationaler Kongress zur Umweltschutz stattgefunden hatte. Das hierzu erbaute Kongresszentrum hatte bereits angefangen, sich zu senken. Was an antiken Stätten ein Jahrtausend oder mehr dauert, geht auf eine Koralleninsel in wenigen Jahren vonstatten.