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Hurra - Wir sind seit heute so weit wie  1975 - Freie Sicht für freie Bürger
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15.12.2022

Heute bekam ich die Meldung, dass die ASR A3.4 Beleuchtung endlich der Arbeitsstättenverordnung angepaßt wird. Es wird drin stehen, dass
"(1) Der Arbeitgeber darf als Arbeitsräume nur solche Räume betreiben, die möglichst ausreichend Tageslicht erhalten und die eine Sichtverbindung nach außen haben."

Das ist zwar schon seit 2016 Gesetz, aber jemand blockierte die Berücksichtigung des Gesetzes in den Technischen Regeln für den Arbeitsschutz. Wer könnte das gewesen sein? Wer die üblichen Verdächtigen im Sinn  hat, liegt goldrichtig. Die Vorschrift war bereits 1975 in die ArbStättV eingeführt worden. Und sah so aus:

Unter Beleuchtung führte der Staat als erstes die Verbindung zum hellen Tag an! Und setzte weltweit Maßstäbe für den Bau von Arbeitsstätten!

Im Jahr 2004 hatten zwei mittlerweile ausrangierte Politiker - Wolfgang Clement von der SPD und Ede Stoiber von der CSU - übereingekommen, dass dies zu viel des Guten war. Sie haben damals auch diesen Punkt "dereguliert". Will sagen, alles aus dem Gesetz entfernt, was den Arbeitgeber zu Maßnahmen zwingen könnte. So auch die Sichtverbindung. Stattdessen stand dort, "die Arbeitsplätze müssen möglichst ausreichend Tageslicht erhalten …

Die Sichtverbindung wurde wohl als Reminiszenz nur noch in die Überschrift eingetragen. Es könnte auch sein, dass ein Beamter der Ministern auf die Sprünge helfen wollte. Wie dem auch sei, deutsche Arbeitsräume mussten nicht mehr eine Ausblick nach außen erlauben. Wozu auch? Wer arbeitet, hat keine Zeit, die er zum Fenster hinaus werfen darf. Diese Formulierung ist rechtlich unbestimmt und in sich widersprüchlich. Es wird einerseits „müssen“ als Pflicht und andererseits „möglichst ausreichend“ als unverbindliche Empfehlung in der Praxis ausgelegt. Was denn Nu? Was ist, wenn man nicht kann, was man muss? 

Indes nicht nur die deutschen Arbeitnehmer sondern auch die Arbeitsschützer waren anderer Meinung als die beiden Politiker, denn die Rechtsprechung hatte präzise ausgesagt, wozu denn diese Vorschrift dient: "In Verbindung mit einer ungehinderten Sichtverbindung nach außen wirkt sich das Tageslicht positiv auf die physische Gesundheit (zum Beispiel Hormonhaushalt) sowie auf die psychische Gesundheit (zum Beispiel Motivation, Arbeitszufriedenheit und Leistungsfähigkeit) der Beschäftigten bei der Arbeit aus." und "Natürliches Licht am Arbeitsplatz und die Sichtverbindung ins Freie sind unter dem Gesichtspunkt der zunehmenden psychischen Belastungen, zum Beispiel zur Vermeidung von „Klausureffekten“, für Beschäftigte in Arbeits- und Aufenthaltsräumen notwendig. Zu diesem Ergebnis kommt auch das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil zum Thema Sichtverbindung nach außen aus dem Jahr 1997." So der Bundesarbeitsminister in der Begründung der Änderung der ArbStättV.

Diese Änderung hatte ganze zwei Jahre auf sich warten lassen, weil der Arbeitgeberpräsident im Jahr 2014 die vom Gesetzgeber verabschiedeten Fassung der ArbStättV hat vom Bundeskanzleramt kassieren lassen. Der meinte, Toiletten wären auch Sanitätsräume und die bräuchten keine Sichtverbindung nach außen. Sonst hätten die da Draußen eine Sichtverbindung nach drinnen. Und das ist wahrlich unerwünscht, wg. Datenschutz und so. Dass die Vorschrift schon 1975 bestand und bis 2014 keine einzige Betriebstoilette eine klare Sichtverbindung von außen nach innen hatte … geschenkt.

Der Änderung der ASR A3.4 sollte ein ähnliches Schicksal noch bevorstehen. Die Arbeitgeber haben das fertige Papier einfach für ungültig erklärt. Dass ihre Vertreter dem zugestimmt hatten … Dann eben weg mit den Vertretern! Nach etwa drei Jahren geschah ein Wunder. Ansonsten wäre es lustig geworden, wenn ein Arbeitnehmer geklagt hätte. Denn unabhängig von der juristischen Lage hätte sich jeder Richter z.B. an das einschlägige Urteil vom Bundesverwaltungsgericht gehalten.

Halbe oder doppelte Beleuchtungsstärke bei Tageslicht?
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Er konnte es nicht lassen. Die Rede ist von K. Petry, dessen Arbeiten die schöne Welt des Lichts in Frage stellten. Dabei hätte er sein Leben ungestört genießen können. Er musste an dem Allerheiligsten rumdoktern, der Beleuchtungsstärke. Dass ich mit dieser Größe meine Probleme habe, wissen in der Lichttechnik viele. Beispielsweise hat meine Darstellung der Entstehung der Werte, die man so in Normen findet, so etwa 125 lx, 300 lx oder 500 lx, bei Mitgliedern eines Ausschusses Lachsalven ausgelöst (mehr hier). Denen selbst war ihr eigenes Tun nie aufgefallen. Meine Arbeit war eine Studie (hier), hingegen hatte Petry immerhin eine Dissertation zu dem Thema geschrieben. Der Titel ist sperrig, aber interessant:
"Zur Bewertung der Mindestbeleuchtungsstärke und der Nutzungszeit von tageslichtorientierten Arbeitsplätzen mit Hilfe des Kontrastwiedergabefaktors und der äquivalenten Kugelbeleuchtungsstärke". Er enthält nämlich zwei wichtige Konzepte aus der Beleuchtungstechnik, von denen keiner etwas wissen will. Kontrastwiedergabefaktor und Kugelbeleuchtungsstärke.

Wozu die gut sind? Sie erklären, dass sich die Techniker in die Tasche lügen, wenn sie von Beleuchtungsstärke sprechen. Denn das Ziel einer guten Beleuchtung für Arbeitszwecke ist, das Sehen zu fördern. Zum Beispiel könnte man die Güte einer Beleuchtung daran messen, wie gut man etwas lesen kann. Oder wie gut man einen Faden durch ein Nadelöhr ziehen kann. Kurz: Sehleistung fördern. Just das geben die Beleuchtungsnormen auch als Ziel vor, denn sie dürfen nicht dem Arbeitsschutz dienen. Der ist Sache des Staats. Erzielt jede Beleuchtung mit 500 lx die gleiche Sehleistung?

Petry sagt, nein. Es kommt darauf an, wie die Beleuchtungsstärke entsteht. Man kann diese durch einen Scheinwerfer (im Innenraum heißen die vornehm Spots) erzeugen, aber auch durch eine große leuchtende Fläche. Die Beleuchter beim Film und Fernsehen wissen, wie man das macht. Manchmal benutzen sie Strahler, manchmal riesige Reflektoren, z.B. wenn eine exotische Schönheit nicht wie ein Schweinchen glänzen soll. Dann wird die noch dazu gepudert. Arbeitsobjekte sollen nicht glänzen. Pudern kann man sie nur selten. Ergo? Man muss sehen, wie man sie am besten erkennt. Z.B. liest sich die Schrift auf dem Papier dann am besten, wenn sie matt ist und auf mattem Papier gedruckt. Fast immer ist sie nicht matt, aber auch nicht glänzend. Je nach Beleuchtung kann man sie mehr oder weniger gut lesen. Wie gut, kann man am besten an dem Kontrast erkennen, also dem Helligkeitsunterschied zwischen der Schrift und ihrem Hintergrund. Und die Fähigkeit einer Beleuchtung, den Kontrast wirksam zu machen, nennt sich Kontrastwiedergabefaktor.

Man muss, um die beste Wiedergabe zu ermitteln, eine Beleuchtung nehmen, deren Quelle vollkommen gleichmäßig leuchtet. Und das ist eine matte Halbkugel, die an allen Stellen die gleiche Helligkeit aufweist. Daher die Kugelbeleuchtungsstärke. Von allen denkbaren Anordnungen von Beleuchtungen erzeugt die Kugel die größte Kontrastwirkung. Da man weder Arbeitsplätze noch Wohnräume mit Kugeln beleuchten kann, muss man andere Lichtquellen benutzen. Und diese müssen immer eine viel größere Beleuchtungsstärke erzeugen als die Kugel, damit man - bei geringeren Kontrast - gleich gut sieht. Diese rechnet man dann theoretisch auf die Kugelbeleuchtungsstärke um. Wie eine solche Umrechnung vor sich geht, hatte ich mit Hilfe der Leuchtdichte illustriert (mit Kontrast geht es analog, aber viel komplizierter) :

Wie ein gedrucktes Buch auf weißem Papier unter ungünstigem Licht aussehen kann, sieht man rechts. Als Kontrastprogramm sieht man dasselbe Buch darunter. Wem das Ganze zu abstrakt vorkommt, kann sich eine Illustrierte nehmen und versuchen, eine Seite komplett zu sehen. Das gelingt praktisch nie, weil die Seite glänzt. Es gibt also immer eine mehr oder weniger große Störung. Petry hat genau diesen Effekt berechnet, um eine Beleuchtung mit Fenstern mit einer genormten künstlichen Beleuchtung zu vergleichen. Erzeugt nun diese Beleuchtung 500 lx sieht ein Mensch bei der Beleuchtung mit Tageslicht schon bei etwa 250 lx gleich gut.

Daraus kann man auch ableiten, dass man auch bei der Indirektbeleuchtung mit einer sehr viel geringeren Beleuchtungsstärke den gleichen Effekt (Sehleistung) erzielt als bei einer Direktbeleuchtung. Ich habe den Effekt etwa gleich hoch eingeschätzt wie bei Petrys Untersuchung. Eine Studie, die  mit Mitteln der Forschungsinitiative Zukunft Bau des Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumforschung gefördert wurde, ist der Sache nachgegangen. Sie hieß "Tageslichtnutzung in Wohn- und Arbeitsräumen zur Verbesserung der visuellen Behaglichkeit und der Aufenthaltsqualität". An die kommt man nur schwer heran, weil ihre Quelle von den Browsern als gefährlich eingestuft wird. Daher muss jeder sein Glück versuchen. (Anm.: Die Quelle ist sicher (Uni Weimar), nur das Zertifikat ist falsch, aber auch von einer sicheren Quelle (DFN-Verein Deutschland).

Offenbar will niemand was von der Kugelbeleuchtungsstärke hören. Dafür sinniert man über die melanopische. Wenn ich mal Zeit habe, schreibe ich über die melanopische Kugelgrößen. Damit kann ich erfolgreich verhindern, dass überhaupt noch jemand was versteht, so es noch nötig sein sollte.

Nicht-visuelle Wirkungen von Licht - Heißt das unsichtbar, die Wirkungen?
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Bei dem Thema "Licht und Gesundheit" fällt mir fast immer eine Phrase ein "Grandios vergeigt!". Gestern war es wieder so weit. Ein Kollege schickte mir einen Normenentwurf, den ich gefühlt Jahrzehnte kenne. In echt ist er nur drei Jahre alt - und schon wieder veraltet. Denn die darin zu lesende Message hatte mir mein Professor mitgeteilt - so etwa 1968. Später habe ich sie meinen Studenten weiter gegeben. Ich hoffe, die haben sie auch weiter gegeben. Bei meinem Professor ist es allerdings nicht bei Worten geblieben. Heute beruft sich der ASTA, Ausschuss für Arbeitsstätten, auf eine gesetzliche Bestimmung, die er bewirkt hat, wenn es um nicht-visuelle Wirkungen von Licht geht. 63 Jahre frisch geblieben und immer noch besser als das, was man heute mit großem Aufwand als eine wissenschaftlich fundierte Erkenntnis von Weltrang etablieren will. Uffff!

Es geht um die Erkenntnis, dass Licht nicht nur zum Sehen da ist. Es soll psychologische und physiologische Wirkungen haben. Der Laie hat keine Probleme damit. Das kennt er. Das Problem sind die Fachleute. Die haben vor rund 100 Jahren bestimmt, dass Licht zum Sehen diene und beschlossen, alle seine diesbezüglich relevanten Eigenschaften zu beschrieben und zu normen. Protest gab es von Leuten, die behaupteten, das Licht diene auch der Gesundheit. Und Gesundheit sei auch eine psychologische Wirkung - man freue sich am Gesehenen. Ob man glaubt oder nicht - das Licht war ein hohes Politikum. Noch unglaublicher ist das: Der deutsche Staat gründete im Jahr 1934 das "Amt für die Schönheit der Arbeit" mit der größten Abteilung "Gutes Licht".
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Der Staat ließ es nicht dabei bewenden. Er ließ schöne Filme drehen, um gutes Licht zu fördern. Eine DIN-Norm musste her (DIN 5035 vom Jahre 1935). Dabei entstand ein klitzekleiner Fehler, den man heute mit Kräften versucht, rückgängig zu machen. Es wurden zwei Normen für Licht erstellt. Eine für die künstliche Beleuchtung (wie gesagt, DIN 5035) und eine für die natürliche, DIN 5034. Irgendwie musste sich das Licht in den Arbeitsräumen mischen. Da verließ man sich auf die Natur. Niemand kann verhindern, dass sich das elektrische Licht mit dem Sonnenlicht mischt. Leider verstand das mancher "Fachmann" als Zwielicht. Anfang der 1970er Jahre sollte es verschwinden. Die Lichttechnische Gesellschaft diskutierte auf einer Sondertagung 1971 "Auge - Licht - Arbeit" fensterlose Arbeitsräume. Und die erste Ausgabe von DIN 5035, die Abschied vom Tageslicht bedeutete, entstand 1972. Die Zukunft sollte dem Großraumbüro gehören, das den Tag nur aus der Ferne ahnen ließ wie die großen Fabrikhallen auch. Ansonsten hieß es nach den Worten des großen Vorsitzenden des Ausschusses Innenraumbeleuchtung "Bei seitlicher Befensterung können gehobene Ansprüche an die Beleuchtung, wie sie in der künstlichen Beleuchtung gestellt werden, nicht befriedigt werden." Will sagen, nur die künstliche Beleuchtung reicht qualitativ für den Menschen aus. Da Fenster definitionsgemäß seitlich angeordnet sind - sonst hießen sie Oberlichter - können sie gehobenen Ansprüchen nicht genügen. Wer die Ansprüche stellt, ist übrigens ein großes Geheimnis. Die Benutzer sind es nicht. Die lieben die Fenster.

Ungeachtet all des fachmännischen Rats erschien 1975 in der ersten Arbeitsstättenverordnung der Bundesrepublik Deutschland unter Beleuchtung eine Vorschrift, die kein Lichttechniker so gewollt hätte, außer zwei. Der eine war mein Chef, und der andere war ein Kollege. Die beiden haben es geschafft, diese Vorschrift in die Welt zu setzen.

Das war übrigens der Aufhänger, mit dem der Arbeitgeberpräsident im Jahr 2014 die vom Gesetzgeber verabschiedeten Fassung der ArbStättV hat vom Bundeskanzleramt kassieren lassen. Der meinte, Toiletten wären auch Sanitätsräume und die bräuchten keine Sichtverbindung nach außen. Sonst hätten die da Draußen eine Sichtverbindung nach drinnen. Und das ist wahrlich unerwünscht, wg. Datenschutz und so.

Auch mancher Arbeitgeber war nicht allzu glücklich damit und nutzte ein Schlupfloch. Arbeitsräume mit einer Grundfläche von mindestens 2000 m2 mit Oberlichtern waren ausgenommen. So hat z.B. Heinz Nixdorf seine Arbeitsstätten sehr "flexibel" gestaltet. Die hatten mindestens 2001 m2. Somit brauchten sie keine Sichtverbindung. Sie hätten allerdings eine lichte Höhe von mindestens 3,25 m aufweisen müssen. Kein Problem für den findigen Unternehmer. Wenn sich die Gewerbeaufsicht meldete, wurden die Räume schwuppdiwupp unterteilt. Die Aufsichtsbeamten hatten bei diesem Besuch nur die Raumhöhe betrachten dürfen. Die Sichtverbindung nicht.

Der größte Teil der Arbeitgeber war allerdings nicht so findig und hielt sich brav an die Vorschrift. Aber niemand konnte verstehen, was diese Vorschrift unter "Beleuchtung" zu suchen hatte. Musste auch nicht. Die Vorschrift war unter Mitwirkung einer Psychologin erarbeitet worden und betraf nur die Psychologie. Die Beleuchtungswirkung ist reine Konterbande. Worauf basierte die Forschung und warum haben zwei Lichttechniker eine Vorschrift zur Psychologie erarbeitet? Den Grund sieht man hier. Er stammt aus der Broschüre "Ein kleines Kapitel praktischer Lichttechnik" von 1970. Allerdings war dies schon die 18. Auflage.

Die erste Chance, in die Fußstapfen der anscheinend erfolgreichen Forscher aus den 1960er und 1970er Jahren zu treten, entstand als unser Institut den Forschungsbericht "Licht und Gesundheit" veröffentlichte. Das war 1990. Darin wurde abgeleitet, welche Art der Beleuchtung die beste Akzeptanz fand und vor allem warum. Wir haben in den folgenden Jahren dann diese Beleuchtung optimiert, an ca. 1500 Arbeitsplätzen installiert und die (positive) Wirkung dokumentiert. Nur die lichttechnische Industrie konnte damit nicht warm werden, denn die Hauptaussage des Forschungsberichts war, dass die Mehrzahl der Probanden die Beleuchtung als eine Störung ihrer Gesundheit erlebte. Dass es aber auch Beleuchtungen gab, die von fast allen akzeptiert wurden und sich positiv auf die Gesundheit wirkten und wirken? Man wollte halt Leuchten verkaufen, die man nicht auf den Bildschirmen reflektiert sehen würde. Dass diese Leuchten den Büros einen Höhlenlook verpassten? Ach, was, interessiert keinen.

Die zweite Chance kam etwa 10 Jahre später und war viel gewaltiger. Forscher hatten im Auge Sehzellen identifiziert, die die Tagesrhythmik der menschlichen Hormone steuern. Nur menschliche Hormone? Selbst Tiere der Tiefsee, die nie Tageslicht sehen, zeigen eine 24-Stunden-Rhythmik in ihrem Verhalten. Und ich dachte, jetzt werde man endlich sich den nicht-visuellen Wirkungen des Lichts annehmen. Das schien sich zu bewahrheiten, als die CIE im Jahr 2004 ein Symposium veranstaltete: "Light and Health: Non-visual effects". Vielleicht war der Tagungsort nicht allzu kreativ gewählt: Universität für Musik und Darstellende Kunst in Wien. Es folgten eher abstrakte Aktionen aber keine technischen Innovationen. Dass die CIE nicht vollends in einen Schnarchmodus verfallen war, erlebte die Welt als sie die Marschroute zu neuen Lichtwelten festlegte. In 2016 - also schlappe 12 Jahre später - erschien ein Technical Report "Research Roadmap for Healthful Interior Lighting Applications", vorbereitet unter der Leitung einer kanadischen Koryphäe, die Psychologin ist.

Wer allerdings dieses Werk studierte, konnte sich schnarchen legen, ohne befürchten zu müssen, etwas zu verpassen. Denn die zu klärenden Fragen wiesen gewaltige Ausmaße auf, während sich die geklärten Umstände in der CIE-Literatur ziemlich bescheiden ausnahmen. Doch die CIE war ungemein aktiv, für ihre Verhältnisse jedenfalls. Sie veröffentlichte eine offizielle Stellungnahme in 2015, in dem ein guter Slogan proklamiert wurde "Recommending proper light at the proper time", will sagen, "Das richtige Licht zur richtigen Zeit". Damit wollte man endlich damit aufhören, das falsche Licht zur falschen Zeit vorzuschreiben, was Beleuchtungsnormen weltweit tun und wohl auf absehbare Zeit tun werden. Unser Institut hatte in einem Gutachten für die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zusammen mit dem lichttechnischen Institut der Uni Ilmenau just dies und viel mehr empfohlen, aber Jahre zuvor in 2011.

Die Stellungnahme der CIE wurde im Jahre 2019 erneut ausgegeben. Diesmal gab man an, endlich Butter bei die Fische zu tun. Man wolle in Zusammenarbeit mit der ISO die Norm ISO 8995-1:2002 alias CIE S 008:2001 wieder aktivieren. Diese war nämlich 2001 erschienen und von allen guten Geistern in Ruhe gelassen worden. Niemand hat sie je angewendet. Immerhin - man tut sein Bestes. Wir werden im Laufe des Jahrzehnts sicherlich erleben, dass die gute alte Norm ISO 8995 in voller Schönheit wieder aufersteht, bevor es 30 wird. Volljährig ist sie bereits 2019 gewesen, als die Erklärung erschienen war.

Damit die Zeit einem nicht langweilig wird, gibt es ein Technical Report zum Thema. Darin finden sich viele Statements zu den Vorteilen einer sog. "integrativen" Beleuchtung. Die heißt so, weil sie nicht nur die Wirkungen vom Licht auf das Sehen berücksichtigt, sondern auch auf die Gesundheit und das Wohlbefinden (s. oben die Bemerkung zum Kenntnisstand von 1968). Allerdings sind die deutlichen Warnungen nicht zu übersehen.

Will sagen, die Beleuchtung muss von qualifizierten Spezialisten geplant und auch angewendet werden. Zudem kann man gute Ergebnisse nur dann erzielen, wenn der Lichtplaner mit einer muttidisziplinären Mannschaft kooperiert, wozu u.a. angehören Arbeitsmediziner, Psychologen und sonstige. Mir sind die ersten beiden Expertengruppen bekannt, allerdings nicht aus der Lichtplanung. Die sonstigen sind wirklich wichtig. Man wüsste gerne, wer damit gemeint ist. Ansonsten muss der Lichtplaner eben selber zusehen, mit wem der kooperiert.

Was diese Expertengruppe wissen muss, bevor das integrative Licht geplant wird? Ganz einfach, wirklich unglaublich einfach:

  • Benutzereigenschaften (z.B. Altersverteilung, Sehfähigkeit, Gesundheitszustand)
  • Tätigkeitsprofil (vorwiegend stehend, vorwiegend sitzend oder in nur einer Position)
  • Kontrollierbare oder Nicht-kontrollierbare Benutzerpopulation

Man zeige mir auch nur einen einzigen Lichtplaner, der dieses Wissen hat. Nicht einmal der Arbeitgeber hat es.  Was wenn er es denn hätte? Seit einigen Jahrzehnten werden Bürohäuser "spekulativ" gebaut. D.h., man erstellt das Gebäude und vermietet oder verleast es anschließend. Zwar ist der künftige Mieter oft bekannt, der wird aber den Deubel tun und dem Lichtplaner Daten zur Verfügung stellen, die die Sehfähigkeit der Belegschaft oder gar den Gesundheitszustand aufschlüsseln. Zudem steht manches Gebäude zwar fast ewig, 80 Jahre oder länger. Die Nutzer geben sich aber die Klinke. So geschehen mit Denkmal geschützten Gebäuden von AEG in Berlin. Als die AEG in die ewigen Jagdgründe wechselte, übernahm Nixdorf diese und machte ein Innovationszentrum. Als dann auch Nixdorf der AEG in den Industriehimmel folgte, zog die Berliner Sparkasse ein. Deren MItarbeiter arbeiteten wie einst alle Büromenschen - sitzend. Mit der Ergonomie zog die stehende Arbeitsweise ein. Trotzdem will oder muss ein Teil der Belegschaft sitzend arbeiten. Was macht eigentlich die Expertentruppe mit diesbezüglichem Wissen, wenn sie es denn bekäme? Sie muss sie beachten, um Folgendes zu bewerten:

  • vorhersehbare Gesundheitsbedingungen, die zu erwarten sind
  • generalisierte Schlafrhythmen (es ist zu erwarten, dass Teenager andere Schlafgewohnheiten haben als ältere Insassen)
  • die Menge des Lichts am Auge, die benötigt wird, um eine circadiane Aktivierung zu erzeugen, was sich von Person zu Person unterscheidet.

Generalisierte Schlafrhythmen bewerten? Diese Aufgabe werden Lichtplaner einem mit Handkuss abnehmen. Von dem Lichtdesigner wird etwa eine ähnliche Fähigkeit erwartet wie von Clark Kent beim Heben von Lokomotiven samt Brücke, die einstürzen will. Z.B. muss dieser Folgendes können:

  • Es können Konflikte eintreten durch unterschiedliche Bedürfnisse (z.B. durch unterschiedliche Benutzer des gleichen Ortes). Der Designer muss das Problem lösen, ohne die Qualität der Beleuchtung zu beeinträchtigen.

Lichtdesigner und Lichtqualität! Den Lichtplaner oder Lighting Designer gibt es leider nicht. Es gibt zwar Menschen und Firmen, die sich so nennen, sie unterscheiden sich voneinander gewaltig. Deren Fachverbände versuchen seit Ewigkeiten, eine anerkannte Berufsbezeichnung durchzusetzen. Bislang vergeblich. Und Lichtqualität wurde zum 1.1.2021 nach 100-jähriger Geschichte der CIE zum ersten Mal erwähnt (hier oder da) Was die sein soll, muss noch ausgearbeitet werden. Wir haben ja Zeit.

Nachdem ich das alles gelesen hatte, habe ich den zuständigen Ausschuss gefragt, um was für eine Beleuchtung es hierbei handelt, das derart aufwändig gestaltet werden soll. Die Antwort lautet, alles gilt für jede Beleuchtung. Bevor ich demnächst zum Baumarkt gehe, um mir paar Lampen zu besorgen, werde ich anrufen und fragen, ob ich mein Beraterteam mitbringen muss oder ob der Baumarkt mir Psychologen, Arbeitsmediziner und auch sonstige zur Verfügung stellt.

Verstehen Sie jetzt, warum ich denke "Grandios vergeigt"?

Licht macht krank - Licht macht gesund

 

Vor Jahren hatten wir eine lange Studie gebraucht, um zu zeigen, dass die direkt-strahlenden Leuchten - einst als BAP-Leuchte eingeführt - nicht nur jeden Büroraum in eine Höhle verwandeln, sondern auch nachweislich gegen den Arbeitsschutz verstoßen. Wer es gerne ausführlich lesen möchte, kann es hier. Heute ist es mir zufällig gelungen, zwei Bilder zu finden, die einen großen Raum zeigen, von dessen Funktion viele von uns profitieren, Das erste Foto zeigt einen Ausschnitt der früheren Beleuchtung. Sie war mit Spiegelrastern bestückt, die entsprechend der verblichenen DIN 5035-7 Reflexionen auf den Bildschirmen vermeiden sollten.

Kennt jemand den Begriff "graveyard shift"? Das ist die Schicht vom Sonnabend zu Sonntag. Man fühlt sich nahe am Grab, weil alle anderen ausgehen, tanzen oder sich irgendwie anders amüsieren. Und ich muss mich hier mit einer Glotze vergnügen. Eine Wohlfühl-Oase ist das zu später Stund garantiert nicht.

Wie sieht der Raum heute aus? Man glaubt seinen Augen nicht. Und was machen wir mit den Reflexionen? Gar nichts. Es gibt bessere Methoden als Reflexionen durch Drosseln von Licht zu vermeiden.

Kommt jemand hier auf die Idee, das sei grave yard? Ich denke nicht.

(BIld Flugrevue)

Licht macht krank - Licht macht gesund
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Vor Jahren hatten wir eine lange Studie gebraucht, um zu zeigen, dass die direkt-strahlenden Leuchten - einst als BAP-Leuchte eingeführt - nicht nur jeden Büroraum in eine Höhle verwandeln, sondern auch nachweislich gegen den Arbeitsschutz verstoßen. Wer es gerne ausführlich lesen möchte, kann es hier. Heute ist es mir zufällig gelungen, ein Bild zu finden, das einen Raum zeigt, dessen Beleuchtung eine gute "circadiane" Wirkung haben soll, sprich gesund ist. Das linke Foto zeigt eine frühere Beleuchtung. Sie war mit Spiegelrastern bestückt, die entsprechend der verblichenen DIN 5035-7 Reflexionen auf den Bildschirmen vermeiden sollten. Es war noch, als man stolz war, eine Lösung für die Bildschirmarbeitsplätze gefunden zu haben. Das rechte Bild hingegen unterstützt die circadiane Rhythmik des Menschen durch einen hellen Oberraum.

Ich denke, die beiden Bilder machen es verständlich, was in dem Papier bewiesen wurde. Heute müsste man keinen Beweis mehr führen. Denn Chronobiologen verbinden mit gesundem Licht eine hohe Vertikalbeleuchtungsstärke, die Beleuchtung links erzeugte eine möglichste geringe davon.