Dieser Beitrag wurde Anfang 2016 veröffentlicht. Soeben erreichte mich ein Bild über Facebook, das beweist, dass der Unsinn lebt. Ich befürchte, verstärkt. Der einzige Trost ist, dass der Schwachsinn zur Sommerwende kürzer zu sehen ist als im Januar.
Mein Lebenslauf begann in einem kleinen Ort, in dem seit mehreren tausend Jahren die Fischer ihre Netze (oder Leinen) ins Wasser warfen, um Fische zu fangen. Im Herbst konnten sie die Schwertfische mit der Hand harpunieren, weil die an der Oberfläche schliefen. "Ich höre Istanbul - mit geschlossenen Augen" sagte einst ein berühmter Dichter, der dies an dem Ort tat, den die Bilder unten zeigen. Und wenn er die Augen nicht geschlossen hätte, hätte er in der Ferne die Hagia Sophia und die Blaue Moschee gesehen - als Silhouette. Die erstere bestimmte die Silhouette schon vor 1500 Jahren. Irgendwo hier soll der Perserkönig Xerxes versucht haben, eine Brücke nach Europa zu schlagen. Als es nicht gelang, soll er nicht nur seine Baumeister geköpft haben, sondern auch das Meer verkloppt! Die Brücke ist geschlagen, die dritte wurde vor Jahren eröffnet. Was ist aus dem kleinen ruhigen Ort geworden? Das zeigen die Bilder zur Hälfte. Die andere Hälfte besorgen die Discos, die bis in den Morgen hinein die Landschaft vollwummern, auf dass die sieben Hügel zusammen fallen. Die Illumination des Circus Maximum besorgte eine große Firma aus dem Ösistan. Wenn ich Xerxes wäre … wüsste ich schon, wenn ich hauen müsste.
Von hier aus kann man die Hagia Sophia sehen ... Wenn man ein starkes Fernglas und ein Stativ hat. Dort wo die Brücke steht, stand einst das große Kreuz von Konstantin dem Großen. Deswegen heißt der Ort Stavroz (ich denke, der Name schrieb sich so Σταυρός ) Das Kreuz verkündete die Nachricht, dass das Römische Reich nunmehr christlich geworden sei. Ob die Nachfolger der Römer die Bibel lesen? Dort steht "Gott machte die beiden großen Lichter, das größere, das über den Tag herrscht, das kleinere, das über die Nacht herrscht, auch die Sterne." Gen 1,16 Hier sehen die Menschen keinen Stern mehr.
Als diese Brücke geplant wurde, wurde der Bevölkerung versprochen, sie würde sich in die Stadtlandschaft unauffällig einfügen. Sie tat es auch. Die erste Beleuchtung wurde von Philips geplant und war blendfrei auch für die Schiffe. Oder gerade …
Wer glaubt, dieses Bild entspräche der Wirklichkeit, der irrt. Diese Lichter ändern auch ihre Farbe. Dynamisches Licht durch LED!
Wo ist unsere Nacht geblieben? Was machen die Milliarden Fische, die jährlich zwei Mal den Bosporus durchqueren, um zu ihren Laichplätzen zu kommen und wieder zurück? Wie glücklich sind die Störche, die dieses Elend nicht sehen müssen. Sie fliegen nur tagsüber. Andere Zugvögel fliegen auch nachts. Und sind weniger glücklich.
Muss man überhaupt zum Jahrmarkt? Ich denke, nein! Der Jahrmarkt ist kurz unter´m Himmel. Die Stadt, die man vor lauter Licht nicht mehr sieht, soll über 8.000 Jahre alt sein. 7.970 davon hatte sie nachts eine Silhouette.
Diese Bilder werden von dem unten links überboten, das 2024 aufgenommen wurde. Was in dem Bild darüber noch dunkel war, ist jetzt auch noch illuminiert. Zu meiner Kindheit konnte man noch den Sternenhimmel im Wasser reflektiert sehen. Und nachts konnte man größere Gegenstände im Boot mit dem Meeresleuchten sichtbar machen. Meine Enkel werden weder Sterne sehen können noch wissen, was Meeresleuchten ist.
Wie schade, dass mir die Mittel fehlen, die Xerxes einsetzen konnte. Ich wüsste schon, was man mit den Verantwortlichen dieses Frevels tun sollte. Schade!
Früher waren mehr Sterne!
Meine Mutter, 2018
Ich will niemanden dazu bewegen, nachts ohne Licht zu sitzen. Aber die neuesten Studien, die ich gefunden habe, verstärken den seit langem herrschenden Verdacht, dass Licht in der Nacht das Krebsrisiko nachweislich erhöht. Der Verdacht herrscht seit langem und sollte nicht mit dem viel älteren Verdacht verwechselt werden, dass Leuchstofflampen Krebs erzeugen würden. Dieser war schon in den 1950er Jahren geäußert worden und kann so nicht bewiesen werden, weil wir keine Instrumente besitzen, die eine Kausalbeziehung nachweisen können. Zudem war vom "Licht" die Rede, und das heißt, dass das Licht ursächlich wäre.
In irgend einer Weise scheint Licht mit Krebserkrankungen in Beziehung zu stehen, wie epidemiologische Studien schon in den 1980ern gezeigt hatten. Demnach treten bestimmte Krebserkrankungen mit zunehmendem Abstand zum Äquator häufiger auf (hier, leider nur Englisch). Das muss allerdings nicht unbedingt heißen, dass Licht der Verursacher wäre, sondern vielleicht sogar der Mangel an Licht. Zudem gibt es am Äquator mehr UV als sonstwo auf dem Planeten, während wir im Winter unter UV Mangel leiden. Deutsche Literatur zu dem Thema ist leider rar gesät, was damit zu tun hat, dass Amerikaner besser untersuchen können. Sie haben eine Bevölkerung deren südlichster Wohnort nahe dem Äquator liegt, der nördlichste ist zwar nicht über dem Polarkreis angesiedelt, aber man kann auch Kanadier zu Hilfe nehmen, als Probanden natürlich.
Die Studie, die mci alarmiert hat, ist global in 158 Ländern durchgeführt worden (hier, leider wieder Englisch). Die Schlussfolgerung hört sich schön schlimm an: "Artificial light at night is significantly correlated for all forms of cancer as well as lung, breast, colorectal, and prostate cancers individually. Immediate measures should be taken to limit artificial light at night in the main cities around the world and also inside houses."
Ich will die Inhalte nicht übersetzen, weil sich imer Ungenauigkeiten einschleichen können. BIs wir erleben, dass in deutschen Städten die 9 Millionen Laternen, die sich den Mast in den Bauch stehen, bis ein Fußgänger vorbeikommt, abgeschaltet und gedimmt werden, wird bestimmt viel Wasser den Rhein herunter geflossen sein. Es ist aber nicht verboten, den eigenen Konsum an Licht zu überdenken. Dabei denke ich weniger an Dunkelheit als an ein Licht, das die vermutliche Ursache des Problems nicht aufkommen lässt: die Unterdrückung des Melatonin. Ich denke auch weniger an Beleuchtung, sondern an den Fernseh- und Smartphone-Konsum. Deren Licht geht nämlich direkt ins Auge, während die Beleuchtung weniger direkt ins Auge strahlt.
Wer hätte das gedacht! Die Zahl derer, die die Nacht, also das Dunkle, retten wollen, ist Legion. Was ist denn passiert? Eigentlich das, was alle wollten, Licht immer wenn ich will. So stehen in Deutschland 9 Millionen Straßenlaternen Nacht für Nacht sich die Beine in den Bauch - Pardon den Sockel in die Erde - und warten darauf, dass einer mal vorbeischaut. Selbst auf den Malediven, wo es keine richtigen Straßen gibt und auch keine Fußgänger nach dem Nachtgebet, stehen die Dinger rum und leuchten aufs offene Meer. Man kann viele Autos nachts vom Flieger aus sehen, weil sie den Himmel beleuchten. Und unsere Städte verwandeln sich langsam aber sicher in Mini-Las-Vegas.
Seit langem hatte ich hier vor der Lichtverschmutzung gewarnt, spätestens dann, als ich 1.000 km off Manila auf einer einsamen Insel nachts habe die Überschriften der Zeitung klar lesen können. Hunderte Fischerboote, jedes bestückt mit einer Lampe entsprechend einer Leistung von ein kW, ließen den Himmel hell leuchten. (hier, da und dort). Heute fand ich zufällig Nachrichten über eine Konferenz zum Verlust der Nacht u.v.a.m. Wer sich interessiert, kann die unten angegebenen Websites besuchen (und sich die Nächte um die Ohren schlagen). Die Konferenz heißt ALAN (artificial light at night) und wird September 2016 in Cluj/Transylvanien stattfinden, nicht weit weg von einem Schloss, dessen Hausherr seine nächtlichen Flüge wegen des vielen Lichts hat einschränken müssen. (mehr zur Konferenz hier)
In dieser Stadt habe ich als Jugendlicher nachts auf meinem Boot einen Eimer Wasser ausgeschüttet, um etwas zu erkennen, auch wenn nur schemenhaft. Das Meeresleuchten hat für kurze Zeit gereicht. Jetzt quillt das Licht bis zum ISS. Dass die Astronauten dort schlafen können, geht nur, weil das Wummern der Discos es nicht zum Himmel schafft. Und wo die lila Lichter ihr Unwesen treiben, konnte man in der Ferne die Hagia Sofia sehen.
Wie viele Sterne gibt es am Himmel? Astronomen würden sagen, unendlich viele. Ein Dorfbewohner in Deutschland wird sie auf viele tausend schätzen. Ein armer Großstädter sieht meistens einige blasse Pünktchen, wenn er Glück hat. Aber auch auf fernen Inseln kann man erleben, dass die Leute kaum Sterne sehen, weil die Lichter von Ferienresorts oder Fischereiflotten die Nacht zum Tag machen. Nach einer Stunde im Dunklen und am Wasser, besser noch im Wasser, darf man mit Fug und Recht behaupten, man hätte doppelt so viele Sterne gesehen wie die Astronomen, weil diese den Sternenschein im Wasser nicht ins Visier nehmen. Eine dunkle tropische Nacht im oder auf dem Wasser beschert einem eine mit riesigen Diamanten besetzte Himmelskuppel und deren Ebenbild im Wasser. Wenn man 10.000 und mehr bunte LEDs einem vor die Nase setzt, ziehen sich die Sterne indigniert zurück und überlassen die Bühne der schreienden künstlichen Konkurrenz.
http://www.verlustdernacht.de/ http://www.verlustdernacht.de/Loss_of_the_Night_App/articles/loss-of-the-night-app.html
http://www.cost-lonne.eu/ http://www.cost-lonne.eu/publication-2/993/ http://www.cost-lonne.eu/images/
http://www.zukunftsprojekt-erde.de/mitmachen/verlust-der-nacht.html
https://de-de.facebook.com/loss.of.the.night/
In Heft 2/2014 der 3lux letters (mehr hier) schreibt Brigitte Holzinger (mehr zu Dr. H. hier) über Lichtfarben und deren Wirkung. Auch wenn manche eher skeptisch reagieren würden: Das Auge ist zwar der Ort, wo Lichtereignisse in Bilder umgewandelt werden, aber das Sehen von Bildern ist beileibe nicht die einzige Funktion des Auges, und das Auge ist nicht der alleinige Träger von lichtempfindlichen Zellen.
Frau Holzinger schreibt: "Heute wissen wir, dass Licht nicht nur von spezialisierten Nervenzellen im Auge wahrgenommen wird, sondern dass fast jede Nervenzelle auf Lichtimpulse reagieren kann. Verarbeitet werden Lichtimpulse allerdings nur durch drei Typen von Nervenzellen (= Fotorezeptoren): den Stäbchen und Zapfenzellen sowie den fotosensitiven Ganglienzellen der Netzhaut. Stäbchenzellen sind spezialisiert auf das Hell-Dunkel- Sehen wie beispielsweise in der Dämmerung und in der Nacht, die Zapfenzellen ermöglichen uns das Wahrnehmen von Farben tagsüber. Die sogenannten fotosensitiven Ganglienzellen hingegen reagieren ganz allgemein auf Lichtimpulse und sind direkt mit den kortikalen Zentren zur Steuerung des Biorhythmus und der „inneren Uhr“ verbunden. Aber es könnten durchaus noch andere Nervenzelltypen, etwa in der Haut oder – wie vor einigen Jahren behauptet – in der Kniekehle, Lichtimpulse weiterleiten. Nachgewiesen werden konnte etwa, dass Nervenzellen, die über spezielle Opiatrezeptoren verfügen, selektiv auf Lichtimpulse reagieren und dass sich so die Stimmung verbessern lässt."
Der Artikel ist ein flammendes Plädoyer für die weitere Erforschung von Lichtwirkungen. Vielleicht schaffen wir es, aus dem Schatten des großen Erfinders, Thomas A. Edison, herauszutreten, dessen Vermächtnis es war, das elektrisches Licht so billig sein muss, dass nur noch Reiche sich Kerzenlicht leisten können bzw. wollen, und es darf nicht blenden. So haben Generationen von Lichtforschern mit vollem Eifer über einhundert Jahre Blendungsforschung betrieben. Und wo sind sie angekommen? Zu Beginn von manchen Märchen findet sich eine solche Phrase "Er lief Tag und Nacht, über Stock und Stein, wanderte über Bäche und Hügel, als wandle er in der Ebene. Als er zurück schaute, sah er, dass er einen Gerstenkorn weit gekommen war."
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