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An ihren Worten soll man sie erkennen

Ich wollte mal wissen, was die CIE - Weltorganisation der Lichttechnischen Gesellschaften - von Lichtqualität hält. Die deutsche LiTG hat eine Schrift on ordentlichem Umfang (114 Seiten) dazu veröffentlicht (hier da und dort, auch da und da und dort). Was sagt dazu die oberste Instanz?

Von Quantität haben sie Ahnung. Keine Ahnung, was sie von Qualität halten.

Wer misst, misst wirklich Mist

Die uralte Weisheit der Messknechte, das sind die, die im Labor stur irgendwelche Daten messen, ist so destruktiv nicht, wie sie klingt. Sie warnt nur davor, den Messwerten blind zu glauben. So wird z.B. Vermögen in DM, Euro oder Lira gemessen. Wer dies aber für ein Maß für Glückseligkeit hält, könnte eine böse Überraschung erleben. Dennoch misst man.

Dass das Messen auch in hoffnungsloser Lage eine Bedeutung haben kann, wusste ein Kollege aus einem anderen Gebiet, Tom Gilb, ein Software-Ingenieur. Seit Rat "Messt alles, was es zu messen gibt!" ist etwa 50 Jahre alt. Dazu muss man wissen, was auf dem Gebiet der Software gemessen wurde: die Zahl der Programmzeilen. Unglaublich aber wahr, man misst die Leistung der Kreativen anhand der Programmzeilen, die er braucht, um eine Aufgabe zu lösen. Ist etwa so intelligent als wenn man eine Rede an deren Länge misst. Die Schlafenden werden danken!

Nun könnte es sein, dass man heute anders vorgeht? Das ist, was heute morgen in Wikipedia steht: "Source lines of code (SLOC), also known as lines of code (LOC), is a software metric used to measure the size of a computer program by counting the number of lines in the text of the program's source code. SLOC is used to predict the amount of effort that will be required to develop a program, as well as to estimate programming productivity or maintainability once the software is produced." Heute wie vor 50 Jahren.

So dumm ist die Messerei also nicht, wenn es dazu noch eine andere Größe gibt, die "mitmisst". Das ist z.B. die Kultur in Software-Engineering. Die ist zwar keine Messgröße, aber dennoch sehr wirksam. Ähnliches gab es früher in der Fotografie. Der Fotograf maß Licht. Wenn man sich allerdings die Messgeräte anschaut, wundert man sich, was der wohl gemessen hat. Denn er maß etwa den Halbraum. Daraus auf die Qualität des zu entstehenden Bildes zu schließen, ist eine Kunst. War auch. Der gute Fotograf zeichnete sich nicht durch teure Kameras aus, sondern durch seine Fähigkeit, die Szene einzuschätzen. Dazu musste seine Kamera nicht exakt messen, sondern zuverlässig wiederholbar.

Was misst man in der Beleuchtung eigentlich? Ich hatte vor ein paar Tagen dargestellt, was man von zylindrischer Beleuchtungsstärke bis zur Gleichmäßigkeit der Beleuchtungsstärke an der Decke alles messen müsste, weil vorgeschrieben (hier). Da diese nicht ihrer selbst wegen vorgeschrieben werden, sondern wegen der Leuchtdichten, die durch sie entstehen, müsste man diese auch noch messen.

Das ist bestimmt schön zu wissen. Z.B. wenn man Messknecht ist. Was glauben Sie, was man an mehr als 40 Millionen Arbeitsplätzen so alles messen kann, um sie lichttechnisch sauber zu charakterisieren? Da kann man bis zur Rente messen - und darüber hinaus. Egal, 40 Millionen sind eine Hausnummer. Zu ihr stellen wir gegenüber die Zahl der vorhandenen Messköpfe für die zylindrische Beleuchtungsstärke Ez. Schon mal welche gesehen? Ich besitze einen. Obwohl ich viele Lichtdesigner, lichttechnische Gutachter u.ä. kenne, kenne ich nur einen zweiten, der aber kaum gebraucht wurde. Denn es ist verdammt aufwändig, zylindrische Beleuchtungsstärken in einem Raum zu messen. Wenn man sie aber gemessen hat, weiß man vor Glück nicht, was man damit anfangen soll. Die Größe ist nämlich eine Kopfgeburt. Der Umgang mit ihr verlangt ebenso viel Gefühl wie der Umgang mit dem Messwert eines Belichtungsmessers von Andreas Feininger, der mit die tollsten Fotos des 20. Jahrhunderts geschossen hat. Und das mit einer 08/15 Kamera.

Zum Glück wird eine Messung der zylindrischen Beleuchtungsstärke nur fällig, wenn ein Gericht dies verlangt. Aber eine andere Größe macht derzeit Karriere. Und was für welche! Die nennt sich Vertikalbeleuchtungsstärke (Ev) und fristete lange ein Leben als Mauerblümchen wie die zylindrische. Nur in der Sportstättenbeleuchtung war sie das große Thema, weil es das Fernsehen so wollte. Mit der üblichen Beleuchtungsstärke kann sie nämlich nicht viel anfangen. Jetzt werden Gebäude mit Büros danach zertifiziert (hier oder da). Und zwar, ob sie gesund sind oder nicht!

Wer nie im Leben gemessen hat, wird sich vielleicht nichts dabei denken. Sollen sie doch! Es gibt demnach Gebäude für die folgende Größen gelten: 150 Emel  (oder 136 melanopic equivalent daylight D65) sind gut. Der Kandidat kriegt einen Punkt. Noch besser sind 240 EML oder 218 melanopic equivalent daylight D65. Drei Punkte für den Kandidaten.

Der Unterschied zu Hokuspokus besteht insbesondere darin, dass man weiß, dass die Amateur-Zauberer es nicht so ernst meinen. Wer ein Gebäude zertifiziert und dafür viel Geld verlangt, muss doch mehr bieten als Hokuspokus? Tut er aber nicht. Denn Beleuchtungen in Arbeitsstätten sind seit Jahrzehnten fast immer auf Horizontalbeleuchtungsstärke getrimmt. Daher fällt Ev immer sehr ungleichmäßig aus, selbst bei Indirektbeleuchtung. Als Messwert ist sie daher faktisch ungeeignet. Dafür wohl hervorragend für Quacksalberei.

Wie intelligent darf eine Leuchte sein?

Zunächst zur Beschwichtigung aller: Ihre Laterne wird garantiert nicht intelligenter werden als ihre Schöpfer. Damit ist erst einmal das obere Ende der Skala der Intelligenz festgelegt. Das untere Ende kennt jeder, weil es jahrzehntelanger Praxis entspricht: doof wie Kommissbrot. Womit ich nichts gegen das Brot sagen will, sondern gegen die Praxis. Man nimmt zwei Leuchten pro Kopf, hängt sie an die Decke und sagt, die Beleuchtung ist aber normgerecht. Und was ist normgerecht? Das ist, was die Hersteller von Leuchten dafür halten. Dies geht seit Edison so.

Nun hat sich die Erde seitdem einige Male gedreht, und man ist seit etwa 20 Jahren begeistert von der Idee, eine neue Beleuchtung zu schaffen. Was die sein will, muss man nicht im Detail wissen. Aber eine Sache sticht besonders hervor, weil sie auch dem Wunsch der Beleuchteten entspricht: individuelles Licht. Hersteller wie die geblendeten Mitarbeiter hätten gerne ein Licht, das dem Bedarf des Menschen entspricht. Nicht etwa dem Bedarf des Manns auf der Straße - Pardon, der Frau auf der Straße bzw. Frau Mustermann - sondern des Einzelnen. Personal Light hieß und heißt eines der Produkte - entspricht dem Personal Computer. Und das ist kein Zufall, denn der Hersteller beschäftigt sich schon immer mit Ideen, die einem das Licht angenehmer machen wollten. Ich kannte dessen Labor in Aachen schon 1968, aus dem z.B. die Blendungskurven stammen. Die Ambilight-Technologie, eine Einrichtung das ein zum Bildinhalt passendes Umgebungslicht an die Wand hinter dem Fernseher wirft, ist weder das erste noch das letzte Produkt aus dem Haus mit einem ähnlichen Anspruch. Ich glaube, dass die in 1947 aufgekommene Idee, den Fernseher nicht im Dunklen reinzuziehen, sondern die Wand dahinter etwas aufzuhellen, könnte auch von dort stammen.

Die Idee war gut, aber die Technologie doof. Sie bestand aus einem Schalter, der das Licht anmachte. Nun soll das Licht nicht etwa etwas intelligenter werden, sondern richtig intelligent. Und natürlich teurer. Ob das intelligent ist, will ich weiter unten beleuchten. Der Verband der Elektriker wie auch der Weltverband der Lichttechniker hat die Losung auf die Fahnen geschrieben: Richtiges Licht zur richtigen Zeit.

Wie intelligent ist das? Als Idee erst mal nicht schlecht. Sie wird, wenn man intelligent beleuchtet, schon immer praktiziert. So empfängt einen z.B. das Opernhaus mit einer festlichen Fassade, die nachts nur dann festlich ausschaut wenn entsprechend beleuchtet. Ansonsten sähe sie zappenduster aus, und gut nur tagsüber. Aber da geht man nicht in die Oper. Wenn man das Foyer betritt, wird es noch festlicher. Lüster über Lüster. Das Licht bricht sich nicht nur in den Lüstern, es holt auch das Feuer aus den Brillanten der Damen, die ohne das Licht aussähen wie jeder Stein. Dann geht man etwas nüchtern beleuchtet in den Saal. Dort wird kaum noch beleuchtet, denn die Musik spielt da vorne. Wenn das Orchester allein spielt, sieht man in dem Graben im Wesentlichen die Instrumente, die Musiker sind ja schwarz gekleidet. Dann geht der Vorhang auf … Jetzt sieht man erst, war es bedeutet, "Richtiges Licht zur Richtigen Zeit" und am richtigen Ort. Hunderte Scheinwerfer, vom Computer gesteuert. Nicht so einfach, sondern nach System:

  • Vorderlicht (ca. 45° zur Objektachse)
  • Oberlicht (ca. 60° zur Objektachse)
  • Kopflicht (ca. 0° zur Objektachse)
  • Gegenlicht (ca. 60° zur Objektachse)
  • Seitenlicht (ab ca. 3 Meter Höhe, ca. 45° zur Objektachse)
  • Gassenlicht (0–3 m Höhe)
  • Fußlicht (Rampenlicht)
  • Horizontlicht/Hintergrundlicht (von unten und von oben)

Das Licht macht einen Großteil der Kunst aus. Mehr noch, es ist eine Kunst für sich. Leute, die so etwas haben schaffen können, werden doch das bisschen Intelligenz in die Beleuchtung einpflanzen können. Oder? Hoffnung stirbt zuletzt. Es gibt "Personal Light" schon, und massenhaft. Dieses befindet sich aber in privaten Bereichen und wird von den Menschen selbst gehegt und gepflegt. Der Lichttechniker redet angewidert von Lichttötungsmaschinen, die die Energie nur so verschleudern. Sein genormtes Licht beruht etwa auf dem geistigen Niveau der 1930er, als jemand behauptet hatte, die Allgemeinbeleuchtung erhöhe die Produktivität. Später wurde daraus "Gleiches Licht für alle Volksgenossen". Der Spruch wurde nach dem Krieg zwar aus den Büchern getilgt, aber der Geist blieb.

Damit dieser, der Geist, nicht das Geschäft mit dem schönen Licht verdarb, erfand man das Wort "stimmungsbetonte Räume", mit deren Beleuchtung sich der Lichttechniker (Gott sei Dank) nicht beschäftigt. Falls er es doch tut, nennt er sich Lichtdesigner. So werden die wunderbarsten Beleuchtungen auch von Lichttechnikern gemacht, die sich anders nennen. Das technische Licht, das unsere Beleuchtung der Arbeitsstätten beherrscht, glänzt durch eine Anmutungsqualität wie ein Gummihammer. Praktisch, preiswert und sehr nützlich, gelegentlich. Bis wir daraus eine Kunst machen, die dem Individuum dient, statt einen Lichtteppich über alle zu legen, müssen wir viel Hirnschmalz zubuttern. Das, das wir etwa vier Jahrzehnte gespart haben, ist leider verdorben. Und so sieht ein Büroraum 140 Jahre nach der Erfindung der Glühlampe aus. Chapeau!

Corona verbessert Licht und Luft im Büro

Corona verbessert Licht und Luft im Büro? Kann doch nicht wahr sein! Doch, es wird besser durch Corona. Ich will kurz die Gründe erklären. Jeder oder  präziser gesagt, jeder zweite, der im Büro arbeitet, meckert irgendwie über Licht. Über Luft meckern etwas mehr Leute. Das sind über 60%. Man kann solche Zahlen zum Anlass nehmen, um böse Worte über die zu schreiben, die für Licht und Luft zuständig sind. Davon wird zwar weder das Licht besser noch die Bude luftiger. Aber gut, dass man darüber redet.

Man kann die Zahlen aber auch umgedreht ansehen, und sich die anderen 50% angucken, die nicht über Licht meckern, bzw. die 40%, der die Luft wunderbar schmeckt. Wie sehen deren Büros aus? Ich wette, die sehen geräumiger aus. Denn man kann eindeutig zeigen, dass die Luftqualität eine Frage des Luftvolumens ist, die einem zusteht. Nicht umsonst gab die Verordnung für Arbeitsstätten der Republik jedem einen Mindestluftraum, soll er arbeiten. Das waren mindestens 12 m3, notfalls 8 m3. Die Belastung des Luftraums kann man übrigens mit einem CO2-Messer feststellen. Wenn einer 12 m2 Bürofläche sein eigen nennt und luftige 3m Raumhöhe genießt, also 36 m3 Luft pro Nase, kann in der Bude ackern, wie er will. Der CO2-Pegel bleibt bei dem der Außenluft.

Wie sieht die Sache in einem Konferenzraum aus? Duster - die zulässige CO2-Konzentration von 1000 ppm (Pettenkofer-Wert) wird häufig nach 20 Minuten erreicht. Also lüften! Kommt einem bekannt vor. Derzeit wird in der Corona-Krise vorgegeben, die Klassenräume alle 20 Minuten zu lüften. Dort schlafen zwar keine Konferenzteilnehmer einer glücklichen Lösung des Problems entgegen, das den Gegenstand der Konferenz ausmacht, aber die ganze Bengelschar produziert ähnlich viel oder mehr CO2. In engen Büroräumen mit Überbelegung sieht die Sache nicht anders aus. Allerdings will kein Arbeitgeber jedem Mitarbeiter drei Lüftungspausen pro Stunde zugestehen. Auch Arbeitnehmer haben ihre Probleme damit, dass ihr Arbeitsfluss 20-minütlich unterbrochen wird. So dämmert manch einer im Büro vor sich hin - und weiß nicht wohin. Das ist aber kein gesunder Büroschlaf.

Den haben aber völlig unverdächtige Figuren verordnet. Die hört und sieht man nicht. Das sind die Büroplaner, die seit gut drei Jahrzehnten eine Verdichtung von Arbeitsplätzen betreiben. Also mehr Arbeitnehmer pro Quadratmeter Mietraum und mehr Belegung der Arbeitsplätze pro Stunde. Nennt sich Business Club. Leuten, die nie in einem Business Club gesessen haben, z.B. einfachen Betriebsräten, erzählt man, das sei ein modernes Bürokonzept. Nicht ganz falsch. Es ist die Umsetzung des Betriebs einer Lounge auf Flughäfen oder Bahnhöfen auf Büroarbeit: Es gibt eine bestimmte Anzahl Plätze, die man nehmen kann. Wenn einer seine Arbeit erledigt hat, geht man, und der nächste kommt. So verdoppelt man die Auslastung der Arbeitsplätze. Die rustikalere Form der Idee praktizieren die Frittenranches durch ungemütliche Möblierung. Wer sein Milchbrötchen mit was dazwischen gemampft hat, sucht die Weite.

Wenn man dazu noch die persönliche Fläche von 12 m2 auf 4 m2 reduziert, was technisch geht, hat man theoretisch die 6-fache Bürofläche zum selben Preis. Theoretisch. Fragt sich, was die so zusammengepferchten Mitarbeiter so leisten. Das ist nicht mein Job. Was ich tue, ist festzustellen, dass die Luft schlechter wird.

Luft schlechter? Was noch? Ach ja, mehr Mitarbeiter quatschen mehr. Und sie müssen immer häufiger. Hatte vor 50 Jahren jeder vierte ein Telefon, hat heute jeder mehr als eins. Bei meinem ersten Job arbeitete ich im Vertrieb und teilte das Telefon mit weiteren drei Kollegen. Heute telefoniert einer im Innendienst rund 30% seiner Zeit. Also?

Da kommt der Akustiker und baut überall Schallschirme auf. Die sollen den Lärm abhalten. Da sie aber sehr dumm sind, hindern sie auch die Luft daran, sich zu bewegen. Wenn das alles wäre! Auch das Licht darf sich nicht mehr so ausbreiten, wie es will. Es gibt Räume mit durchlaufenden Fenstern, in die das Tageslicht kaum noch hineinkommt. Und das Licht von der Decke darf sich auch nur zwischen den Schallschirmen ausbreiten. Hat Ihr Unternehmen ausnahmsweise Licht planen lassen, ist der Plan für die Katz.

Liebe Büromenschen, wenn Sie sich über schlechte Beleuchtung beklagen wollen, denken Sie daran, dass es für einen guten Zweck ist. Man spart unheimlich Geld damit. Da Ihr Arbeitgeber eigentlich Geld verdienen will und nicht Kosten sparen, hat er einen größeren Schaden davon. Wir hoffen nur, dass das böse Virus den Büroplanern nachhaltig in Erinnerung ruft, dass wir nicht emissionsfrei und immisionsresistent sind.

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Licht - Corona - Homeoffice

Keine Sorge, ich will nicht beschreiben, wie man Corona mit Licht behandelt. Es geht um die Arbeit, die Corona-bedingt im Homeoffice stattfindet. Ich weiß nicht, ob jedem aufgefallen ist, wie krank Politiker in Talkshows aussehen, wenn sie bei Anne Will & Konsorten über Skype mitreden.

Noch schlimmer trifft es solche, die sich mit ihrem Smartphone oder Laptop zu Zoomkonferenzen zuschalten. Sie haben alle eine vergrößerte Nase und verkleinerte Ohren. Wer sich ohnehin nicht durch eine Stupsnase auszeichnet, sondern einen formidablen Zinken sein eigen nennt, sieht aus wie bei Loriot. Am schlimmsten sehen Leute aus, die mit einem Laptop auf die virtuelle Weltreise gehen. Man merkt jeden Fehler bei der Nasenfrisur. Dabei kennt man die nur bei altem Männern. Neuerdings leider bei allen. Die Perspektive macht’s.

Und das alles hat was mit Licht zu tun. Oder hängt irgendwie mit Licht zusammen.

Zunächst zum häufigsten Fall: man sitzt im Büro und guckt auf die Kamera seines Laptops. Was sieht sein gegenüber? Dunkle Augenränder, die noch dunkler werden, wenn man noch weiter nach unten guckt. Und überhaupt ein gräulicheres Gesicht, weil das Licht von oben durch den Kopf abgeschattet wird und das Licht von unten zu blau einfällt.

Ich will nicht genauer auf das Erscheinungsbild von Frauen angehen. Man könnte für einen Sexisten gehalten werden. Aber ein Blick in die Fernsehhistorie kann nicht schaden. So wurden zu Beginn der Fernsehära die Lippen der Ansagerinnen schwarz geschminkt, weil sie sonst schlecht sichtbar waren. Und heute werden sie stark getüncht, weil insbesondere streifendes Licht alle Unebenheiten der Haut besonders hervorhebt. Und die übliche Bürobeleuchtung wie auch die vom Homeoffice trifft bestimmte Teile des Gesichts immer streifend.

Wieso merkt man das nicht im Alltag, sondern erst auf dem Bildschirm? Darüber kann man viele Seiten schreiben. Aber in Kurz geht es um sog. Konstanz. Wenn wir ein Gesicht sehen, nehmen wir es nicht so wahr, wie es sich augenblicklich einer Kamera präsentiert, sondern gemischt mit der Erinnerung. Das Auge fällt ein mildes Urteil. Das gilt leider nicht ganz für Gesichter auf dem Bildschirm. Zudem hat die Kamera nur ein „Auge“, wir hingegen zwei.

Wenn man sich die Bilder genau ansieht und mit denen vergleicht, die das Fernsehen sonst aussendet, erkennt man auch eine dauernd wechselnde Unschärfe. Das kommt teilweise durch die schwankende Qualität der Netzleistung. Teilweise ist es aber dadurch bedingt, dass die geringe Beleuchtung die Tiefenschärfe der Kamera verkleinert. So bewirkt jede Bewegung in ihrer Richtung eine kurze Unschärfe.

Summa summarum: vorteilhafter als im sonstigen Leben sehen wir nicht aus, wenn wir uns virtuell vom oder zum Homeoffice bewegen. Was tun? Hier paar Tipps, die Wunder bewirken. Kleine, aber hinreichende. Wir müssen ja nicht unbedingt wie Heidi Klum in GNTM oder George Clooney in der Kaffeereklame aussehen. Ganz normal wäre ganz normal.


Tipp #1: Dunkle Augenränder

Nichts leichter als das. Wenn einem überhaupt nichts mehr einfällt, weil es eilig gehen muss, einfach den Tisch mit leeren Blättern Büropapier belegen. Die Reflexion des Deckenlichts hellt die Augenränder hübsch auf. Man kann sogar mit ein paar roten Blättern richtig gesund aussehen. Wer paar Mark auszugeben hat, kann sich bei Bloggern was abgucken. So sieht man sogar professionell mit einer Softbox aus. Etwa 39,99 €. Wem das zu teuer ist, nimmt einen weißen Regenschirm und leuchtet da rein. Hauptsache: mildes Licht von vorn. Aber nicht ganz von vorn. Denn da sieht man etwas mongolisch aus.

Die etwas bläuliche Gesichtsfarbe könnte mit der Softbox verschwinden. Oder auch nicht. Denn LED ist nicht LED. Das Achten auf die Lichtfarbe reicht nicht. Die Angaben lügen einfach. Also beim Kauf prüfen, ob das Gesicht über die Kamera gut rüberkommt. Wenn das Problem beim Licht des Monitors liegt, kann man die Farbtemperatur des Bildschirms senken. Wie? Steht in den Monitoreinstellungen.

Tipp #2: große Nase, fliehende Stirn

Wem das diabolische Aussehen nichts ausmacht, muss nicht müssen. Ich würde aber davon abraten. Denn zu dem Wachstum des Zinkens kommt ja noch die hohe Stellung der Nase dazu, wenn man mit dem Laptop arbeitet. Das gilt als unfein oder eingebildet. Also irgendwie nach oben mit dem Auge des Geräts und so weit weg wie möglich. Der Ärmste kann den Kopf seiner Ikea-Tischlaterne abmachen und versuchen, sein iPhone darauf zu montieren. Etwas professioneller geht es mit dem Overhead-Stativ. Aber auch nicht viel teurer. Etwas teurer ist eine Webcam, die man oben auf dem Bildschirm platziert oder besser weiter weg auf einem Stativ.

Tipp #3: streifendes Licht

Das erste Bild von unserem hochgeschätzten Außenminister zeigt eigentlich alles, was man falsch machen kann. Er sieht ja aus, als würden ihm zwei weiße Hörner wachsen. Dagegen helfen großflächige Leuchten wie die Softbox. Wenn man im Büro hockt, kann man sich geeignet unter den Lampen positionieren. Oder die abschalten, wenn es geht. Streifendes Licht benutzt man in der Technik, um Unebenheiten und Fehler auf Oberflächen zu entdecken. Man muss es nicht bei Business-Meetings anwenden. Speckschwarten sehen zwar lecker aus, allerdings passen sie nicht in Meetings.

Tipp #4: pulsierende Bilder

LEDs sind ultraschnelle Impulsgeber. Das sieht das Auge meistens nicht. Aber die Kamera, insbesondere, wenn man sich auch noch bewegt. Also beim Lampenkauf testen. Dazu nimmt man die kurz vor der Lampe bewegte Hand auf. Einen Schnelltest ohne Messgerät beschreibt dieser Beitrag (hier). Um ganz sicher zu gehen, kann man sich mit einer vertrauten Person verabreden, der einem berichtet, ob man sich im besten Licht präsentiert.

Tipp #5: Nasenfrisur

Der einfache Tipp, sich die Nasenhaare zu entfernen, wäre zu banal. Daher erwähne ich ihn hier nicht. Es geht ja auch nicht nur darum. Der Missetäter in Fällen, bei denen man dieses Problem entdeckt, ist der Laptopmonitor oder das zu tief gehaltene Handy. Den Monitor sollte man besser nicht benutzen. Man sieht einfach unglaublich und ungewollt lustig aus, wenn man nach System Adler tippt und dazu mit dem gegenüber redet. Wenn zu der Nasenfrisur noch ein Doppelkinn hinzu kommt, sollte man sich lieber einer Fachfrau anvertrauen, die sich als Influencerin verdingt. Sie weiß, wie man gut ausschaut, auch wenn man nicht gut ausschaut.

Tipp #6: Schütteres Haar

Ein typisch männliches Problem. Man ist zwar nicht eitel, aber etwas schon. Licht von oben oder gebündeltes Licht eignen sich prima, um die mühsam versteckten Schwachstellen auf dem Dach schonungslos offenzulegen. Wenn man gar vor einem Laptop etwas tippt und nach unten guckt, sieht der halbe Planet, dass Männerhaare zwar nicht weniger werden, aber sich doch ungünstiger über den Körper verteilen. Nirgendwo hilft gutes Licht aus guter Einfallsrichtung mehr, um sich vorteilhafter zu präsentieren.

Tipp #7: Unschärfen und Zappeleien

Wenn man sich im richtigen Leben etwas zurücklehnt, entspannt man sich. Dazu haben viele Bürodrehstühle sogar eine Synchronmechanik. Wenn man sich aber so kurz vor der Linse einer Kamera hin und her bewegt, nimmt die beteiligte Welt ein ständiges Ändern Ihres Gesichts plus Unschärfen wahr. Das eine ist Folge des Entfernungswechsels, das andere kommt von unzureichender Beleuchtung. Dies kann man mit stärkerer Beleuchtung ändern. Dass das Gesicht mal größer und mal kleiner wirkt, ist Physik und lässt sich so nicht ändern. Aber keine Sorge, stellen einfach den Hebel um und die Rückenlehne möglichst senkrecht hoch. Die Umwelt wird Ihnen danken.

Ihr Rücken denkt da anders. Wer den ganzen Tag hoch aufgerichtet vor einer Konferenzkamera sitzt, ist abends wie gerädert. Dafür habe ich leider keine Tipps. Ich bin nicht Ihr Orthopäde.

Tipp #8: Hintergründe

Eigentlich geht es niemanden was an, wo Sie gerade sind. Das ist ja der Vorteil eines virtuellen Lebens. Warum muss jeder sehen, was bei Ihnen im Hintergrund läuft? Man kann natürlich ein Bücherregal mit goldverzierten Bücherrücken präsentieren. Oder es sein lassen. Mit der virtuellen Hintergrundfunktion können Sie während eines Zoom-Meetings ein Bild oder Video als Hintergrund anzeigen. Sie können auch Ihre eigenen Bilder oder Videos als virtuellen Hintergrund hochladen. Den Hintergrund unscharf stellen ist auch nicht verboten. In der Fotografie gibt es die Technik mindestens 100 Jahre, warum nicht bei modernen Anwendungen?

Ein letzter Tipp ohne Bild. Webcams sind ungemein geschwätzige Geräte. Sie übertragen alles, was ihnen vor die Linse kommt. Haustiere, halb bekleidete Ehepartner, schmollende Kinder u.ä. Ein Zahn schlimmer sind ihre Mikrofone. Die übertragen praktisch alles, was man nicht verraten möchte. Daher sollte das Auge der Kamera nur das sehen, was Sie zeigen wollen. Und benutzen Sie ein Headset mit Abschaltknopf und Noise-canceling Funktion. Die ist nicht billig, aber auch nicht so teuer wie eins zur Lachnummer geratenes Meeting. Nichts geht über Perfektion!