Dieser Tage fiel mir die Diss aus 2001 in die Hände. Das war die Hochzeit der Tageslichtprojekte, weil die EU damals das Füllhorn der Forschung über die Lichttechnik und Architektur geöffnet hatte. Beim besagten Projekt ging es um die tageslichtabhängige Lichtsteuerung, von der man wahre Wunder erwartete. Dass sie nicht eingetreten sind, liegt nicht an dieser Diss, aber auch an dieser. Die wahre Ursache ist, dass man die Festlegungen für die künstliche Beleuchtung als Maßstab für die Tageslichtbeleuchtung gemacht hatte. Kann doch nicht falsch sein, wenn man die Tageslichtbeleuchtung an die künstliche anpasst? Stimmt. Es ist genauso richtig als wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt. Was das bedeutet, macht ein Bild aus der Diss besonders deutlich.
Hier sehen wir die Lichtkegel zweier Leuchten, die an der Decke hängen, wie alle Leuchten. Fast alle. Die rote Linie soll nicht unterschritten werden. Denn sie ist die "Soll"Beleuchtungsstärke. Die punktierte Linie zeigt den Verlauf der Beleuchtungsstärke des Tageslichts an, wie ihn jeder kennt. Das einzig Dumme ist, dass die nicht stimmt. Das hängt mit dem Cosinus-Gesetz zusammen, wonach man Beleuchtungsstärken berechnet oder auch misst. Betrachtet man nur die Energie, die an einem Punkt ankommt, ist das Gesetz auch richtig. Deswegen ist es auf dem Äquator wärmer als nördlich des Polarkreises.
Die rote Linie zeigt die Horizontalbeleuchtungsstärke, die gemäß einer Norm für eine bestimmte Arbeit vorgegeben ist. Niemand hat aber je behauptet, dass sie über den gesamten Raum gleich bleiben muss. Für das Sehen ist sie ggf. relevant, wenn das Sehobjekt flach auf dem Tisch liegt und matt ist. Da man die Beleuchtungsstärke in Ebenen misst, fällt sie mit dem Cosinus des Einfallwinkels ab. Daher scheint das Tageslicht, das seitlich einfällt, immer kleiner als es der Wirkung entspricht. Dreidimensionale Objekte wie Gesichter erscheinen nicht dunkler, wenn das Licht nicht von oben fällt, sondern schräg. Die werden sogar besser modelliert. Bei einem Ball, der unter verschiedenen Winkeln beleuchtet wird, wandert der hellste Fleck, aber die erzeugte Leuchtdichte nimmt nicht mit dem Cosinus des Einfallswinkels ab.
Wer mit Beleuchtungsstärken rechnet, sieht in realen Anwendungen eh sehr lustig aus wie dieser Experte bei einer Telekonferenz. (Der ist übrigens Experte für Beleuchtung.) Zudem ist die gesamte Lichttechnik auf dem Trip nach Vertikalbeleuchtungsstärke, woran man die gesundheitliche Wirkung misst. Wenn man nicht die Gesundheit, sondern die schlichte Aufgabe nimmt, dass die Gesichter ordentlich beleuchtet werden - nennt sich visuelle Kommunikation - , hat die eingezeichnete Kurve eh keine Bedeutung.
So wird aus einer Sonderlösung (Leuchten an der Decke, Lichteinfall von oben), die man für große Räume auch noch über den ganzen Raum gleich machen muss, damit alle Arbeitsplätze etwa gleich beleuchtet sind, die maßgebliche. Welchen Maßstab man dazu anlegt (z.B. 500 lx) bestimmen Industrievertreter, die niemandem verraten, wie sie dazu kommen. Einer, dem man das Geheimnis doch offenbaren muss, weil er Chefredakteur einer der wichtigsten lichttechnischen Publikation war (Lighting Research and Technology), hat es treffend beschrieben (hier). Übersetzt heißt der Titel "Von der Festlegung von Beleuchtungsstärken auf der Basis der Sehleistung und andere Märchen".
Er führt aus, dass man 1993 für die Lesbarkeit von kleiner Schrift eine Beleuchtungsstärke von maximal 100 lx hätte festlegen dürfen. Allerdings war er, Prof. Peter Boyce, damit fast ein Vierteljahrhundert zu spät. Ein anderer Professor für Lichttechnik, Bodmann, hatte schon zu Beginn der 1960er Jahre experimentell festgestellt, dass schon 50 lx zum Lesen ausreichen würden. Warum er nicht dabei geblieben ist? Das versteht man, wenn man versucht mit handelsüblichen Leuchtstofflampen einen Großraum mit 50 lx zu beleuchten. Freiwillig wird keiner dort sitzen wollen. Falls einer es doch wollte, wird er nicht sehr lange arbeiten können. Dann übermannt ihn der Schlaf (die gendergerechte Ausdrucksweise für übermannen kann ich im Augenblick nicht finden.)
Heute hätten wir schon die Möglichkeit, mit LEDs 50 lx in einem großen Saal und sehr gleichmäßig zu erzielen. Der Versuch lohnt sich … nicht!
Der Mensch muss in die Lage versetzt werden, das zu verstehen, was ihm aufgetragen wird. Ansonsten darf ihm nichts aufgetragen werden. So will es das Gesetz. Der Grundsatz ultra posse nemo obligatur lautet auf Deutsch Über das Können hinaus wird niemand verpflichtet. Man kann das auch anders ausdrücken, bleibt aber gleich: Ad impossibilia nemo tenetur oder Zu Unmöglichem kann keiner gezwungen werden. Es geht um den deutschen Arbeitgeber, der bei der Beleuchtung aller seiner Arbeitsstätten die "zylindrische" Beleuchtungsstärke realisieren muss. Da er diese Aufgabe gerne einem Lichtplaner delegiert, muss dieser das anstelle des Herrn. Diejenigen Lichtplaner, bei denen die zylindrische Beleuchtungsstärke zum Alltag gehört, können hier aufhören zu lesen.
Für die paar anderen schreibe ich diese Erklärung zum Thema. Für 99,99% der Weltgeschichte war die am weitesten rechts abgebildete Beleuchtungsstärke das Maß aller Tage. Die nennt sich halbsphärisch - und entspricht dem Himmel ohne Sonne. Früher hatte sie naturgemäß keinen Namen. Und es gab nur eine Norm, die das Licht regelte, der Gang des Tages. So etwas ist in unserem technischen Zeitalter einfach out.
Die B-Stärke wurde und wird hauptsächlich horizontal gemessen und hört auf den Namen Eh. Seitdem die Lichttechnik auf dem Gesundheitstrip wandelt, ist Eh erst einmal out. Man redet nur noch von vertikal B-Stärke Ev. Die ist gesund und deswegen hat jeder Arbeitnehmer ein Recht darauf (hier). Da aber gesundes Licht nicht reicht, muss man noch mehr tun: "Voraussetzung für eine gute visuelle Kommunikation und Erkennung von Objekten in einem Raum ist, dass das Raumvolumen, in dem sich Personen bewegen oder arbeiten, beleuchtet sein muss. Dies wird durch die Bereitstellung einer angemessenen mittleren zylindrischen Beleuchtungsstärke, Ēz, im Raum erfüllt." So steht es in der jüngsten Beleuchtungsnorm, die gerade gedruckt wird. Und der Erfüllungsgehilfe ist der Lichtplaner.
Wer so verpflichtet wird, alle Räume, in denen sich Menschen visuell kommunizieren wollen, mit etwas zu füllen, muss zunächst wissen, was das ist. Danach muss er in die Lage versetzt werden, die Füllung bereitzustellen. Erst zu der Größe zylindrische Beleuchtungsstärke EZ. Wie das Bild zeigt, zählen dazu alle einfallenden Lichtstrahlen, aus welcher Richtung sie auch kommen mögen. Hauptsache, sie fliegen waagrecht. Nachdem die Strahlen, die sich alle auf den Zylinder richten, so gemittelt worden sind, mittelt man noch einmal über den ganzen Raum, und fertig ist Ēz.
Das ist das Konzept. Da sich lange Zeit niemand darum kümmerte, kümmerte es auch keinen allzu sehr, dass es falsch kommuniziert wurde. Das ansprechende Bild aus dem Fundus einer großen Firma zeigt erstens nicht die zylindrische Beleuchtungsstärke, sondern die halb-zylindrische. Zweitens kaschierte das Bild den Mangel des Konzepts. Es kann nämlich nicht funktionieren.
Die halb-zylindrische Beleuchtungsstärke, wie sie in dem unteren Bild dargestellt wird, entspricht etwa dem, was ein Beleuchter tut. Er richtet seine Lichter in die Richtung des Objekts. Ist dieses nicht ein Blatt plattes Papier sondern ein Gesicht, macht die Anordnung im Kreis Sinn. Nur die Lichteinfallsrichtung waagrecht ist nicht so günstig. Sei's drum.
Was macht man eigentlich, wenn an einem Ort die Ez nicht hoch genug ist? Man kann sie auf unterschiedlichste Art erhöhen. Zum Beispiel durch mehr Licht von der Gegenseite. Was ergibt das für ein beleuchtetes Gesicht? Nichts außer Blendung. Man kann auch von der Seite mehr beleuchten. Macht auch mal Sinn, aber nicht immer. Je nachdem von welcher Seite man mehr nimmt, fällt der Schatten der Nase auf die andere Seite. Also von vorne? Fertig ist das Mondgesicht.
Muss man das an jedem Punkt dem Raums machen? Nein, aber man weiß ja nicht wo einer steht und aus welcher Richtung er das Gesicht des anderen sehen möchte. Dafür hat die Lichttechnik immer patente Lösungen. Z.B. wenn man nicht weiß, wo sich die Sehaufgabe befindet, beleuchtet man alles. Nannte sich Allgemeinbeleuchtung und war etwa so intelligent wie den ganzen Raum mit Stühlen vollzustellen, wenn man nicht weiß, wo einer sitzen soll. Na, ja, überall sitzen geht nicht, weil das Licht, das beleuchten soll, auch blendet.
So dumm kann doch kein Planer sein? Oder? Ganz sicher nicht. Dumm ist nur die Vorgabe. Nehmen wir z.B. einen Musterraum aus DGUV-I 215-442 - das ist eine "amtliche" Hilfe für die Planung von Beleuchtungsanlagen von Räumen mit Bildschirm- und Büroarbeitsplätzen. Die rot eingezeichneten Punkte stellen diejenigen Orte dar, an denen die Güte der Beleuchtung gemessen werden soll. Preisfrage 1: An wie vielen dieser Punkte macht es Sinn, die Ez zu messen? Preisfrage 2: Wie muss man die Beleuchtungskörper anbringen, damit alle Gesichter an den Sitzplätzen richtig beleuchtet, also "modelliert" werden? Preisfrage 3: Bei welchem Wert ist eine angemessene mittlere zylindrische Beleuchtungsstärke, Ēz, im Raum vorhanden, wenn 150 lx vorgegeben sind?
Da sich Lichtplaner eher mit leeren Räumen befassen müssen denn mit vorhandenen wie oben, findet die Planung für leere Räume statt. Hier ist der Raum aus ASR A3.4 abgebildet. Man würde einen solchen Raum mit einem Raster von 100 cm messen. Preisfrage 4: An wie vielen Messpunkten gibt es eine reelle Chance, einen sinnvollen Messwert für EZ. zu erhalten? Diese Frage kann ich sehr zuverlässig beantworten, weil ich solche Messungen schon über 1000 Mal ausgeführt habe. Nur die inneren 6 Punkte machen überhaupt Sinn, weil sie weit weg von den Wänden sind. An 14 weiteren Punkten wird man einen zu geringen Wert feststellen. Allerdings muss die Beleuchtung deswegen nicht schlecht sein. Denn: Wer braucht eigentlich Licht von hinten, um ein Gesicht von vorne zu sehen?
Was erzählt ein Lichtplaner seinem Kunden, nachdem er eine von ihm erstellte Beleuchtung eines solchen Raums sorgfältig gemessen hat? Ich will nicht verraten, wie viele wie begossene Pudel aussehen, wenn die tatsächlich eine solche Messung durchgeführt und sich das Ergebnis zu Gemüte gezogen haben. Die Frage ist eh rhetorisch. Bei der Zahl der vermutlich vorhandenen Messköpfe für EZ werden erst paar Räume vermessen worden sein, wenn alle Deutschen geimpft sind.
Der ganze Unsinn geschieht deswegen, weil niemand weiß und wissen kann, in welcher Richtung die Sehobjekte, hier Gesichter, in einem Büro ausgerichtet sind. Ergo wählt man eine Größe, bei deren Auslegung man nicht wissen muss, in welcher Richtung man etwas beleuchten muss. Daher fällt die Wahl auf die EZ. Die wird umso größer, je größer der Beitrag der Lichtquellen aus allen Richtungen ausfällt. Wenn man sich das Ganze von oben anschaut, sieht man die Lichtquellen, die den Zylinder beleuchten. Die sieht man allerdings nur auf Zeichnungen.
Ist der beleuchtete Raum sehr hoch und hat man beliebig viele Lichtquellen, die man ausrichten kann, kann man in großen Sälen was mit dem Konzept anfangen. In den Karnickelställen, die sich heute Office nennen dürfen, kann man hingegen einen Lacherfolg erzielen. Immerhin: Satire darf alles.
Gerade sind mir ein paar Bilder in die Hand gefallen, die zeigen, wie man als "Laie" zum schlechten Image des Lichts im Büro beitragen kann. Wie man es besser macht, wusste man schon vor 50 Jahren, vielleicht auch vor 70. Ich will kurz erklären, was das ist, wie sich das auswirkt und warum man es immer wieder sehen kann.
Diese Tastatur leidet exakt unter der gleichen Krankheit wie seine Vorfahren aus den 1960er Jahren. Sie blendet. Damals sagte man, Sekretärinnen schrieben blind. Es wurde nachgewiesen, dass sie trotzdem geblendet werden. Man fühlt abends so, als wäre man den ganzen Tag hat schlecht sehen müssen. Es gibt zwei Lösungen, eine gute und eine schlechte. Die gute ist, man macht sie einfach heller. Die schlechte ist, man erzählt den Leuten, sie sollen ihre Arbeitsplätze zwischen den Leuchten platzieren. Das erzählte man schon vor 50 Jahren. Hilft aber nichts. Schlimmer noch; die Hersteller von Tastaturen nehmen dies zum Anlass, dass der Missetäter nicht ihr Gerät ist, sondern die Beleuchtung. Vor 40 Jahren wurde das GS-Zeichen für Bildschirme eingeführt, das Geräten mit solchen Tastaturen verwehrt blieb. Danach gab es 1990 die Bildschirmrichtlinie der EU, die den Tastaturen das Glänzen verbot. Seit 2016 haben wir die Arbeitsstättenverordnung, die eben dasselbe tut. Dennoch bauen world class manufacturer das Zeug auch im 21. Jahrhundert.
Dieser Raum leidet nicht an Armut, sondern am Gegenteil. Er wurde als schicker Raum für einen Vorstand gebaut und befindet sich in einem berühmten Gebäude. Auch wenn es danach ausschaut, dass hier keine Beleuchtung ist, gibt es eine, und diese ist gerade an. Die blendenden Fenster zeigen keinen gleißenden Himmel im Juni, sondern einen Novembertag. Wo liegt das Problem? Der Raum wird durch Tiefstrahler aus der Decke beleuchtet, deren Gehäuse außen, und der Reflektor innen (teilweise) schwarz sind. Die Möbel sind ebenfalls schick schwarz. Bereits Lichttechniker im 2. Semester würden weder die Möbel noch die Wände so gestalten. Um die Leuchten so nicht verwenden zu wollen, muss man zwei Semester weiter studiert haben.
Den Lichtplaner, der dieses Werk signieren würde, gibt es vermutlich nicht. Auch ein simpler Elektromeister würde den Auftrag nur unter Protest erledigen "Aber nur auf Ihre Verantwortung!" Dass man so etwas nicht tun darf, stand in den Beleuchtungsnormen etwa 1972. Vielleicht war es früher. Das Wissen, dass man es nicht tut, ist wesentlich älter. Ob man so etwas auch in neuerer Fassung finden kann?
Man kann! Diese Decke hängt in einem Gebäude, bei dessen Planung Geld keine Rolle gespielt hat. Die Sünde, Leuchte gegen einen schwarzen Hintergrund setzen, war als solche in den 1940ern bekannt. Warum macht man so einen Unsinn? Eigentlich ist die Decke nicht schwarz, sondern die Füllung der Betonschlitze der Decke. Das ist wegen Akustik. Das Material ist dummerweise schwarz. Und die Decke sieht schwarz aus, weil kein Licht darauf fällt. Aber warum baut man eine Decke so, dass sie so akustisch wirksam ist, dass man Dämmmaterial braucht? Das ist eine Multifunktionsdecke und sorgt für Heizung und Kühlung. Leider, leider, ist die schallhart.
Menschen, die in solchen Räumen arbeiten müssen, klagen nicht primär über die Beleuchtung. Die anderen Faktoren, Akustik und Klima sind da noch schlimmer. Was tut man dann? Man kauft silent rooms und baut die in den open space ein. So hat man endlich seine Ruh'! Was ist dann mit open space? Ist nicht mehr open.
Wieso macht man eigentlich Fehler im 21. Jahrhundert, die vor der Mitte des 20. bekannt waren? Weil man Mitte des 20. Jahrhunderts welche aus dem 19. wiederholt hat? Als Büroberater muss man eben innovativ sein. Da kann man sich nicht einfach hinsetzen und lesen, was man alles so falsch machen kann. Auch wenn alles, was ich hier geschrieben habe, bereits in einer kleiner Broschüre aus 1970 zu finden war. Wahrscheinlich viel früher, denn die aus 1970 ist die 18. Auflage. Und das Wissen passt auf eine halbe Seite.
Das sind paar Bilder, die die Sünden der "Kreativen" - Architekten, Designer - aufzeigen. Schuld für den Benutzer ist …? Was denn sonst, die Beleuchtung.
Falsche Freunde sind Wörter, die im Deutschen und Englischen gleich aussehen, aber etwas ganz anderes bedeuten. Sie heißen auch false friends oder faux amis wenn es sich um französische handelt. Jeder (ehemalige) Schüler kennt den Witz mit dem Kellner, den ein Deutscher fragt "When shall I become a steak?". Manchmal ergibt sich was Lustiges daraus, etwa wenn man einem Amerikaner glaubt, dass man das Haus vom first floor verlassen kann. Da hilft nicht mal ein Fallschirm. Wenn man ein Sonntagskind als Sunday child übersetzt, kann man schon Ärger bekommen. Und Jess Bezos klingt viel reicher, wenn man sein Vermögen in Billonen angibt. Der Arme ist nur Milliardär. Und den verflossenen US-Präsidenten durfte man nicht genie nennen. Er war ein genius.
Unsere deutsche Lichttechnik gebar nach langem Kreisen ein tolles Wort, eher ein Konzept: Integrative Lichtplanung (hier). Es wurde als Teil der Weimarer Thesen veröffentlicht. Nicht schlecht - die Idee. "Tageslicht ist Ausgangspunkt und Maß einer integrativen Lichtplanung, welches durch Kunstlicht ergänzt werden muss. »INTEGRATIVE LICHTQUALITÄT« umfasst daher die kombinierte Tages- und Kunstlichtplanung."
Ich freute mich riesig, als ich hörte, dass der Begriff Schule macht. Die CIE wollte "integrative lighting" in ihr internationales Wörterbuch aufnehmen. Hat wohl auch. Dummerweise steht da nichts von Tageslicht drin. Integrative lighting ist "lighting integrating both visual and non-visual effects, and producing physiological and/or psychological benefits upon humans". Sie haben sogar genormt, wie man das misst (hier). Darin findet sich als Tageslicht D65, das ist die eine Simulation des Tageslichts. Und zwar an einem Nachmittag in Mitteleuropa. Simuliert wird auch kein natürliches Licht, sondern nur das, was zum Sehen dient. Und dieses "Licht" hat noch nie ein Mensch gesehen, Pardon, empfunden. Und mit D65 kann man nix beleuchten. Es existiert nur im Labor oder auf Computern. So ähnlich wie die Testfarben zur Bestimmung des Farbwiedergabeindex. Deren Original ist verschwunden.
Die neue Diskrepanz übertrifft sämtlichen falschen Freunde, die man so kennt. Mal sehen, wer auf lange Sicht die Oberhand behält.
Wenn einer heute im Büro sitzt und seinen Blick gegen die Decke schweifen lässt, wird er etwa mit 70% Wahrscheinlichkeit etwas sehen, was eigentlich schon lange nicht mehr da sein durfte, weil als gesundheitsschädlich nachgewiesen. Das sind Leuchten, deren Sinn nur derjenige verstand, der sie auf den Markt brachte. Sie sollten Reflexionen auf den Bildschirmen vermeiden und so dem "Sehkomfort" dienen. Nachgewiesen mit einem Bildschirm, der etwa 1965 entworfen wurde. Der hatte zwar in der Praxis nie Probleme gemacht, weil konstruktiv gut gegen Fremdlicht abgeschirmt. Man brauchte aber ein Objekt für Versuche, die ein Problem aufwerfen sollten. Als der Bildschirm nicht reflektieren wollte, wurde er einfach gekippt. Denn die Leuchte sollte die (Er)Lösung bringen. Was an deutschen Bürodecken heute hängt, ist noch zu einem großen Teil die Nachfolger der damaligen "bildschirmgerecht" entblendeten Leuchte, wenn nicht sie selbst. Denn Beleuchtung wird zum Leidwesen der Hersteller nicht so häufig erneuert. Vielleicht hilft uns die LED, die loszuwerden. Die passt nämlich nicht zu dem Konzept, wonach sie zu stark blendet. Tut aber in der Realität nicht.
Das Konzept beruhte auf diesem uralten Bild, dessen Sinn kaum jemand versteht, diejenigen eingeschlossen, die es im Lauf der Jahre "modernisiert" haben.
Ich will es kurz erklären. Wer unter der Leuchte sitzt, wird nicht geblendet. Wenn er (eigentlich sie) weiter rechts rückt bis zur grauen Zone, wird er immer noch nicht geblendet. Zwischen dem Beginn der grauen Zone und Ende, wo die Dame platziert ist, ist der kritische Bereich. Dort darf man entweder nicht sitzen, oder die Leuchte darf dort nicht so hell leuchten. Damit es jeder versteht, habe ich das Bild etwas aufgebohrt. Die Emojis zeigen, wie sich die Dame fühlt, wenn sich ihr Kopf an dem Platz befindet, an dem sich das jeweilige Bildchen befindet.
Man kann die Sache auch einfacher erklären: Von 0º bis 45º darf die Leuchte so viel Licht senden, wie sie lustig ist. Ab Gamma - also z.B. 50º - ebenso. Das ist nicht so kritisch.
Mit dem Bildschirm am Arbeitsplatz kam nunmehr ein Sehobjekt auf den Tisch, dem solche Leuchten überhaupt nicht schmeckten. So wurde der graue Bereich so eingeschränkt, dass sich die Leuchte an keinem Bildschirm abbilden würde. Theoretisch geht es ja. In den Kinos waren Leuchten, die nie in Richtung Leinwand strahlten, schon immer üblich. In Büros geht es nicht, weil man nie weiß, wo sich das Publikum befindet. So musste die Abstrahlung rundherum begrenzt werden. Dadurch entstand die sog. BAP-Leuchte mit "Gamma" 50º und maximal 200 cd/m2 außerhalb von 50º.
Dadurch dachte man, würden die Leuchten so blendfrei wie noch nie. Weniger Licht seitlich abgestrahlt, weniger Blendung … Dummerweise haben Menschen wenig Ahnung von Lichttechnik und wurden deswegen durch diese Leuchten mehr geblendet als durch jede andere Leuchte, die sich ein Stückchen Decke in deutschen Büros erobern konnte. Die Büros hatten einen echten Höhlenlook bekommen. Man hätte es aber auch während der Untersuchungen sehen können, die zu dieser Leuchte geführt hatten. So sah nämlich der Raum aus, den die Probanden im Labor bevorzugt haben sollen. Ich weiß nur nicht, was die im Tee hatten.
Damit keiner glaubt, ich hätte das Bild gephotoshopped, um es schlimm erscheinen zu lassen, hier die Vergleichsobjekte aus demselben Buch mit dem selben Scanner aufgenommen und völlig unbearbeitet eingefügt. Man muss sich nur noch fragen, warum man solche Versuche macht. Im vorliegenden Fall war der Fall klar. Die Leuchte gab es schon unter anderem Namen. Es musste nur noch "bewiesen" werden, dass sie auf Bildschirmen nicht reflektiert wird. Dann konnte das Marketing verkünden, man habe die Lösung der Augenprobleme der Computerbenutzer gefunden. Die neue Lösung musste naturgemäß eine dunkle Decke ergeben. Dass dies den lichttechnischen Erkenntnissen widersprach, stand in alten Büchern. Aber Hand Aufs Herz, wer liest denn alte Bücher, wenn eine Innovation proklamiert wird?
Diese vier Szenarien wurden Probanden in einem Labor dargeboten. Sie sollten daraus diejenigen wählen, die nach ihrem Empfinden die beste Beleuchtung ergeben würde. Die Bilder stammen aus einem Artikel in einem Buch aus der Feder einer der Projektmitarbeiter. Die hellen Decken wurden abgelehnt. Die Probanden bevorzugten entgegen früherer Vermutungen eine tiefstrahlende Leuchte.
Nun sind paar Jahrzehnte ins Land geflossen, und man weiß, dass Licht nicht nur dem Sehen dient. Es soll der Gesundheit - auch - dienen. Jetzt fallen die Sünden einem auf die Füße. Denn die "gesundheitliche" Wirkung bemisst sich an der Menge des Lichts, das ins Auge geht. Wie kommt aber Licht aus Leuchten, die optimiert sind, damit sie ja keine Bildschirme stören, in die Richtung, in der diese stehen? Mit anderen Worten: Beleuchtungen wurden schon immer auf Horizontalbeleuchtungsstärke getrimmt. Jetzt ist Vertikalbeleuchtungsstärke gefragt. Laut Einstein kann man die Flugkurve des Lichts biegen. Dazu braucht man große Massen, und die größten Planeten schaffen paar Grad. Wir brauchen Massen, die 90º schaffen! Wie schaffen wir das? Die Lösung, die Leute herausgefunden haben, die sich mit Licht und Gesundheit beschäftigen, sei hier skizziert. Links die Leuchte, die die Bildschirme in Ruhe lässt, rechts die Beleuchtung, die gesund sein soll bzw. kann.
Wie man in anderen Ländern das gesunde Licht ins Auge schaffen soll, ist nicht unser Problem. In Deutschland haben es zwei Männer geschafft, die nicht an Beleuchtung, sondern an den Menschen dachten. Sie wiesen nach, dass der Mensch am Arbeitsplatz die Kommunikation mit der Natur braucht. So ist seit 1975 Gesetz in Deutschland, dass Arbeitsräume eine Sichtverbindung nach draußen haben müssen. Und das durch klare Fenster in Augenhöhe. So kommt das Licht, das der Gesundheit dient, ins Auge.
Naturgemäß kann kein Gesetz Bildschirme entspiegeln. Nach den physikalischen Gesetzen geht es aber. Zudem gibt es viele Möglichkeiten, um Störungen auf dem Bildschirm zu vermeiden, warum um Himmels Willen gerade die Beleuchtung verändern, zumal dies bei Tage eh unwirksam ist? All die Möglichkeiten, die hier abgebildet sind, wurden in den 1980ern in eine internationale Norm eingebracht, die aber die Lichttechniker scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Den heutigen Bildschirmen ist die Beleuchtung ziemlich egal. Sie sind hinreichend robust gegen Fremdlicht. Interessant ist aber, seit wann die so robust sind. Ein gewisser Dr. Bauer aus Dortmund hatte gegen Ende der 1970er Jahre einen Bildschirm entwickelt, der auch bei 8000 lx darauf gut lesbar war. Da in den Büros die Beleuchtung auf einem Bildschirm gerade mal 150 lx ausmacht, war das Gerät also 50 mal robust. Bei üblichen Bildschirmen betrug der Faktor nicht 50, aber 5 reichen auch. Wie man Bildschirme entblendet, wusste man auch in den 1960ern. Warum musste man dennoch eine Beleuchtungslösung entwickeln, die so gut wie niemand brauchte?
Ich erzähle das ein andermal. An dieser Stelle sei aber gesagt, dass die auf die wundersame Weise entstandene Leuchte, die später sogar Norm wurde, nicht einmal ihre ureigenste Aufgabe ordentlich erfüllte, den Arbeitsplatz zu beleuchten. Ob dies der Fall ist, die ordentliche Beleuchtung des Arbeitsplatzes, stellte die deutsche Gewerbeaufsicht immer mit einer Messung auf dem Tisch vor der arbeitenden Person fest. Wo denn sonst? Die frisch genormte Beleuchtung des Bildschirmarbeitsplatzes dachte aber nicht daran. Denn sie sollte ja den Bildschirm nicht stören. So strahlte die Leuchte ihr Licht halt woanders hin, wo es nicht störte. Wenn man die Verteilung des Lichts auf dem Tisch maß, kam so eine Verteilung zustande. Also 700 lx am Tischende und 275 lx vor dem Benutzer. Und das meiste Licht landet auf dem Teppich. Das hätte man eigentlich nicht messen müssen. Es war bereits bei der Planung der Leuchte berechenbar. Dennoch rief diese Kurve bei meinen Vorträgen Verwunderung hervor. Und ein Zuhörer sagte: "Warum zeigen Sie denn Produkte von Leuten auf, die nicht richtig planen können?" Sehr dumm … Denn zufällig war gerade dieser Zuhörer der Konstrukteur der von mir untersuchten Leuchte und seine Firma hatte den Planungsauftrag für die Beleuchtung ausgeführt.
Obwohl die Leuchten mit bildschirmgerechter Entblendung sowie ihre vielen Gesinnungsgenossen deutsche Bürodecken noch zieren, gibt es den "Erfinder" davon nicht mehr. Dieser war seinerzeit der Marktführer, hatte seine "Lösung" der gesamten Branche aufgedrängt. Jetzt gibt es die Branche immer noch, weil man sie braucht. Den Erfinder gibt es indes nicht mehr.
Wer noch ein Bisschen Zeit hat kann die "Story einer Beleuchtung, die niemand mag" lesen (hier). Dort wird erzählt, warum für 37% der deutschen Führungskräfte ihr Traumarbeitsplatz nur Tageslicht hat.
Man kann alle Leute einige Zeit
zum Narren halten und einige Leute die ganze Zeit -
aber alle Leute die ganze Zeit zum Narren halten, das kann man nicht.
Abraham Lincoln