LED away - ein neues Wort macht die Runde. Harte Zeiten bei OSRAM - Gewinne fallen, CEO geht von der Brücke - so ähnlich lauten die Kommentare in luxreview. Irgendwie erinnert mich das Ganze an die 1970er Jahre, als es bei OSRAM so düster aussah, dass die Arbeitsrichter den Klägern gegen die Kündigungen von OSRAM im Falle eines positiven Urteils sagten: "Ich kann die Firma verurteilen, Sie an ihrem alten Arbeitsplatz weiter zu beschäftigen. Wollen Sie das wirklich?" Kurz danach kam die Mutter Siemens und sanierte OSRAM. Die Produktpalette wurde bereinigt - und OSRAM war Spitze. Diesmal bereinigt nicht die Mutter die Produktpalette, sondern OSRAM selbst. Die Mutter hat das einst hochgepäppelte Kind schon längst verstoßen. Und die Bereinigung? Sie lautet, schmeiß weg, Alles was Dich groß gemacht hat, mach in LED! Oder so.
Noch in November trommelte OSRAM auf die Brust: Deutsche erleuchten Sixtinische Kapelle. Kurz danach zog der CEO die Reißleine und verließ OSRAM. Der Kommentar: Nach Frank Sinatras Schlager "Riding high in April, shot down in May". Ja, die Beleuchtung von Sixtina war von der EU-Kommission gefördert worden. Die fördert aber LED, und nicht OSRAM.
LED away - noch einer geht weg, Philips CEO sagt "We´re off target for 2016". Heißt so viel wie, wir sind von der Rolle. Die gemeinte Rolle war die oder eine Führungsrolle in der Lichttechnik. Wie früher dargestellt (hier), dachte ich einst immer an Philips, wenn ich an Licht dachte. Mein letzter Blog dazu heißt hingegen "Philips auf der Suche nach dem Licht". Letztes Jahr hat die LED-Sparte 20% mehr Umsatz gemacht, die "konventionelle" 14% weniger. Macht zusammen - 3%. Philips verkauft Licht, will heißen, Philips trennt sich von Licht?
Irgendwie hatte ich recht früh geahnt, was kommen würde, wenn Bauern nicht nur alle Eier in denselben Korb legen, sondern auch ihre Legehennen schlachten. Wie das? Eine Analyse des Tagungsbandes Licht 2012, veranstaltet zum 100. Geburtstag der LiTG, (veröffentlcht in Licht) hatte mir die Augen geöffnet:
Man stelle vor, eine Gesellschaft zieht Bilanz zum 100jährigen Bestehen. Und diese Gesellschaft steht nicht zufällig für künstliches Licht, dessen Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung weltweit bestimmt mehr beigetragen hat als die viel besungenen Computer. Z.B. dadurch, dass die Arbeitszeit von wenigen Stunden am Tage auf 24 x 365 erweitert wurde. Wie häufig kommt in der Bilanz der 100 Jahre Nachtarbeit vor? Exakt 0 Mal. Man stelle sich vor, eine Technik soll die Arbeitsleistung des Menschen fördern, behauptet man. Wie häufig kommt dies in der Bilanz vor? Exakt 0 Mal. Man kann die Liste der nicht benutzten Wörter, die man aber insbesondere hätte erwähnen müssen, beliebig fortsetzen. Mir ist aber die Spucke weggeblieben, als ich sah, dass die Leuchtstofflampe, die OSRAM und Philips, und damit auch Licht, groß gemacht hatten, 93 Mal erwähnt wurde, während LED (zuzüglich OLED) 1501 Mal vorkam. Da bleibt kein Platz für Behaglichkeit übrig. Wäre auch bei dem Blaustich der meisten LEDs zynisch, wenn man mit Annehmlichkeit oder Behaglichkeit argumentieren würde.
Das kommt davon!
… oder "Philips im Rotlichtbereich" lauteten die Überschriften in den heutigen Börsennachrichten. Philips trennt sich nach Ewigkeiten vom Bereich Licht. Dabei denkt jeder, der in Deutschland an Licht denkt, an Philips, Osram, Siemens, AEG … Die Reihenfolge könnte von Person zu Person etwas anders ausfallen. Ich denke an Philips + AEG, da die letztere Firma in Sachen Licht gut bei Philips untergekommen war.
In den 1960er Jahren hatte Philips die Führerschaft in Sachen Lichtanwendung und Normung beanspruchen dürfen. Als OSRAM Anfang 1970 schwächelte, sah sich Philips oben. In Sachen Anwendungsforschung für Beleuchtung fällt mir immer wieder Philips ein. Beim Lesen der Börsennachrichten leuchteten bei mir rote Alarmlampen auf, oder soll ich lieber von Alarmglocken sprechen. Unser Berufsbild ist in Gefahr, auch wenn Philips beteuert, die neue eigenständige Lichttochter werde Philips heißen, also nicht (völlig) enterbt werden. Man will sie abtrennen, damit sich auch andere Investoren daran beteiligen können.
Erst mal soll die Amputation 400 Mio Euro kosten, was nicht gerade für ein lukratives Geschäft spricht. Siemens hatte OSRAM immerhin nur verschenkt. Ich denke, dass die Ursache wieder bei dem Wort LED zu suchen ist. Die Revolution frisst ihre Eltern. Mal sehen, wie die Sache weitergeht. Gut?
Die Gefahr für den Lichttechniker liegt schlicht darin, dass andere das Sagen haben werden, und am Ende des Jahres des Lichts dessen Techniker ein Stück ärmer dastehen. Es ist bestimmt nicht das letzte Drama seiner Art. Ich denke da an die Szene mit den Kameras. Die einstige Domäne der Deutschen hatte Japan im Sturm erobert, bis nur noch Liebhaberstücke als Produkt übrig geblieben waren, Leicas. Noch vor drei Jahren machten sie ein gutes Geschäft mit Consumer-Kameras. Jetzt nicht mehr, alles im Handy. Videokameras? Im Handy! Meine Stereoanlage? Im Handy, ich brauche nur noch den Verstärker und die Boxen. Videorecorder? Im Fernseher! Fernseher? Ich brauche nur noch ein Display, den Rest macht mein Apple TV und eventuell ein Receiver. Eigentlich habe ich mein Display am Computer, den Receiver drin, die Boxen unter dem Display. Wer nur Bum Bummm-Musik hören will und sich im Dschungelcamp wohl fühlt, braucht keine Consumer-Elektronik mehr. It´s a Sony? Es war eine Sony!
Weiß einer noch, wie Büromaschinen aussahen? Nicht mal in den historischen Ausstellungen ihrer Hersteller kann man sie bewundern, weil die Hersteller auch die ewigen Jagdgründe aufgesucht haben. Die üblichen Verdächtigen der Computerszene des letzten Jahrhunderts sind fast alle tot, oder sie haben sich neu erfunden, siehe IBM. Das Sagen haben andere, über die man Ende 1980er Jahre noch lachen konnte. Wohin der Weg der Lichttechnik mit LED gehen wird, ist relativ gut vorgezeichnet. In Halbleiterbuden, die natürlich nicht mehr Buden heißen werden. Wie man den Weg bis dahin zurücklegen will, ist mir hingegen nicht klar. Bereits heute kann man allenthalben sehen, wie die guten Sitten den Bach runter gehen. Lebensdauer? 50.000! 50.000 was? Manchmal Stunden, kann aber auch Minuten sein, wenn man die Module falsch einbaut. Lichtfarbe? Ähemm! Müssen wir neu definieren. Farbwiedergabe? Die alten Vorstellungen passen nicht mehr. Am besten neue entwickeln. Leuchtdichte? Schwierig zu messen. War schon mit der alten Technik schwierig genug, sodass die Angaben aussagefähig etwa wie Hausnummern waren. Jetzt ist es etwas schlimmer geworden. Lichtstrom? Messen können wir schon. Bloß weiß ich nicht, was die Nummer auf dem Messgerät besagt.
Was wir jedenfalls garantiert erleben werden, ist das Verständnis für das Wort Technologie. Technik ist, wenn eine Lampe leuchtet. Technologie ist, wenn man aus Glas, Metall, seltenen Erden, viel Papier (Normen, Kataloge ...), viel Software und viel ungeschriebenem Wissen eine angenehme Beleuchtung zaubert. Die wird aber künftig von anderen gemacht werden.
"Exklusiv-Konzerte für den Porsche-Club, Product Placement für LED-Leuchten: Die Sixtinische Kapelle sorgt mit neuen Vermarktungsstrategien für Befremden. Dabei ließe sich das vatikanische Gotteshaus für noch viel tollere PR-Aktionen nutzen."
So lautet der Kommentar von Stefan Schultz vom 31.10.2014 zum Thema deutsches Licht in der Sistina. Und es geht so weiter: "Die Sixtinische Kapelle durchläuft dieser Tage einen bemerkenswerten Wandel. Eine betuchte Reisegruppe des Porsche Travel Clubs mietete das weltberühmte Gotteshaus unlängst als exklusiven Konzertsaal. Und die Münchner Firma Osram nutzt es neuerdings als Showroom für 7000 LED-Lampen, die UV-frei, energiesparend und PR-trächtig das Tonnengewölbe des Heiligtums erleuchten."
Hier kann man den ganzen Artikel lesen, der als Glosse klassifiziert wurde. Ich denke eher nicht. Er endet so: Und im Tonnengewölbe wäre neben all den Osram-Leuchten sicher noch Platz für eine Dunstabzugshaube von Whirlpool. Slogan: "Entfernt weißen Rauch - und schwarzen auch. Whirlpool, Ihr Partner für jede Konklave." (Rechtschreibung original).
Mir ist egal, wofür ein Heiligtum vermarktet wird, sofern es nicht zerstört wird. Was hatte Michelangelo Buonarroti im Sinn, als er die Kapelle bemalte? Was hatten die anderen Künstler im Hinterkopf, als sie sich hier verewigten? Sandro Botticelli, Pietro Perugino, Domenico Ghirlandaio, Cosimo Rosselli, Biagio d’Antonio und Luca Signorelli … Er soll jedenfalls keine künstlerischen Helfer akzeptieren wollen, sondern nur Handlanger. Ich denke, die waren auch Maler - gewerbliche. 520 Quadratmeter über Kopf gemalt! Hat er jemals daran gedacht, dass alles mit 7000 Lampen angeleuchtet würde? Oder eher an Kerzen und Fackeln? Botticelli und LED?
Bitte nicht verpassen: Neelie Kroes, Vizepräsidentin der Europäischen Kommission wird heute über die Erleuchtung der Sixtinischen Kapelle sprechen. Obwohl ihre SPEECH/14/728 hier erscheinen sollte, bekomme ich gerade Error 404. Wenn das kein Omen ist. Sie hat sich aber bereits schriftlich verewigt: " „Aufgabe der Kunst ist es, inspirierend und erhellend zu wirken. Nachdem wir in der Sixtinischen Kapelle nun LED-Lampen installiert haben, kann Michelangelos Kunst diese Aufgabe noch besser erfüllen, als sie dies bereits über ihre ganze Geschichte hinweg getan hat.“ Armer Michi, ich meine Michelangelo. Sein Werk musste seit dem 15. August 1483 auf die Erleuchtung warten. Heute, ach was, jetzt gerade, geschieht es.
Die Bild ist wie immer dabei:
"Fiat Lux – es werde Licht…!
In der weltberühmten Sixtinischen Kapelle im Vatikan wird das Bibelwort am Mittwoch Realität: Die Fresken Michelangelos werden – 500 Jahre nach ihrer Erschaffung in einem Glanz erstrahlen wie noch nie zuvor.
Und es ist deutsches Licht, das die bisher eher düstere Kapelle in ungekannten Farben leuchten lässt.
Die Münchner Firma Osram hat 7000 LED-Lampen installiert – zehn Mal heller als die bisherigen Leuchten. Bei 90 Prozent weniger Stromverbrauch. …"
Wie sich die Sixtinische Kapelle im Glanze der LED zeigen wird, werden wir spätestens in der Tagesschau erleben. Man sollte sich aber nicht dabei bewenden lassen und nach Rom begeben. Denn Bilder lügen, und niemand lügt besser als das Fernsehen. Das ist keine Anklage, sondern nur eine Feststellung. Denn jeder, der über etwas berichten will, zeigt das Etwas aus seiner Perspektive - egal wie sehr er/sie sich um Neutralität bemüht.
Was mich skeptisch macht, sind die Bilder aus den anderen EU Projekten im Rahmen von ILLUMINATE. Die Kommission bedient sich der "göttlichen" Worte "Es werde Licht", besser bekannt als "Fiat Lux". Leider hören Lichttechniker häufig auf Lux und lassen Gott einen lieben alten Mann sein. Und der ist so lieb, dass er in seinem wichtigsten christlichen Gotteshaus, dem Petersdom, Scheinwerfer im Zenit der Kuppel duldet. Die machen Lux auf dem Boden, und es dem Betrachter der Deckengemälde unmöglich, diese zu sehen. Der Effekt ist bekannt als Blendung. Die gibt es in der Lichttechnik aber nur für Blickrichtungen bis 45º, weil alle Nutznießer der Beleuchtung brav nach unten gucken. Wer wird sich denn eine Decke ansehen?
Was hat ILLUMINATE bislang so erreicht? Das erste - einzige? - Rathaus (der Welt?), das auf jeden wichtigen Tag mit einem neuen Lichtkleid antworten kann, steht in Belfast und sieht - sah - so aus. Aber nicht immer. Es ändert sein Gesicht nach Wunsch. Wie? Das steht in Youtube zu bewundern. Manchmal sieht es aus wie unten. Wer es schön finden will, bitte!
A propos Belfast. Ein Schiff mit dem Namen H.M.S. Belfast liegt auf der Themse. Es hat bereits auf der Jagd nach Bismarck furchterregend ausgeschaut. Später ballerte sie noch schlimmer im Korea Krieg. In dem Film "Sink the Bismarck" spielte sie die Sheffield, die auf die Bismarck ballert. Hier sieht man, was man mit LED aus einem großen Krieger machen kann. Das rechte Bild wurde Weihnachten 2012 aufgenommen, das linke sieht eher nach Navy-Propaganda aus.
ARD heute Abend: Das wohl wichtigste Werk des Renaissancekünstlers Michelangelo erstrahlt in neuem Licht. 7000 LED-Dioden erleuchten die Sixtinische Kapelle im Vatikan in Rom. Die Besucher können soviel mehr Details der Fresken erkennen: Bisher wurde die Kapelle mit Strahlern auf der Außenseite der Fenster durch Kunststoffplatten hindurch beleuchtet.
"Einige Fresken erscheinen jetzt vom Boden aus betrachtet zum ersten Mal dreidimensional", berichtete die EU-Kommission, die das Lichtprojekt finanziell unterstützt hat. Konzipiert wurde es von der Firma Osram.
Ich denke, dass wichtigste hier ist die Zahl 7.000. Anstelle von Scheinwerfern mit einer begrenzten Zahl sind hier 7.000 Elemente im Einsatz, was nur mit LED geht. Mit kleinen Glühlampen hätte man es auch tun können. Allerdings hätte man einen extra abstellen müssen, die ausgefallenen Lampen zu ersetzen. Ich denke da an den Funkturm, den früher auch OSRAM beleuchtet hatte. Man sah öfters die ausgefallenen Lampen, die das ganze Bild des Monuments nicht allzu ausgefallen erscheinen ließen. Zudem wäre es in der Kapelle ordentlich warm geworden. Jetzt sind die Scheinwerfer verschwunden. Ein Vorbild für viele monumentale Bauten, die von elektrischen Einbauten eigentlich entstellt werden? Anders als im Wohnraum oder im Büro braucht man in einer Kapelle keine "Lichtmöbel", sondern nur Licht. Viele Wohnraumleuchten sind eher leuchtende Möbel denn Beleuchtung, während ein Strahler möglichst nicht gesehen werden soll. Nicht nur die in der Sixtinischen Kapelle verstießen gegen ihren Auftrag. Jetzt vorbei.
Presseerklärung der EU-Kommission hier.
Pressenachrichten von OSRAM hier.
Erklärung vom Goethe Institut hier.
Bitte nicht das Foto von OSRAM angucken. Ich denke, das Original sieht viel besser aus. Oder man projiziert das Bild auf eine große Leinwand.
Die Beispiele der EU darf man sich angucken. Da sieht man, was ich mehrfach als Geschichte in Bonbonfarben dargestellt habe (hier und dort)