Lichtverschmutzung stellt ein altes Problem dar, für das es neue Regeln gibt. Während man sich in der Vergangenheit mit diversen Lichtquellen beschäftigen musste, deren Eigenschaften durch den Prozess der Lichterzeugung mehr oder weniger fest vorgegeben waren, so konnte z.B. HQI nie ganz rotes Licht erzeugen können oder wollen, während die Natriumdampflampen eher gelb denn blau strahlten, kann man mit den LED von Infrarot bis UV viele Strahlungsbereiche wählen. Leider ist sehr häufig Blau dabei, auch wenn es nicht sein muss.
Was nach Meinung der Industrie Kleinkinder schlau, und Pflegeheiminsassen agil machen soll, alarmiert die Schützer der Nacht, so auch IDA International Dark-Sky Association. Ende Dezember 2014 hat IDA neue "Standards" herausgegeben, die vor den Gefahren für die Natur und den Menschen warnen. Eine Auseinandersetzung mit dem Thema lohnt sich, weil es sich bei LED um eine Zukunftstechnologie handelt.
Titel: | NEW STANDARDS ON BLUE LIGHT |
Ich muss etwas geschlafen haben. So ist mir wohl eine neue Vorstellung von Lichtanwendung entgangen, limbic lighting. Hat nichts mit limbo zu tun, sondern mit Hirn. Ziel ist das limbische System. Neuromarketing nennt sich das Ganze. Ziel ist die zielgruppenspezifische Beleuchtung von Verkaufsräumen. Ob die Idee neu ist? Auf jeden sollte man sich die Methoden ansehen, mit denen man ermittelt, welches Licht bei welchem Kunden die geeigneten Emotionen erweckt. (z.B. hier)
Für mich interessant: Soweit individualisiert hatte man Lichtanwendung selten betrachtet, jedenfalls nicht in der Lichttechnik. Bei Architekten und Lichtdesignern war das schon immer anders.
Als ich den letzten Beitrag einstellte, lachte ich noch laut über die Verschandelung einer Hauptstadt. Uns in Berlin hätte so etwas ja nicht passieren können. Kurz danach schaltete ich den Fernseher ein, um der Kundgebung am Brandenburger Tor zu folgen. Wer war nicht alles da. Die Islamische Gemeinde und die Türkische hatten geladen. Bundespräsident Gauck, die Bundeskanzlerin Merkel, ihre fast gesamte Ministerriege, dazu viele tausend Berliner.
Als die Bärgida hier demonstrieren wollte, hatte die Stadt das Tor abdunkeln lassen. Diesmal ertönte es in Bonbonrosa bis Lila. Ich denke, ohne Licht wäre die Anteilnahme für die Terroropfer angemessener.
Wer sieht unter welchen Umständen so aus? Es dürfte extrem schwer fallen, dies zu erahnen. Will jemand freiwillig so aussehen? Des Rätsels Lösung: Bei der Renovierung eines Kreuzfahrtschiffs hat der Planer/Designer moderne LEDs eingeführt. Die Bar ändert ihr Aussehen im Minutentakt. Daneben kann man die dynamisch wandelnde Glatzenfarbe bewundern. Warum diese Bar kaum frequentiert wurde? Ich besuche keine Schiffbars, um dort Chamäleon zu spielen.
Dieses Wunderwerk fährt über Seegebiete praktisch ohne größeres Land in Sicht. Die wenigen Palmenstrände taucht die Bar in ihr dynamisches Licht bis in die Morgenstunden. Von der Crew scheint niemand den Ausschalter zu kennen. Als ich eine Nacht an Bord schlief, war die Bar morgens noch so modern beleuchtet. Vermutlich sichtbar von der ISS, die majestätisch ihre Bahn über uns zog.
Wer dies noch ertragen kann, konnte sich in dem Salon des Schiffs noch größerer Scheußlichkeiten erfreuen. Der grüne Streifen an der Theke wiederholt sich an der Decke des Salons und taucht jede Suppe in edelste Frühlingsfarben. Was bei der Suppe noch erträglich scheint, lässt bei Fisch und Fleisch den verdacht auf Schimmel aufkommen. Eigentlich müsste man den Designer mit seinem Auftraggeber zusammen hier einsperren, bis es ihnen nach einer nüchternen Funzel a la Edison ist.
Als hätte man sie bewusst in Auftrag gegeben: Die Studie „Lack of exposure to natural light in the workspace is associated with physiological, sleep and depressive symptoms.“, veröffentlicht online in Chronobiology Int. in November 2014, wird mit der neuen ArbStättV2015 in Druck gehen. Message:
Was die beiden miteinander zu tun haben? Mit der ArbStättV2015 kehrt die Lieblingsvorschrift von Deutschen zurück: Alle Arbeitsplätze müssen wieder Sichtkontakt nach außen haben - wie vor 2004. Damals hatten zwei Politiker, die man aus dem Amt hat tragen müssen, Ede Stoiber alias Ministerpräsident des Freistaates Bayern, und Wolfgang Clement, der erste und vorerst einzige Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, immer in dieser Reihenfolge, die Sichtverbindung aus der Arbeitsstättenverordnung von 1975 gestrichen.
Mit dieser Vorschrift stand die BRD allein in der Welt da. Nicht einmal die Skandinavier, die vorgeben, die höchste Humanität am Arbeitsplatz erzielt zu haben, hatten es je geschafft, den Menschen am Arbeitsplatz einen Hauch von Freiheit zu geben. Nur in Dänemark musste jeder Arbeitsplatz Tageslicht haben. Wo es aber herkam und wie stark, war Gott oder dem Architekten überlassen. Im Lande der unbegrenzten Möglichkeiten - will heißen, dort ist alles möglich - dürfen Menschen nicht einmal vom Tageslicht am Arbeitsplatz träumen. Noch schlimmer: Früher - man denke nur an Filme wie "Das Appartement" - gab es in den Büros Fensterplätze für die Auserwählten und (Mini)Kabuffs im Großraum für das gemeine Volk. Seit etwa 40 Jahren herrscht Gerechtigkeit: Alle sitzen in der Innenraumzone, die Fensterzone ist Gang.
Im Jahr 2015 kommt die Vorschrift zurück. Warum diese Freude? Da muss man lange in der Geschichte der Lichttechnik blättern, um sie zu verstehen. Ein Wissenschaftler, dem man dies nicht abnehmen wollte, weil seine Studien fehlerhaft sein sollten, behauptete, dass das Tageslicht alle lebenswichtigen Funktionen des menschlichen Körpers steuere. Dies glaubte er, experimentell nachgewiesen zu haben.
Damit störte er die Kreise gewisser Kreise, denen es darum ging, alle Arbeitsstätten künstlich zu beleuchten und zu klimatisieren. Und daran zu verdienen. Den Segen dazu hatte die deutsche Arbeitsmedizin gegeben: „Menschen in fensterlosen Fabrikationsräumen haben - sofern diese in arbeitshygienischer Sicht optimal gestaltet sind - keine gesundheitsschädigenden Einflüsse zu befürchten“ - in vorauseilendem Gehorsam. Denn man wollte dem Traum von der unterbrechungslosen Produktion dienen: „ Erst die Einführung der Leuchtstofflampen hat es ermöglicht, zwei alte Wünsche der Technik zu erfüllen, nämlich die Arbeit in fensterlosen und genau klimatisierten Räumen auf der einen Seite und die von der Tageszeit unabhängige kontinuierliche Maschinenarbeit auf der anderen Seite.” (Schober, 1961).
Die Kreise der gewissen Kreise waren derart gestört, dass die Deutsche Lichttechnische Gesellschaft, alias LiTG, hochkarätige Experten mehrfach bemühte, mit Expertisen seine Vorstellungen zunichte zu machen. Mal war der Rechtsunterzeichnete des Auftrags eine Führungskraft der Firma O. und der Linksunterzeichnete eine der Firme Ph. - und mal auch andersherum -. das Ziel war aber dasselbe: Was nicht sein darf, darf eben nicht sein. Alle deutschen Arbeitsplätze sollten künstlich beleuchtet sein, denn: “Bei seitlicher Befensterung können gehobene Ansprüche an die Beleuchtung, wie sie in der künstlichen Beleuchtung gestellt werden, nicht befriedigt werden.” hieß es in einem Beitrag, der auf der LiTG-Sondertagung: “Auge-Licht-Arbeit” im Jahre 1971 präsentiert wurde. Dass derjenige, der diese hehren Worte sprach, das lichttechnische Labor der Firma S. leitete, die die Mutter der Firma O. war, und dazu ihr Geld mit Leuchten verdiente ...? Ach, was soll´s! Gehobene Ansprüche an die Beleuchtung - darum geht es. Und wer diese bestimmt?
Die erste Expertise durfte der Herr schreiben, der die Verbindung zwischen der Leuchtstofflampe und dem Traum der Technik hergestellt hatte. Die zweite schrieb dann sein Adlatus und Nachfolger im Institut. Stück für Stück wurden dem unangepassten Herrn seine unpassenden Thesen widerlegt. Vor allem die Vorstellung, dass ein gesunder Arbeitsplatz Tageslicht benötige, das den Verlauf seiner Körperfunktionen mit dem der Natur synchronisiere.
Auch als ich 1990 empirisch nachwies, dass alle gesundheitlichen Beschwerden, die Menschen in Büros erleben, mit zunehmendem Abstand ihres Arbeitsplatzes vom nächsten Fenster zunehmen, scherte sich keiner darum. Was nicht sein darf, darf nicht einmal diskutiert werden. Meine Erklärung für die auch von mir unerwartet klare Aussage beruhte auf den Vorstellungen, die der (mittlerweile) alte Herr entwickelt hatte.
Und nun das: Im Jahr 2014 wird wieder, diesmal von den Forschern Harb, Hidalgo und Martau, experimentell nachgewiesen, dass der Entzug von Tageslicht mit physiologischen und depressiven Symptomen einhergeht. Menschen, an deren Arbeitsplatz ein Fenster vorhanden ist, schlafen besser, haben weniger depressive Symptome und „gesunden“ circadianen Melatoninrhythmus als diejenigen ohne Fenster.
Für alle, die es schwarz auf weiß sehen wollen, hier die Zusammenfassung:
The diurnal light cycle has a crucial influence on all life on earth. Unfortunately, modern society has modified this life-governing cycle by stressing maximum production and by giving insufficient attention to the ecological balance and homeostasis of the human metabolism. The aim of this study is to evaluate the effects of exposure or lack of exposure to natural light in a rest/activity rhythm on cortisol and melatonin levels, as well as on psychological variables in humans under natural conditions. This is a cross-sectional study. The subjects were allocated split into two groups according to their workspace (10 employees in the "with window" group and 10 in the "without window" group). All participants were women and wore anactigraph (Actiwatch 2, Philips Respironics), which measures activity and ambient light exposure, for seven days. Concentrations of melatonin and cortisol were measured from the saliva samples. Participants were instructed to collect saliva during the last day of use of the actigraph at 08:00 am, 4:00 pm and 10:00 pm. The subjects answered the Self-Reporting Questionnaire-20 (SRQ-20) to measure the presence of minor psychiatric disorders; the Montgomery-Asberg (MA) scale was used to measure depression symptoms, and the Pittsburgh Sleep Quality Index questionnaire (PSQI) was used to evaluate the quality of sleep. The Rayleigh analysis indicates that the two groups, "with window" an d "without window", exhibited similar activities and light acrophases. In relation to light exposure, the mesor was significantly higher (t = -2.651, p = 0.023) in t he "with window" group (191.04 ± 133.36) than in the "without window" group (73.8 ± 42.05). Additionally, the "with window" group presented the highest amplitude of light exposure (298.07 ± 222.97). Cortisol levels were significantly different between the groups at 10:00 pm (t = 3.009, p = 0.008; "without window" (4.01 ± 0.91) "with window" (3.10 ± 0.30)). In terms of the melatonin levels, the groups differed at two different times of day: 08:00 am (t = 2.593, p = 0.018) and 10:00 pm (t = -2.939, p = 0.009). The "with window" group had a lower melatonin level at 08:00 am (3.54 ± 0.60) but a higher level at 10:00 pm (24.74 ± 4.22) than the "without window" group. Higher cortisol levels were positively correlated with minor psychiatric disorders and depressive symptoms (MA) at 10:00 pm. Lower melatonin levels at 10:00 pm were correlated with depressive symptoms and poor quality of sleep (PSQI). Our study demonstrated that not only may light pollution affect human physiology but also lack of exposure to natural light is related to high levels of cortisol and lower levels of melatonin at night, and these, in turn, are related to depressive symptoms and poor quality of sleep.
Eigentlich eine vollkommen überflüssige Studie. Denn die deutsche Arbeitsstättenverordnung hatte bereits 1975 seitliche Öffnungen mit durchsichtigen Material an Arbeitsräumen, aka Fenster, vorgeschrieben.