27.02.2024
Es hat nur 111 Jahre gedauert. Aber es ist so weit! Die LiTG hat im November 2023 beschlossen, ihren Namen zu ändern. Auf Wikipedia heißt sie am 27. Februar 2024 noch Deutsche Lichttechnische Gesellschaft e. V. Aber das kann sich ja noch ändern. Offiziell heißt sie aber Deutsche Gesellschaft für LichtTechnik + LichtGestaltung.
Damit soll das Ende einer Ära eingeläutet werden, in der die Sicht auf die Welt, die bekanntlich nur Licht vermitteln kann, nicht mehr parzelliert beackert wird. Mit dem Parzellieren meine ich die arbeitsteilige Behandlung von Wissen und Techniken, die uns das Erkennen unserer Umwelt ermöglichen sollen. So erkennen wir Dinge um uns herum durch ihre Gestalt, Helligkeit, Farbe und ihren Glanz. Zum Erfassen gehören noch mehr dazu, aber die haben mit Sehen nichts zu tun. Was ist der Beitrag von Lichttechnik zum Erleben der Umgebung?
Fangen wir von hinten an. Glanz… Was ist das eigentlich? Physikalisch gesehen ist Glanz "eine optische Eigenschaft einer Oberfläche, Licht ganz oder teilweise spiegelnd zu reflektieren." Damit ist eigentlich alles gesagt, was die Behandlung von Glanz in der Technik angeht. Man könnte nur dazu addieren, dass Glanz der Feind von Farbe ist. Denn glänzende Stellen sehen weiß aus. Glanz verhindert auch das Erkennen der Gestalt. Was sich hinter einer glänzenden Fassade verbirgt, erkennt man schlecht. Und eine glänzende Nase sieht weder beim Opernball noch in einer Frittenranch anziehend aus.
Indes das alles sagt nichts über die gesamte Wirkung von Glanz aus. Sie ist janusköpfig. Ein Portrait ohne Glanz auf den Augen zeigt meistens einen Toten. Würde jemand eine sechsstellige Summe für ein Auto hinlegen, das einem matt daher kommt? Kann die Lackindustrie existieren ohne Töpfe voller Farben, die Oberflächen funkeln lassen? Könnte ein Juwelier auch nur einen einzigen Diamanten verkaufen, der eine Oberfläche hätte wie ein Ziegelstein? Was wäre Weihnachten ohne Lametta?
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Wenn man sich die Bedeutungen des Glanzes anguckt, die u.a. mit den besagten Wirkungen verbunden sind, erkennt man den Begriff Glanz noch deutlicher. Glänzende Aussichten …, eine glanzvolle Gala …, Hochglanzprospekte … Wer einer solch bedeutsamen Erscheinung nur eine Nebenrolle einräumt, dazu noch eine negative, kann nicht auf eine glänzende Zukunft hoffen. Die Lichttechnik beschäftigt sich vornehmlich mit der Physik des Ganzen und mit dem Vermeiden störender Wirkungen. Das Geschäft mit Glanz machen andere.
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Gehen wir weiter nach hinten. Farbe! Es gibt nur wenige Menschen, die keine Farbe sehen. Vermutlich noch weniger Menschen wollen in einer farblosen Welt leben. Dennoch gehört die Farbenlehre in der Lichttechnik ins Nebenfach. Das hat einen sachlich wichtigen Grund. Denn die Beleuchtungstechnik für allgemeine Umgebungen will "farbneutral" sein. D.h. Farben sollen durch die beschienenen Objekte entstehen und nicht durch das Licht vorgezeichnet. Daher ist in der Beleuchtungstechnik das bevorzugte Licht weiß, was das immer heißen mag. Farbiges Licht benutzt man für beabsichtigte Effekte.
Der Umgang mit Farbe erfolgt noch arbeitsteiliger als der mit dem Glanz. Die Farbenlehre, also die Lehre von der Ordnung und Beschreibung von Farben, sowie deren Wirkung und Anwendung, ist nicht Thema einer Disziplin. Die Farbtheorie und Farbforschung beschäftigt sich mit der wissenschaftlichen Untersuchung von Farben, z. B. mit der Entstehung von Farbempfindungen im Auge oder der physikalischen Beschaffenheit von Licht. Wenn man sich aber anguckt, was für Menschen sich damit beschäftigen und wie viele Farbsysteme es gibt, kann einem schwindlig werden. Den berühmtesten davon, einen J.W.v. Goethe, kennt man eigentlich als begnadeten Literaten. Er selbst hielt aber seine Farbenlehre als sein wichtigstes Werk. Bei einer weit weniger bekannten, aber nicht minder bedeutsamen Person, Manfred Richter, maßgeblicher Entwickler des DIN-Farbsystems, habe ich studiert. Im Gegensatz zu den beiden stand eine Frau, die ich gerne kennengelernt hätte, Eva Heller. Sie hat die Bedeutung von Farben im Alltag hervorgehoben und ein größeres Bewusstsein für ihre subtilen psychologischen Effekte geschaffen. Sie war vom Beruf Sozialwissenschaftlerin. Ansonsten war ihre Hauptbeschäftigung dieselbe wie bei Goethe, Literatin ("Beim nächsten Mann wird es anders")
Bei den Farbsystemen und Farbmodellen mischen Technik, Wissenschaft und vielleicht auch Kultur mit. So ist es garantiert nicht die Physik, die Newton dazu bewegt hatte, im Regenbogen genau 7 Farben zu erkennen. Es sind unendlich viele. Farbsysteme, abstrakte Konzepte zur Organisation von Farben, bilden die Grundlage für Farbmodelle, also konkrete Anwendungen dieser Systeme in bestimmten Medien. Kein Wunder, dass es mehrere davon gibt.
Der Umgang in der Technik mit dieser Komplexität fällt indes ernüchternd aus. Die Beleuchtung soll Farben sichtbar machen. Der einstige Traum vor 100 Jahren, den ein gewisser Luckiesh geträumt hatte, ein künstliches Tageslicht zu schaffen, weil Menschen ein Recht darauf hätten, natürliche Farben zu sehen, ist ausgeträumt. Die Lichttechnik schlägt sich mit einem Konzept des Farbwiedergabeindex aus den 1960ern herum. Etwas Neueres lässt sich leider nicht in die Praxis bringen. An einem Mangel an Ideen liegt es nicht.
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Bevor wir uns zum Hauptbetätigungsfeld der Lichttechnik begeben, der Helligkeit, noch ein Wort zu Gestalt. Das ist die Form der Dinge, die wir z.B. mit den Händen erfassen könnten. Man kann diese auch messen, weil sie physikalisch existiert. Ob diese Messung etwas bringt, sei dahingestellt. Wer anders denkt, kann sich z.B. daran machen, den David von Michelangelo mit dem Zollstock zu vermessen.
Wie nimmt einer den David wahr? Sehr unterschiedlich! Denn es gibt drei davon. Sie stehen in Florenz in drei Umgebungen. Der echte David muss wetterbedingt in ein Museum (Galleria dell’Accademia). Eine Kopie steht vor dem Palazzo Vecchio, die andere auf einem Sockel auf der Piazzale Michelangelo. Der letztere David ist aus Bronze, hat aber dieselbe Gestalt. Das Licht in der Galleria wechselt über den ganzen Tag. Zu später Zeit ist es auch elektrisch. Auf dem Palazzo Vecchio kann man von morgens bis abends einen David unter Tageslicht bewundern, zu später Zeit naturgemäß im Lichterschein der Cafes drumherum. Den David in Bronze sieht man vor dem Panorama der Stadt Florenz, aber gegen den Himmel. Wie David einst, vor einer Ziegelmauer lieblos aufgestellt, ausgesehen hat, will man besser nicht wissen. Ich zeige das Bild dennoch, damit es deutlich wird, was eines der wichtigsten Kunstwerke der Geschichte mit seiner Umgebung gewinnt oder verliert.
Welchen Anteil an den Eindrücken, die die Menschen erleben, bestimmt der Beitrag der Lichttechnik? Erleben sie nur das, was sie sehen? Die Bibelschüler, die Taliban, die Touristen auf dem Platz, die Kunstschüler?
Die Lichttechnik liefert zum einen die Technik, also die Lampen und Leuchten, und zum anderen die Sehleistung, das ist was man braucht, um etwas zu erkennen. Um David zu erleben, braucht man nur wenig davon. Wer hingegen Oberflächenfehler auf dem Blech suchen will, bevor es zum Auto wird, kann es ohne den Beitrag der Lichttechnik nicht. Wir verbringen aber unser Leben nicht in solchen Umgebungen und trennen nicht scharf zwischen einem Privatleben, wo uns wohlgeformte Produkte unter die Nase gehalten werden, wenn wir als Käufer auftreten, und einem Berufsleben, wo sich alles einer Leistung unterordnet. Schon gar nicht einer Sehleistung, von der niemand weiß, was sie ist, bis man den Faden durch die Öse ziehen muss.
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Die Lichttechnik hat sich auf die Helligkeit konzentriert, die das Erkennen der Dinge ermöglicht bzw. erleichtert. Diese Aufgabe ist keine Kleinigkeit. Vielmehr hat sie mit dem Beitrag dazu Industriegeschichte geschrieben. Allerdings musste man zu diesem Zweck erstens von den Umgebungen für das Privatleben verabschieden. So gehört der Bereich "Wohnraumleuchten" nicht zum harten Bereich von Lichttechnik. Die Unternehmen, die auf dem Gebiet tätig sind, dürfen sich Leuchtmittel kaufen und diese in ihre Produkte einbauen, die man verächtlich als Lichttöter bezeichnet. Die Normen der Lichttechnik sparen diesen Bereich aus: „Die Gestaltung der Beleuchtung lässt sich nicht in Richtlinien festlegen.“, sagte DIN 5035-1 von 1979.
Von dem Rest der Nichtwohngebäude will man auch nicht alles wissen. Die dort angesiedelten Räume werden in zwei Gruppen geteilt: sog. stimmungsbetonte Räume und … (Ich lästere oft, das seien stimmungstötende Räume). Dementsprechend unterschiedlich fällt der normative Rat aus, an dem die LiTG seit etwa 1935 beteiligt war: „In den stimmungsbetonten Räumen spielen gestalterische Gesichtspunkte und solche der Behaglichkeit eine Rolle.“, hieß es in der Norm. Wie man bei solchen Räumen gestalterische Gesichtspunkte behandelt, umschreibt, regelt…? Fehlanzeige. Das überließ man an ungenannte andere. Gestalterische Aspekte und Behaglichkeit spielen in Arbeitsräumen keine Rolle.
Und man sah die Hauptaufgabe darin, die Arbeitsräume zu beglücken: "In Arbeitsräumen muß die Beleuchtung eines müheloses Erkennen der Sehobjekte ermöglichen." Man konnte übrigens mühelos erkennen, was für Künstler da am Werk waren.
Just darum geht es im 112. Lebensjahr der LiTG. Mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer arbeitet am Computer und pfeift auf die Sehleistung. Für viele von ihnen bietet die Beleuchtung das Gegenteil von Sehleistung - Störungen des Sehens. Zudem ist die einst wohlbegründete Trennung zwischen dem Arbeitsraum und dem Wohnraum unwiderbringlich entfallen. Viele Arbeitgeber kämpfen darum, ihre Angestellten in die Büros zu locken.
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Sollen die Leute doch mit ihren geliebten Wohnraumleuchten glücklich werden! Leider war es dem nie so, dass Menschen in ihrer Wohnumgebung auf eine hohe Sehleistung verzichten konnten, während sie in ihrer Arbeitsumgebung diese unbedingt gebraucht hätten. Die Trennung war nur durch den Marktsegment bedingt, den bestimmte Firmen bedienen wollten. Auch in Wohnbereichen braucht man funktionelle Leuchten. Sie dürfen nur nicht nach lieblos gebogenem Blech ausschauen. In diesem Zusammenhang sagte einst ein bekannter Leuchtenentwickler seufzend: "Loch an der Decke braucht kein Design."
Die Namensänderung der LiTG bedeutet nichts anderes als die Anerkennung der Sachlage: Wir brauchen Lichtprodukte von 100% dekorativ bis 100% funktional. Dass man so etwas nicht normativ regeln kann, ist nur der Phantasiearmut der einstigen Protagonisten zu verdanken. Es geht. Nur nicht so, wie es gemacht wurde.
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Wer erleben möchte, dass man mit Licht Dinge in einem völlig anderen Licht sehen lassen kann, hatte letzten Sonntag eine gute Gelegenheit. Nach dem Tatort gab Carmen Miosga ihren Einstand als Talkerin und hatte dazu einen besonderen Gast eingeladen, Friedrich Merz. Als sie ihm erläutern wollte, wie sie seine Einstellung einschätze – also gestrig – wurde eine Lampe aufgebaut, die man in Deutschland schon lange kennt.
Es gab sie beim „Kommissar“ Ende der 1960er. Und vor zwei Tagen bei Soko Wismar. Die Lampe von Kaiser Leuchten gehört somit in jede gute deutsche Wohnstube. Merz meinte, er hätte sie in dem Amtszimmer von seinem Vater in Brilon gesehen. Ob er sie wirklich so gesehen hat? Glaube ich nicht.
Die neue Kaiser-Leuchte zeigt zwei Lichtkränze, die es beim Kommissar nicht gegeben hatte. Im Scheinwerferlicht sieht vieles eben anders aus. Man har wohl vergessen, die gute Leuchte zu pudern.
17.12.2022
Als ich nach der Historie vom Letzten Abendmahl suchte, fiel mir dieses Bild in die Hände. Eigentlich wollte ich wissen, welche Leuchtmittel Leonardo in sein Gemälde eingearbeitet hatte. Gefunden habe ich viele Artikel über die Beleuchtung des Raums, an dessen Wand das berühmteste Wandbild der Geschichte eingearbeitet ist. Die Lichttechniker werden an meinem Befund keine Freude haben. Denn beim Letzten Abendmahl war es wohl noch hell. Keine Lichtquellen zu sehen. Soll man den Raum Nu mit Tageslicht beleuchten? Oder mit Kerzen, die die Kirche Jesu so liebt? Passt nicht zu den Fenstern im Hintergrund.
Mir fiel dazu nur ein, wie meine Heimat mit LEDs verhunzt wurde. Das Schlimme daran ist, dass die Leute auch noch stolz darauf sind! Der Bosporus als Jahrmarkt, eine Moschee kunterbunt. Eine Vorstadtsiedlung in Giftgrün! Die Menschen schwelgen in Bildern aus der Vergangenheit, als große Fischschwärme den Bosporus auf und später ab wanderten. Jetzt gibt es die nicht mehr. Und schuld sollen die Fischer daran sein. Dass Licht für Meerestiere eine schlimmere Barriere sein kann als Stromschnellen, weiß kaum jemand. Lichtverschmutzung kommt als Stadtverschönerung daher.
Wie kommt das eigentlich mit der LED zusammen? Dummerweise durch ihre beste Eigenschaft: Steuerbarkeit auch in Farben. Hat man einst bunte Lichter mit Glühbirnen realisiert, die man bunt bemalt kaufen musste, lassen sich die LED trägheitslos steuern. Man kann nicht nur dimmen, sondern die Farben durchorgeln, und sogar die Farbwiedergabe ändern. Was allerdings für die Rocky Horror Picture Show ideal ist, entwickelt sich zum bunten Grauen für Städte. Am schlimmsten betroffen London und meine Heimatstadt Istanbul. Beide haben große Wasserflächen, die durch die Stadt ziehen, Brücken darüber und Schiffe darin. Früher lachte ich mich über die Amis kaputt, die die Niagara Fälle in pinkes Licht tauchten. Jetzt sehen die Fälle im Vergleich zu Istanbul auf alle Fälle sogar dezent aus. (Leider konnte ich kein früheres Bild von den Fällen auftreiben.)
Ich habe nichts gegen einen exquisiten Geschmack, dem zu Folge man die Orte, zu denen der Kaiser zu Fuß ging, mit LEDs versieht. Man sitzt sogar kuschelig warm darauf, weil das Licht auch die Brille wärmt. Es hilft sogar gegen üble Gerüche. Wie das? Die oben abgebildeten Objekte der Begierde werden häufig verfehlt, wenn der Göttergatte der Spezies Stehpisser angehört. Feine Frauennasen sind davon nicht erbaut. Die Firma Panasonic schuf mit der Toilettensitzbeleuchtung DL-GWN eine wohlriechende Lösung: "Das Licht schafft zudem ein Ziel auf das die männlichen Mitglieder des Haushalts zielen können." Ob solche praktischen Anwendungen rechtfertigen können, dass sakrale Kunstwerke (diese Moschee ist ein Juwel Neobarock Baustils) wie Riesenräder auf dem Jahrmarkt beleuchtet werden?
25.09.2022
Eine von mir sehr geschätzte Quelle erzählt uns das über Lichtwirkungen, was links zu sehen ist. "Keine Lichtwirkung" = Licht von oben. "Gute Lichtwirkung" = Licht von vorn. Alles, was von da unten kommt, könnte blenden. Bitte keine Leuchten unterm Auge! (Guter Rat, übrigens.)
Da bei mir der Alzheimer noch nicht allzu stark zugeschlagen hat, erinnere ich mich noch an die Worte eines Lichtguru, der sagte "Alles Gute kommt von oben". Jetzt hat es aber keine Wirkung. Keine Gurus, aber Lichtplaner packen Leuchten und Lampen, die blenden können, weg von der Stelle, die "gute Lichtwirkung" verspricht. Und platzieren dort, wo das Licht nach diesem Bild keine Wirkung haben soll.
Doofe Leute wie ich, die Lichttechnik studiert haben, haben hingegen andere Bilder mit der Muttermilch aufgesogen. Leuchten packst du schön nach oben, damit sie nicht blenden. Fenster kannst du nicht wegpacken, also drehe die Leute so, dass sie nicht da hinein gucken können. Sonst werden sie geblendet. Alle Buchstaben des griechischen Alphabets werden bemüht, um die Winkel zu anzugeben, unter denen Leuchten blenden.
Was müssen wir alles aus der Lichttechnik entsorgen, damit die Beleuchtung der schönen neuen Lichtwelt entspricht? Die Firma, die die Idee mit den super-entblendeten Leuchten hatte - BAP-Beleuchtung - hat sich selbst entsorgt. Wir müssen nur zusehen, was ihre Hinterlassenschaft in der Literatur angeht. Zuerst müssen wir die Zahl 200 entsorgen. Das war die Leuchtdichte, die nie überschritten werden durfte. Sie steht der LED-Beleuchtung im Wege, also weg damit. Die Norm, die sie verherrlichte, DIN 5035-7, ist schon lange entsorgt. Schade um das viele Geld, mit dem die Norm einst hoffähig gemacht wurde. Professoren sind nicht billig. Wir müssen nur noch die Artikel aus der Fachpresse ausfindig machen, die die Norm einst verherrlichten. Und ein Kapitel aus einem Standardwerk zu Beleuchtungstechnik. Verbrennen? Geht schlecht in Deutschland wg. der Geschichte. Aber gegen Kompostieren hat niemand etwas. Da kommt endlich Mist zu Mist!
Was ist jetzt anders geworden? Die Lichtwelt interessiert sich nicht mehr für das Sehen. Blendung war gestern. Heute muss man die Leuchten dorthin packen, wo man sie einst wegnehmen musste. Jetzt sind biologische Wirkungen in. Und die werden maximiert, wenn das Licht ins Auge geht. Früher, lang lang ist's her, wurden Leuchten streng entblendet, damit ja kein Bildschirmbenutzer was ins Auge kriegt. Jetzt veranstalten wir exakt das Gegenteil. Und das ist gesund.
Heute sprach der Berliner Tagesspiegel von schmutzigen Lichtern der Großstadt und meinte Berlin. Zwar hat die Geschichte der Straßenbeleuchtung nicht hier angefangen. Kaum eine Stadt der Welt hat den Titel "City of Lights" aber besser verdient als Berlin. So beschreibt der Artikel denn auch, wie sich die öffentliche Beleuchtung von Berlin entwickelt hat. Im Anfang stand die Verordnung des Großen Kurfürsten von 1679 jedes dritte Haus mit einer Laterne zu versehen, egal womit. Die Armen konnten mit ranzigem Fett beleuchten, die Reichen mit Wachskerzen. Davon soll die Lindenoper bei einer Veranstaltung 3000 Pfund verbraucht haben. Innen wie außen. Es isch over, würde heute Wolfgang S. sagen, wäre er noch an der Macht. Von Festival of Lights zu "schmutzigen Lichtern der Großstadt"!
Vorgestern sprach der deutsche Wirtschaftsminister an das Volk, es möge kürzer duschen. Bis auf die FDP, die bekanntlich die Freiheit liebt, hört man nirgendwo eine Widerrede. Deren Haudegen Kubicki soll gesagt haben, er gucke unter der Dusche nicht auf die Uhr. Ich denke aber, das war so ein Reflex. Was das Volk derzeit von solchen Figuren hält, hat dessen Reaktion auf die Glamour-Hochzeit des Spitzenpolitikers dieser Partei gezeigt. Sämtliche deutsche Politiker wurden abgestraft. Nur die ewige Sozialistin Sahra W. wurde aufgewertet, auch wenn es zur Beliebheit der Mutti von einst nicht reichte. (Quelle: ZDF-Politbarometer)
Was das Volk dem Finanzminister als Wertschätzung entgegen gebracht hat, könnte bald alle treffen, die in Krisenzeiten weiter machen wie schon immer. So diskutiert der Tagesspiegel schon, ob man in Berlin nicht um Mitternacht die Straßenbeleuchtung abschaltet wie in Posemuckel bereits geschehen. Was gestern noch wie eine Stadt aussah, die nie schläft, könnte morgen schon früh ins Bett beordert werden wie in der Jugendherberge. (hier zum Artikel vom Tagesspiegel)
Wie wahrscheinlich ist das, wenn nicht nur die normgerechte Beleuchtung etwa verdoppelt werden soll, wie die jüngst in Kraft getretene Beleuchtungsnorm so elegant mit Kontextmodifikatoren eingeführt hat. Was das ist? Also: Der Kasten, in dem menschliche Aktivitäten stattfinden, heißt nicht mehr Bürohaus oder Fabrik, sondern Nutzungskontext. Wie dieser Kontext im Normalfall beleuchtet werden soll, wird schon immer in Normen haargenau festgelegt. Zwar weiß keiner, was der Normalfall ist. Aber man soll so tolle Konzepte nicht mit Detailfragen madig machen. Es gibt also einen Normalkontext. Was immer das auch sein mag.
Damit dieser Normalkontext immer eine Mindestbeleuchtungsstärke hat, wurde 2003 der Wartungswert eingeführt. Der darf nie unterschritten werden. Es ist eine Art Grundrecht. Neuerdings muss der Wartungswert erhöht werden, wenn bestimmte Kontextmodifikatoren vorliegen. Die liegen vor z.B. wenn „die Sehaufgabe kritisch für den Arbeitsablauf ist“. So gesehen also immer. Noch ein Kontextmodifikator ist eine erhöhte Konzentration: „Genauigkeit, höhere Produktivität oder erhöhte Konzentration sind von großer Bedeutung“. Also auch immer. Oder „die Sehfähigkeit des Arbeitnehmers liegt unter dem üblichen Sehvermögen“. Dann weiß der Chef, wen er zuerst entlässt. Den Leuten, die lange an einer Aufgabe sitzen, muss auch geholfen werden: „die Aufgabe wird ungewöhnlich lange ausgeführt“ gehört auch zu den 7 Kontextmodifikatoren. Wenn einer also ungewöhnlich lange an einer Aufgabe frimelt, wird er mit einem erhöhten Wartungswert belohnt. Das ist also ein erhöhtes Grundrecht.
Wenn es im nächsten WInter darum geht, ob man lieber etwas frieren, dafür aber mehr essen will oder umgekehrt, werden viele gewohnte Vorstellungen unter die Lupe genommen werden. Man wird sehen, welche Ressourcen weiterhin verbraucht werden dürfen, weil gut begründet. Und welche Dinge entbehrlich sind. Wenn die deutsche Hauptstadt gezwungen werden soll, Windmühlen dort aufzustellen, wo einst der Kaiser zum Spaß und seine Kavallerie für den Ernstfall ritten, im Grunewald, damit mehr Ökostrom produziert wird, werden manche Augen genau hinsehen, ob es denn nötig ist CAD-Arbeitsplätze mit 1000 lx statt mit 500 lx zu beleuchten. Vor 2003 war es 200 lx. Wobei man nicht vergessen darf, dass die dort Arbeitenden zum Arbeiten gar kein Lux brauchen. Wozu denn sonst?
Diese Frage hat der langjährige Chefredakteur von der wichtigsten Publikation der Lichtforschung, Lighting Research and Technology, Peter Boyce überdeutlich beantwortet. Sein Artikel von 1993 trägt den Titel "Von der Festlegung von Beleuchtungsstärken nach der Sehleistung - Und andere Märchen". Wer das Märchen dennoch hat drei weitere Jahrzehnte länger erzählen wollen, muss jetzt anderen erklären, wie denn 50 Tabellen mit Tausenden Anforderungen bis hin zur Gleichmäßigkeit der Beleuchtungsstärke an den Decken von Ankunftshallen von Flughäfen entstanden sind. Boyce hatte für die Zeit vor 1993 recherchiert und eine eindeutige Antwort gefunden: Die festgelegten Beleuchtungsstärkewerte folgen der allgemeinen Wirtschaftslage. (hier) Unser Institut hat noch tiefer recherchiert und herausgefunden, wie die überhaupt entstanden sind (hier). Mit der Sehleistung haben sie jedenfalls nichts zu tun.
Mal sehen, wie man das Ganze im kommenden Winter sieht.