Bislang dachte ich, dass Licht den Raum macht. Dass es dem Kölner Dom den Luftraum streitig macht, den er etwa seit 1265 beherrscht? UNESCO wird es bestimmt nicht gefallen, dass ihr Weltkulturerbe unter einen Licht-Scheffel gestellt wird.
In Licht 2/2017 fand ich die obige Feststellung. Ein Glück für das Unternehmen, dass Gotteslästerung nicht mehr strafbar ist. Jedenfalls nicht in Deutschland. Den Kölner Dom des Apostels Petrus mit LED Scheinwerfern übertrumpfen? Früher, als das Ding noch Müngersdorfer Stadion hieß, hätte der Kardinal Meisner den Kölnern den Geißbock persönlich geschlachtet. O tempora, o mores! Armer, Hennes …
Was ist denn passiert? Eine Reihe von Firmen haben eine Reihe von Produkten der Lichtbranche mit tollen Namen wie Publisca, Faciella, Inperla oder Arimo in den Kasten installiert, dazu einen Buzzer, der die Lichtszene "Tooor" aufruft, so der 1. FC Köln ein Tor schießt. Sonst werden andere Szenen aufgerufen, die übliche Kakophonie halt. Bei der Umrüstung wurden die Pylonen, das sind die Türme, die das Dach halten, etwas "verstärkt" beleuchtet. Sie waren einst mit Leuchtstofflampen beleuchtet, die nie daran dachten, ihr Licht weit wegzustrahlen. Jetzt sind es LED, die man noch in 25 km Entfernung sehen soll.
Kunst oder Umweltverschmutzung? Oder gar Gotteslästerung? Müssen wir nicht mehr selbst urteilen, die LED-Pylonen leuchten selbst dem Herrn heim, der über uns wohnt. Das Müngersheimer Stadion als intergalaktisches Objekt? Sichtbar noch von Alpha Centauri? Seit dem Münzwurf von Rotterdam gab es wohl kaum ein Ereignis, das so zum Himmel schreit.
Mer losse d'r Dom en Kölle, denn do jehööt hä hin.
Und ohne Klimbim
Die heutige Meldung über Deutschland ohne Schlaf zielt nicht auf die Fans von Helene Fischer, die atemlos zuhören, wenn sie singt, oder beim Anblick ihrer Bilder den Schlaf vergessen, wenn sie nicht gleich in Ohnmacht fallen. Es geht um germanus simplicus, also um Herrn und Frau Mustermann, die schlecht schlafen. Deren Zahl hat in den letzten sieben Jahren um 60% zugenommen.
Neu ist die Erscheinung indes nicht. Sie hat in der Urzeit der Menschheitsgeschichte angefangen, als die Uhrzeit nur bei Sonnenschein ablesbar war. Man wollte aber auch in der Nacht etwas sehen - und erfand das künstliche Licht. Der Sage nach war es Prometheus, der den Göttern das Feuer stahl und den Menschen schenkte. Seitdem muss er leiden. Und die Menschen? Das elektrische Licht hat denen den sozialen Jetlag gebracht. Das ist die Differenz zwischen der Körperzeit eines aufwachenden Menschen und der Zeit, zu der er aufwachen muss. Nach Chronobiologen beträgt sie in Westeuropa ca. 2 Stunden. Das Licht, das wir am Tage in unbegrenzten Mengen genießen können, wird in der Nacht zum Stressfaktor - auch wenn wir es mögen. Je stärker wir die Nacht zum Tage machen, desto stärker nehmen also die Schlafstörungen zu.
Mancher Bürger dieses Staates könnte ja auch etwa gleichermaßen zugenommen haben, aber das nebenbei. Warum schlafen Arbeitnehmer schlechter als früher? Darauf hat die ARD einige Antworten:
Lärm in der Nacht? Stimmt bestimmt. Stress in der Familie? Ganz bestimmt. Stress am Arbeitsplatz? Stimmt auffällig! Doch warum denn 60% Zunahme in nur 6 Jahren? Da fiel mir der selige John Ott ein, der Erfinder der True Light. Zwar hat die Industrie sein Licht unter den Scheffel gestellt, aber selber Lampen verkauft, die Biolux oder so heißen. Ott´s Theorie hörte sich abenteuerlich an wie meine Erklärung zum Nicht-Schlaf in Germanien: Die Aufruhr der Jugend Ende der 1960er Jahre sei auf das unsichtbare Flimmern von Fernsehern in den USA zurückzuführen. Zehn Jahre später, die Fernseher sind besser geworden, und die AMi-Jugend nicht mehr so aufsässig. Vielleicht lag es eher daran, dass der Vietnam Krieg zu Ende war und Joan Baez und Bob Dylan etwas älter? Man soll ja nicht jede Theorie gleich verdammen, vor allem, wenn sie selber braucht.
Meines Erachtens kann die Schlafstörung mit Licht zusammen hängen. Denn seit mehr als 25 Jahre haben Forscher in unterschiedlichsten Ländern ermittelt, dass schlechtes Licht am Arbeitsplatz die Qualität des Schlafs beeinträchtigt. Wer sucht, findet viele Zeugnisse. Was hat sich aber seit 2010 so dramatisch verändert?
Erst mal etwas, was man nicht gleich unter Beleuchtung verbucht: Bildschirme. Diese sind viel größer geworden, viel heller und werden jetzt mit LED beleuchtet. Ihre Lichtfarbe ist blauer als einst. Und blaues Licht soll laut Philips und Osram den Menschen so anregen, dass man gleich alle Schulen und Altersheime damit pflastern will. Zudem sind diverse neue "Bildschirme" in Erscheinung getreten, die früher kleiner waren, anders beleuchtet und vor allem, viel viel seltener benutzt. Die Nachfolger von Handies mit kleinen Displays. Smartphones, erfunden etwa 2007, haben die Welt im Handstreich erobert und verfolgen uns bis dahin, wo der Kaiser zu Fuß hingeht. Dass die Monitore den Hormonausstoß des Körpers beeinflussen, hat ein Schweizer Institut im Auftrag eines deutschen Instituts nachgewiesen.
Schweizer Studie von Ahmet Cakir bei Vimeo.
Was haben die Gerätchen mit der Beleuchtung gemeinsam? Sie, die Beleuchtung und auch die Autos und Verkehrsschilder werden mit LED bestückt. Alle haben gemeinsam, dass das Licht nicht stetig ist, sondern scharf abgehackt. Für das stehende Auge geben sie flimmerfreies Licht ab. Dummerweise stehen die Augen nur still, wenn einer tot ist. Bei allen lebenden Menschen - und auch Tieren - vollführen sie Bewegungen, um die Umwelt zu erfassen. Was dabei so alles entstehen kann, steht hier zu lesen (hier und dort)
Da wirkt sich zeitlich veränderliches Licht mehr oder weniger heftig aus. So haben wir z.B. vor ein- und demselben Modell eines Monitors Leute erlebt, die ihn als flimmerfrei bezeichnen, während andere zu 35% eine erhebliche Störung erleben. Der Unterschied lag in dem Zwang, ständig auf dem Bildschirm was suchen zu müssen (s. auch hier LED und Krätze). Die Monitore, die zu Ott´s Zeiten die Jugend aufgestachelt haben sollen, wurden bei unseren damaligen Studien zu etwa 10% beanstandet. Zu sehen war das Flimmern für fast alle - die Apparate hießen ja nicht ohne Grund Flimmerkisten. Die heutigen sind viel gefährlicher, weil sie ihre Sünden besser verstecken. Wenn man aber die Hirnströme der Menschen anzapft, sieht man, wie Licht und vor allem Lichtwechsel - Flimmern - unser wichtigstes Organ beschäftigen. Leider nicht mit etwas Vernünftigem. So kann Stress entstehen.
Hier langsam mit Mitschreiben:
Die Vergangenheit holt mich ein. Vor etwa 35 Jahren fragten mich viele, ob man von Bildschirmarbeit Hautprobleme bekommt. Damals bekam man alles Mögliche von Bildschirmarbeit. Ein Bekannter musste sogar seinen Beruf aufgeben, weil die Elektronik von Bildschirmgeräten bei ihm allergische Reaktionen auslöste. Da er dummerweise Rechenzentrumsleiter war, befanden sich in seiner Umgebung viele Bildschirme. Ein gut bezahlter gemütlicher Lebensabend voll Fernsehvergnügen war ihm dennoch nicht beschieden, denn auch sein Fernseher war ein Bildschirm. Und heute fragte mich ein sehr ernster Mensch sehr ernsthaft, ob man von LED-Licht Hautjucken und -rötungen bekommen kann. Wenn man von Leuchtstofflampenlicht Krebs bekommen kann, darf doch LED eine kleine Krätze verursachen - oder?
Üblicherweise muss man solche Anfragen gleich in die Tonne treten. Denn das Jucken war im Gesicht aufgetreten, aber LED-Licht bei der Arbeit scheint einem auf den Kopf, da man die Dinger meist als Downlights installiert. Da müsste bei den Männern sofort die Schwachstelle jucken. Die Opfer waren aber Frauen und hatten es im Gesicht. Ob es eher die reichlich verarbeitete Hautcreme war?
Ich fange an, Interesse an dem Problem zu finden. Denn die Probleme verschwanden, als man die LED entfernte. Und dann? Man hat eine andere LED-Leuchte installiert. Zu Ende gejuckt! Mal sehen, was dahinter steckt.
Übrigens, das Problem des Rechenzentrumsleiters wurde viel später mit Hilfe unserer Sekretärin gelöst. Die bekam das Heulen, immer an Tagen, an denen ein neuer Computer einer bestimmten Firma eingeschaltet wurde. Bei anderen Produkten der gleichen Firma wie Drucker ebenso. Die Verantwortlichen dieser Firma nahmen die Sache ernst. Seitdem werden die Produkte vor dem Ausliefern "gealtert". Es lag am Kunststoff. Bei anderen Leuten, die Hautprobleme vor dem Bildschirm bekamen, war es das elektrische Feld der Röhre. Als dieses verschwand, verschwanden die Hautprobleme auch. Nur - bei LED wird es so einfach nicht werden, denn die andere Beleuchtung, die keine Probleme verursacht, arbeitet auch mit LED.
Heute las ich im neuen Licht-Heft über das Treffen von Lichtdesignern auf der Insel Kea. Bis heute war mir die Insel nur als derjenige Ort bekannt, wo die Betrüger wohnten. Sie sollten dem Apollon sein Gold vorenthalten haben, indem sie anstelle Goldmünzen vergoldete an den lieben Gott schickten. Apollon soll daraufhin ihre Insel zerstört haben. Götter können grausam sein.
Die Story hat viele Fehler. Erst mal war es die Insel Sifnos, wo das Gold her kam. Den Sifnosianern soll auch nicht das ganze Eiland zerstört worden sein, sondern nur die Gold- und Silberminen unter Wasser gesetzt. Man munkelt, die hätten zu tief gebohrt und sich so die Ägäis ins Land geholt. Dennoch blieb mir die Sache mit dem Vergolden und Lichtdesign in Erinnerung. Denn manch eine Installation zaubert etwas in die Landschaft, die nach Sonnenaufgang nicht mehr zu sehen ist. Kunst oder Betrug?
Mit Lichtdesign war ich als Kleinkind aufgewachsen. Natürlich hieß die damals nicht so. Kandil war der Name. Das ist die Bezeichnung von heiligen Nächten im Islam, die sich seit dem dritten Jahrhundert nach Mohammed eingebürgert haben. An solchen Nächten hängte man früher wohl Kerzen oder Öllampen an die Minarette. Daher der Name, Kandil heißt so viel wie Kandelaber. Und die Ähnlichkeit mit candle ist wohl nicht Zufall. Zu meiner Kindheit war es schon elektrisch Licht, das die Plattformen an den Minaretten himmlisch leuchten ließ. An solchen Abenden machten die ihrem Namen alle Ehre. Denn Minarett heißt so viel wie Leuchtturm bzw. Ort des Lichts.
Die Moscheen der Sultane hatten bis zu sechs Minaretts mit bis zu drei Plattformen – umlaufende Balkone. Die waren für uns nicht sichtbar, weil unser Haus an einem Nordhang eines Tals am Bosporus stand. Wir sahen nur unsere Moschee mit zwei Minaretts. Die anderen sah man, wenn man zum Wasser ging. Die Stadt war mit feinen Lichtern geschmückt. Kandil!
Eines Abends sahen wir etwas nie Dagewesenes. Die friedlichste Burg der Weltgeschichte leuchtete in seinem Lichterglanz. Die war 1453 gebaut worden und nur für wenige Monate mit Soldaten besetzt. Vor ihr liegen die mächtigsten Geschütze ihrer Zeit, aus denen aber in 564 Jahren nur ein einziger Schuss abgegeben wurde. Seitdem liegt die riesige Festung da und entzog sich immer bei Sonnenuntergang unseren Augen. Eines Tages nicht mehr. Sie wird seitdem regelmäßig „illuminiert“.
Heute bin ich nur noch ein oder zwei Mal im Jahr dort. Wo einst einige hundert Kandil eine wunderbare Skyline hinzauberten, verwandeln hunderttausende LED, Scheinwerfer, Lichterketten u.v.am. die gesamte Stadt in visuelles Chaos. Dieses verrät die wahren Ziele der angeblichen religiösen Ereiferer: Bei Sonnenuntergang treten jetzt die Moscheen in den Hintergrund, während der Kommerz grell aufleuchtet. (Bild vom 27.12.2016)
Ich denke, auf der Tagung der Dark Sky Association wäre ich besser aufgehoben als auf Kea.
Er hängt in der Mitte eines großen Saals, so wie seit Jahrzehnten. Es könnte sein, dass er einst für Kerzenlicht konstruiert wurde. Später erhielt er bestimmt elektrische Kerzen. Deren Licht spiegelte sich in den Kristallen, eine blendende Erscheinung. Dafür baut man ja Lüster. Unter ihm flanierten einige der wichtigen Leute der Republik, vielleicht war auch mal der Kaiser da. Auf dem Gelände vor ihm hat auch mal ein Davis Cup stattgefunden. Unser Kronleuchter ist kein Nobody.
Wir saßen unter ihm zu einem Abendessen. Die Tische waren mit Kerzen dekoriert, die naturgemäß nur die eigene Umgebung beleuchten. Den Saal übernimmt - bzw. übernahm früher - der Kronleuchter.
Dann muss irgend wann mal einer gekommen sein und moderne Zeiten ausgerufen haben. Der Kronleuchter wurde mit dem modernsten Licht bestückt. Als ich ihn zuerst ansah, wunderte ich mich, dass nichts blendete. Entweder hat der Verantwortliche Module mit geringer Leuchtdichte genommen oder man hat die LED gedimmt. Auf jeden Fall ... es blendet nichts. Lüster leben aber von Blendung, von dezenter. Lichter setzen - damit meint der Architekt, dass man Lichtpunkte geschickt platziert, um ein feierliches Erscheinungsbild zu erzielen. Bisschen Glanz, bisschen Gloria.
Nicht Glanz - auch nicht Gloria. Der Kronleuchter hing traurig da. Er strahlte nicht. Triste ist eine bessere Bezeichnung. Tot im Lichtermeer von Kerzen.