Posts Tagged: Energieeffizienz

Wer die Prinzipien manipuliert, verschaukelt sich selbst

 

Den Altvorderen der Lichttechnik ist etwas gelungen, das in der Technik selten gelingt. Sie schufen einst die erste Norm der Beleuchtungsgeschichte und wussten aber, dass die Technik nicht das war, was sie sich vorstellten. Was macht man denn da? Ich lernte zwei Professoren kennen, die beide den Weg zum Gelingen einer weltweiten Technologie vorgezeichnet hatten, wohl wissend, dass der Zustand - wohlwollend gesagt - entwicklungsfähig war. Ist das so wichtig? Und ob! Denn bei jeder Technik muss man davon ausgehen, dass sie bald zum "alten Eisen" wird. Man kann hiervon für Morgen lernen, obwohl die Herren noch vor dem 2. Weltkrieg gewirkt hatten.

Was haben die gemacht? Beschrieben, wie mies die Technik war? Das wäre fatal. Der eine hat mit die Grundsätze festgelegt, nach denen das internationale Telefonnetz von ein paar Teilnehmern in ein paar Ländern zum globalen Netz entwickelt hat. Das war in den 1920er Jahren. Das Netz funktioniert nach 100 Jahren besser als als die ach so modernen Mobilfunknetze. Der andere wirkte an der DIN 5035 von 1935 mit, eine Norm, die man heute noch anwenden könnte, wäre sie nicht durch die Dusseligkeit eines ehemaligen DIN-Mitarbeiters verloren gegangen.

Das Besondere daran? Die Norm gab zwei globale Ziele an: “Die künstliche Beleuchtung von Innenräumen muß den Forderungen der Gesundheit und Schönheit entsprechen, dabei zweckmäßig und wirtschaftlich sein.” Punkt! Und setzte Qualitätsmerkmale, dort genannt Gütekriterien. Die von 1935 könnte man, etwas in Neusprech übersetzt, immer noch sehr gut gebrauchen, zumal die Erneuerer, die Autoren der Nachfolgenorm DIN EN 12464-1, Gütekriterien ganz vergessen haben.

Ist doch wunderbar! Wo liegt das Problem? Hätten die Nachfahren ihre Technik den einst gesetzten Prinzipien nachgefahren, wäre die Welt des Lichts heute - meine Meinung - in bester Verfassung. Man müsste nur das Ziel Schönheit, damals vorgegebenen durch den Staat, durch Anmutungsqualität oder ähnlich ersetzen. Gesundheit kann bleiben. Und Zweckmäßigkeit? Was denn sonst? Steht seit langem sogar in der Arbeitsstättenverordnung.

In der letzten "Voll" Ausgabe von DIN 5035 hieß es aber: “In Arbeitsräumen muß die Beleuchtung ein müheloses Erkennen der Sehobjekte ermöglichen.” Es gab keine andere Anforderung. Und die Gütemerkmale? Die muss man dem Ziel entsprechend auslegen. Oder? Seit etwa 1970 weiß man, dass das angegebene Ziel für die meisten Arbeitsplätze nicht relevant war. Und die seitenlangen Listen für Beleuchtungsstärken in DIN 5035-2 und später DIN EN 12464-1 gar keine Basis hatten, weil das Ziel irrelevant war. (siehe hier und da). Sie wurden, je nach Lesart, nach Gutdünken festgelegt oder nach Expertenwissen bestimmt. Die Sehleistung als Basis für die Festlegung von Beleuchtungsstärken in Normen ist der Stoff, aus dem moderne Märchen gemacht werden.

Wer so etwas für verwerflich hält, liegt allerdings falsch. Denn nicht nur die Lichtwerte werden so festgelegt. Verwerflich ist, wenn man gegen die festgelegten Gütekriterien handelt, um neuen technischen Produkten zum Erfolg zu verhelfen. So geschehen in DIN 5035-7, in der ein neuer, völlig überflüssiger Grundsatz, Gütekriterium "Vermeidung von Spiegelungen auf dem Bildschirm" eingeführt wurde. Das Gütekriterium diente allein dem Absatz von tiefstrahlenden Leuchten (siehe hier und da). Einen Nutzen entfalteten sie nie, verpassten den Arbeitsräumen einen Höhlenlook und erhöhten Störungen durch Reflexblendung. Letzendlich konnten wir nachweisen, dass sie dem Arbeitsschutz widersprechen (hier).

Zweckmäßig waren sie nicht, weil das meiste Licht nicht dort landete, wo nichts oder nichts Bedeutendes zu sehen ist. Am Tischrand oder auf dem Teppich. Heute könnten wir den Unsinn toppen und sogar zwei uralten Gütekriterien zuwider handeln. Was dies bedeutet, sieht man (zur einen Hälfte) auf dem folgenden Bild aus einem Werbekatalog. Ich habe dieses Bild gewählt, weil man vergessen hat, die Mängel der Beleuchtung wegzuretuschieren. Alle anderen Produkte mit ähnlichen Design sind in ähnlicher Weise betroffen.

Gemeint ist das Gütekriterium Schattigkeit, das mit Lichtrichtung bzw. mit der Gerichtetheit von Licht zusammenhängt. Man sieht auf diesem Bild viele Gegenstände auf dem Tisch, die es gar nicht gibt. Es sind die Schatten davon. Sie sollen aber nicht sein. Wer sich über die Bedeutung von Lichtrichtung und Schattigkeit informieren möchte, kann sich die LiTG Publikation zu Lichtqualität anlesen (hier und da kommentiert und auch dort), oder gar DIN EN 15193 ansehen, die verschiedene Güteklassen der Beleuchtung anführt. Die höchste Klasse – nach dieser Norm mit drei *** ausgezeichnet – unterscheidet sich von der darunter nur in zwei Aspekten: „Besondere Beachtung der gegenseitigen Blickkommunikation durch beleuchtete Gesichter” und “Besondere Beachtung von gesundheitlichen Belangen”. Um diesen Aspekten Rechnung zu tragen, muss man laut Norm je nach Einsatzort bis zu 100% mehr Energie aufwenden. Und? Bei der gezeigten Anordnung der Beleuchtung bleiben die Gesichter eher im Dunklen (s. Lichtkegel an der Wand). Und Direkt- und Reflexblendung ist höher als bei vielen anderen Beleuchtungen. Zudem fließt ein großer Teil des Lichts in die Mitte der Tische – nutzlos.

Bei der abgebildeten Leuchte muss übrigens kein Benutzer mit den Problemen leben, man kann den Direktanteil einfach abschalten oder reduzieren. Es ist nur eine Frage der Energieeffizienz, wenn man nur die Horizontalbeleuchtungsstärke bewertet. Bei anderen Produkten gibt es die Möglichkeit einfach nicht.

Was das obige Bild nicht zeigt, ist Flimmern. LED sind superschnelle Elemente, die eben superschnell flimmern. Dieser nimmt stark zu, wenn man sie dimmt. Allerdings muss niemand dies akzeptieren, weil es die geeignete Technik gibt. Allerdings kostet sie Geld. Die billigere Lösung haben zwei Professoren der Lichttechnik gefunden. Sie hatten eine neue LED Beleuchtung begutachtet, das Flimmern gesehen. Und? Sie urteilten, die wäre nicht so schlimm, weil das künstliche Licht nur tagsüber benutzt würde. Dazu sagte DIN 5035 im Jahre 1935: "Ruhe der Beleuchtung - ... es dürfen aber, von vorübergehenden Unregelmäßigkeiten abgesehen, keine mit dem Auge wahrnehmbaren Schwankungen der Beleuchtung als Folge zeitlicher Änderungen eintreten." Die meinten wohl das Flackern der Flamme der Petroleumlampe. LED ist modern und arbeitet ohne Flamme.

Es ist erreicht, Habemus coelum artificialis

Es geht nicht um den berühmten Spruch des Bartbeauftragten des Kaisers, Haby, der seine Kreation "Es ist erreicht" benamste, als der Kaiser ihm erlaubte, dieselbe ihm ins Gesicht zu kleben. Nein, es ist nicht der Bart des Kaiser Wilhelm, sondern der Schnurrbart des Willem Zwo. Bei unserem Thema handelt sich um einen viel himmlischeren Traum. Der kleine Lichttechniker hat es endlich geschafft, den Himmel nachzubauen. "Hell wie der lichte Tag" war vorgestern. Heute bauen wir nicht nur den Himmel als Attrappe, sondern auch noch den ganzen Tag ... nach. Wird demnächst in Schwedt in einer Raffinerie stehen.

Wie man weiß, gibt es in Deutschland einen Staat, der seine Nase in alle privaten Dinge steckt. Z.B. in Arbeitsstätten. Ich sage bewusst nicht Spürnase, denn der Staat hat kein Gespür dafür, was er da anrichtet. Wenn der geahnt hätte, was Leute daraus machen, hätte er bestimmt nicht verordnet, dass alle deutschen Arbeitsplätze einen Blickkontakt nach draußen haben müssen. Zwischendurch, als Deutschland der Arbeitsminister abhanden gekommen war, dessen Amt durch den Wirtschaftsminister Wolfgang Clement verwaltet wurde, war die Vorschrift weg. Endlich sagten die Bauherren und schwärzten schnell alle Fenster. Nicht ganz, denn es gibt Gebäude, die haben gar keine. Da ist nichts mit Schwärzen. Seit Nahles haben wir wieder den Salat. Deutsche Arbeitsstätten müssen wieder eine Aussicht haben. 

Was, wenn es nicht geht? Da ist Verlass auf die Kreativität deutscher Forscher. Wir bauen die Aussicht nach. Fehlen Fenster, so installieren wir welche von M$, das ist die Firma von Bill Gates, der Computerfenster baut, Windows. Also Monitore an die Wand und Kamera an. Hat den Vorteil, dass man das deutsche Schei..wetter draußen lassen kann. Da kann es alleine rumsauen. Innen machen wir nur schöne Aussichten. (Kein Scherz, die Anlage wird gerade fertig.)

A, ja. Da war noch was. Der Himmel. Da spielt ja der Tag ab. Also nachbauen … So ein paar Tausend LED (genau sollen sie 28.000 sein), die schlappe 9,4 kW verbrauchen. Damit der Himmel nicht allzu pixelig ausschaut (wie die Fremont Street in Las Vegas, böse Anm.), müsste man ein paar mehr an die Decke nageln. Dann würde der Verbrauch des Himmels vielleicht so zunehmen, dass man damit vielleicht noch eine kleine künstliche Hölle mit beheizen könnte? Blödsinn. Genauso wie der von doofen Leuten, die behaupten, künstliches Licht könne kein Ersatz für Sonnenschein sein. Aber Hand auf´s Herz: wer will bei Sonnenschein arbeiten?

So also wird da nLichtened Workplace realisiert, von dem ich vor schlappen acht Jahren berichtet hatte (hier). Nur kurz danach kam "LightFusion" (hier). Das Vorhaben wurde seinerzeit von den Protagonisten so dargestellt: Der LightFusion-Ansatz zielt auf eine integrierende Betrachtung aller drei Aspekte von Licht (Anm.: direkte, indirekte Wirkungen, Dimensionen der visuellen Wahrnehmung, der emotionalen Lichtstimmung und der physiologisch-biologischen Wirkungen) unter Nutzung der Gestaltungsmöglichkeiten, die sich durch LED- und OLED-Technologien ergeben, insbesondere großflächige Displays, präzise steuerbare Lichtquellen und Flächenleuchten auf OLED-Basis. Darüber hinaus wird auch das Tageslicht einbezogen, was unter Gesichtspunkten der Energieeffizienz und Gesunderhaltung gleichermaßen wichtig ist.

Etwas besser als damals ist man schon geworden. Da man mittlerweile weiß, dass sich LEDs beim Altern genauso doof verhalten wie Menschen, sie werden - sagen wir mal - selten schöner, brennen in einem Nebenraum 1736 Stück ununterbrochen parallel zur Lichtdecke, "damit man bei Defekten zum Austauschen LED desselben Nutzungsalters zur Verfügung hat". Ein besonderer Beitrag zur Nachhaltigkeit.Da ist allerdings etwas ganz dummes. Der nächtliche Himmel lässt sich nicht darstellen. Eigentlich lässt sie sich schon schön abbilden, so mit Sternen und Mond und so. Allerdings sollen die Kollegen arbeiten und nicht träumen. So etwa von der Karibik bzw. angesichts der Tatsache, dass das ganze auf dem Gebiet der verblichenen DDR abspielt, eher von Malle. Das Ganze dient nämlich gar nicht deren Amusement. Ein Kritiker, der die Sache sorgfältig unter die Lupe genommen hat, meint "Wichtiger als der bildhafte Unterhaltungswert ist die “nichtvisuelle Lichtwirkung” auf die Mitarbeiter. In das von ... und ... entwickelte Beleuchtungskonzept sind die Erkenntnisse des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO eingeflossen. Das Institut erforscht, wie der Mensch durch die Intensität und das Spektrum der Beleuchtung beeinflusst, angeregt oder ermüdet wird."

Au backe. Hoffentlich hört das Institut nicht von der Sache. Es mag nämlich gar nicht, dass behauptet wird, es würde sich mit fremden Federn schmücken. Dass Menschen durch die Beleuchtung ermüdet werden, geht schon gar nicht. Beleuchtung dient der Sehleistung und Leistung überhaupt. Sagt die Leuchtenindustrie. Die Lampenindustrie auch. Und das schon ein Hundert und paar zerquetschte Jahre lang.

In der guten alten Zeit gab es eine Ergonomie. Die sollte dem Menschen dienen. Manche haben deren Methoden kopiert - leider nicht perfekt - und wenden sie an wie Schweizer Bauern nach dem Motto "Glückliche Kühe geben mehr Milch". Deswegen heißt deren Methode Kuh-Ergonomie. Dass so etwas hier vorläge, will ich nicht behaupten. So böse bin ich nie gewesen.

Zu guter Letzt, ein Wort zum bösen Staat. Der war nie so doof, wie Leute ihm unterstellen, die mit der Angst von anderen Geschäfte machen wollen. Der Raum, in dem ein Stückchen ehemalige DDR in Karibikstimmung versetzt wird, ist eine Warte, die aus Sicherheitsgründen geschützt sein muss. Die Mauern, die die Sonne abschirmen, dienen auch dem Schutz derer, die dort drin sitzen. Und sie ist nicht die erste Warte von Deutschland. Dafür gibt es Ausnahmegenehmigungen. Z.B. wenn der Raum groß genug ist, gilt die Sicht auf andere Teile des Raums als hinreichend. Auch wenn er klein wäre, gibt es Ersatzmaßnahmen. So z.B. Pausenräume mit Tageslicht. Ganz, ganz schlaue Leute aus Wien haben etwas ausgeheckt, was auch nicht schlecht ist, Lichttage (hier). Da bekommt der Kumpel, der aus sicherheitstechnischen Gründen im Bunker sitzt, einige Tage extra frei. Malle statt Mallebilder in LED. Auch nicht schlecht. So spart man pro Jahr 86.344 kW/h Energie + die die Standby-LED schlucken. Von dem Geld kann man jede Menge Bier und Sangria kaufen. Und das Pfand reicht für den Flug aus.

Daraus macht der Praktiker Qualität

Ich schreibe Dir einen langen Brief,
weil ich keine Zeit habe,
einen kurzen zu schreiben.

Goethe oder Pascal oder Voltaire
oder ein anderer Wichtiger

Ein Mensch malt, von Begeisterung wild,

Drei Jahre lang an einem Bild.

Dann legt er stolz den Pinsel hin

Und sagt: "Da steckt viel Arbeit drin."

Doch damit war´s auch leider aus:

Die Arbeit kam nicht mehr heraus.

Eugen Roth

Der Praktiker, der ambitioniert nach Lichtqualität strebt, soll folgende Gruppen von Anforderungen berücksichtigen, an deren Erfüllung sich die Lichtqualität ergibt. 
Funktionale Anforderungen
Biologische Anforderungen
Psychologische Anforderungen
Architektonische Anforderungen
Weiterhin heißt es: "Lichtqualität ergibt sich aus dem Abgleich von Anforderungen und ihrer Erfüllung." Dafür werden folgende Bewertungsgrößen angeführt, die der Praktiker, so er ambitioniert ist, zum Abgleich der Benutzeranforderungen anwenden soll:
• Beleuchtungsstärke im Bereich der Sehaufgabe (E)
• Gleichmäßigkeit der Beleuchtungsstärke (U0)
• Farbkontrast (FK)
• Helligkeitskontrast (gestalterisch) (HK)
• Psychologische Blendung (Bpsy)
• Physiologische Blendung (Bphy)
• Reflexblendung (BRe)
• Lichtfarbe (CCT)
• Farbwiedergabe (Ra)
• Kontrastwiedergabe (CRF)
• Schlagschatten (SS)
• (Ausgewogene) Leuchtdichteverteilung (Bal)
• Modelling (Mod)
• Fehlen von Flackern/Flimmern (Fl)
• Melanopischer Wirkungsfaktor (ame,v)
• Schädigungspotenzial (Hdm)
• Qualitative Faktoren (Q)

Ich versuche es mir vorzustellen, wie ambitioniert ein Praktiker sein muss, um all diese Faktoren überhaupt zu kennen. Egal, wie der Mann oder die Frau gebildet ist, wird er/sie schön ins Schwitzen kommen, wenn es darum geht, Farbkontrast und Helligkeitskontrast (gestalterisch?) verstehen zu wollen. Nehmen wir an, die Ausbildung zum "zertifizierten Lichtplaner" + die Voraussetzungen, die man für diese mitbringen muss, hätte all jene Faktoren einem beigebracht, die der gemeine Lichttechniker häufig nennt, spätestens beim "melanopischer Wirkungsfaktor" wird der Spaß aufhören. Was war das nochmal? Kann man ja nachsehen. Steht in DIN SPEC 67600 "Biologisch wirksame Beleuchtung - Planungsempfehlungen". Bisschen dumm, die lehnt nämlich der Arbeitsschutz derzeit ab. Also weiter gucken. Z.B. in einer weiteren angeführten Norm, DIN EN 12464, die gilt für Arbeitsstätten. Noch etwas dümmer. Dort steht, dass die nicht so ganz mit dem Arbeitsschutz vereinbar ist: "Grundsätzliche Anforderungen an die Beleuchtung hinsichtlich der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit werden in Deutschland nicht in dieser Norm, sondern in der Arbeitsstätten-verordnung (ArbStättV) geregelt." Gut, was sagt die? Wer da drin den "melanopischer Wirkungsfaktor" sucht, wird nie fündig. Die Arbeitsschützer mögen den nämlich nicht. Ich durfte in einer Zeitschrift, die von Arbeitsschutzexperten - sagen wir mal - qualitätsüberwacht wird, um das böse Wort zensieren zu vermeiden, nicht einmal erwähnen, dass es so etwas gibt. Deswegen ist der Artikel in einer anderen Zeitschrift erschienen (hier). Außerdem sagt die Arbeitsstättenverordnung nie, was ein Praktiker machen muss oder soll, um ihre Schutzziele zu erreichen. So etwas steht in der jeweiligen ASR (aus früher "Arbeitsstättenrichtlinie"). Die ASR für die Beleuchtung heißt A3.4 und sagt dummerweise auch nichts zum melanopischen Wirkungsfaktor. Noch viel dümmer: Nach Expertenmeinung eignet sich die ASR A3.4 nicht für eine Beleuchtungsplanung. Also nehmen wir in voller Verzweiflung die letzte der genannten Normen: DIN 5035-7 "Beleuchtung mit künstlichem Licht - Teil 7: Beleuchtung von Räumen mit Bildschirmarbeitsplätzen". Superdumm: Licht.de hatte gemeldet, dass die zum ersten März 2017 zurückgezogen worden war (hier). Als Grund wird dort angegeben: "Hintergrund für die Zurückziehung war, dass die Anforderungen der DIN 5035-7 teilweise der gültigen Norm DIN EN 12464-1:2011-08 widersprachen, wodurch eine eindeutige Anwendung nicht gegeben war."

Was für eine Qualität ist das, die man mit Hilfe einer zurückgezogenen Norm (DIN 5035-7) ermittelt, die einer anderen (DIN EN 12464-1) widerspricht, die wiederum für Arbeitsschützer nicht satisfaktionsfähig ist?

Ergo: Um die Lichtqualität ist es nicht gerade gut bestellt im Jahre 2017. Wie erklärt der Praktiker in einem Projekt mit den unten abgebildeten Beteiligten, die bei weitem nicht ohne weitere Akteure (z.B. Betriebsrat, Sicherheitsingenieur) verhandeln, was er will? Und vor allem: Wie setzt er sich gegen die Energiesparer durch?

Für wirklich Ambitionierte:

Lichtqualität - ein Prozess statt einer Kennzahl
Methodik zum Erfassen der Anforderungen an eine
Lichtlösung und zu ihrer Bewertung zur Bestimmung
ihrer Qualität

Veröffentlichung der
Deutschen Lichttechnischen Gesellschaft e.V.

Du willst keinen Prozess, sondern Qualität

Ich schreibe Dir einen langen Brief,
weil ich keine Zeit habe,
einen kurzen zu schreiben.

Goethe oder Pascal oder Voltaire
oder ein anderer Wichtiger

Ein Mensch malt, von Begeisterung wild,

Drei Jahre lang an einem Bild.

Dann legt er stolz den Pinsel hin

Und sagt: "Da steckt viel Arbeit drin."

Doch damit war´s auch leider aus:

Die Arbeit kam nicht mehr heraus.

Eugen Roth

Gestern hatte ich das unten rechts angegebene Papier kommentiert. Es soll Lichtqualität für den Praktiker und Lichtplaner ... ja, was denn? Definieren? Beschreiben? Umschreiben? Dabei wurden moderne Autoren zitiert, die mittlerweile 83 Jahre alte Zielsetzung von DIN 5035 geschafft haben, mit etwas anderen Worten zu replizieren.

Ist ja nichts Neues. Bemühen sich doch noch "modernere" Autoren Weisheiten aus der Antike neu zu formulieren - und fallen dabei nicht selten auf die Nase. Insofern nichts Ehrenrühriges. Oder doch? Irgendwie müssten z.B. diejenigen im Gesicht rot anlaufen, die dafür gesorgt haben, dass in DIN 5035 (jetzt Teil 1) "Kosten der Beleuchtungsanlage" den gleichen Stellenwert einnimmt wie "Licht und Farbe", Farbwiedergabe, oder "Begrenzung der Blendung". Denn in dem besprochenen Papier heißt es: "Energieeffizienz und Kosten einer Lichtlösung bilden [daher] keine Kriterien zur Bewertung der Lichtqualität". Die Änderung kam in die Norm mit der Ausgabe von 1972.

Wer nicht ganz doof ist, weiß, warum sie/er zwei unterschiedliche Dinge in einen Topf wirft, wie hier z.B.. Preis eines Autos und dessen Qualität. So kann man nämlich Äpfel mit Birnen vergleichen. Willst Du lieber wenig Blendung oder preisgünstigere Beleuchtung? Mein damaliger Chef hat den Vorgang etwas drastischer formuliert: "Der [Obmann] ist doch bescheuert. Lass doch den Kunden entscheiden, wie viel Geld er wofür ausgeben will."

Die zarte Röte im Gesicht der Verantwortlichen dürfte sich weiter vertiefen, wenn sie lesen würden, was über Tageslicht und Qualität ausgeführt wird. Dieses, das Tageslicht, wurde nämlich 1972 für entbehrlich erklärt, ach was, eher für störend (hier). Die Entwicklung der Lichtnormen habe ich in dem Forschungsbericht "Licht und Gesundheit" ausführlich dokumentiert (hier). Was weniger gut dokumentiert ist, sind die Folgen für den deutschen Arbeitsschutz. Denn die Vorschriften der Berufsgenossenschaften kannten bis zum Jahr 2004 kein Tageslicht und keine Beleuchtung durch das Tageslicht. Auch der Staat wollte die Sache nicht anders sehen: "Da eine gleichmäßige und stets gleichbleibende Beleuchtung der Arbeitsplätze, Arbeitsbereiche und Verkehrswege über den gesamten Tag nur durch künstliche Beleuchtung zu erreichen ist, wird in der Arbeitsstättenverordnung die allgemeine Forderung des früheren § 120 a Abs. 2 GewO nach genügendem Licht nur für die Beleuchtung mit künstlichem Licht im einzelnen präzisiert." (Betonung im Original, Rainer Opfermann, zuständiger Referent im Arbeitsministerium)
Im neuen Papier hört sich die Sache sehr anders an:

"Funktionale Anforderungen: Durch Tageslicht, insbesondere durch die dynamische Änderung des Beleuchtungsstärkeniveaus, der Leuchtdichten im Bereich der Fenster und der ähnlichsten Farbtemperatur, ändern sich die visuellen Bedingungen im Raum.

Biologische Anforderungen: Der Mensch ist in seinem circadianen Rhythmus an die Änderungen des Tageslichts, insbesondere an den Wechsel von Tag und Nacht, angepasst und dadurch geprägt.

Psychologische Anforderungen: Emotional hat das Tageslicht in der Regel einen positiven Einfluss auf den Menschen. Besonders die Sichtverbindung bietet wertvolle Informationen über die Außenwelt.

Architektonische Anforderungen: Die Nutzer von Tageslicht und auch der Schutz vor Sonnenlicht bestimmen die architektonische Gestaltung der Fassaden und der Tageslichtöffnungen."

Weiterhin heißt es: "Lichtqualität ergibt sich aus dem Abgleich von Anforderungen und ihrer Erfüllung."

Da haben wir dummerweise den Salat: Den Adressaten "ambitionierter Praktiker" gibt es leider nicht für dieses Anforderungsprofil. Denn für das Tageslicht ist nach wie vor der Architekt zuständig, für die "Beleuchtung", sprich künstliches Licht, erklärt der sich meist nicht zuständig. Wie dargestellt (hier), ist der Zuständige der "Lichtplaner", und mangels Lichtplaner, meist der Elektroplaner. In der Entstehungsphase eines Gebäudes weiß dieser noch nichts von seinem Glück. Auch wenn der alles wüsste und könnte, würde ihm kein Architekt kein Mitspracherecht an seinem Gebäude einräumen.

Ergo: Um die Lichtqualität ist es nicht gerade gut bestellt im Jahre 2017. Wie es besser laufen könnte? Ein gutes, leider nicht sehr praktisches, Kooperationsmodell hatte die Gütegemeinschaft Licht schon in den 1970er Jahren veröffentlicht. Vielleicht kommt man mit ähnlichen Modellen weiter. Ansonsten wird der rechts abgebildete Kollege wieder die Leuchten, die er beim Elektrogroßhändler abholt, gleichmäßig an der Decke verteilen. Und sagen "Da steckt viel Arbeit drin!".

Für wirklich Ambitionierte:

Lichtqualität - ein Prozess statt einer Kennzahl
Methodik zum Erfassen der Anforderungen an eine
Lichtlösung und zu ihrer Bewertung zur Bestimmung
ihrer Qualität

Veröffentlichung der
Deutschen Lichttechnischen Gesellschaft e.V.

Misst man Lichtqualität in Kilo oder Pfund?

Ganz schön dumme Frage. Man misst doch Lichtqualität in … Ähhh - in was denn?

Der Bundesverband Technik des Einzelhandels (BVT) hatte es vor fast einem Jahrzehnt herausgefunden - und ich hatte es vergessen. Deswegen habe ich sogar einen dummen Artikel zu dem Thema geschrieben. Ein Dutzend Leuchtenhersteller haben sich damals die Köpfe zusammen gesteckt und die Lösung gefunden. Hier ist sie:

Man misst die Lichtqualität schlicht und einfach wie das einfache und das nicht-so-einfache Volk: In DM! Pardon, in Euro, natürlich. Wie kommt man aber auf so eine Schnapsidee?

Leider, leider, ist die Sache keine Schnapsidee. Das, was die Herrschaften 2008 anlässlich Light & Building veröffentlicht haben, hatte mit sinngemäß der Leuchtenentwickler einer großen Firma 1991 erzählt. Ich hatte ihn damit aufgezogen, dass seine Firma Lichtteppiche über alle Büros zöge. Er hatte geseufzt und gesagt: Ich wünsche, die Leute würden unser Produkt mit dem Teppich vergleichen. Für den Teppich gibt es ein festes Etat, wir hingegen sollen möglich umsonst liefern und für lau planen." Kann ja am Ende nur mau werden.

Und so las sich die Sache im Jahr 2008: "Jeder Bauherr kennt das Problem: Je weiter das Projekt fortschreitet, desto mehr Gewerke gehen über das angesetzte Kostenlimit hinaus. Und je weiter man hin zum Ende kommt, desto mehr muss gespart werden. Klarer Verlierer ist zumeist das Licht. Für die im Laufe des Baus eingeplanten Lichtpunkte hat der Elektriker dann zwar die Leitungen gezogen, aber Licht macht dann vorerst nur noch eine frei brennende Glühlampe." Ach, ja. das waren Zeiten, als die Glühlampe frei brennen durfte. Heute kassiert der Zoll die Lampen schon beim Grenzübertritt (s. http://healthylight.de/licht-und-energieeffizienz-3/).

"Dies hat auch einen zweiten Grund. Während für viele Gewerke ungefähre Richtwerte bekannt sind, kann man für Licht bisher nicht einfach so auf eine Tabelle zurückgreifen. So werden für Bad und Sanitär, Heizung und Fußboden recht genaue Schätzungen in die Finanzierung einbezogen, während man beim Licht ein paar Einbauleuchten im Etat des Elektrikers findet, die gesamte Wohnraumbeleuchtung aber nirgendwo explizit berücksichtigt worden ist." Die können aber jammern! Sie sollten doch für Profis arbeiten, nicht für Häuslebauer! Die Profis planen perfekt und nicht so dilettantisch.

Wenn Planer von großen Firmen dies hier lesen, werden sie vermutlich grinsen, weil sie einen Ahnungslosen vermuten. So war ich, als ein weltberühmter Verlag sein Hauptquartier baute. Lang, lang ist es her. Den oberen Satz hat mir damals der Elektriker gesagt, dessen Arbeit ich beanstandet hatte. Seine Worte: "Der Architekt hat Schlitze in der Decke hinterlassen, und der Auftraggeber sagte mir, für Leuchten wäre kein Geld mehr da. Ich sollte die billigsten nehmen, die ich auftreiben kann und die Schlitze damit füllen." 

Na, ja. Verlage sind berühmt für ihre Kopfgeburten, sie sind häufig weltfremd. Vielleicht hatte unser Verlag auch einen großen Automobilclub angesteckt. Der hatte nämlich dem Elektroplaner den Marschplan bereits ohne Überziehung der Kostenlimits vorgegeben. Die billigsten Leuchten bitte! Und damit so etwa 15 Jahre Ärger mit der Belegschaft und dem Betriebsrat eingehandelt. Ob die daraus gelernt haben? Vielleicht! Aber ihr Nachfolgegebäude wurde ebenso gebaut.

Aber den Vogel abgeschossen hat ein Unternehmen, noch berühmter als der Verlag und noch viel viel reicher als der Autoclub. Das baute ein feines Gebäude in feinster Lage. Und? Sie hatten kein Geld für die Beleuchtung und "reaktivierten" deswegen alte Leuchtenbestände aus dem Keller. Die aus diesem Grunde unterbelichteten Mitarbeiter gehen beruflich mit massenweise Nullen um, vor denen immer eine andere Ziffer steht. Und das ist nicht lang, lang her. Der Umgang mit den Nullen wird so zur Qual.

Da ich hauptberuflich nicht Kolumnen schreibe, auch wenn dies viel lustiger ist als bei meinem Beruf zu bleiben, habe ich mir überlegt, ob alle diese Leute so dumm sind, wie es den Anschein hat. Dumm ist die Sache schon, aber die Leute? Vielleicht wäre es an der Zeit, sich Gedanken zu machen, warum unser Produkt weniger Wert ist als der Teppich. Ich kenne viele der Leute, die beim Licht so knausern. Sie geben für andere Dinge auch mal richtig Geld aus. Die 90 € pro qm ihnen aus der Tasche zu ziehen, will gelernt sein. Wir müssen Qualität verkaufen. Und besser sein als der Teppichhändler. Auf Jammern geben Profis soviel wie nicht-Profis:  nichts.