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Blau  macht schlau - Und auch blind?

23.03.2017
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Es ist keiner wissenschaftlichen Errungenschaft zu wünschen, dass sie zwischen kommerzielle Interessen gerät, die diametral auseinander gehen. Noch schlimmer sieht die Sache aus, wenn die Gesundheit des Menschen betroffen ist, aber entgegengesetzt auf kurze Sicht und auf lange Sicht. Die Rede ist vom Einfluss des blauen Lichts auf den Menschen. Und so sehen es unterschiedliche Interessengruppen:

  • Blau macht schlau! Sagt der Lichttechniker aufgrund von Studien, die gezeigt haben sollen, dass ein großer Blauanteil an Beleuchtung die Leute erregt und zu höheren geistigen Leistungen anstachelt. Wer´s glaubt, wird schlau.
  • Blaues Licht ist gefährlich. Sagt z.B. der Arbeitsschützer und verweist auf entsprechende Schutzverordnungen. Wer´s nicht glaubt, kann blind werden. Allerdings muss dazu eine gewisse Strahlungsdichte überschritten werden, wie z.B. beim Schweißen.
  • Blaues Licht kann zur Makuladegeneration führen! Sagt der TÜV und prüft, ob Monitore von Computern (un)gefährlich sind.
  • Blaues Licht aktiviert und hält wach. Sagt ein Fraunhofer Institut und preist einen Monitor an, der die circadiane Rhythmik des Benutzers verschiebt. Länger wach, länger aktiv!
  • Blaues Licht (am Abend) unterdrückt die Melatoninsekretion des Körpers und so macht es den freien Radikalen leichter, den Körper anzugreifen. Es könnte ein Grund dafür sein, dass Nacht- und Schichtarbeiter häufiger Krebs bekommen als andere Menschen. Sagt die WHO, die Weltgesundheitsorganisation. Ist sich aber nicht so sicher, dass sie die Beziehung als wahr behauptet.

Was macht eigentlich ein Arbeitgeber? Vorerst mal nichts. Oder Kopfschütteln. Andere Akteure der Arbeitswelt gehen etwa genauso sicher und entschlossen zu Werke. Was sollen sie denn sonst tun? Da will einer das Licht "blau anreichern", damit die Leute schlau werden und munter bleiben. Der andere verkauft ihm Monitore, aus denen man das Blau rauszwingt, damit ja keiner Makuladegeneration bekommt:

Noch bunter wird es, wenn noch die Energiesparer die Bühne betreten, deren Fensterscheiben das Blau brutal abschneiden. Soll der Blauanteil, den die ausschneiden, künstlich erzeugt werden? Wenn ja, warum, wenn man extra einen Monitor einsetzt, bei dem man das Blau rauszwingt? Ganz langsam, damit man es versteht: Zur energetischen Sanierung von Gebäuden setzt man Fensterscheiben ein, die aber das Blaue wegschneiden. Dasselbe tun Monitorhersteller, damit uns die Computer nicht den Schlaf rauben. Die Lichttechniker erzählen uns, man bräuchte tagsüber blaues Licht für Gesundheit (und Klugheit).

Das Ganze kann man einmal wissenschaftlich genau mit Paracelsus erklären: Gift ist nicht der Stoff, sondern die Dosis: "Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis macht´s, daß ein Ding kein Gift sei.“ – Die dritte Defension wegen des Schreibens der neuen Rezepte. In: Septem Defensiones 1538. Werke Bd. 2, Darmstadt 1965, S. 510. Stimmt. Wissen wir von Wasser. Keiner kann ohne Wasser leben, und jeder stirbt, wenn er zu viel davon bekommt.

Weniger genau geht es mit Alkohol: In Maßen eingenommen, stabilisiert er unsere Muskelaktivitäten (Zielwasser!). Noch ein Maß dazu, und man stellt eine eventuell tödliche Gefahr als Autofahrer für andere dar, wegen schlecht koordinierter Muskelaktivitäten. Auch der Unterschied zwischen der Kurzzeitwirkung - angeheitert - und der Langzeitwirkung - tote Gehirnzellen - lässt sich mit Alkohol prima erklären.

Abhelfen tun solche Vergleiche leider nicht viel. Denn Licht ist nicht etwas, auf das man verzichten kann (wie z.B. Alkohol). Und beim Tageslicht - gesund! - gibt es absolut gesehen mehr blaues Licht als man mit der künstlichen Beleuchtung je in den Raum bringen wollte. Ohne Tageslicht will aber niemand leben. Zudem bringt man Licht in Arbeitsstätten nicht zum Spaß hinein, sondern als Arbeitsmittel. Aber Wissenschaftler behaupten, es wirke wie Medizin.

Ich bin gespannt, wie der Gordische Knoten gelöst wird. Manche sagen, lass ihn doch verrotten.

Was hätten Sie lieber? Blind werden oder dick?

Das hier ist leider keine Satire über den Herrscher von Lampukistan, mit der sich unsere hochgeschätzte Bundeskanzlerin beschäftigen muss. Auch keine Nachrichten aus Nieder Slobbowien. Es geht um eine Lesehilfe für das, was Wissenschaftler ermittelt und zu Papier gebracht haben. Das blaue Licht hat es mittlerweile zur globalen Berühmtheit geschafft und zu mindestens einer Blaulicht-Gesellschaft. Die hier gemeinte hat Glanz und Elend in einem Bild zusammengeführt.

Also: Man kann unter Blaulichteinfluss besser schlafen (haben Schlafforscher entdeckt). Man wird weniger dick (d.h. im Winter wo der Dachs fett ansetzt). Die Gefahr, dass man Krebs bekommt, wird geringer (so manche Schlussfolgerungen aus langjährigen Studien). Geistig wird man angeregt (so man mancher gefälschten Studie glaubt). Dafür kann man eher Augenermüdung erleben, und, dummerweise, im Alter eine sogenannte Makuladegeneration (Blaulichtschäden).

 
Die Blue Light Society hat mit ihren Schlussfolgerungen den Deutschen Gewerkschaftsbund weit hinter sich gelassen. Dieser, der DGB, hatte vor 40 Jahren gefordert, die Arbeit am Bildschirm täglich auf vier Stunden zu begrenzen und Bildschirmpausen einzuführen. Grund: Eine Studie aus Österreich hatte gezeigt, dass Menschen (also Österreicher) nach intensiver Bildschirmarbeit den Schnee nicht so makellos weiß sehen würden, wie es sich in Österreich gehört. Eher rosa. Stimmt! Das ist aber kein Schaden, hatte der Arbeitgeberverband subsumiert, weil ein Wissenschaftler dem gesteckt hatte, dass der Grund eine harmlose Umadaptation des Auges sei. Guckt man lange in grüne Schrift, sieht man nicht nur den Schnee in Rosa. Der böse DGB wollte den Arbeitnehmern diesen optimistischeren Blick auf die Arbeitswelt nicht gönnen.f

Die Sache mit den Pausen ist noch akut. Der Kanzleramtsminister hat die Arbeitsstättenverordnung der Arbeitsministerinnen (Nahles und Vorgängerin) kassiert, weil angeblich dort Tageslicht für Toiletten gefordert würde, und vor allem Sichtkontakt nach Außen. Herr Kanzleramtsminister möchte natürlich nicht, dass deutsche Arbeitnehmer bei einer lebenswichtigen Beschäftigung, die allerdings ebenso anrüchig ist, der Sonne und den Blicken der Flanierer ausgesetzt werden. In Wirklichkeit geht es um Pausenregelungen. Die Sache könnte jetzt eine neue Wendung bekommen: Der japanische Minister für Gesundheit, Arbeit und Sozialordnung soll Richtlinien erlassen haben, dass die Arbeit an Bildschirmen spätestens nach  einer Stunde unterbrochen werden muss und erst nach 15 Minuten Pause weitergehen darf. (hier steht es) Das allerdümmste kommt aber jetzt:

  Blaulichtgefahr

 
Das Bild zeigt, dass die einst geschmähten Bildschirme (hier CRT) genannt, mit ihrem Blaulicht nicht der Rede wert sind. Schon der PC schlägt sie um Längen. Die schlimmsten Objekte sind Smartphones. Natürlich nicht, wenn man sie wirklich zum Telefonieren benutzt. Dummerweise gucken in aller Welt Studenten stundenlang da rein, weil sie ihre Vorlesungen ablesen oder Spiele spielen. Seit Jahren alarmieren Meldungen von Augenärzten über die Myopisierung von Kindern und Jugendlichen alle, die es angehen sollte. Vielleicht findet sich jemand, der sich der Sache annimmt.

Man kann die Sache natürlich auch positiv sehen wie deutsche Wissenschaftler. Die haben sich einen Bildschirm, der gezielt die circadiane Rhythmik ändert, sogar patentieren lassen. Wie ein renommiertes Institut nachgewiesen hat, wird man davon auch wacher. Andere sagen weniger zurückhaltend "Blau macht schlau!

Dumm nur, dass es einen Arbeitsschutz gibt. Der steht vorerst wirklich dumm da, weil man die liebe Wissenschaft nicht ignorieren darf. Die vorläufige Lösung: Die Kommission Arbeitsschutz und Normung lehnt den Blaulichteinsatz in deutschen Arbeitsstätten derzeit ab (Original zu lesen hier, meine Blogbemerkungen hier mit dem Positionspapier der KAN). "Wo viel (blaues) Licht ist, ist auch starker Schatten" heißt es in KAN Brief 1/14.

Wer mehr lesen will, hat freie Wahl, und es gibt immer mehr, seit die Industrie entdeckt hat, wie gesund Blaulicht ist, ... für die Kasse. Was die Blue Light Society zusammengetragen hat, ist hier erreichbar.

Nostalgie - Retro - oder einfach schön?

  
Heute flatterte das neueste Heft von Licht + Wohnen auf meinen Tisch. Die oberste Zeile im Titelblatt verkündet "LICHTPLANUNG TRIFFT INNENARCHITEKTUR". Wie schön wär´s. Leider fand ich auf der Facebook-Seite das Passende nicht. Eher ein Gewinnspiel zu Nikolaus - passt nicht zu Ostern.

energyup_KickstarterSchöne Leuchten gibt es zu bestaunen. So z.B. EnergieUp White von Philips. Die kann man in Starbucks zum Kaffee nehmen. Das soll gegen Winterblues helfen. Huch - habe ich das falsche Heft geliefert bekommen? Nö - Philips baut vor. Ehe man die Winterblues 2016/2017 bekommt, könnte die Leuchte ankommen, wenn man sie jetzt bestellt. Die kommt vermutlich wo alle Industrieprodukte herkommen, und als Seefracht. Man bekommt 10.000 lx natürliches Licht ins Auge gedonnert. Kickstarter* für den Tag - so wird das gute Stück in der Zeitung genannt. Ein ausgewiesener Auszeit - und Stressbewältigungscoach, Susanne Preiss, preist die Leuchte an - auch in Blue.

Etwas ganz anderes kommt aus Griechenland. Eine sanfte Leuchte wie aus den 1970ern. Kein Kickstarter, garantiert nicht. Keine 10.000 lx zum Kaffee, um den Restalkohol von der letzten Nacht zu vertreiben. Meine circadiane Rhythmik gehört mir. Ich möchte nicht durch einen Kick in den Allerwertesten geweckt werden. (Das ist meine Interpretation vom Kickstarter, die wahre wird unten erklärt.)

Geht mehr Nostalgie? Denke ja. Eine Hommage an die Birne - nicht an unseren Altbundeskanzler ohne Humor - an die gute alte Glühlampe. Arme Birne, wie hast Du Dir verändert!

*Wissen alle, was ein Kickstarter ist? Früher waren Batterien wie Elektromotoren so teuer, dass die Motorräder zu Fuß angeschmissen werden wollten. Man klappte einen Hebel raus und sprang darauf. Das erste Mal gaaanz sanft. Mit zunehmendem Ärger immer heftiger. Wenn nach 10 Minuten das gute Objekt immer noch nicht angesprungen war, bat man einen gewichtigeren Passanten. Irgendwann machte die Schüssel bruuummm. Das war´s!

 

Licht fühlen und Ambiente schaffen

 
Heute staunte ich nicht schlecht, als ich von einem Projekt einer Kollegin erfuhr, die sich einen Namen mit der Erforschung von "fühlenden" Computern gemacht hat. Ihr Buch von 1997 "Affective Computing" - bitte nicht als affektierter Computer übersetzen - schlägt bis heute Wellen, weil sich viele Leute von ihrem Computer unverstanden fühlen. Der Computer von Rosalind Picard hingegen soll meine Emotionen verstehen - und sich darauf einstellen.

Das neue Projekt heißt "Lux Meter: Real-Time Feedback in Ambient Light Environment". Es geht davon aus, dass das Licht für alle möglichen circadianen Rhythmen des Körpers ein wichtiger Steuerungsfaktor sei, was stimmt, und will die visuelle Umgebung des Menschen messen, um "real-time feedback" zu geben. Leider, leider, konnte ich nirgendwo etwas über die Ergebnisse finden.

 
Reicht uns "human centric lighting" nicht mehr? Es scheint, der Wettbewerb um den Menschen nimmt an Tempo zu. Wir wollen dem Menschen ……? Ich weiß nicht, zu was man dem Menschen verhelfen will. Aber halt intelligent … Moment mal, war alles, was wir bislang getan haben, etwa nicht intelligent? Gott verhüt´s! Ich kenne Menschen, die mich Kommunist beschimpft haben, weil ich flexible Beleuchtung forderte. Das war nicht etwa eine revolutionäre Technik, sondern lediglich eine Möglichkeit, das Licht am Arbeitsplatz ein- und auszuschalten, Leuchte umdrehen und etwas zu ändern, wenn nötig - eine Arbeitsplatzleuchte etwa.

Ich erinnere mich noch, dass auf einer Firmenwebsite zu lesen stand, dass Arbeitsplatzleuchten in Deutschland verboten seien. Warum, stand nicht dabei. Berufsgenossenschaften verboten ihren Betrieb, weil dadurch die Leuchtdichteverhältnisse am Arbeitsplatz so schlimm würden, dass man vorzeitige Ermüdung befürchten müsste. Falls man so etwas installieren wollte, müsste sichergestellt sein, dass beim Einschalten des unsäglichen Objekts gleich die Allgemeinbeleuchtung angehen musste. Wer denkt sich denn so etwas aus?

 So doof, wie es sich anhört, ist das Ganze nicht. Denn eine Leuchte, die nur ein kleines Stück des Arbeitsplatzes erhellt, schafft eine Störung durch den Kontrast zur dunklen Umwelt. Stimmt! Aber seit wann ist die Umwelt im Büro bei Tage dunkel? Genau seit dem 20. März 1975. An diesem Tage erschien die Verordnung über Arbeitsstätten, aka Arbeitsstättenverordnung. Dort hatte das Tageslicht keine Funktion als Beleuchtung - fast 30 Jahre bis zur Revision im Jahre 2004. So gab es für die Berufsgenossenschaften diese Beleuchtungsart nicht.

Anders für den Staat, der nicht nur aus Bund, sondern auch aus Ländern besteht. Und die letzteren hatten und haben die Oberherrschaft über das deutsche Bauwesen. Das Tageslicht als Beleuchtung war bei deren Landesbauordnungen geregelt. Der Bund hat lediglich die Sichtverbindung vorgeschrieben, die aber halt keine Beleuchtung ist. Sie beleuchtet zwar, ist aber keine Beleuchtung. Punkt!

Noch viel intelligenter als der Staat haben es die Normer gemacht. Die hatten bereits 1935 Tageslicht und künstliches Licht getrennt. Ein genialer Schachzug. Aus damaliger Sicht sogar eine Notwendigkeit, denn niemand käme 1935 auf die Idee tagsüber die Jalousien herunterzulassen und eine künstliche Beleuchtung mit ca. 10 - 20 W pro Quadratmeter zu betreiben. Lampen wie Strom waren zu teuer, um verschwendet zu werden. Genau genommen, war 1935 die künstliche Beleuchtung eine Art Notbeleuchtung. Im Jahre 2015 hatten wir zwar Strom im Überfluss - Pardon aus der Nordsee - den man verbraten musste, weil der Großfürst von Bayern keine Leitungen erlaubte. Aber gegen das Tageslicht anstinken, war immer noch nicht möglich. Ergo: In deutschen Arbeitsstätten gibt es - Gott und Edison sei Dank - Tageslicht und künstliches dazu.

Wenn dem so ist, was macht unser Luxmeter-Projekt im Jahre 2016? Misst einmal die Umgebung, und dann die Emotionen des Menschen, und dazu seinen circadianen Zustand, und ? Regelt es die Sonne und den Mond? Nicht doch, bestenfalls die künstliche Beleuchtung. Und wie kommt man auf diese grandiose Idee, das Tageslicht wegzudenken? Hört sich blöd an, ist aber so: in US-Amerikanischen Forschungslabors scheint keine Sonne. Schiene sie doch und würde der Computer die Emotionen der Menschen richtig bewerten, um danach die visuelle Umgebung zu steuern, könnten wir schlagartig viele Kraftwerke abschalten. Tagsüber. Und  nachts? Einen Großteil der Beleuchtung auch abschalten. Menschen brauchen nachts keine große Helligkeit! Man hat sogar den begründeten Verdacht, dass nächtliche Beleuchtung bei der Arbeit Krebs fördert.

Liege ich falsch in der Vermutung, dass das Luxmeter Projekt nicht von der lichttechnischen Industrie gesponsort wird?

Eine Begegnung der besonderen Art 

  
Heute jährt sich zum 30. Mal der Tag, als ich von einem Politiker unsanft geweckt wurde. Der Politiker hieß (und heißt immer noch) Peter Conradi und war als Bundestagsabgeordneter für die Bauten des Parlaments zuständig. Ich war Berater des Ältestenrates des Deutschen Bundestags für das Projekt Parlakom, in dessen Zuge die Arbeit der Abgeordneten und derer Mitarbeiter computerisiert wurde.

 
Zu meinen Aufgaben gehörte auch die Auswahl der Büromöbel, der Computer und der Beleuchtung der Räume. Conradi bat mich, sein Büro aufzusuchen und fragte mich, was ich denn im Bundestag tue. Ich antwortete brav, wir würden die deutschen Normen zur Beleuchtung anwenden und, da diese (vorgeblich) Mindestnormen sind, eine bessere Beleuchtung als vorgegeben aussuchen.

Da wurde mein Gegenüber robust: "Spinnen Sie? Haben Sie keine Ahnung davon, dass die Normen zur Beleuchtung das Selbstbedienungsinstrument der Elektroindustrie sind?" Als ich meine Überraschung ausdrückte, sagte er: "Gehen Sie nach Hause, und lernen Sie!" Peng!

Ich fuhr nach Hause und überlegte mir, wer von den Personen, die ich kannte, mit der Elektroindustrie verbandelt war. Lange musste ich nicht nachdenken. Der erste, der mir einfiel, war ich. Danach mein Vater, der einen Direktor der größten Firma der Industrie kannte. Meine Frau, mein Bruder, mein Onkel, zwei Schulkameradinnen … Dass mein Doktorvater von dort kam, wusste ich. Später fiel mir ein, dass auch sein Doktorvater … Die Liste wurde lang und länger. Als ich später das Buch "Die Ökologie der künstlichen Helligkeit" las, wurde mir bewusst, dass ich jede zweite Person, die darin vorkam, entweder persönlich getroffen hatte oder mindestens eine Person kannte, die diese getroffen hatte.

Dennoch musste ich dem Vorwurf begegnen, sei es dadurch, dass ich ihn bestätigen musste. Plötzlich machten meine Untersuchungen in vielen Betrieben Sinn, die gezeigt hatten, dass die Menschen mit ihrer Beleuchtung unzufrieden waren. Ich hatte versucht, sie zufrieden zu stellen, indem ich "normgerechte" Beleuchtung installiert hatte. Ohne Erfolg, freilich! Ich denke mal, die Leute haben nicht aufgemuckt, weil sie dachten, so ´ne teure Beleuchtung, und ich soll meckern?

Da aber die Möglichkeit nicht auszuschließen war, dass ich, trotz 2.000 Teilnehmern an meinen Studien, immer an die falschen geraten war, musste ich handeln. Das ist nämlich immer zu hinterfragen, weil diejenigen Firmen, die mich um Rat fragen, Probleme empfinden, und Geld zu deren Lösung ausgeben. Was ist mit dem Rest von 28.000.000 Arbeitnehmern, die ich nicht zu Gesicht bekommen hatte?

 
So führte ich eine wirklich repräsentative Studie mit Arbeitnehmern durch, deren Firmen mich garantiert nicht kannten, die selber auch nicht. Und das Ergebnis? Dasselbe! Mehr als die Hälfte der Befragten empfanden die Beleuchtung der Arbeitsstätte als eine Gefährdung der Gesundheit. Dabei wollte man aber mindestens 70% zufrieden stellen.

Es hilft nichts. Die Aufgabe eines Ingenieurs ist nicht, festzustellen, ob Menschen mit ihrer Technik unzufrieden sind. Er muss feststellen, warum  und ggf. wie man das abstellen kann. So analysierten wir nach den Ursachen.

Ein wohlfeiles Argument wäre, dass das "Neonlicht" die Menschen störe. Das würden auch heute viele glauben. Nun ist es uns aber gelungen, Dank Conradi, eine Beleuchtung zu finden, die nicht etwa die Zahl derer reduziert, die die Beleuchtung ihres Arbeitsplatzes für eine Gesundheitsgefährdung halten, sondern die, bis zu 90%  zufrieden stellte. Und das mit "Neonlicht", das wir als Ersatz für die geliebte Glühlampe installiert hatten.

Was, wenn nicht das "Neonlicht" schuld ist? Im Jahre 1990 veröffentlichten wir die Gesamtheit der Studien unter dem Titel "Licht und Gesundheit" und auch die Erklärung dazu. Überall, wo die künstliche Beleuchtung dominierte, gab es mehr Gesundheitsstörungen als dort, wo das Tageslicht dominierte. Ergo muss das künstliche Licht schuld sein! Diese Erklärung ist üblich, aber billig. Künstliches Licht besteht aus den gleichen Photonen wie das natürliche. Der wesentliche Unterschied, so schien es, besteht aber darin, dass das natürliche Licht unseren Lebensrhythmus bestimmt, während die künstliche Beleuchtung immer auf Konstanz ausgelegt ist.

So postulierte ich, dass der wesentliche Faktor die Beeinflussung des circadianen Rhythmus sein müsse. Vielmehr, die Nicht-Beeinflussung. Der menschliche Körper benötigt Veränderung, Technik der Beleuchtung strebt hingegen nach Gleichmäßigkeit, zeitlich wie örtlich. Das Letztere hatte übrigens ein in der Lichttechnik sehr bekannter Augenmediziner bereits in den 1950er Jahren gegeißelt, der Brite Weston.  Das Erstere hatte ich von einem gewissen Aschoff gelernt, der mit meinem Doktorvater befreundet war, dem Entdecker der Wirkung von Licht auf circadiane Rhythmen beim Menschen. Auch ein Wissenschaftler, den die Lichtindustrie wegen seiner Industriefreundlichkeit sehr schätzte, Erwin Hartmann, hatte sich in Büchern ähnlich geäußert und von Lichtsoße gesprochen.

Seit der Veröffentlichung von "Licht und Gesundheit" (1990) und der englischen Version davon ("Light and Health", 1991) ist ein Vierteljahrhundert vergangen. Wir haben an weiteren ca. 2.000 Arbeitsplätzen verbesserte Beleuchtung installiert und eine enorme Verbesserung der gesundheitlichen Wirkungen, zumindest subjektiv, nachgewiesen.

Zu guter Letzt haben wir eine Studie mit einem Architekten und einem Tageslichttechniker durchgeführt und veröffentlicht. Diese zeigt auch, wie man´s macht. Und übrigens, wie man es seit Jahrhunderten erfolgreich gemacht hat. Tageslicht nutzen - Das Buch stellt aber auch, wie man auch künstliches Licht "gesund" macht.

Die Zahl der bis heute abgehaltenen Kongresse, Seminare u.ä. Mit dem Titel "Light and Health" bzw. "Licht und Gesundheit" ist mittlerweile Legion. Biologisch wirksame Beleuchtung besitzt sogar eine modische Abkürzung "BioWi". Warum nicht BioLi? So weit, so gut! Warum darf man aber immer noch Beleuchtung verkaufen, die nachweislich eine Gefährdung darstellt, wo es welche gibt, die auch nachweislich das Gegenteil davon bewirkt?

Nach 30 Jahren kommen mir langsam Zweifel, ob wir in der richtigen Welt leben. Denn nach dem Arbeitsschutzgesetz ist es illegal, eine Technik einzusetzen, für die es einen gesünderen Ersatz gibt.