Wir haben es geschafft, das Tageslicht steht im Fokus der politischen Auseinandersetzungen. Den Vogel hat soeben RP Online geschafft abzuschießen: "Bundesregierung streitet über Tageslicht in Firmentoiletten" lautet die Meldung von 10:20. Es geht um die Novelle der Arbeitsstättenverordnung.
Die Reaktionen aus der Politik beweisen, dass der Entzug von Tageslicht akut zu den befürchteten Folgen führt und nicht erst als Spätfolge (Krebs, Alzheimer u.ä.) in Erscheinung tritt. So muss ein gewisser Ingo Kramer seit seiner Wahl ins Amt des Präsidenten der BDA in November 2013 seine Zeit im Dunkeln verbracht haben. Denn Herrn Kramer soll am 22. Januar 2015 plötzlich aufgefallen sein, dass die Arbeitsstättenverordnung der Bundesrepublik Deutschland novelliert werden soll. Doch die Vorarbeiten zu der Novelle waren da längst angelaufen, als er sein Amt antrat. Auch die Meldungen, dass das Bundeskabinett den Entwurf verabschiedet hätte, haben ihn nicht wecken können. Aber jetzt! (Bitte: zu den tatsächlichen Umständen unten den vorletzten Absatz lesen)
Er soll sich letzten Donnerstag über manche Bestimmungen der neuen Arbeitsstättenverordnung mokiert haben (zu lesen in der Stuttgarter Zeitung hier): "Wirtschaft schüttelt über Arbeitsschutzregeln den Kopf". Die Zeitung fragt sich "Blendet daheim die Sonne?" Gemeint ist, dass der Arbeitgeber für die häuslichen Arbeitsplätze seiner Telearbeiter (natürlich auch für die der Telearbeiterinnen) verantwortlich sein soll. Es müsse beispielsweise geklärt werden, ob dort die Sonne blende … Der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände fühle sich an Schilda erinnert und in Absurdistan. Stimmt! Ich fühle mich auch so. Denn wer auch immer als Person der BDA vorsteht, wird über wichtige Vorhaben der Politik, die Einfluss auf Arbeitsbedingungen haben könnten, zeitig offiziell informiert, sofern ihm seine Helferlein nicht bereits im Vorfeld die Warnzeichen übermittelt haben sollten. Oder er selbst hat die Änderungen angeregt. Was im vorliegenden Fall eigentlich nicht von der Hand zu weisen ist, weil die deutschen Arbeitgeber seit mindestens zwei Jahrzehnten fleißig an der Bildschirmarbeitsverordnung sägen. Genau dies soll mit der Novelle der Arbeitsstättenverordnung aber geschehen. Entweder hat der Präsident der BDA dazu nichts gesagt oder der Presse ist's lieber, seine Empörung über Vorschriften zu Kleiderhaken zu Papier zu bringen. Die Sache mit dem Tageslicht in Firmentoiletten war ein längst ausgemerzter Fehler im Text gewesen, den die Presse hätte bereits letztes Jahr merken können. Hat aber nicht.
Die Echos in der Medienwelt ließen nicht lange auf sich warten. Bereits am Sonntag meldete sich Michael Fuchs, der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag. "DEUTSCHLAND Unionsfraktionsvize Fuchs empört über neue Arbeitsstättenverordnung" steht es in Zeitonline (hier), als Replik der in der Märkischen Allgemeinen Zeitung bereits am Sonntag gemeldeten Empörung (hier "CDU wirft Nahles Regulierungswut vor"). Mit einiger Verspätung folgten die üblichen Verdächtigen, Focus, NOZ, Yahoo.com u.ä. Auch der Donaukurier hat sich nicht lumpen lassen. Man kann die diversen Variationen des Unfugs hier und dort und da und da lesen. Man merke: getretener Quark wird breit aber nicht stark.
Auffällig ist, dass die meisten Medien die Nachricht von Ingo Kramer auf Freitag datieren, obwohl sie bereits am Donnerstag in der WELT zu lesen war (hier). Von Freitag hatte später ein Nachrichtenportal gesprochen. Viele scheinen zu kopieren, ohne zu zitieren. Kramer wird auch nicht mehr so häufig zitiert, sondern ein angeblicher Koalitionskrach, der interessanter zu sein scheint als die Meinung des Präsidenten der BDA zu gesetzlichen Regelungen über Arbeitsstätten. Die heißeste Nummer hat Focus Online geschafft: "Unions-Fraktionsvize: "Irrsinn stoppen" Neue Verordnung: Nahes will Handflächen-Freiraum vor PC-Tastatur vorschreiben" Nahles will überhaupt nichts! Die Vorschrift gibt es seit 1990 in der EU-Bildschirmrichtlinie. Als deutsche gesetzliche Bestimmung in der Bildschirmarbeitsverordnung seit 1996. Was das Ministerium von Frau Nahles will, ist die Abschaffung dieser Verordnung und deren Eingliederung in die Arbeitsstättenverordnung. Dabei darf die deutsche Gesetzgebung eine Bestimmung der EU-Richtlinie nicht außer Kraft setzen. So einfach ist es. Mehr Cakir CuA_15_01.
Während die erste Meldung in der WELT mit Zitaten und Anmerkungen des BDA Präsidenten noch ganz nüchtern klangen, ist vier Tage später ein Skandal, aber zumindest ein Skandälchen geworden. Ich denke, ein Skandal. Denn ein hoher Funktionär (Präsident der BDA) kommt in den Verdacht, seine Aufgaben verschlafen zu haben. Ebenso die Politik, weil sie ihn hätte rechtzeitig informieren müssen. Und die Täter? Entweder der Politiker, der den Sturm im Fingerhut verursacht hat, oder die Presse (online, offline, Gott-weiß-was-line), die schneller kopiert als Nachrichten entstehen. Wenn ich alle Beiträge mir Revue passieren lasse, wundert mich das Wissen von Journalisten über politische Usancen in dieser Republik. Ob, das Unwissen wollte ich schreiben.
Wie dem auch sei. Die Öffentlichkeit wird aus allen Richtungen mit Meldungen versorgt, die sich mit Tageslicht und Sichtverbindung nach außen beschäftigen. Wer als Politiker oder Journalist an der Sichtverbindung rührt, den trifft zwar nicht der Blitz. Aber viel besser geht es ihm bestimmt nicht, wenn die Leute merken, woran diese herumkritteln. Als Strafe muss man nicht die Peitsche herausholen. Es genügt, die Herrschaften einige Tage ohne Tageslicht zu lassen.
(Anm.: Diese Strafe gab es tatsächlich in Alcatraz als ultimative Strafe für die schlimmsten Verbrecher der USA, die man dort konzentrierte. Der prominenteste Häftling, den man durch Lichtentzug läutern wollte, hieß Al Capone. Später wurde sie insbesondere wegen dessen Bestrafung abgeschafft, weil sie sehr inhuman gewesen sein soll. Inhuman zu Al Capone! Das will was heißen …)
Wer sich vor einigen Jahren gewundert hat, wie vehement die Politik sich in das Glühlampenverbot gehängt hat, bekommt dieser Tage die Erklärung. Doch zunächst zum Vorgang: Die EU betrieb das Ende von Leuchtmitteln mit geringer "Energieeffizienz" mit brachialer Gewalt und war auf dem Ohr blind, auf dem sie wahrnehmen sollte, dass man die Effizienz von Lampen nur mit ähnlichen Eigenschaften, sprich Lichtqualität, vergleichen kann. Ansonsten gleicht der Vergleich einer Betrachtung von Äpfel gegen Nüsse bezüglich der Härte der Schale. Wenn sie denn Äpfel mit den sprichwörtlichen Birnen vergleichen täte! Zum einen war und ist die Lichtqualität immer noch undefiniert. Zum anderen war und ist das (damals) in den Himmel gehobene Objekt, die "Energiesparlampe", ein Meisterstück der Schlamperei. Die betreffenden Aspekte wurden in diesem Blog ausführlich diskutiert (z.B. hier und da oder dort). Vor allem, dass die Lampen geeignet sind, das deutsche Land und seine Nachbarn mit einem Umweltgift zu beglücken, Quecksilber. Und dass ein erheblicher Teil der "eingesparten" Energie auf den Leitungen als Blindstrom die Landschaft heizen würde.
Gemach! Offenbar wollte die EU das doch gar nicht. Sie fördert nämlich die LED-Technologie. Dagegen lässt sich wenig sagen, im Prinzip. In diesem Blog wurde mehrfach dargestellt, dass man mit diesem Leuchtmittel Dinge tun kann, für die herkömmliche Lampen nicht mal etwas ungeeignet sind. Nicht nur so witzige Anwendungen wie die Integration des Bildschirms eines Computers und einer Tischleuchte in ein Objekt mit OLED. Ein Teil präsentiert die Daten, der andere beleuchtet den Tisch. Wenn man das eine oder das andere nicht braucht, hat man zwei Lampen oder zwei Bildschirme, bis man sich das anders überlegt. Soweit, so gut.
Was mich gewaltig stört, ist aber die Einäugigkeit, mit der man die Vorteile der neuen Technik sieht, und die Nachteile übersieht. Das Ganze erinnert mich an die Marktschreier, die früher vor Kaufhäuser Wundermittel verkauften. Möhre reiben? Zack, zack, fertig! Zitrone ausdrücken? Schwuppdiwupp, entsaftet! Die Herrschaften haben sich in andere Gegenden verzogen, weil es kaum noch Kaufhäuser gibt. Großen Schaden an unseren Kulturgegenständen haben sie nicht hinterlassen. Doch die LED-Mania droht just dies, weil die EU ihr Projekt mit der Illumination von illustren Kulturobjekten vermarktet. Über die Sistina habe ich in den letzten Tagen genug geschrieben. Früher ärgerte mich das Schicksal der H.M.S. Belfast, die sich auf der Themse der Gaffern aus aller Welt präsentieren muss. Jetzt mal eine Bilanz mit Bildern, mit denen die EU selbst Werbung betreibt:
Darf ich mich darüber aufregen, dass man die europäischen Städte und deren Kulturdenkmäler in Bonbonfarben hüllt, wie die Amis die Niagara Fälle?
Museen, Rathäuser, Gotteshäuser, Kriegsschiffe, Aquarien… Allesamt beleuchtet in Bonbonfarben. Nicht einmal vor der deutschen Geschichte machen die Macher halt (hier). Technologie ist, wenn man Technik beherrscht und für seine wohlüberlegten Ziele sich untertan macht. Wer über die Scheußlichkeiten, die angeblich nur die Amis bewerkstelligen können, die Nase rümpft, sollte nicht versuchen, die zu übertrumpfen.
Mein Doktorvater hatte einem forschen Lichttechniker, der eine unpassende Lampe als Beleuchtung empfehlen wollte, damit gedroht, diese zuerst bei der Sekretärin des Herrn zu installieren, wenn der Mann nicht von seinem Vorhaben ablässt. Heute müsste man drohen, auch noch sein Schlafzimmer mit dem Licht zu dekorieren.
Hoffen wir auf die neue EU-Kommission.
Gestern erreichte mich die Anfrage von einer Privatperson, die ihre Wohnung mit LED-Leuchten beleuchten möchte. Den Fragen entnehme ich, dass sie viel über die Gefährlichkeit von LED gelesen hat. An sich keine schlechte Haltung, wenn man sich erkundigt, ob man sich nicht den Teufel ins Haus holt. Leider erkannte ich aus den Fragen, dass die öffentliche Diskussion schlimme Folgen haben kann, wie z.B. einst die Frage nach den Strahlungsschäden durch Bildschirme. Damals haben sich viele von den Gewerkschaften bis hin zur Financial Times gewaltig blamiert; eine echt anständige Organisation, die bei der Nobelpreisvergabe dabei ist, eine beschämende Figur abgegeben, und viele seltsame Menschen sogar halbe Volksaufstände unter Belegschaften riskiert, um ein paar "Strahlungsfilter" zu verkaufen. Nicht zu vergessen, der "strahlungsfressende Kaktus" und die Bildschirmkäppi mit Bleieinlage im Schirm. Selbst Bildschirmjacken mit Bleiplatten drin gab es zu kaufen.
Was war die Realität? Erstens war die "Strahlung" meistens keine, sondern nur ein statisches elektrisches Feld. Zweitens, gab und gibt es die überall. Und drittens, Millionen von Menschen arbeiten unter elektromagnetischen Feldern, deren Stärke die der damaligen Bildschirme um den Faktor eine Million oder mehr überstieg. Mir selbst haben Menschen viele Ausführungen zu sonstigen Aspekten geglaubt, manchmal etwas ungläubig abgenommen, aber nie die Dinge, die etwas mit Strahlung haben sollen. Dabei hatte ich mit zwei Kollegen die Angelegenheit im Jahre 1979 in einem Buch - für mich abschließend - behandelt.
Lass die Leute doch ihre Angst ausleben? Leider kann man so nicht handeln, wenn es sich um eine wichtige Technologie handelt. das sieht man an dem Nachlass der einstigen Strahlungshisterie. Menschen schieben auch heute noch ihre Bildschirme an das andere Ende des Tisches, erleiden Rückenschmerzen oder Augenbeschwerden - ggf. beides -, ohne zu merken, warum sie so handeln. Und LED? Damit werden wir leben - nicht nur müssen, sondern auch wollen -, weil die Technologie viel Neues und Positives bietet. Wir müssen nur aus dem Schatten der Leuchtstofflampe treten.
Und dieser ist gewaltig. Sie ist eine weltumspannende Technologie, die sich seit den 1930er Jahren entwickelt hat. Sie hat das Arbeitsleben vollständig umgekrempelt. Und sie war selten geliebt, weil man sie nicht mit den Benutzern entwickelt hat, sondern sogar gewollt gegen sie. Wer sie kritisierte, wurde niedergemacht, durfte auf Kongressen nicht reden, wurde von Fachleuten bestenfalls milde belächelt. Den Ruf "Neonlicht" verlor sie nie. Uns selbst hat man geglaubt, als wir schrieben, dass Beleuchtungen mit der Leuchtstofflampe nur bei 20% Akzeptanz finden. Hingegen wurden die Artikel über Beleuchtungen, die bei bis zu 90% Akzeptanz fanden, eher skeptisch gelesen. Auch mit der Leuchtstofflampe …
Man sollte alles tun, damit die LED nicht in den Geruch kommt, Neonlampe 2.0 zu sein.