Das Buch Genesis 2.0 – Schöpfung der elektrischen Sonne wurde mit folgenden Beiträgen weiter kommentiert:
14.10.2025
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Die Studien, die in Hawthorne Works, USA, in den 1920ern durchgeführt wurden, ergaben nicht das gewünschte Ergebnis, die positive Wirkung einer verbesserten Beleuchtung auf die Arbeitsleistung zu zeigen. Die direkte Wirkung betraf die gesamte Wissenschaft traumatisch. Aber auch die Lichttechnik war schwer betroffen. Viele glauben, dass das Licht keine Wirkung auf die Arbeitsleistung habe.
Der Beitrag diskutiert die Studien und das Geschehen in Deutschland, wo sogar der Staat eingegriffen hat in die Normung der Lichttechnik. Es wird gezeigt, warum man die Wirkung von Licht auf die Arbeitsleistung nicht aufzeigen konnte. (hier)
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Bei diesem Beitrag geht es um den Umgang mit dem Thema Blendung, der weiter zurückreicht als die Lichttechnik selbst. Es wird erklärt, warum sich die Lichtforschung auf der Stelle dreht. Das Zitat von Stephan Völker aus dem Jahre 2012 fasst die Problematik ganz gut zusammen: “Der vorliegende Beitrag zeigt, dass es möglich scheint, die vorhandenen Blendungsbewertungsmodelle auf ein Modell zurückzuführen. Zurzeit fehlen noch einige Einflussgrößen, welche aber bereits in Kürze vorliegen dürften.” Schon eine starke Aussage nach 100 Jahren Forschung. Es wird erläutert, warum wir auch heute nicht weiter sind. (hier)
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Hier geht es um ein generelles Problem im Verstehen von Farben. Selbst Fachleute kann man dabei ertappen, von natürlichen Farben zu reden. In der Natur gibt es zwar Farben, aber die ändern sich über den Tag und sind von Ort zu Ort unterschiedlich, z.B. das Blau der Meere. Der Beitrag zeigt, wie Technik und Wissenschaft trotzdem den Umgang mit Farbe gemeistert haben, allerdings bei der Beleuchtung bei einem primitiven Farbwiedergabeindex geblieben sind. (hier)
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Der Namensgeber dieses Beitrags ist nicht ein Toter, sondern ein Doktorand, der versucht mit physikalischen Größen Glanz zu erklären. Die Dualität des Glanzes, hie Störung, dort Designmerkmal, wird erklärt. Vom Elend nicht betroffen war ein Physiker, der es messtechnisch geschafft hat, Empfindungen messbar zu machen. Er beherrschte die Wissenschaft und Technik praktisch über 50 Jahre.
Die Bedeutung des Glanzes wird in diesem Beitrag deutlich herausgearbeitet. (hier)
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Zum Thema Blendung gehören nach meiner Meinung diverse Erscheinungen, die einen “blind” machen, d.h. am Sehen behindern. Diese werden unter diversen Namen geführt und behandelt. Es fehlt ein Gesamtbegriff, der alle Effekte zusammen repräsentiert, die einem das Sehen erschweren oder unmöglich machen.
Blendung wird in der allgemeinen Sprache auch im übertragenen Sinne dafür benutzt, dass etwas einem das Erkennen erschwert, so der Blender in der Spionage oder die Blende des Kürschners. Das Problem besteht darin, dass Blendung von Laien beurteilt wird, die schwer verstehen, was der Forschende eigentlich bewertet haben will. Es ist eminent wichtig, weil das Medium Papier durch Monitore abgelöst worden ist, die fast alle mehr oder weniger stark von Informationsverlust betroffen sind. Deren Hersteller haben sich aber mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, dass die Dinge beim Namen genannt werden. (hier).
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Hier geht es um die Missverständnisse um die Grundgröße Leuchtdichte, den Umgang womit ich etwas überspitzt “Ein unmöglicher Umgang mit einer Grundgröße” bezeichnet habe. Die Missverständnisse reichen bis in die Verkehrssicherheit hinein und kulminieren in der Aussage des ADAC, dass 90% der Verkehrsteilnehmer von der Blendung geplagt werden, und zwar von legal erworbenen amtlich zugelassenen Scheinwerfern. Die Lichtwissenschaft hat das Problem längst erfasst und beschrieben.
Die Plage kann bis ins Schlafzimmer reichen, wenn der Nachbar ahnungslos eine zugelassene Lampe in seinem Garten installiert.
Der Beitrag illustriert, wie ein Thema, das allenfalls für Theoretiker interessant wäre, Probleme für alle Bevölkerungsgruppen erklärt.
(hier).
Wasser tut’s freilich
höher jedoch steht die Luft,
am höchsten das Licht!
Arnold Rikli
03.10.2025
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Blendung und „natürliche“ Farben - Das waren die Themen der letzten beiden Blogs. Doch die Beschreibung von Erscheinungen, mit denen der Techniker nicht gerade meisterhaft umgehen kann, ist damit nicht komplett. Erst richtig schwierig wird es, wenn man den Begriff oder die Erscheinung Glanz dazu nimmt.
Aber zuerst zu dem „Techniker“. Dieser ist ein Mensch, der einen Beruf ausübt, dessen Name vom griechischen Wort techne stammt. Und die heißt so viel wie Kunst, Gewerbe, Geschick, List, Betrug. Nicht eines davon, sondern alle zusammen. List und Betrug darf man allerdings nicht im Sinne des Strafrechts nehmen, sondern im Sinne von Geschick. Der Techniker überlistet Natur, Materialien, Naturgesetze u.ä., um etwas zu erzielen. So kann ein Mensch fliegen, ohne dass ihm Flügel wachsen.
Wenn der Techniker mit Glanz umgehen soll und dabei gewissenhaft objektive Größen benutzen, handelt er als Physiker, dessen Welt viel regelhafter ist als die des Technikers. Dies musste ich in meinen jungen Jahren tun, und die Sache war bitter ernst. Die Menschen, die am Computer arbeiteten, hatten Probleme mit den Augen, die sie auch heute haben, aber damals schimpften sie mehr. Also musste ich die sog. visuellen Probleme der Menschen ermitteln und Lösungen dafür finden. Diese wurden nicht in den Sand geschrieben, sondern in Normen, die heute 50 Jahre danach immer noch ihre Wirkung entfalten.
Eine meiner Diagnosen war, dass die Bildschirme glänzten. Ergo schrieb ich in den Normenentwurf, die dürfen nicht glänzen. Nun bestand die Arbeitswelt nicht nur aus glänzenden Bildschirmen. Wenn die nicht glänzen dürfen, warum dürfen andere? Also schrieb ich in den Normenentwurf, dass alle Teile des Arbeitsplatzes aus matten Oberflächen bestehen müssen. Die Vorstellung musste ich nicht einmal selbst entwickeln. Sie stand in der Beleuchtungsnorm DIN 5035 und verbot den Glanz schon vor über 50 Jahren.
Ein Mitglied unseres Normenausschusses nahm dann diesen Entwurf in seinen Betrieb und legte ihn seinen Büroorganisatoren vor. Deren Meinung war verheerend: eine Welt ohne Glanz. Matt wie platt.
Die besagten Herren waren noch gnädig. Große Computerfirmen gingen dagegen aggressiv vor. Sie hatten aber mit Zitronen gehandelt, denn dafür, dass Bildschirme glänzen sollen, gab es keine Begründung. Also floss die Idee in Normen, später in Sicherheitsregeln und ganz zuletzt in Arbeitsschutzvorschriften wie die EU-Richtlinie für die Arbeit mit Bildschirmen von 1990. Auch der Bundesarbeitsminister verschreibt den Betrieben in der ASR A6 (Bildschirmarbeit) von 2024: „Grundsätzlich sind an Bildschirmarbeitsplätzen Bildschirme mit entspiegelten (matten) Displays und matten Gehäuseoberflächen zu verwenden.“ Er lässt nur wenige Ausnahmen zu.
Die fehlende Begründung für glänzende Bildschirme kam später, als Computer auch Videos abspielen konnten. Auf matten Bildschirmen sahen schicke Filme gar nicht so schick aus. So bauten unbotmäßige Computerhersteller Laptops mit glänzenden Bildschirmen. Denn man kann nicht dauernd das Display wechseln, wenn man mal Büroarbeit macht und mal einen Porno einzieht.
Das Problem besteht bis heute, aber mit anderen Begründungen. Der technische Fortschritt hat zu Monitoren geführt, die weniger glänzen als die Vorschrift erlaubt. Aber Handys lassen sich schwer verkaufen, wenn ihre Displays tot aussehen. Da diese aber das ganze Gesicht vom Handy ausmachen, glänzen die dummen Dinger um die Wette. So auch mein iPhone, wenn es als Display für meine Drohne dienen soll, die bei Kaiserwetter den Berliner Wannsee ablichten will. Da ich kaum noch was sehe, haut die Drohne manchmal ab. Sie kommt eine halbe Stunde später reumütig wieder, wenn ihr Akku leer ist. Ob das sich auch ukrainische Drohnenpiloten leisten können? Zum Teufel mit dem Glanz, wenn mein Leben auf dem Spiel steht.
Die Probleme mit dem Glanz waren vermutlich vor meiner Geburt schon bekannt gewesen. Ich habe Farbe studiert bei einer der wenigen Koryphäen, denen es gelungen ist, ein Farbsystem aufzustellen (Anm.: Es war nicht Goethe). Sein wichtigstes Werk im Bereich der Farbsystematik ist das DIN-Farbsystem DIN 6164 (auch bekannt als DIN-Farbenkarte oder DIN-Farbenatlas). Er war Physiker und Farbmetriker und gilt als einer der führenden Vertreter der Farbwissenschaft in Deutschland im 20. Jahrhundert. Auch ihn wurmte die Frage des Glanzes, weil der Glanz nicht nur die vor dem Bildschirm stört. Er zerstört die Farben. Egal, wie ein Objekt aussieht, rot, grün oder lila, der Glanz ist fast immer weiß oder farblos.
Unter unserem Lehrer versuchten mehrere Kollegen, fast alle Ingenieure, eine Dissertation zu dem Thema zu schreiben. So entstand die Bezeichnung Glanzleiche. Die ist nicht ein optisch präpariertes Opfer in einem Tatort, sondern eine Doktorarbeit, von der man bereits zu Beginn sagte, dass die nichts wird.
Warum aber, wenn eine Arbeit von einer begnadeten Koryphäe betreut wird und von intelligenten Menschen ausgeführt? Die Gründe habe ich im Kapitel Warum sich die Forschung auf der Stelle dreht ausführlich erklärt. In diesem Kapitel geht es um Blendung, bei deren Erforschung man sich seit 120 Jahren die Zähne ausbeisst. Darin wird auch erklärt, dass Glanz eine Blendung ist. Er verhindert, dass man Dinge so sieht, wie sie sind. Weder ein Mensch noch eine Kamera können unter einer glänzenden Stelle erkennen, was darunter liegt. Und Blendung ist immer etwas, was das Erkennen erschwert. Glanz ist eine Form der Blendung, die man aber nicht so nennt. Das aus gutem Grund, denn Blendung klingt negativ, Glanz ist aber …?
Das Teuflische ist, dass der Glanz zu den vier Eigenschaften gehört, die uns das Erkennen eines physikalischen Objekts vollständig erklären: Helligkeit, Farbe, Glanz und Form. Hiervon wird nur die Form nicht von Physikern oder Technikern behandelt. Die anderen drei lernt man, wenn man Lichttechnik oder Farbenlehre studiert. Dummerweise hängen Farbe und Helligkeit eng zusammen. Und Glanz wird erheblich von der Form bestimmt. Und dies in Tateinheit mit Farbe. Die Kugeln rechts stammen übrigens von einer wissenschaftlichen Studie, die genauer ist als die in der Lichttechnik, aber nichts damit zu tun hatte.
Somit kann man Glanz als eine Erscheinung sehen, die uns das Sehen ermöglicht und aber auch erschwert bis unmöglich macht. Ob wir dies positiv oder negativ sehen, hängt von uns und unserer Situation ab und nicht von den physikalischen Eigenschaften. Bei manchen Dingen liegen positiv und negativ nur Millimeter auseinander, so z.B. auf schönen Frauengesichtern, wo positiv (Lipgloss) von negativ (glänzende Nasenspitze) eng beieinander liegen.

Es gibt auch Fälle, wo die Störung des Sehens den Gesamteindruck prägt und somit deren Beseitigung die Gesamterscheinung zerstört. So benutzt der Fotograf Catchlights, um den Augen Tiefe, Ausdruck und "Leben" zu verleihen. Ohne diesen Glanz wirken die Augen oft matt, leer oder „tot". Dasselbe gilt für Exponate in Galerien, die mit einer Scheibe geschützt werden müssen. Wenn diese mattiert ist, sind die Bilder tot. Portraitfotografen setzen Catchlights, wenn ein Gesicht ohne solche aufgenommen worden ist. Man kann den Effekt nachstellen, indem man Gesichter mit Glanzpunkten bearbeitet und diese entfernt.
Das Ganze hat selbst einen prägenden Effekt auf Wissenschaft und Technik. Der Glanz von Oberflächen hat einen signifikanten Einfluss auf Wissenschaft und Technik, insbesondere in den Bereichen Materialwissenschaft, Optik und Messtechnik. Möbel, Stoffe, Bekleidung, Kunstdruck und nicht zu vergessen Autos.
Wenn eine Sache so wichtig ist, müsste es von Fachleuten auf dem Gebiet nur so wimmeln. Dem ist nicht so. Die Szene wurde über mehrere Jahrzehnte von Richard S. Hunter (1906–1991) beherrscht, der schon in den 1930ern eine prägende Persönlichkeit war. Er war der Gründer des Unternehmens Hunter Associates Laboratory, Inc. (HunterLab), das weltweit Glanz- und Farbmessgeräte herstellt und damit maßgeblich zur Verbreitung seiner Messstandards beigetragen hat. Aber er war zuvor am National Bureau of Standards (NIST) tätig, wo er seine Methode entwickelte. Dazu gehörte auch ein Farbraum, der seinen Namen trägt: Hunter L, a, b Farbraum.
Hunter gelang es, die menschliche Wahrnehmung auf die Messung zu übertragen. Seine Geräte zielten darauf ab, die visuelle Wahrnehmung des menschlichen Auges (speziell im Hinblick auf kleine Farbunterschiede und Glanzeffekte) objektiv zu quantifizieren. Damit wurden HunterLab-Geräte zu einem unverzichtbaren Werkzeug, um die Produktkonsistenz über Lieferketten hinweg zu gewährleisten.
Hunter war keine Glanzleiche. Er hatte im Dezember 1927 seine Karriere als "Minor Laboratory Apprentice" (kleiner Laborlehrling) begonnen beim National Bureau of Standards (NBS), heute bekannt als NIST. Als wir zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine vom Arbeitsminister beauftragte Studie zu Oberflächen von IT-Produkten durchführten (Einfluss von optischen Oberflächeneigenschaften von IT-Produkten auf Benutzer, BAUA Forschungsbericht Fb1066, 2006), war Hunter der Lieferant der meisten Erkenntnisse auf dem Gebiet. Und er war einer der Autoren der Studie, die Anlass für diesen Forschungsbericht war.
So konnten wir getrost schreiben:
„Maßgeblich für die Empfindung ist aber nicht die physikalische Verteilung des Lichts, sondern dessen situationsabhängige Beurteilung:
Hunter hatte bereits 1936 zutreffend geschildert, dass es nicht nur einen Glanz gäbe, sondern viele:
Nicht jeder Physiker kapituliert vor dem Elend, Empfindungen messen zu müssen. Es dauert manchmal halt lange …
15.07.2025
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Manche Dinge finden sich nicht zueinander, obwohl man sie fast immer im gleichen Kontext vermuten darf. Überraschenderweise gilt dies für Beleuchtung und Architektur, allerdings erst seit etwa 1925. Da half nicht einmal, dass der Staat im Dritten Reich Lichttechniker und Architekten zur Zusammenarbeit zwingen wollte. Er hatte nämlich vor, die Leistung des deutschen Arbeiters mit Hilfe der Beleuchtung zu steigern (s. hier). Dazu gründete der Staat eine Behörde, die auf den seltenen Namen “Schönheit der Arbeit” hörte. Deren Chef, der später Kriegsminister werden würde, Albert Speer, wusste als Architekt von der Bedeutung des Lichts. Er ließ sogar einen Spielfilm dazu drehen, das einfach “Licht” hieß. Mehr zu dem Thema hier)
Jahrzehnte später, Speer war schon 10 Jahre tot, saß ich zufällig mit einem Architekturprofessor und dem Geschäftsführer des DIN-Normenausschusses Bauwesen (NABau) an einem Kindergeburtstag und erzählte ihnen, dass die Normen für Lichttechnik und für das Bauwesen unkoordiniert miteinander entstünden. Beide Herren erschraken und wollten dagegen sprechen, taten es aber lieber nicht. Dem war so.
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Dass es dem so war, hatte ich beim Studium im Fachbereichs Umwelttechnik der TU Berlin gelernt. Zur Zeit seiner Gründung gehörten Lichttechnik und Akustik, die ich studierte, neben den Instituten für Architektur dazu. Uns war es damals nicht gelungen, unsere Vorlesungen und Laborübungen Architekturstudenten schmackhaft zu machen. Deswegen war ich später zu Arbeitswissenschaft und Ergonomie migriert, weil mein Doktorvater glaubte, dort bessere Forschungsbedingungen zu Wirkungen des Licht auf die Arbeit vorzufinden. Klarer Fall von Denkste!
So freute ich mich 1981 wahnsinnig über das Buch Human Factors in Lighting von Peter Boyce. Human Factors ist das amerikanische Synonym für Ergonomie. Nach langer Suche fand ich in dem Buch aber nichts zur Ergonomie. Auch die dritte Ausgabe des Buches (2014) ließ Ergonomie missen. Unter dem Akronym IEA (eigentlich International Ergonomics Association) führt Boyce International Energy Agency an.
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Insbesondere bezüglich Tageslicht glänzten alle besagten “Wissenschaften” durch Nichtwissen. So hatte das Standardwerk IESNA LIGHTING HANDBOOK (2006) der US-amerikanischen Lighting Engineering Society für Tageslicht und Human Factors gerade mal eine halbe Seite (von 1002) übrig.
Ich habe versucht, die Lücke zu füllen, angefangen bei den Begriffen (hier). Im Rahmen eines Projektes Tageslicht (Tageslicht nutzen – Bedeutung von Dachlichtöffnungen für Ergonomie, Architektur und Technik), bei dem ein hervorragender Architekt und ein Institut für Bauwesen beteiligt waren, habe ich mit meiner Frau zusammen die Ergonomie des Lichts behandelt, dessen Bericht hier zum Download steht. Die beiden anderen Teilberichte sind in dem Buch enthalten (hier )
Irgendwie verwunderlich, dass man im Jahre 2025 diese Aspekte in Erinnerung rufen muss, wo doch die fundamentale Arbeit zu Tageslicht und Arbeitswelt schon Ende der 1960er-Jahre geschrieben worden war. Damals war ich noch Zuschauer. Die Arbeit war das Werk von Ellen Collingro und Georg Roessler, der Ideengeber und Betreuer Prof. Jürgen Krochmann. Das Ergebnis steht kurz und bündig seit 1975 in der Arbeitsstättenverordnung: Arbeitsräume müssen eine Sichtverbindung nach außen haben. Die Langfassung in ihrer letzten Form (Technische Regeln für Arbeitsstätten - Beleuchtung und Sichtverbindung - ASR A3.4, Ausgabe Mai 2023) ist hier abrufbar.
12.06.2025
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Als healthylight.de das Licht der Welt erblickte, wollte ich die Wirkungen von Licht auf den Menschen kommentieren. Dass Licht allein keine Probleme schafft, sondern häufig in Tateinheit mit einer technischen Errungenschaft, dem Smartphone, hätte ich nicht unbedingt thematisieren wollen. Ein Artikel einer internationalen Gruppe Forschender tut genau das. Der Titel "Myopia and Daylight: A Combination of Factors" (Kurzsichtigkeit und Tageslicht - Eine kombinierte Wirkung von Faktoren). Der Artikel erscheint demnächst in Frontiers in Medicine – Ophthalmology, geschrieben von 9 hochkarätigen AutorInnen aus 6 Ländern.
Im Abstract des Artikels liest sich das Ergebnis wie eine Horrormeldung: In urbanen Teilen von Süd- und Ostasien sind Heranwachsende derzeit zu 80% bis 90% kurzsichtig. Man spricht von einer Epidemie. Diese ist die die Corona-Jahre sogar beschleunigt worden. Der Effekt sei weltweit zu beobachten. Ursache: Ständige Beschäftigung mit dem Smartphone bei sehr kurzen Sehentfernungen + geringe Lichtmengen, weil die Kinder und Jugendlichen das Tageslicht meiden. (Hier kann man sich melden, um von der Veröffentlichung des Artikels zu erfahren.) Bis dahin kann man sich in der Berliner U-Bahn umsehen, wie viele Menschen etwa so gucken wie auf dem Foto. Es ist aus Sapporo, könnte aber auch aus Berlin sein.
Die Entstehung der Kurzsichtigkeit geht über eine "Pseudokurzsichtigkeit", die man immer erfährt, wenn man längere Zeit in dier Nähe schaut. Das gibt sich nach einer Weile, wenn man in die Ferne schaut. Wer aber in jungen Jahren ständig Nahseharbeit leistet, bei dem kann das Auge auf Dauer kurzsichtig werden.
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Bei mir hat die Kurzsichtigkeit junger Menschen als Thema eine sehr lange Historie. Als ich 1971 einen Laborversuch mit 200 Probanden veranstaltete, war 50% von ihnen kurzsichtig. Und zwar dauerhaft. Diese Probanden waren allesamt Studenten und unter 25 Jahre alt. Zu diesem Zeitraum betrug der Anteil Fehlsichtige in der gesamten deutschen Bevölkerung weit unter 50%. In meiner Studie mit 273 Profifußballern der ersten Bundesliga zur gleichen Zeit fand sich ein einziger Mann mit einer Fehlsichtigkeit. Er trug Kontaktlinsen. Diese Probanden waren etwa gleich alt wie die Studenten. Irgendwas muss da falsch gewesen sein, wenn deutsche Menschen einer Altersstufe einmal mehr Kurzsichitge aufweisen als die Gesamtbevöklerung Fehlsichtige überhaupt. Und ein andermal nur einen einzigen aus der Gruppe.
Im Jahr 1975 fing ich an, ähnliche Daten bei Büromenschen zu sammeln. Siehe da, es gab im Büro kaum Kurzsichtige, aber zu mehr als 50% Weitsichtige. Dabei habe ich festgestellt, dass etwa 30% der Büromenschen entweder die falsche Brille hatte oder gar keine, obwohl sie/er eine gebraucht hätte. Deswegen schlug ich vor, alle Beteiligten durch einen Sehtest durchzuschleusen. Meine eigenen mittlerweile etwa 2.000 Probanden mussten aus untersuchungstaktischen Gründen da durch. Die Ergebnisse überzeugten die Berufsgenossenschaften, und sie entwickelten den ersten medizinischen Test für Bildschirmarbeiter (G 37). Die Idee übernahm die EU-Bildschirmrichtlinie 90/270/EWG, und sie kam mit der Bildschirmarbeitsverordnung (BildscharbV) 1996 nach Deutschland zurück. Am Ende wurde daraus AMR 14.3 „Tätigkeiten an Bildschirmgeräten“, eine vorgeschriebene Angebotsvorsorge, die der Arbeitgeber anbieten muss.
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Die Hersteller von Computern, die gleichzeitig Hersteller von Bildschirmgeräten waren, haben sich vehement gegen solche Konzepte gewehrt. Nach deren Meinung könne es keine physiologischen Wirkungen geben, die von Bildschirmen ausgehen. Während die Normung der Arbeitsplätze die Sehentfernung möglichst groß machen wollte, sich aber aus praktischen Gründen aus 450 mm bis 600 mm einigte, wollten die Hersteller bei der üblichen "Leseentfernung" bleben, für die die Augenärzte Augenkorrekturen 330 mm vorsahen. Da konnte man die Bildschirme voller packen. Damals war die Größe der Bildschirme nämlich beschränkt. Und man konnte an einen Computer nur den Bildschirm anschließen, den der Hersteller vorgesehen hatte.
Sehphysiologen ermittelten zwar, dass die ideale Sehentfernung etwa 2 m sein müsste, damit man einen Bildschirm mit entspanntem Auge betrachten konnte. Dies war aus verschiedenen Gründen nicht sinnvoll. Und die Schrift sollte 20 Bogenminuten groß sein. Die Hersteller setzten sich in der Normung durch und so wurde mit ISO 9241-3 von 1992 eine kurze Sehentfernung von 330 zugelassen. Rund 20 Jahre später kam es schlimmer, ISO 9241-303, der Nachfolger von ISO 9241-3, empfahl sogar dies: "Anwendungen für ausgewählte Benutzergruppen wie Jugendliche sollten mit einer Schrifthöhe von 11 Bogenminuten für eine Sehentfernung von 250 mm versehen werden, damit man größere Mengen an Informationen auf handgehaltenen Geräten sichtbar machen kann."
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Das war nicht der einzige Grund für die Misere, die in dem kommenden Artikel beschrieben wird. Die Hersteller von Mobilgeräten ignorieren auch noch eine andere Erkenntnis, die vor fast 50 Jahren in die Normung eingeflossen war: Bildschirme müssen entspiegelt sein. Aber Tablets und Handys mit matten Displays sehen nicht so schick aus. Das ist mit ein Grund dafür, dass die Benutzer das Helle meiden.
Der überaus wichtigere Grund besteht aber darin, dass die Bedeutung der künstlichen Beleuchtung für funktionelles Sehen gesunken ist. Man braucht zum Lesen von Büchern oder Betrachten von Bildern kein Licht mehr. Das Licht stört bestenfalls. Hierzu habe ich eine längere Abhandlung geschrieben (s. "Selbst verdienter Niedergang der elektrischen Sonne" in Çakir, Ahmet E.. Genesis 2.0 - Schöpfung der elektrischen Sonne ). Dort wird beschrieben, warum der Triumpfzug der elektronischen Displays, die heute zwischen Millimetern bis zu einem Kilometer groß sein können, die Beleuchtung aus funktionellen Gründen ganz oder teilweise überflüssig gemacht hat. Durch diesen Vorgang entfällt auch das Umgebungslicht.
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Die Technik hat sich mächtig verändert. Die Sehentfernungen von heute bestimmt kein Hersteller, sondern der einzelne Mensch. Was der tut, wenn seine Sehbedingungen nicht stimmen, hatte ich 1976 mit einem schönen Foto dokumentiert. Dieses wurde in vielen Versionen interpretiert. Die am weitesten gehende Interpretation symbolisiert den Werdegang des Menschen vom Affen bis heute. Für den Werdegang vom homo diurnus zum Maulwurf brauche ich noch eine Abbildung.

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01.02.2025
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Ich hatte es noch für unsinnig gehalten, was ein berühmter Professor, immerhin der Leiter der LCR /Lighting Research Center) in New York, von mir verlangte. Ich wollte seinen Artikel "Mehr als Sehen" in Cyberlux veröffentlichen (mehr hier und dort). Er hatte nichts dagegen, aber verlangte, ich müsse den Artikel mit einem Verfallsdatum versehen.
Artikel schreibt man manchmal für den Tag, und dann hat er am nächsten Tag schon ausgedient. Fast immer findet man so etwas in Tageszeitungen. Manche Artikel sollen hingegen so lange halten, bis man Neues erfindet. So etwas gehört in der Technik zum Geschäft. Niemand erwartet, dass eine als wunderbar beschriebene Maschine, auch so bleibt. Darüberhinaus gibt es Artikel, die für die Ewigkeit geschrieben sind- Wissenschaftliche Artikel gehören dazu. So ein Artikel bekommt ein DOI, eine Kennung, die ein Unikat ist. Keine zwei Artikel teilen eine Kennung. Und wenn derselbe Autor dieselbe Idee 100 Mal wiederholt veröffentlichen will, gibt es 100 DOI. Aber die gibt es i.d.R. nicht, denn eine Erkenntnis darf nur einmal veröffentlicht werden. Was wollte der Professor eigentlich von mir?
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Jahre später habe ich begriffen. Er war sich der Sache nicht sicher. Als ich die Literatur fünf Jahre später absuchte, fand ich unter derselben Überschrift einen anderen Inhalt. Allerdings war der Tenor geblieben: Es braucht eine neue Lichttechnik, weil man eine neue Wirkung des Lichts entdeckt hatte, die Beeinflussung circadianer Rhythmen des menschlichen Körpers. Man müsse selbst die Messtechnik für das Licht neu erfinden. Denn man könne ja die Wirkung auf die Gesundheit doch nicht in Lux messen.
Dumm nur, dass ein Vierteljahrhundert danach das Licht immer noch in Lux gemessen wird, aber halt auch in melanopischen. Dadurch ist die frühere Größe Lux aber nicht obsolet geworden, weil die meisten Menschen das künstliche Licht doch zum Sehen brauchen. Und das vermutlich seit der Eiszeit. Die älteste Öllampe ist etwa 17.000 Jahre alt. Die neue Lichttechnik muss also zweierlei Wirkungen des Lichts auf einen Nenner bringen, das Sehen und die Gesundheit.
Solange die Sache nur diskutiert wurde, ohne sie bei der Beleuchtungsplanung zu berücksichtigen, hörten sich die Probleme theoretisch an. Und das allergrößte davon wurde in wissenschaftlichenh Zirkeln nie diskutiert: das menscliche Verhalten. Dieses war in der Eiszeit bestimmt durch den Gang derJahres- und Tageszeiten bestimmt gewesen. Seit wann dem nicht mehr so ist, kann man etwa ahnen. Lassen wir es mit der Erfindung der Glühlampe beginnen. Sie machte die Nacht zum Tage. Allerdings nicht so perfekt. Aber spätestens die Leuchtstofflampe hat den 24/7 Arbeitstag möglich gemacht. Das ist etwa 75 Jahre her.
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An einem verhängnisvollen Tag des Jahres 2021 haben sich die führenden Köpfe der Forschung der sog. "nichtvisuellen Wirkungen" beschlossen, Nägel mit Köpfen zu machen. Sie gaben an, wie viel Licht ein Mensch um welche Uhrzeit braucht (hier). Und welche Qualität (dort). Die Qualität wird in M-EDI angegeben, Melanopic Equivalent Daylight Illuminance. Sagen wir der Einfachheit halber, melanopische Lux mLux.
Das hört sich erst einmal gut an. In Innenräumen soll es am Tage 250 melanopische Lux geben, also zwischen 06:00 Uhr und 19:00 Uhr. Danach kommt die Vorbereitung auf den Schlaf. Da darf es nicht mehr als 10 mLux geben. Ab 22:00 Uhr ist Licht taboo. Es darf nicht mit mehr als 1 mLux leuchten.
Was machen wir mit den Leuten, deren Schicht um 22:00 beginnt? Was müssen Leute tun, die nachts ihren Computer benutzen? Denn ein Bildschirm macht den Forschern nach 70 M-EDI, also 70 x zu viel für die Nacht.
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Ist das alles irgendwie gesichert? Wer zu viele dumme Fragen stellt, steht dem Fortschritt der Wissenschaft im Wege. Diese Rolle hat nunmehr die CIE übernommen, die Weltorganisation der Lichttechnischen Gesellschaften. Sie hatte im Jahre 2015 proklamiert: "Richtiges Licht zum richtigen Zeitpunkt", gefolgt vom Versprechen baldiger Aktionen, damit die elektrische Sonne zur richtigen Zeit glänzt. Die Deklaration wurde 2019 und 2024 wiederholt (hier).
Nunmehr findet die CIE fast nur Fragen statt Antworten. So z.B.
„Die Empfehlung für den Abend, drei Stunden lang nicht mehr als 10 lx melanopisches EDI am Auge zu haben, lässt sich möglicherweise nur schwer mit den individuellen Anforderungen an die Sichtbarkeit bei der Arbeit vereinbaren, insbesondere bei Personen mit eingeschränkten Sehfähigkeiten.
Ich denke, nicht nur die Sehbehinderten hätten Probleme damit. Zudem kommt nach den drei Stunden die Nacht mit 1 lx M-EDI.
Die einzige Antwort, die ich in der Deklaration der CIE von 2024 finde, könnte verheerender nicht sein. Sie erklärt: "Ein hoher melanopischer EDI (eine sehr hohe Lichtexposition) während des Tages ist förderlich für die Wachsamkeit, den zirkadianen Rhythmus und einen guten Nachtschlaf". Und die Konsequenz? "Die CIE erkennt an, dass der Aufenthalt im Freien während des Tages mit einer besseren Gesundheit und einem höheren Wohlbefinden in Verbindung gebracht wird und dass die Exposition gegenüber Tageslicht eine wichtige kausale Komponente für diese Effekte darstellt."
So kamen wir genau 100 Jahre nach der Geburt der elektrischen Sonne (hier), die die Natur mit Lampen in Wohnungen und Büros ersetzen wollte, wieder zurück zur Natur. Schönen Dank an den Weltverband der lichttechnischen Gesellschaften.
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