Eigentlich ist sie ein Unding, die Stehleuchte. Sie soll überall stehen und leuchten. Sie kann das leider nicht immer, weil sie eine Leitung braucht, und die ist eine Stolperfalle. Leuchten gehören daher an die Decke. Dort gibt es genügend Platz für Leitungen... Dachte man so etwa 1960. Warum nicht gleich die ganze Technik in die Decke verbannen? Sieht schrecklich aus, der ganze Klumpatsch! Also (nicht Schwamm drüber) einen schönen Abschluss drunter ziehen. Fertig ist die integrierte Decke.
Ähhh, nicht ganz. Denn die Leuchte guckt da noch raus und stört die Walze. Das ist der Luftstrom, mit dem man immer Frischluft in die Bude bringt - natürlich sofern vorhanden, ansonsten wälzt sich der Mief durch den Raum. Also, auch die Leuchte in die Decke einbauen. Sieht toll aus. Und stört die Walze nicht. Dummerweise musste man die Walze anderweitig stören, weil es in den Räumen zog wie Hechtsuppe. Das aber ist eine andere Geschichte. Die Geschichte mit Licht hingegen ist eine traurige: Eine Einbauleuchte ergibt automatisch eine dunkle Decke und widersprach bereits bei ihrer Erfindung der lichttechnischen Weisheit. Die Leuchte blendet mehr als sie müsste. Und verpasst dem Raum einen Höhlenlook. Sei´s drum. Es gibt immer Leute, die Innovation lieben, selbst wenn die für die Erleuchtung gedachte Technik eher Dunkelheit bringt. Den absoluten Gipfel hat ein Architekt erklommen, indem er die Leuchten in einen schwarzen Hintergrund eingebaut hat. Das war 2013 in einem der nobelsten Neubauten von Deutschland. Der schwarze Hintergrund diente der Milderung der akustischen Probleme, die eine der noch wichtigeren Innovationen mit sich gebracht hatte, die Bauteilaktivierung... Da spart man sich die Heizkörper und die Kühlauslässe u.ä. und heizt und kühlt die Bauteile aus Beton. Und Beton ist schallhart. Und Beton mit schwarzer Garnierung schluckt das Licht der Stehleuchte. (… was den Architekten nicht davon abgehalten hat, solche aufzustellen.)
Ehe sich die tolle Entwicklung ihren Weg in die Praxis finden konnte, kam eine neue Entwicklung in die Büros - der Computer. So etwa mit fingerdicken (ich meine Finger von Kleinkindern) Koaxialkabeln. Und diese von der Decke herunterbaumeln lassen, machte nicht viel Sinn. Fanden die Büromenschen. Techniker sind da weniger feinsinnig, in ihren Laboren baumelt dauernd etwas von der Decke. Ich sitze gerade in dem ersten deutschen Bürohaus mit einem Doppelboden. Das war die Lösung. Sie war zwar nicht neu, weil man Doppelböden in Rechenzentren immer verbaute. Aber für übliche Büros war die Sache schon revolutionär. Die Decke konnte sich so ihrer ursprünglichen Aufgabe widmen, und spielt seitdem den Träger der Beleuchtung. Da die Leuchten ihrer Zeit nicht so ideal waren wie die von heute, musste man noch eine Kassettendecke drunter ziehen. Und das ist saudumm, denn wir wollen Stehleuchten hier aufstellen, deren Licht die Decke gerne aufnimmt, aber leider ungern wieder hergibt. Schade, weil die Leuchte in diesem Haus wirklich überall stehen darf. Der Anschluss befindet sich immer direkt darunter. So kann die Leuchte stehen und leuchten wo sie will, aber das Herunterholen des Lichts von der Decke gestaltet sich schwierig.
Vor ganz, ganz langer Zeit hatte ein schwedischer Architekt (Anders) das Problem mit der Leuchte anders gelöst. Er baute ein Schienensystem an die Decke, und man konnte die Leuchte umhängen, wie man wollte. Sehr flexibel! Leider sind Menschen nicht so flexibel und haben den Sinn der Sache nicht begriffen. So gibt es seit mindestens vier Jahrzehnten Deckensysteme, in die man beliebig Leuchten hängen und wieder umhängen kann. Wenn man eine solche Decke sieht und fragt, wann man zuletzt Leuchten umgehängt hat, wird man angeschaut, als käme man vom Mond oder Mars.
Seit etwa 1980 gibt es wirklich brauchbare Stehleuchten für professionelle Büros. Und bereits 1981 habe ich einen Kongress geleitet, der zu dem Thema in Wien stattfand. Warum eine wirklich brauchbare Innovation so viele Jahrzehnte braucht, um sich nur teilweise durchzusetzen? Ich denke, das hängt damit zusammen, dass man dem Licht nicht die Bedeutung gönnt, die es verdient. Bei den Fernsehanstalten, denen ich die Idee etwa 1990 vortrug, gab es weniger Jahre danach nur noch neue Büros, die ohne Licht geplant wurden und nach Bedarf mit Stehleuchten bestückt. Die haben Ahnung von Licht. Andere Unternehmen trieben es gar systematisch aus wirtschaftlichen Gründen und sparten ca. 20% an Beleuchtungskosten. Aber selbst die Macht des Geldes vermochte nicht, die Macht der Gewohnheit zu brechen.
Little Sun wird seit 2012 von der gleichnamigen Initiative von Olafur Eliasson an Afrikaner verkauft (auch an Berliner im KaDeWe). Sie besteht aus einer LED in Form einer Plastiksonne und einer Wiederaufladeeinrichtung mit Solarzellen. Faszinierend die Begründung für die Lampe: Auch ein sparsamer Afrikaner verbraucht in der Lebensdauer des Akkus - 900 Mal aufladen bzw. 3 Jahre - etwa eine Tonne Kerosin, weil auch in Afrika die Sonne nur bei Tage da ist. Eliasson war fasziniert von ihrem schnellen Untergang - etwa 10 Minuten meint er. Etwas länger dauert es schon, aber nichts gegen die Dämmerung in seiner Heimat oder auf Island. Da kann die Dämmerung auch mal zwei Monate dauern.
Die Sache ist fast so genial wie die Beleuchtung mit PET-Flaschen, die Alternative, wenn die Sonne da ist, aber die Hütten dicht an dicht zusammen stehen. Licht für Bidonville. Die Alternative besteht aus einem Loch in der Decke und einer mit Wasser gefüllten PET-Flasche. Anstatt die Müllhaufen zu vergrößern, macht die Flasche die Hütte gemütlich. Da ist noch etwas: PET lässt, anders als Glas, UV durch. So kann man mit solchen Flaschen kontaminiertes Wasser entkeimen. Nicht nur beinah genial. Denn man kann zwar ohne Licht in der Hütte auskommen, ohne Wasser nur wenige Tage. Und in Afrika fehlt sauberes Wasser.
Wer noch etwas Gutes tun will für Afrika - und für alle Stellen der Erde mit unsicherer Stromversorgung, kann sich bei der Entwicklung eines Aufladegeräts für Afrika für Handies beteiligen: www.littlesun.com/kickstarter. Bis heute haben 1.543 Leute €175.250 gespendet! (Wer sich über einfache, aber wirksame Anwendungen von LED im Sinne bedrängter Menschen freut, möge sich auch pipilight alias Pee Power ansehen)
Soeben erreichte mich die Nachricht
Da KAN (= Kommission Arbeitsschutz und Normung) mit den Stimmen der Sozialpartner die Meinung über Sachverhalte sagen darf, die genormt werden sollen, hat deren Wort Gewicht, vor allem, wenn es um Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit geht. Da die Beleuchtung von Arbeitsstätten schon immer die Sicherheit und Gesundheit von Arbeitnehmern berühren soll, so etwa seit 1935, fällt das Thema eindeutig in deren Ressort. Die Festellung ist recht schlicht gefasst:
Normung im Bereich „Anforderungen oder Empfehlungen für die Planung und den Betrieb künstlicher, biologisch wirksamer Beleuchtung an Arbeitsplätzen“ ist allerdings aus Sicht der Kommission Arbeitsschutz und Normung (KAN) aktuell nicht sinnvoll.
Anschließend werden die Gründe für diese Feststellung genannt:
KAN meint auch: Das Licht hat für den Menschen zwei Funktionen. Einerseits ermöglicht Licht das Sehen. Auf der anderen Seite hat es nicht-visuelle Wirkungen auf den Menschen. Diese biologische Wirkung erzielt Tageslicht, kann aber ebenso durch spezielle künstliche Beleuchtung erreicht werden. Künstliche Beleuchtung kann dabei dem Tageslicht ähneln, es aber in seiner Gesamtheit nicht ersetzen. Die künstliche, biologisch wirksame Beleuchtung wird mit dem Ziel eingesetzt, eine biologische Wirkung über das Sehen hinaus im Menschen hervorzurufen.
Das vollständige Positionspapier kann man hier herunterladen (KAN-Position_kuenstliche_biologisch_wirksame_Beleuchtung_2015). Dort steht übrigens nicht nur, dass die KAN eine solche Normung nicht für sinnvoll erachtet, sondern nicht zulässig (mehr dazu hier):
Leider, leider hat die Sache einen Haken: Auch die heute installierte Beleuchtung ist biologisch wirksam. Leider nicht immer zum Wohle des Menschen. Was machen wir damit? Merkeln? Wäre zu einfach. Das Problem ist, dass biologisch wirksames Licht individuell wirkt und individuell unterschiedlich. In der Arbeitswelt gehören individuell beeinflussbare Umgebungen eher zu Raritäten, und auch im Privatbereich sind wir nicht immer frei zu tun und lassen, was und wie wir es wollen.
Die Titelfrage dieses Beitrags "Wie rum dreht sich das Universum?" ergab sich aus der Frage "Wie viele Lichttechniker braucht man, um eine Lampe einzuschrauben?" Und auf die brachte mich ein bekannter Lichttechniker, der jüngst eine Norm entwerfen wollte. Wie soll man künftig Arbeitsstätten einrichten? Das ist seine wichtigste Antwort: "Die grundlegenden Anforderungen an die Beleuchtung bilden die Basis für die Anordnung der Arbeitsplätze im Raum." Super, was? Wenn man eine Arbeitsstätte einrichtet, guckt man zuerst in die Liste der Anforderungen an die Beleuchtung. Danach kommen so unwichtige Dinge wie Arbeit, Tätigkeit, Arbeitsmittel, Maschinen, Kollegen, Kommunikation, Arbeitsablauf u.ä.
Dem, der das geschrieben hat, hat die Vergangenheit der Lichttechnik die Feder geführt. Schon immer wollte sie vorgegeben haben, wie die Arbeitsmittel auszusehen haben (immer matt, egal ob es Sinn macht oder nicht), wie die Tische aufgestellt werden (brav zwischen den Leuchtenreihen), wie die Reflexionsgrade im Raum aussehen (mittel bis grau) … Ihre Normen waren anno 1935 Grundnormen, d.h. man brauchte die mit keinem anderen Bereich abzustimmen. Nicht einmal mit dem Bauwesen und der Architektur! Und das war auch anno 1985 so.
Und jetzt zur Auflösung der Fragen in der richtigen Reihenfolge: Wie viele Lichttechniker braucht man, um eine Lampe … Antwort: Exakt einen. Er hält die Lampe fest und wartet, bis sich das Universum etwa drei Mal um ihn herum dreht.
Und wie rum dreht sich das Universum? Das hängt davon ab, ob der Lichttechniker die Lampe ein- oder ausdrehen will.
Wer dies für übertrieben hält, möge sich die Palette an Normen kaufen, die seit 1935 (DIN 5035) veröffentlicht wurden, und sorgfältig lesen. Um Kritiken vorzubeugen: Ganz so unrealistisch waren die nicht. Aber fast …
Hier weitere Anmerkungen zum Drehen einer Lampe. Es gibt noch andere Disziplinen, in denen es lustig zugeht:
Wie viele Microsoft Programmierer braucht man, um eine Lampe zu ersetzen?
Keinen. Bill Gates wird Dunkelheit zum neuen Industriestandard® erklären.
Wie viele Microsoft Vizepräsidenten braucht man, um eine Lampe zu ersetzen?
Acht. Einer schraubt die Lampe raus und die neue rein, sieben sehen zu, dass Microsoft für jede ersetzte Lampe auf der Welt 2$ einzieht.
Heute erreichte mich ein Anruf einer Frau, die wissen wollte, was denn das Lux sei. Bei ihr im Büro würden so viele davon reden. Sie wollte wissen, ob sie das wissen muss.
Der Anruf erinnerte mich an eine Geschichte, die beinahe historisch zu bezeichnen wäre. Lang, lang ist es her, da trafen sich die Großen unserer Branche zu ihrem großen Treffen, das sie aller drei Jahre irgendwo auf der Welt abhalten. Diesmal sollte es in Washington sein, der Hauptstadt der USA. Das Event, das man früher natürlich nicht so nannte, war der Kongress der CIE, nicht Council on Islamic Education, sondern Commission Internationale de l'Éclairage, frz. für: Internationale Beleuchtungskommission. Zum CIE Kongress treffen sich immer die Big Cheese der Big Cheese der Welt. Man darf das Wort nicht wörtlich übersetzen, denn da wird Großer Käse daraus. Big Cheese bedeutet soviel wie die Größten. Bei der deutschen Politik wären das die Bundeskanzlerin, ein Bisschen Gauck, der Vizekanzler und so heiter. Beim Fußball uns Uwe, der Kaiser und die sonstigen Ballkönige.
Bei diesem Treffen der Allergrößten hatte sich ein Prof. aus einem nicht so bedeutenden Land erdreistet, einen Vortrag einzureichen. Na, ja! Dürfen tun sie ja, wenn ihr Land Beiträge zahlt. Dieser hatte aber arg übertrieben und wollte einen Vortrag über lichttechnische Grundgrößen halten. Oh je, das ist so, als wenn Timbuktu zur nächsten Olympiade eine Mannschaft zum Sackhüpfen anmeldet. Großes Gelächter!
Bei der Lichttechnik ist es so, dass zum Treffen von Big Cheese auch kleine Würstchen kommen dürfen. Sie können den Großkopheten auch was an den Kopf werfen, so sie können. Sie dürfen beim Bierabend zuweilen auch die Grundlagen in Zweifel ziehen, was z.B. bei Elektrotechnik einem Sakrileg gleichkäme, wenn man Volt und Ampere in Zweifel zöge! Machen die Größen Sinn? Weiß ich nicht, weil alle damit irgendwie zufrieden zu sein scheinen. Warum zum Teufel muss ein unbedeutender Mensch aus einem unbedeutenden Land unser Volt bzw. Ampere alias Lux und Lumen in Zweifel ziehen, so dass er einen Vortrag darüber halten möchte, wenn sich die Größten der Größten ein Stelldichein geben, um über den Wolken zu schweben? (Bitte nicht so böse sein und Cool Runnings anführen. Das ist eine andere Geschichte, die man sich besser am Fernseher anguckt.)
Etwa 25 Jahre später war ich mit meinem Normenausschuss, der die visuelle Welt normen wollte, in seinem Labor. Den meisten blieb die Spucke weg angesichts dessen, was die Assistenten und Studenten des unbedeutenden Profs. aus dem unbedeutenden Land uns vorführten. Sie suchten nach einer Größe, die die Farbempfindung und deren Änderung durch kleine bunte Flächen in einer Umgebung kennzeichnen könnte. Mit unseren Größen und Messgeräten konnte man die nicht erfassen. Sehen taten wir sie aber.
Jetzt weiß ich, warum der unbedeutende Prof. aus dem unbedeutenden Land einen Vortrag über lichttechnische Grundgrößen halten wollte. Diese sagten ihm nämlich nichts. Den meisten Menschen in bedeutenden Ländern auch nichts.
Seit diesem Ereignis in Washington ist fast ein halbes Jahrhundert vergangen. Mal sehen, wann der nächste Ahnungslose einen Vortrag zu lichttechnischen Grundgrößen anmeldet. Bis dahin, habe ich der Anruferin gesagt, soll sie sich Lux wie eine magische Größe vorstellen, die nur dem Magier etwas sagt. Anderen ist sie schnuppe! Ein Berliner würde sagen Mumpe. Er darf aber nicht!