23.03.2017
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Es ist keiner wissenschaftlichen Errungenschaft zu wünschen, dass sie zwischen kommerzielle Interessen gerät, die diametral auseinander gehen. Noch schlimmer sieht die Sache aus, wenn die Gesundheit des Menschen betroffen ist, aber entgegengesetzt auf kurze Sicht und auf lange Sicht. Die Rede ist vom Einfluss des blauen Lichts auf den Menschen. Und so sehen es unterschiedliche Interessengruppen:
Was macht eigentlich ein Arbeitgeber? Vorerst mal nichts. Oder Kopfschütteln. Andere Akteure der Arbeitswelt gehen etwa genauso sicher und entschlossen zu Werke. Was sollen sie denn sonst tun? Da will einer das Licht "blau anreichern", damit die Leute schlau werden und munter bleiben. Der andere verkauft ihm Monitore, aus denen man das Blau rauszwingt, damit ja keiner Makuladegeneration bekommt:

Noch bunter wird es, wenn noch die Energiesparer die Bühne betreten, deren Fensterscheiben das Blau brutal abschneiden. Soll der Blauanteil, den die ausschneiden, künstlich erzeugt werden? Wenn ja, warum, wenn man extra einen Monitor einsetzt, bei dem man das Blau rauszwingt? Ganz langsam, damit man es versteht: Zur energetischen Sanierung von Gebäuden setzt man Fensterscheiben ein, die aber das Blaue wegschneiden. Dasselbe tun Monitorhersteller, damit uns die Computer nicht den Schlaf rauben. Die Lichttechniker erzählen uns, man bräuchte tagsüber blaues Licht für Gesundheit (und Klugheit).
Das Ganze kann man einmal wissenschaftlich genau mit Paracelsus erklären: Gift ist nicht der Stoff, sondern die Dosis: "Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis macht´s, daß ein Ding kein Gift sei.“ – Die dritte Defension wegen des Schreibens der neuen Rezepte. In: Septem Defensiones 1538. Werke Bd. 2, Darmstadt 1965, S. 510. Stimmt. Wissen wir von Wasser. Keiner kann ohne Wasser leben, und jeder stirbt, wenn er zu viel davon bekommt.
Weniger genau geht es mit Alkohol: In Maßen eingenommen, stabilisiert er unsere Muskelaktivitäten (Zielwasser!). Noch ein Maß dazu, und man stellt eine eventuell tödliche Gefahr als Autofahrer für andere dar, wegen schlecht koordinierter Muskelaktivitäten. Auch der Unterschied zwischen der Kurzzeitwirkung - angeheitert - und der Langzeitwirkung - tote Gehirnzellen - lässt sich mit Alkohol prima erklären.
Abhelfen tun solche Vergleiche leider nicht viel. Denn Licht ist nicht etwas, auf das man verzichten kann (wie z.B. Alkohol). Und beim Tageslicht - gesund! - gibt es absolut gesehen mehr blaues Licht als man mit der künstlichen Beleuchtung je in den Raum bringen wollte. Ohne Tageslicht will aber niemand leben. Zudem bringt man Licht in Arbeitsstätten nicht zum Spaß hinein, sondern als Arbeitsmittel. Aber Wissenschaftler behaupten, es wirke wie Medizin.
Ich bin gespannt, wie der Gordische Knoten gelöst wird. Manche sagen, lass ihn doch verrotten.

Die heutige Meldung über Deutschland ohne Schlaf zielt nicht auf die Fans von Helene Fischer, die atemlos zuhören, wenn sie singt, oder beim Anblick ihrer Bilder den Schlaf vergessen, wenn sie nicht gleich in Ohnmacht fallen. Es geht um germanus simplicus, also um Herrn und Frau Mustermann, die schlecht schlafen. Deren Zahl hat in den letzten sieben Jahren um 60% zugenommen.
Neu ist die Erscheinung indes nicht. Sie hat in der Urzeit der Menschheitsgeschichte angefangen, als die Uhrzeit nur bei Sonnenschein ablesbar war. Man wollte aber auch in der Nacht etwas sehen - und erfand das künstliche Licht. Der Sage nach war es Prometheus, der den Göttern das Feuer stahl und den Menschen schenkte. Seitdem muss er leiden. Und die Menschen? Das elektrische Licht hat denen den sozialen Jetlag gebracht. Das ist die Differenz zwischen der Körperzeit eines aufwachenden Menschen und der Zeit, zu der er aufwachen muss. Nach Chronobiologen beträgt sie in Westeuropa ca. 2 Stunden. Das Licht, das wir am Tage in unbegrenzten Mengen genießen können, wird in der Nacht zum Stressfaktor - auch wenn wir es mögen. Je stärker wir die Nacht zum Tage machen, desto stärker nehmen also die Schlafstörungen zu.
Mancher Bürger dieses Staates könnte ja auch etwa gleichermaßen zugenommen haben, aber das nebenbei. Warum schlafen Arbeitnehmer schlechter als früher? Darauf hat die ARD einige Antworten:

Lärm in der Nacht? Stimmt bestimmt. Stress in der Familie? Ganz bestimmt. Stress am Arbeitsplatz? Stimmt auffällig! Doch warum denn 60% Zunahme in nur 6 Jahren? Da fiel mir der selige John Ott ein, der Erfinder der True Light. Zwar hat die Industrie sein Licht unter den Scheffel gestellt, aber selber Lampen verkauft, die Biolux oder so heißen. Ott´s Theorie hörte sich abenteuerlich an wie meine Erklärung zum Nicht-Schlaf in Germanien: Die Aufruhr der Jugend Ende der 1960er Jahre sei auf das unsichtbare Flimmern von Fernsehern in den USA zurückzuführen. Zehn Jahre später, die Fernseher sind besser geworden, und die AMi-Jugend nicht mehr so aufsässig. Vielleicht lag es eher daran, dass der Vietnam Krieg zu Ende war und Joan Baez und Bob Dylan etwas älter? Man soll ja nicht jede Theorie gleich verdammen, vor allem, wenn sie selber braucht.
Meines Erachtens kann die Schlafstörung mit Licht zusammen hängen. Denn seit mehr als 25 Jahre haben Forscher in unterschiedlichsten Ländern ermittelt, dass schlechtes Licht am Arbeitsplatz die Qualität des Schlafs beeinträchtigt. Wer sucht, findet viele Zeugnisse. Was hat sich aber seit 2010 so dramatisch verändert?
Erst mal etwas, was man nicht gleich unter Beleuchtung verbucht: Bildschirme. Diese sind viel größer geworden, viel heller und werden jetzt mit LED beleuchtet. Ihre Lichtfarbe ist blauer als einst. Und blaues Licht soll laut Philips und Osram den Menschen so anregen, dass man gleich alle Schulen und Altersheime damit pflastern will. Zudem sind diverse neue "Bildschirme" in Erscheinung getreten, die früher kleiner waren, anders beleuchtet und vor allem, viel viel seltener benutzt. Die Nachfolger von Handies mit kleinen Displays. Smartphones, erfunden etwa 2007, haben die Welt im Handstreich erobert und verfolgen uns bis dahin, wo der Kaiser zu Fuß hingeht. Dass die Monitore den Hormonausstoß des Körpers beeinflussen, hat ein Schweizer Institut im Auftrag eines deutschen Instituts nachgewiesen.
Schweizer Studie von Ahmet Cakir bei Vimeo.
Was haben die Gerätchen mit der Beleuchtung gemeinsam? Sie, die Beleuchtung und auch die Autos und Verkehrsschilder werden mit LED bestückt. Alle haben gemeinsam, dass das Licht nicht stetig ist, sondern scharf abgehackt. Für das stehende Auge geben sie flimmerfreies Licht ab. Dummerweise stehen die Augen nur still, wenn einer tot ist. Bei allen lebenden Menschen - und auch Tieren - vollführen sie Bewegungen, um die Umwelt zu erfassen. Was dabei so alles entstehen kann, steht hier zu lesen (hier und dort)
Da wirkt sich zeitlich veränderliches Licht mehr oder weniger heftig aus. So haben wir z.B. vor ein- und demselben Modell eines Monitors Leute erlebt, die ihn als flimmerfrei bezeichnen, während andere zu 35% eine erhebliche Störung erleben. Der Unterschied lag in dem Zwang, ständig auf dem Bildschirm was suchen zu müssen (s. auch hier LED und Krätze). Die Monitore, die zu Ott´s Zeiten die Jugend aufgestachelt haben sollen, wurden bei unseren damaligen Studien zu etwa 10% beanstandet. Zu sehen war das Flimmern für fast alle - die Apparate hießen ja nicht ohne Grund Flimmerkisten. Die heutigen sind viel gefährlicher, weil sie ihre Sünden besser verstecken. Wenn man aber die Hirnströme der Menschen anzapft, sieht man, wie Licht und vor allem Lichtwechsel - Flimmern - unser wichtigstes Organ beschäftigen. Leider nicht mit etwas Vernünftigem. So kann Stress entstehen.
Hier langsam mit Mitschreiben:
Die Vergangenheit holt mich ein. Vor etwa 35 Jahren fragten mich viele, ob man von Bildschirmarbeit Hautprobleme bekommt. Damals bekam man alles Mögliche von Bildschirmarbeit. Ein Bekannter musste sogar seinen Beruf aufgeben, weil die Elektronik von Bildschirmgeräten bei ihm allergische Reaktionen auslöste. Da er dummerweise Rechenzentrumsleiter war, befanden sich in seiner Umgebung viele Bildschirme. Ein gut bezahlter gemütlicher Lebensabend voll Fernsehvergnügen war ihm dennoch nicht beschieden, denn auch sein Fernseher war ein Bildschirm. Und heute fragte mich ein sehr ernster Mensch sehr ernsthaft, ob man von LED-Licht Hautjucken und -rötungen bekommen kann. Wenn man von Leuchtstofflampenlicht Krebs bekommen kann, darf doch LED eine kleine Krätze verursachen - oder?
Üblicherweise muss man solche Anfragen gleich in die Tonne treten. Denn das Jucken war im Gesicht aufgetreten, aber LED-Licht bei der Arbeit scheint einem auf den Kopf, da man die Dinger meist als Downlights installiert. Da müsste bei den Männern sofort die Schwachstelle jucken. Die Opfer waren aber Frauen und hatten es im Gesicht. Ob es eher die reichlich verarbeitete Hautcreme war?
Ich fange an, Interesse an dem Problem zu finden. Denn die Probleme verschwanden, als man die LED entfernte. Und dann? Man hat eine andere LED-Leuchte installiert. Zu Ende gejuckt! Mal sehen, was dahinter steckt.
Übrigens, das Problem des Rechenzentrumsleiters wurde viel später mit Hilfe unserer Sekretärin gelöst. Die bekam das Heulen, immer an Tagen, an denen ein neuer Computer einer bestimmten Firma eingeschaltet wurde. Bei anderen Produkten der gleichen Firma wie Drucker ebenso. Die Verantwortlichen dieser Firma nahmen die Sache ernst. Seitdem werden die Produkte vor dem Ausliefern "gealtert". Es lag am Kunststoff. Bei anderen Leuten, die Hautprobleme vor dem Bildschirm bekamen, war es das elektrische Feld der Röhre. Als dieses verschwand, verschwanden die Hautprobleme auch. Nur - bei LED wird es so einfach nicht werden, denn die andere Beleuchtung, die keine Probleme verursacht, arbeitet auch mit LED.
Das hier abgebildete Objekt nimmt in voller Größe das Schaufenster eines Geschäfts ein. Es ist sehr gut beleuchtet. Die Frage ist, was man durch die Beleuchtung sehen soll außer, dass eine Art Lochmuster vorliegt.

Des Rätsels Lösung: Auch wenn man alle Waren kauft, die hier ausgestellt sind, nützt das beste Licht nicht, die Sehobjekte zu erkennen und nicht das DrumHerum! Hier stellt ein Optiker seine Ware, Brillen, vor. Übrigens, Brillengeschäfte, auch die hoch professionell aufgemachten, sind eine Fundgrube für schlechte optische Gestaltung. Der Gegensatz zwischen deren Gestalter und dem armen Bürger, der sein Wohnzimmer verhunzt, besteht darin, dass der Optiker seine Ware als Werkzeug zum Sehen anpreist. Sehen helfen, ist sein Produkt und sein studierter Beruf. Nicht sehr überzeugend …
Man stelle sich vor: eine ehrwürdige alte technisch-wissenschaftliche Gesellschaft beglückt einen mit allerlei Wissen - und das Wichtigste bleibt nicht nur außen vor, sondern wird an etwas gemessen, was verboten ist. Die Rede ist vom Erkennen von Farben. Jeder normal denkende Mensch würde denken, dies, das Wahrnehmen von Farben, wäre das Ziel einer Beleuchtung, wenn nicht das einzige, das wichtigste Ziel.
So kann man sich irren. Zum einen ist das Ziel der Beleuchtung nur, eine Sehleistung zu erzeugen. Die ist aber dummerweise nicht so definiert, dass jemand damit etwas anfangen könnte: laut "Internationales Wörterbuch der Lichttechnik” wird sie als “Leistung des visuellen Systems, wie sie beispielsweise durch die Geschwindigkeit und die Genauigkeit gemessen wird, mit welcher eine Sehaufgabe gelöst wird” definiert. Also sehr vage. Und was ist die Sehaufgabe? Man kann sich die passende aussuchen: Sehschärfe, Unterschieds- oder Formempfindlichkeit, Wahrnehmungs- oder Akkommodationsgeschwindigkeit … Aber nie Farberkennen!
Will man das Farberkennen als eine Art Sehleistung ansehen, müsste man sich Gedanken um die Farbe machen. Zwar ist jedem bekannt, dass in Töpfen aus dem Farbenregal im Bauhaus Substanzen befinden, die sich Farbe nennen - und sogar eine Nummer haben (RAL XXXX). Etwa genauso bekannt ist aber, dass ein damit angestrichenes Brett im Garten anders aussieht als in der Küche. Warum hat der Lack aber dennoch eine vierstellige Nummer, die sich nicht ändert? Das liegt an der Messung der "Farbe" unter Standardbedingungen und mit Standardlichtquellen.
Und wie kann man beziffern, ob eine bestimmte andere Lichtquelle die Farbe meines Bretts richtig erkennen hilft? Dafür gibt es den "allgemeinen Farbwiedergabeindex" Ra, den man in Beleuchtungsnormen wie DIN EN 12464-1 oder auf jeder Lampe finden kann. Sie kann maximal 100 betragen, woraus viele Zeitgenossen so etwas wie eine Prozentzahl ablesen. Stimmt dummerweise nicht. Und Ra kann sogar negativ sein, um die unterirdische Güte der Lampe deutlich zu erkennen zu geben.
Die 100 bezieht sich auf die Wiedergabe von 14 Farbmustern unter einer Standardbeleuchtung. Dummerweise gibt es nur - man müsste eher sagen, überflüssigerweise - zwei davon. Eine ist die Glühlampe, die andere ist das (simulierte) Tageslicht. Wer also eine Lampe kaufen möchte, auf dass die Möbel seiner Wohnung und die Klamotten des Partners, ich denke, eher Partnerin, so erscheinen mögen, wie ihre RAL-Nummer angibt, hat nicht nur ein Problem.
Seinem Wunsch stehen gleich mehrere Hindernisse entgegen. Der "Standard", die Glühlampe, ist in der EU verboten. Der andere "Standard", das Tageslicht, kommt nur gefiltert in den Raum. Und wären sie da, würde man sich nicht unbedingt über ihre satten Farben freuen, weil ein Ra von 100 heißt noch lange nicht, dass gesättigte Farben wiedergegeben werden. Die 14 Farbmuster enthalten nur Pastellfarben. Ach ja, die Farbmuster sind auch verloren. Niemand weiß, wo die sind!
Wenn einer bei dieser Erzählung an eine Räuberpistole denkt, sollte sich hüten, dies laut kundzutun. Es stimmt alles - d.h., ich meine, es ist nicht nur etwas faul im Staate Dänemark, sondern erst richtich in der Lichttechnik. Und wer etwas von "naturgetreuen" Farben liest, sollte das Machwerk gleich in die Tonne stopfen. Naturgetreue Farben gibt es leider nur in der Werbung. Und nichts ist so künstlich wie die.