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Tod den Viren - Licht desinfiziert

Not macht erfinderisch. Seitdem ein Virus alle Nachrichtensendungen gekapert hat, kommen Meldungen über die biologischen Wirkungen der Beleuchtung kaum noch in die Medien. Das soll sich nun ändern. Eine Firma, die eine - einstmals verbotene - Ikone der Beleuchtung geschaffen hat, begibt sich auf den Kampfpfad der Virenjäger.

So lese ich auf der Website von Stylepark: "Desinfektion hat an vielen Arbeitsplätzen und öffentlichen Orten in den letzten Monaten eine neue Dimension angenommen: Um eine Verbreitung des Coronavirus zu vermeiden, nehmen Unternehmen aktuell einen großen Aufwand auf sich. Artemide bietet mit der neuen Lichttechnologie "Integralis" eine Unterstützung in der Desinfizierung von Flächen, die gleich zwei Funktionen erfüllt: Beleuchtung und Hygiene."

Ich weiß nicht, ob die Marketingmaschine der Firma nicht auf den längst abgefahrenen Zug gesprungen ist oder Neuland beschreibt. Wie dem auch sei, es wird berichtet, dass das Forschungsteam noch vor dem Eintritt von Covid-19 ins Rampenlicht den richtigen Riecher hatte: "Die Kompetenz in der Lichtforschung ist bei Artemide tief verwurzelt und so arbeitete das Team bereits vor Ausbruch von Covid-19 an einer Beleuchtungslösung die eine schonende Keimreduktion bietet und zum Wohlgefühl beiträgt – ganz im Sinne ihrer Philosophie 'The Human Light'."

Wie dem auch sei, wird Licht aus LEDs als Killerstrahl - allerdings nur für Killerviren - eingesetzt. Violettes Licht mit einer Wellenlänge um 405 nm soll Bakterien, Pilze und Schimmel vollständig abtöten. Da wären aber noch die Viren außen vor. Denen rückt die Beleuchtung mit nicht sichtbarem Licht - das geht eigentlich nicht, Licht ist immer sichtbar - mit UV-C (254 - 275 nm) zu Leibe. Allerdings wäre UV-C für Menschen nicht untödlich. Deswegen findet diese Desinfektion in Abwesenheit von Menschen statt. Also wenn die in Home Office sind?

Ich lese bei prooffice.de: "Unterschiedliche Lichtemissionsspektren tragen zu einer gesteigerten Desinfektionswirkung bei, ohne den Raum oder dessen Oberflächen zu schädigen." Was mit den Benutzern des Raums? Das ist wohl auch geregelt: "Das intelligente Leuchtensystem passt darüber hinaus automatisch die Intensität an die Umgebung und Aufenthaltsdauer der Personen an. So findet die maximale Bestrahlung in öffentlichen Räumen, wie Schulen, Museen oder Geschäften nachts statt, während die Leuchten am Tag normales Licht abgeben. Auch ein intermittierender Modus, der durch Bewegungssensoren aktiviert wird, ist möglich."

Das ist eine andere Qualität als bei den UV-C-Leuchten, die Luft desinfizieren (mehr hier). Die arbeiten auch in Anwesenheit des Menschen und behalten ihr Licht schön für sich. Man kann welche auch zur Desinfektion von Oberflächen einsetzen. Allerdings mit viel Vorsicht. Etwa so (aus EuroEyes):

"Grundsätzlich gilt Folgendes:

  • Vor der Anwendung: Lesen Sie die Gebrauchsanweisung ausführlich und befolgen Sie die Anweisungen genau.
  • Im Gebrauch: Wenn das UV-Licht eingeschaltet wird, muss das gesamte Personal den Desinfektionsbereich verlassen und Türen und Fenster schließen, um Verbrennungen der Augen und der Haut durch UV-Licht zu vermeiden.
  • Nach dem Gebrauch: Schalten Sie das UV-Licht rechtzeitig nach der Desinfektion aus. Idealerweise öffnen Sie die Türen und Fenster und lüften 30 Minuten lang, bevor der Desinfektionsbereich betreten wird."

Ich habe versucht, herauszubekommen, was Leuchten, die eine Entkeimung oder Desinfektion erreichen können, an Zulassungskriterien erfüllen müssten. So neu sind sie ja nicht. In der Hand von Profis leisten sie seit Jahrzehnten gute Dienste. Ob man sie in die Hände von Laien geben darf, ist mir nicht klar. Am besten informiert man sich auf der Website von Profis (Bundesamt für Strahlenschutz). Dort wird aber aber allgemein informiert und auf die BAuA verwiesen (hier), wenn es sich um den Arbeitsschutz handelt. Wenn Sie auf den Link klicken, landen Sie auf der BAuA Seite "Aktuelle Informationen zum Coronavirus SARS-CoV-2". Danach sind Sie auf sich allein gestellt. Denn es gibt viel zu lesen. Bei der DGUV habe ich leider nichts gefunden außer der Info zur Benutzung von Desinfektionsgeräten für Wasser. Das ist aber was für Profis.

Geschwindigkeit ist (keine) Hexerei - Manchmal teuflisches Zeug

Man stelle sich vor: Man kommt in die Warte eines Kernkraftwerks und alle Anzeigen stehen auf Rot. Das sind nicht 5, nicht 50, sondern auch mal über 10.000. Wenn gefühlt alle aufleuchten, im Fachjargon Weihnachtsbaum, steht nicht ein gesegneter Tag bevor, sondern möglicherweise eine sich anbahnende Katastrophe. Und man durfte nicht handeln, ehe der Fehler von einem Drucker bestätigt wurde. Denn Computer galten als unzuverlässig, mit ihnen ihre Anzeigen auf dem Bildschirm.

Als ich den Alltag in so einem Raum betrachtete, fand ich die Zahl der Alarme einfach zu hoch. Der Betriebsleiter fragte mich schnippisch, ob ich seine Anlage kennen würde. Ich meinte, nein, aber ich würde die Leute kennen, die solche Anlagen konzipieren. Die würden keine Technik bauen, die minütlich Alarme spuckt. Das gab dem Mann zu denken, und er ließ die Sache untersuchen. Paar Wochen später hatte sich die Zahl der Alarme mehr als halbiert. Wie? Die Ursache war eine Sicherheitsvorkehrung: jeder wichtige Wert wird von drei unabhängigen Sensoren erfasst und gemessen. Wenn diese etwas Unterschiedliches anzeigen, gibt es einen Alarm. So weit, so gut. Aber wieso gab es mehr als doppelt so viele als nötig? Dafür sorgte eine Elektronik, die eine ältere abgelöst hatte. Sie war viel schneller, wie in der Elektronik üblich. Für die vorliegende Aufgabe war sie allerdings zu schnell. Wenn man in einem großen Kessel den Wasserstand misst, wird man nie den gleichen Wert an drei Stellen messen, wenn man in Nanosekunden und Millimeter genau misst. Das Wasser ist nie so ruhig. Anders, wenn man in Sekunden misst oder noch etwas langsamer. So konnte man die angeblichen Fehler halbieren. (Wie man den Rest noch weiter reduzieren konnte, erzähl ich ein andermal.)

In der Lichttechnik haben wir mit einem ähnlich gelagerten Fall zu kämpfen. Hier muss man aber etwas anderes tun, als die Elektronik langsamer stellen. Es handelt sich um die Fluktuation der Lichterzeugung von LED. Während sich Glühlampen nicht allzu schnell um die Wechselspannung scheren, und Leuchtstofflampen zwar viel schneller, aber immer noch langsam genug, reagieren, sind LED verdammt schnelle Elemente. Man kann sie bei Datenraten von bis zu 100 Mbit/s einsetzen. Ihr Licht steigt praktisch trägheitslos an und fällt leider ebenso schnell ab. Und geht dabei auch durch Null, was bei konventionellen Leuchtmitteln nicht möglich ist.

Die Sache ist problematisch in der KfZ-Beleuchtung (hier), aber insbesondere für Leute, die harte Arbeit am Bildschirm verrichten. Ihre Regelung vom Bildschirm (Helligkeit), gesetzlich vorgeschrieben (ArbStättV), funktioniert leider meist wie unten beschrieben. Übrigens, auch für die Beleuchtung ist die Qualität gesetzlich vorgeschrieben.

Die einfachste Helligkeitsregelung, deswegen sehr beliebt bei Herstellern, funktioniert mit An- und Ausschalten der Diode. Die Länge des eingeschalteten Signals zu der des ausgeschalteten ergibt dann die Helligkeit. Daher der Name Pulsweitenmodulation (PWM).

Steuerungen, die das Licht dimmen, müssen schnell genug sein, damit das Auge die dunkle Phase nicht merkt. Die Frage ist, wie schnell. Das hängt davon ab, was man vermeiden will. Flimmern, Flackern, oder … Üblicherweise ging man früher davon aus, dass eine Frequenz oberhalb der Flimmerverschmelzungsfrequenz (FVF) hinreiche. In der Literatur konnte man dafür Werte von 20 Hz bis etwa 50 Hz lesen. Das hängt von vielen Faktoren ab, insbesondere von der Helligkeit und Größe des Objekts. Das Bild rechts zeigt in etwa die Grenze für normale Bildschirme, die bei 71 Hz liegt. Gesunde Menschen mittleren Alters, die unbewegt auf den Bildschirm gucken, mögen damit zufrieden sein. Damit darf sich aber kein Arbeitgeber zufrieden geben. Denn nicht wenige Mitarbeiter setzt man der Gefahr aus, Kopfschmerzen oder Migräne zu bekommen.

(3) Die Helligkeit der Bildschirmanzeige und der Kontrast der Text- und Grafikdarstellungen auf dem Bildschirm müssen von den Beschäftigten einfach eingestellt werden können.

(6) Die Beleuchtungsanlagen sind so auszuwählen und anzuordnen, dass dadurch die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten nicht gefährdet werden.

Leider berücksichtigt das Bild zwei Dinge nicht: Alter des Beobachters und Sehaufgabe. Bei jüngeren Menschen kann der Wert bei über 100 Hz liegen.  Und diese sind empfindlicher Gegen Kopfschmerzen. Aber das Entscheidende ist die Sehaufgabe. Guckt ein Mensch stur auf eine Stelle auf dem Bildschirm, merkt er möglicherweise kein Problem. Bewegt sich sein Auge häufig, kommt es zu einem "Stroboskopeffekt". Den kennt man von alten Monumentalschinken mit römischen Kampfwagen, deren Räder sich erst langsam drehen, dann stehen bleiben, dann aber auch noch rückwärts drehen. Will man den Effekt vermeiden, muss sich das Licht sputen, bis zu 1.000 Hz können erforderlich sein. "Für eine wahrnehmungsgerechte Beleuchtung, die mittels PWM gedimmt wird, ist demnach eine PWM-Frequenz um 700 Hz erforderlich." heißt es in einer Arbeit, in der ein Doktorand der Sache auf den Grund gegangen ist.

Wer sich eingehend mit dem Problem befassen will, mag die gelinkte Doktorarbeit lesen (hier): Flimmereffekte von pulsweiten-modulierter LED-Beleuchtung von Dmitrij Polin.  Wer dazu keine Lust hat, sollte sich Monitore oder Beleuchtungen ohne PWM kaufen.

Wer misst, misst wirklich Mist

Die uralte Weisheit der Messknechte, das sind die, die im Labor stur irgendwelche Daten messen, ist so destruktiv nicht, wie sie klingt. Sie warnt nur davor, den Messwerten blind zu glauben. So wird z.B. Vermögen in DM, Euro oder Lira gemessen. Wer dies aber für ein Maß für Glückseligkeit hält, könnte eine böse Überraschung erleben. Dennoch misst man.

Dass das Messen auch in hoffnungsloser Lage eine Bedeutung haben kann, wusste ein Kollege aus einem anderen Gebiet, Tom Gilb, ein Software-Ingenieur. Seit Rat "Messt alles, was es zu messen gibt!" ist etwa 50 Jahre alt. Dazu muss man wissen, was auf dem Gebiet der Software gemessen wurde: die Zahl der Programmzeilen. Unglaublich aber wahr, man misst die Leistung der Kreativen anhand der Programmzeilen, die er braucht, um eine Aufgabe zu lösen. Ist etwa so intelligent als wenn man eine Rede an deren Länge misst. Die Schlafenden werden danken!

Nun könnte es sein, dass man heute anders vorgeht? Das ist, was heute morgen in Wikipedia steht: "Source lines of code (SLOC), also known as lines of code (LOC), is a software metric used to measure the size of a computer program by counting the number of lines in the text of the program's source code. SLOC is used to predict the amount of effort that will be required to develop a program, as well as to estimate programming productivity or maintainability once the software is produced." Heute wie vor 50 Jahren.

So dumm ist die Messerei also nicht, wenn es dazu noch eine andere Größe gibt, die "mitmisst". Das ist z.B. die Kultur in Software-Engineering. Die ist zwar keine Messgröße, aber dennoch sehr wirksam. Ähnliches gab es früher in der Fotografie. Der Fotograf maß Licht. Wenn man sich allerdings die Messgeräte anschaut, wundert man sich, was der wohl gemessen hat. Denn er maß etwa den Halbraum. Daraus auf die Qualität des zu entstehenden Bildes zu schließen, ist eine Kunst. War auch. Der gute Fotograf zeichnete sich nicht durch teure Kameras aus, sondern durch seine Fähigkeit, die Szene einzuschätzen. Dazu musste seine Kamera nicht exakt messen, sondern zuverlässig wiederholbar.

Was misst man in der Beleuchtung eigentlich? Ich hatte vor ein paar Tagen dargestellt, was man von zylindrischer Beleuchtungsstärke bis zur Gleichmäßigkeit der Beleuchtungsstärke an der Decke alles messen müsste, weil vorgeschrieben (hier). Da diese nicht ihrer selbst wegen vorgeschrieben werden, sondern wegen der Leuchtdichten, die durch sie entstehen, müsste man diese auch noch messen.

Das ist bestimmt schön zu wissen. Z.B. wenn man Messknecht ist. Was glauben Sie, was man an mehr als 40 Millionen Arbeitsplätzen so alles messen kann, um sie lichttechnisch sauber zu charakterisieren? Da kann man bis zur Rente messen - und darüber hinaus. Egal, 40 Millionen sind eine Hausnummer. Zu ihr stellen wir gegenüber die Zahl der vorhandenen Messköpfe für die zylindrische Beleuchtungsstärke Ez. Schon mal welche gesehen? Ich besitze einen. Obwohl ich viele Lichtdesigner, lichttechnische Gutachter u.ä. kenne, kenne ich nur einen zweiten, der aber kaum gebraucht wurde. Denn es ist verdammt aufwändig, zylindrische Beleuchtungsstärken in einem Raum zu messen. Wenn man sie aber gemessen hat, weiß man vor Glück nicht, was man damit anfangen soll. Die Größe ist nämlich eine Kopfgeburt. Der Umgang mit ihr verlangt ebenso viel Gefühl wie der Umgang mit dem Messwert eines Belichtungsmessers von Andreas Feininger, der mit die tollsten Fotos des 20. Jahrhunderts geschossen hat. Und das mit einer 08/15 Kamera.

Zum Glück wird eine Messung der zylindrischen Beleuchtungsstärke nur fällig, wenn ein Gericht dies verlangt. Aber eine andere Größe macht derzeit Karriere. Und was für welche! Die nennt sich Vertikalbeleuchtungsstärke (Ev) und fristete lange ein Leben als Mauerblümchen wie die zylindrische. Nur in der Sportstättenbeleuchtung war sie das große Thema, weil es das Fernsehen so wollte. Mit der üblichen Beleuchtungsstärke kann sie nämlich nicht viel anfangen. Jetzt werden Gebäude mit Büros danach zertifiziert (hier oder da). Und zwar, ob sie gesund sind oder nicht!

Wer nie im Leben gemessen hat, wird sich vielleicht nichts dabei denken. Sollen sie doch! Es gibt demnach Gebäude für die folgende Größen gelten: 150 Emel  (oder 136 melanopic equivalent daylight D65) sind gut. Der Kandidat kriegt einen Punkt. Noch besser sind 240 EML oder 218 melanopic equivalent daylight D65. Drei Punkte für den Kandidaten.

Der Unterschied zu Hokuspokus besteht insbesondere darin, dass man weiß, dass die Amateur-Zauberer es nicht so ernst meinen. Wer ein Gebäude zertifiziert und dafür viel Geld verlangt, muss doch mehr bieten als Hokuspokus? Tut er aber nicht. Denn Beleuchtungen in Arbeitsstätten sind seit Jahrzehnten fast immer auf Horizontalbeleuchtungsstärke getrimmt. Daher fällt Ev immer sehr ungleichmäßig aus, selbst bei Indirektbeleuchtung. Als Messwert ist sie daher faktisch ungeeignet. Dafür wohl hervorragend für Quacksalberei.

Wie intelligent darf eine Leuchte sein?

Zunächst zur Beschwichtigung aller: Ihre Laterne wird garantiert nicht intelligenter werden als ihre Schöpfer. Damit ist erst einmal das obere Ende der Skala der Intelligenz festgelegt. Das untere Ende kennt jeder, weil es jahrzehntelanger Praxis entspricht: doof wie Kommissbrot. Womit ich nichts gegen das Brot sagen will, sondern gegen die Praxis. Man nimmt zwei Leuchten pro Kopf, hängt sie an die Decke und sagt, die Beleuchtung ist aber normgerecht. Und was ist normgerecht? Das ist, was die Hersteller von Leuchten dafür halten. Dies geht seit Edison so.

Nun hat sich die Erde seitdem einige Male gedreht, und man ist seit etwa 20 Jahren begeistert von der Idee, eine neue Beleuchtung zu schaffen. Was die sein will, muss man nicht im Detail wissen. Aber eine Sache sticht besonders hervor, weil sie auch dem Wunsch der Beleuchteten entspricht: individuelles Licht. Hersteller wie die geblendeten Mitarbeiter hätten gerne ein Licht, das dem Bedarf des Menschen entspricht. Nicht etwa dem Bedarf des Manns auf der Straße - Pardon, der Frau auf der Straße bzw. Frau Mustermann - sondern des Einzelnen. Personal Light hieß und heißt eines der Produkte - entspricht dem Personal Computer. Und das ist kein Zufall, denn der Hersteller beschäftigt sich schon immer mit Ideen, die einem das Licht angenehmer machen wollten. Ich kannte dessen Labor in Aachen schon 1968, aus dem z.B. die Blendungskurven stammen. Die Ambilight-Technologie, eine Einrichtung das ein zum Bildinhalt passendes Umgebungslicht an die Wand hinter dem Fernseher wirft, ist weder das erste noch das letzte Produkt aus dem Haus mit einem ähnlichen Anspruch. Ich glaube, dass die in 1947 aufgekommene Idee, den Fernseher nicht im Dunklen reinzuziehen, sondern die Wand dahinter etwas aufzuhellen, könnte auch von dort stammen.

Die Idee war gut, aber die Technologie doof. Sie bestand aus einem Schalter, der das Licht anmachte. Nun soll das Licht nicht etwa etwas intelligenter werden, sondern richtig intelligent. Und natürlich teurer. Ob das intelligent ist, will ich weiter unten beleuchten. Der Verband der Elektriker wie auch der Weltverband der Lichttechniker hat die Losung auf die Fahnen geschrieben: Richtiges Licht zur richtigen Zeit.

Wie intelligent ist das? Als Idee erst mal nicht schlecht. Sie wird, wenn man intelligent beleuchtet, schon immer praktiziert. So empfängt einen z.B. das Opernhaus mit einer festlichen Fassade, die nachts nur dann festlich ausschaut wenn entsprechend beleuchtet. Ansonsten sähe sie zappenduster aus, und gut nur tagsüber. Aber da geht man nicht in die Oper. Wenn man das Foyer betritt, wird es noch festlicher. Lüster über Lüster. Das Licht bricht sich nicht nur in den Lüstern, es holt auch das Feuer aus den Brillanten der Damen, die ohne das Licht aussähen wie jeder Stein. Dann geht man etwas nüchtern beleuchtet in den Saal. Dort wird kaum noch beleuchtet, denn die Musik spielt da vorne. Wenn das Orchester allein spielt, sieht man in dem Graben im Wesentlichen die Instrumente, die Musiker sind ja schwarz gekleidet. Dann geht der Vorhang auf … Jetzt sieht man erst, war es bedeutet, "Richtiges Licht zur Richtigen Zeit" und am richtigen Ort. Hunderte Scheinwerfer, vom Computer gesteuert. Nicht so einfach, sondern nach System:

  • Vorderlicht (ca. 45° zur Objektachse)
  • Oberlicht (ca. 60° zur Objektachse)
  • Kopflicht (ca. 0° zur Objektachse)
  • Gegenlicht (ca. 60° zur Objektachse)
  • Seitenlicht (ab ca. 3 Meter Höhe, ca. 45° zur Objektachse)
  • Gassenlicht (0–3 m Höhe)
  • Fußlicht (Rampenlicht)
  • Horizontlicht/Hintergrundlicht (von unten und von oben)

Das Licht macht einen Großteil der Kunst aus. Mehr noch, es ist eine Kunst für sich. Leute, die so etwas haben schaffen können, werden doch das bisschen Intelligenz in die Beleuchtung einpflanzen können. Oder? Hoffnung stirbt zuletzt. Es gibt "Personal Light" schon, und massenhaft. Dieses befindet sich aber in privaten Bereichen und wird von den Menschen selbst gehegt und gepflegt. Der Lichttechniker redet angewidert von Lichttötungsmaschinen, die die Energie nur so verschleudern. Sein genormtes Licht beruht etwa auf dem geistigen Niveau der 1930er, als jemand behauptet hatte, die Allgemeinbeleuchtung erhöhe die Produktivität. Später wurde daraus "Gleiches Licht für alle Volksgenossen". Der Spruch wurde nach dem Krieg zwar aus den Büchern getilgt, aber der Geist blieb.

Damit dieser, der Geist, nicht das Geschäft mit dem schönen Licht verdarb, erfand man das Wort "stimmungsbetonte Räume", mit deren Beleuchtung sich der Lichttechniker (Gott sei Dank) nicht beschäftigt. Falls er es doch tut, nennt er sich Lichtdesigner. So werden die wunderbarsten Beleuchtungen auch von Lichttechnikern gemacht, die sich anders nennen. Das technische Licht, das unsere Beleuchtung der Arbeitsstätten beherrscht, glänzt durch eine Anmutungsqualität wie ein Gummihammer. Praktisch, preiswert und sehr nützlich, gelegentlich. Bis wir daraus eine Kunst machen, die dem Individuum dient, statt einen Lichtteppich über alle zu legen, müssen wir viel Hirnschmalz zubuttern. Das, das wir etwa vier Jahrzehnte gespart haben, ist leider verdorben. Und so sieht ein Büroraum 140 Jahre nach der Erfindung der Glühlampe aus. Chapeau!

Wie aus ein paar nüchternen Zahlen ein Tabellenwerk wurde

Heute geht es um die erstaunliche Karriere von ein paar Zahlen, die man einst recht gut begründen konnte. Die Begründung steht z.T. sogar in der Tabelle selbst. So etwa "Hast Du mittlere Kontraste, sind 500 lx bis 750 lx gut. Sind die Kontraste in der Sehaufgabe mies, brauchst Du schon mehr. 1000 lx bis 1500 lx". Beleuchtungsniveau begründet mit der Schwierigkeit der Sehaufgabe. Was denn sonst? Die unten angezeigte Tabelle zeigt den Stand 1970, die Logik selbst gab es schon in den 1930ern.

Aus dieser kleinen Tabelle hat sich im Laufe der Jahre eine neue entwickelt, die sich sehen lassen kann. Sie hat erstens viele neue Spalten, an die früher niemand gedacht hatte. Zweitens - das kommt später - hat ihre Länge jegliche Phantasie des normalen Menschen gesprengt. Aber erst einmal die Spalten und ihre Bedeutung.

Bereich der Sehaufgabe/Tätigkeit

Hier steht der Zweck des Raums, für den die restlichen Anforderungen gelten. So etwa "Räume für ärztliche Behandlungen" oder "Gesichtsbeleuchtung vor Spiegeln" oder "Sortieren und Waschen von Produkten, Mahlen, Mischen, Verpacken"

gibt den minimalen Wartungswert der Beleuchtungsstärke Ēm,r auf der Bewertungsfläche für den Innenraum (Bereich) an, in dem die Aufgabe oder Tätigkeit aus Spalte 2 ausgeführt wird.

gibt den höheren Wartungswert der Beleuchtungsstärke Ēm,u auf der Bewertungsfläche für den Innenraum (Bereich) an, in dem die Aufgabe oder Tätigkeit aus Spalte 2 ausgeführt wird.

gibt die Mindestwerte der Gleichmäßigkeit der Beleuchtungsstärke Uo auf der Bewertungsfläche für den nach Anmerkung 1 gewählten Wartungswert der Beleuchtungsstärke Ēm an.

enthält die Mindestwerte der Farbwiedergabe-Indizes (Ra) (siehe 4.7.3) für die in Spalte 2 aufgelistete Situation.

gibt die maximalen UGR-Grenzwerte (Unified Glare Rating limit, RUGL) an, die für die in Spalte 2 aufgelistete Situation gelten

gibt die Mindestwerte der zylindrische Beleuchtungsstärke ĒZ für die Erkennung von Objekten und Personen an, wie in Abschnitt 5 beschrieben

zeigt die Mindestwerte der mittleren Beleuchtungsstärke an Wänden Ēm,Wand wie in Abschnitt 5 beschrieben

zeigt die Mindestwerte der mittleren Beleuchtungsstärke an Decken Ēm,Decke wie in Abschnitt 5 beschrieben

Spezifische Anforderungen

hier steht das Besondere, z.B. dass man die Beleuchtung in jeder einzelnen Toilette einzeln planen muss, wenn diese vollständig geschlossen sind. Oder "Die Beleuchtung sollte so gestaltet sein, dass sie die passende Atmosphäre schafft." (bei Restaurants)

Ich denke, dass jeder genug hat, wenn er es bis hierher geschafft hat. Deswegen will ich auf die weiteren spezifischen Bedingungen lieber nicht eingehen. Wer als Lichtplaner in einem weiten Bereich der Industrie tätig werden möchte, muss all diese Anforderungen in Listen ablesen, die insgesamt 40 Seiten umfassen. Ist das alles?

Leider nein! Da fängt die Arbeit erst richtig an. Denn es gibt kaum noch einen Bereich, in dem die so bestimmten Sehanforderungen für die Arbeit relevant sind. Die Leute arbeiten nämlich seit einiger Zeit mit Bildschirmen. Das ist der Lichttechnik anscheinend so neu wie das Internet unseren Politikern. So steht z.B. unter "Flugsicherungsturm" nach 8 verschiedenen Anforderungen als "Spezifische Anforderungen" das: "Bildschirmarbeit, siehe 4.9." Soweit ich weiß, wurde in der Flugsicherung die Bildschirmarbeit vor über 40 Jahren eingeführt. Warum man einen Haufen Anforderungen (s. oben) für die Beleuchtung formuliert und dann als "spezifische Bedingungen" auf die Bildschirmarbeit verweist, bleibt ein Geheimnis derer, die das große Werk vollbracht haben. Nichts ist spezifisch an der Bildschirmarbeit. Spezifisch ist eine Arbeit, wenn man sie ohne Bildschirm erledigen darf oder kann. Man könnte das ganze Vorgehen auch ungestraft Unsinn nennen, weil selbst die ach so gestrige Gesetzgebung (Arbeitsstättenverordnung) längst anerkannt hat, dass eine getrennte Betrachtung von Bildschirmarbeit von sonstiger Arbeit schon lange keinen Sinn mehr macht. Deswegen hat der Staat die Bildschirmarbeitsverordnung abgeschafft und 2014 eine einheitliche ArbStättV erarbeitet. Der Arbeitsschutz durch die Berufsgenossenschaften hatte aber schon 1980 Regeln geschaffen, die auf der Annahme beruhten, dass künftig alle neuen Arbeitsplätze mit Bildschirmen ausgestattet würden.

Der glückliche Lichtplaner erfährt durch die in 2021 erlassene Norm u.a. "EN ISO 9241-307 enthält Anforderungen an die visuellen Eigenschaften von Displays bezüglich unerwünschter Reflexionen." Diesen Hinweis muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Denn EN ISO 9241-307 enthält 201 Tabellen auf 209 Seiten. Doch damit nicht genug. Für diese Norm spielt der Lieferant eine sehr große Rolle. So heißt es z.B. "Der Lieferant muss den beabsichtigten Nutzungskontext sowie den Wert oder den Wertebereich eines Merkmales festlegen." In ähnlicher Weise wird der Lieferant 219 Mal angeführt! Sprich: Der Lichtplaner muss bei jedem fraglichen Bildschirm 219 verschiedene Werte prüfen, die der Lieferant frei nach Schnauze festlegen darf. Wenn er noch nicht gestorben ist, prüft er immer noch. Dass er in EN ISO 9241-307 irgendeine Anforderung finden könnte, ist aber ausgeschlossen. EN ISO 9241-307 ist eine Messnorm und darf keine Anforderungen enthalten. Sie sagt nur aus, dass ein bestimmter Bildschirm unter den Beleuchtungsbedingungen, die der Designer sich ausgesucht hat, einen hinreichend großen Kontrast aufweist. Was ist wenn der Designer die falschen ausgesucht hat? An keinem einzigen Bildschirm steht, für welche Bedingungen dieser gestaltet worden ist.

So groß kann keine Tonne sein, in die der Hinweis nach dieser Norm hingehört. EN ISO 9241-307 ist nämlich keine Norm, nach der man etwas tun kann. Sie beschreibt alle denkbaren Bildschirme, und der Anwender der Norm muss wissen, welche Anforderungen sich aus seiner Anwendung ergeben. Dann sucht er sich den Bildschirm aus, dessen beabsichtigter Nutzungskontext mit den Anforderungen der Anwendung übereinstimmt. Zu guter Letzt enthält die Norm noch einen Kardinalfehler: Die Beleuchtungsstärken in den lichttechnischen Normen, z.B. 500 lx, sind Mindestwerte, während diese in EN ISO 9241-307 als Maximalwert angenommen werden. Macht zwar keinen Sinn, ist aber so.

Während die Mitarbeiter der Flugsicherung mit Sicherheit keinen Schaden durch diese Norm erleiden werden, weil ihr Job so wichtig ist, dass man sich etwas mehr Gedanken macht (und was für welche), droht anderen Unheil. So wird für CAD-Arbeitsplätze 1000 lx als als höheren Wartungswert verlangt mit einer "zylindrischen" Beleuchtungsstärke von mindestens 150 lx und auch noch 100 lx an der Decke. Das sind wohlgemerkt die untersten Werte. Für die "Bildschirmarbeit" erfolgt wieder der Hinweis wie oben. Die Realität ist, dass CAD-Arbeit seit ihrer Erfindung vor 50 Jahren Bildschirmarbeit ist. Da das Licht praktisch nie nützt, aber fast immer stört, arbeiteten die Menschen seit Jahrzehnten in abgedunkelten Räumen. Das ist zwar bestimmt nicht gesund. Mit der nunmehr verschriebenen Beleuchtung werden sie überhaupt nicht mehr arbeiten können. Ob das gesund ist?

Worauf basieren eigentlich die detaillierten Anforderungen, die jeder Betrieb erfüllen müsste, wenn er keine bessere Lösung anbieten kann? Man soll bitte nicht darüber lachen, was Prof. Peter Boyce, einer der obersten Lichttechniker, festgestellt hat. Der Titel lautet übersetzt "Wahl der Beleuchtungsstärke nach Sehanforderungen und andere Märchen". Das gesamte Papier ist hier zu lesen. Die Norm (jetzt gerade Entwurf) kann man für 174,30 € kaufen.

Also, der Lichtplaner soll eine Sehleistung realisieren, die keiner braucht. Dazu schreiben lichttechnische Normen Mindestwerte für die Beleuchtungsstärke vor. Sogar für die an der Decke! Und sagen, wenn die Beleuchtung auf dem Bildschirm stört, guck in die Norm Sowieso. In der Norm Sowieso steht, die Mindestwerte seien Maximalwerte, weil deren Autoren nie in lichttechnische Normen geguckt haben. Und die Autoren von lichttechnischen Normen verweisen auf deren Werk, für den Fall, dass sich die Leute am Bildschirm geblendet fühlen. Auch ohne jemals es gelesen zu haben. so beißt sich die Katze in den Schwanz. Die Sache ist aber ernst zu nehmen, weil die Arbeitsstättenverordnung einen blendfreien Bildschirm vorschreibt. Wenn man keinen zu fassen bekommt, ist die Beleuchtung schuld, weil man glaubt, dass die Blendung immer von der Beleuchtung verursacht wird. (§§ 6  Maßnahmen zur Gestaltung von Bildschirmarbeitsplätzen, § Straftaten und Ordnungswidrigkeiten). 

Wenn sich Ihr Lichtplaner nach einer anderen Beschäftigung sucht, wissen Sie warum. Was die Leute bei der Arbeit tun, wenn sie vor lauter Sehleistung nicht mehr arbeiten können, sehen Sie auf den Bildern an der Seite. Die sind nicht aus dem letzten Jahrhundert.