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Wie gut kann unsere Beleuchtung in Arbeitsstätten sein?

Kann aus einer, sagen wir mal, nicht so guten Planung etwas Gutes entstehen? ich denke mal, nein! Manchmal mag der Zufall helfen. Aber unter der Vorstellung von "Engineering" verstehe ich zielgerichtetes Handeln ohne den Meister Zufall. Im Sommer 2017 sind zwei wichtige Ereignisse eingetreten, die ich gerne im Lichte dieser Vorstellung beurteilen möchte. Das erste Ereignis ist die Veröffentlichung von 15 Thesen zu Licht und Lichtplanung. Das zweite ging ohne viel Aufhebens über die Bühne: Erscheinen einer LiTG Studie zu Lichtqualität. Diese besagt im Kern: "»Das Maß der Lichtqualität ergibt sich aus dem Abgleich zwischen den Anforderungen des Nutzers an eine Lichtlösung und der Bewertung der umgesetzten Lichtlösung.« Ergo: Lichtqualität – ein Prozess statt einer Kennzahl! Auch wenn das Papier nagelneu ist, ist die Vorstellung so alt wie die Qualitätswissenschaft: Quality is fit for purpose.

Wie gut mögen die bislang erstellten Beleuchtungsanlagen einem solchen Qualitätsanspruch genügen:

Das steht in den Weimarer Thesen

Das lese ich daraus

Licht ist für die menschliche Existenz fundamental. Viele biologische Wirkungen – visuell und nichtvisuell – lassen sich heute konkret benennen und müssen im Bauen Berücksichtigung finden. Das weitgehende Fehlen sowohl verbindlicher planerischer Gütekriterien, als auch einer normativen Verankerung der Planung für gesundes und attraktives Licht im bisher gängigen Planungsprozess, trägt der Bedeutung von Licht nicht Rechnung.

Der Planungsprozess für Beleuchtung (und für das Bauen) berücksichtigt die Wirkungen auf den Menschen nicht. Wenn die Bedürfnisse des Menschen unberücksichtigt bleiben, entspricht das ausgeführte Objekt diesen nicht. Die Qualität der Beleuchtung bleibt somit mangelhaft, bis die Ursache beseitigt ist.

Der Stand der Wissenschaft und Technik macht Lichtplanung heute zu einer neuen Grundlagenplanung mit besonderer Komplexität und Verantwortung für Wohlbefinden und Gesundheit der Nutzer.

Das Wohlbefinden und die Gesundheit der Nutzer stand bis heute nicht im Fokus der Lichtplanung. Oder: Der Auftrag an die Lichtplanung stellte bis heute das Wohlbefinden und die Gesundheit der Nutzer nicht in den Fokus. (Anm.: Dies gilt für Fälle, bei denen eine Lichtplanung überhaupt ausgeführt wurde. In den meisten Fällen handelte es sich nämlich eher um Elektroplanung, bei der am Ende der Leitung nicht ein Gerät, sondern eine Leuchte hängt.)

Tageslicht ist Ausgangspunkt und Maß einer integrativen Lichtplanung, welches
durch Kunstlicht ergänzt werden muss. »INTEGRATIVE LICHTQUALITÄT« umfasst daher
die kombinierte Tages- und Kunstlichtplanung.

Tageslicht ist nicht Ausgang und Maß der Lichtplanung. (Anm.: Die meisten Lichttechniker wenden die Gütekriterien, die für Kunstlicht entwickelt worden sind, auch auf das Tageslicht an und wollen dies sogar weiterhin beibehalten. Auch Tageslichttechniker nehmen die Festlegungen für Kunstlicht als Maßstab für das Tageslicht, s. z.B. DIN V 18599 Energetische Bewertung von Gebäuden, Betrachtungen zur Tageslichtautonomie etc. Die Festlegungen von Beleuchtungsstärken in Normen haben definitiv nichts mit der Sehleitung zu tun (s. Basis der Festlegung von Beleuchtungsstärkewerten in Beleuchtungsnormen, hier)

Qualifizierte Lichtplanung berücksichtigt die natürliche Variabilität der Rezeption
durch individuelle Nutzer. Eine Vereinheitlichung oder Normierung von Lichtwirkungen
ist daher nur eingeschränkt möglich.

Die übliche Praxis der lichttechnischen Normung ist falsch. Sie ist falsch, obwohl der individuell unterschiedliche Lichtbedarf schon vor über 50 Jahren experimentell festgestellt wurde und in der lichttechnischen Literatur veröffentlicht. (Anm.: Man kann trotzdem eine "Vereinheitlchung" von Beleuchtungseinrichtungen anstreben und realisieren, wenn man die Unterschiedlichkeit der Menschen angemessen berücksichtigt und ihnen die Kontrolle über ihre Umgebung teilweise überträgt.) 

Eine qualifizierte Lichtplanung definiert aufgrund ihrer unmittelbaren gesundheitlichen
Relevanz gesetzliche und gesellschaftliche Schutzziele.

Die gesundheitliche Relevanz der Lichtplanung findet in dem realen Geschehen keinen Niederschlag. (Anm.: Das ERGONOMIC Institut hat im Jahre 1997 eine Studie veröffentlicht, wonach die übliche genormte (Direkt)Beleuchtung dem Arbeitsschutz widerspricht (s. Volltext hier). Zuvor war der Forschungsbericht "Licht und Gesundheit" im Jahre 1990 veröffentlicht worden, der die Beleuchtung von Arbeitsstätten als Gesundheitsgefahr nachgewiesen hatte (Volltext hier). Nach dem Jahr 2001 wuchs die Zahl der Veranstaltungen zum Thema "Licht und Gesundheit" lawinenartig an. Es gibt mittlerweile Professuren und Einrichtungen zum Thema. Nur die Planungspraxis hat sich wenig geändert, weil sich die Normen nur unmerklich geändert haben.)

Nicht-visuelle Lichtwirkungen können nur in wenigen Fällen als anerkannte
Regel der Technik bewertet werden.

Die Berücksichtigung nicht-visueller Wirkungen in der Lichtplanung wird in absehbarer Zeit nicht Realität werden. D.h., viele negative Wirkungen von künstlicher Beleuchtung werden uns treu bleiben, obwohl man künstliche Beleuchtung per se nicht für diese verantwortlich machen kann. Schon in einem der ersten Gutachten über die "Gefahren" der künstlichen Beleuchtung hatten die Gutachter sinngemäß geschrieben, dass die negativen Wirkungen mangelhafter Nutzung zuzuschreiben wären. Diese uralte Feststellung ist nicht alt geworden.

Wochenend und Sonnenschein, weiter brauch' ich nichts zum Glücklichsein

Einen Beitrag mit dem gleichen Titel gab es schon letztes Jahr, als ein schwedischer Frauenarzt eine erschreckende, aber keineswegs überraschende Studie veröffentlichte: Wer die Sonne meidet, verkürzt sein Leben etwa als wenn er ständig raucht, im Schnitt um 0,6 bis 2,1 Jahre. Aus gegebenem Anlass wiederhole ich das Thema. Denn seit etwa 40 Jahren zum ersten Mal hat eine Zeitschrift einen Artikel von mir abgelehnt, d.h., ablehnen müssen, weil deren Beirat Bedenken hat. Das ist bemerkenswert, weil ich - Internet Artikel nicht mitgezählt - so etwa 2.000 Artikel verfasst habe, die z.T. für die Betroffenen Schlimmes berichteten, so etwa, dass deren Produkte Menschen taub machen würden. Die Herrschaften lassen so etwas nicht auf sich sitzen. Wäre auch schlimm, denn solche Artikel werden nicht zum Anprangern eines Missstandes geschrieben, sondern als Anreiz zum Beseitigen davon. Tatsächlich bekam ich von der Industrie, gegen deren Produkte ich gerade den erwähnten Vorwurf erhoben hatte, einen Wunsch nach einem Gesprächstermin. Bei diesem ließen sie sich das Problem erklären und versprachen, ihr Bestmögliches zu tun. Was sie auch tatsächlich realisierten. Die Besucher waren nicht etwa Mitarbeiter von kleinen Anbietern, sondern von zwei Marktführern.

Die abgelehnten Artikel, gegen die die Fachbeiräte der jeweiligen Zeitschrift Einwände erhoben haben, betreffen Produkte einer bestimmten Industrie. Vor 40 Jahren ging es um einen Artikel, in dem die Optimierung einer Arbeitsplatzleuchte dargestellt wurde. So ein Ding gehört halt auf den Müllhaufen. Wer braucht denn eine Arbeitsplatzleuchte? Der Artikel erschien nicht, aber die optimierte Arbeitsplatzleuchte und wurde ein Erfolg. Die jetzige Ablehnung betrifft direkt kein Produkt, sondern nur indirekt eine Marketingmasche. Es geht um die gesunde Beleuchtung am Arbeitsplatz. In dem Artikel wurde u.a. dargestellt, dass es in Innenräumen keine UV-Strahlung gibt und daher eine gesunde Beleuchtung (natürlich oder künstlich) nicht geben kann. Der Sachverhalt ist unstrittig. Nur fällt es dem Marketing nicht leicht, Menschen zu erklären, ihre "gesunde" Beleuchtung sei eben so gesund, wie es geht, sie müssten sich aber öfter ihren Allerwertesten ins Freie bewegen. Die Haltung verstehe ich sogar. Was soll der Kunde denken, wenn ich erzähle, mein Produkt sei toll, er, der Kunde, wäre aber selber schuld, wenn er dauernd in geschlossenen Räumen kluckt. Glaubt jemand McDonalds, dass nicht der BigMac dick macht, sondern viele BigMacs in zu kurzer Zeit genossen?

 

Was ich nicht verstehe, ist dass der Fachbeirat der meinen Artikel nicht haben wollte, nicht aus Marketingleuten besteht, sondern von einem Spitzenverband bestückt wird, der für die Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit sorgen soll. Ob die was zu verheimlichen haben? Ich denke, ja. Sage aber nicht, was. Der Artikel wird halt in einer Zeitschrift erscheinen, deren Beiräte sich nicht mit dem Arbeitsschutz befassen. Ist auch gut so. Es geht ja um Lappalien wie die Frage, ob die nächtliche Beleuchtung von Arbeitsplätzen als Ursache bzw. Förderer von Krebserkrankungen in Frage kommt. Und wie man was dagegen tun könnte. Halten wir es mit unserem geliebten Innenminister, der einer heiklen Frage auswich und wörtlich sagte: "Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern." So isses!

Catwalk für Lampen und Laternen in Berlin

  • "Ist Straßenbeleuchtung mit LEDs wirklich effizienter als eine herkömmliche Beleuchtung mit Natriumdampfhochdrucklampen?
    Blenden LED-Straßenleuchten stärker als herkömmliche Leuchten? Welche Auswirkung hat eine Halbnachtschaltung auf die Erkennbarkeit von Objekten im nächtlichen Straßenverkehr?
    Und sollen LED-Leuchten in 5-10 Jahren leisten?
    Antworten auf diese und noch viele weitere Fragen können auf dem LED-Laufsteg in Berlin untersucht und demonstriert werden."

So sagt das Technikmuseum Berlin. Solange es unsere Gaslaternen dort stehen lässt, wo sie schon immer stehen, habe ich nichts dagegen. Jetzt verstehe ich, warum letztes Jahr das Gaslaternenmuseum im Tiergarten aufgelöst werden sollte. Die Freunde der historischen Gaslaternen wollen es dort halten, wo das gemeine Volk täglich, Pardon allabendlich, darunter spazieren geht. Die Senatsverwaltung drängte auf einen Umzug der Gaslaternen in das Deutsche Technikmuseum in Kreuzberg. Soll bedeuten: sie gehören ins Museum. Sie, die Senatsverwaltung, als Freunde des Gaslichts zu bezeichnen, schafft man bei aller Selbstüberwindung nicht. Diese Senatsverwaltung beschäftigte einen Kollegen von mir bis zu seinem Ende mit der Aufgabe, die Gasbeleuchtung niederzumachen. Und die Methoden kenne ich sogar besser als die Hauptdarsteller.

Die Methode ist erprobt bei Tageslicht, von dem man Jahrzehnte lang behauptete, es wäre schlechter als das künstliche Licht - und dazu auch den Beweis führte: Bei Nacht ist die Sonne woanders, die Lampe bleibt aber, wo man sie hin hängt. Meistens jedenfalls.

Man hat die Sache naturgemäß nicht so doof ausgedrückt. Man lese nur die Kommentare vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung anlässlich der Veröffentlichung der Arbeitsstättenverordnung - nicht die von 2016, sondern die von 1975. Dort kam das Tageslicht nicht als Beleuchtung vor! Auf die Idee muss man kommen! Später begründete dies der zuständige Referent im Ministerium, Rainer Opfermann so: "Da eine gleichmäßige und stets gleichbleibende Beleuchtung der Arbeitsplätze, Arbeitsbereiche und Verkehrswege über den gesamten Tag nur durch künstliche Beleuchtung zu erreichen ist, wird in der Arbeitsstättenverordnung die allgemeine Forderung des früheren § 120 a Abs. 2 GewO nach genügendem Licht nur für die Beleuchtung mit künstlichem Licht im einzelnen präzisiert." (Betonung im Original)

Wer hat denn bestimmt, dass die Beleuchtung gleichmäßig sein muss und über den gesamten Tag (also auch über die Nacht) stets gleich bleiben? Das ist die Logik der Technik des künstlichen Lichts. Das Prinzip hieß "örtliche und zeitliche Gleichmäßigkeit", im Jahre 1935 klang es klein bisschen anders. Wenn man Kaviar nach Merkmalen bewertet, die für Brötchen gelten, darf man sich nicht wundern, dass Kaviar absolut nichts taugt. Wie aber Leute, die nur Brötchen backen können, die Welt jahrzehntelang davon überzeugt haben, die Brötchen wären besser als Kaviar, das war ein echtes Wunder.

Da wir in Deutschland die Kunst des Unsinns nicht dem Staat allein überlassen, gibt (gab) es ein zweites Arbeitsschutzrecht, das die Berufsgenossenschaften (ziemlich) autonom erließen. Deren oberstes Gesetz hieß UVV VBG 1 und kannte das Tageslicht überhaupt nicht. Das erklärt Opfermann in seinen offiziellen Kommentaren so: "Im Unfallverhütungsrecht mit seiner gegenüber dem staatlichen Arbeitsschutzrecht engeren Zielsetzung ist die Beleuchtung im Betrieb in unterschiedlicher Weise angesprochen. § 19 Abs. 3 der UVV "Allgemeine Vorschriften" VBG1 wiederholt die Vorschrift des § 7 Abs. 3 ArbStättV, bezieht sich also wie diese nur auf die künstliche Beleuchtung. Stimmt! Das Tageslicht hat weder mit Unfallgeschehen noch mit der Gesundheit etwas zu tun. Oder doch? Seit Jahren versucht die lichttechnische Industrie, die Anwender vom Nutzen einer veränderlichen Beleuchtung zu überzeugen und nennt den Versuch HCL  wie human centric lighting.

Was lernt uns das? Man darf das Urteil über etwas Lebenswichtiges nicht Technokraten oder Bürokraten überlassen, die in deren Fahrwasser schwimmen. Wenn sich die LED auf den Laufsteg begibt - catwalk klingt um Längen besser -, sollte man seine Stimme erheben, aber vorher sich das Ganze angucken. Wenn man "nur" dagegen ist, erreicht man weder bei Technokraten noch bei Bürokraten etwas. Nicht einmal eigene Freunde kann man damit dauerhaft überzeugen. Und auch erklärte Feinde der LED schmücken ihren Weihnachtsbaum mit LED oder holen die alten Kerzen aus dem Keller.

Falls man jetzt nicht aufpasst, verschwinden die wunderbaren Gaslaternen im Technikmuseum und steigen durch dessen Hintertür als LED-Laternen raus in die Landschaft.

KAN-Positionspapier zum Thema künstliche, biologisch wirksame Beleuchtung und Normung

Die Kommission Arbeitsschutz und Normung hat ihr Positionspapier (Version 2015 hier) überarbeitet und heute veröffentlicht. Die vollständige Version kann hier heruntergeladen werden. ie kurze Fassung lautet wie folgt:

Die Position der Kommission Arbeitsschutz und Normung (KAN) zum Thema künstliche, biologisch wirksame Beleuchtung lautet:

  •  Im Bereich künstlicher, biologisch wirksamer Beleuchtung sind Belange des betrieblichen Arbeitsschutzes betroffen; ist in diesem Bereich Normung beabsichtigt oder soll ein Norm-Projekt initiiert werden, muss vorab nach dem Grundsatzpapier über die Rolle der Normung im betrieblichem Arbeitsschutz geprüft werden, ob Normung zulässig ist.
  • In Normen können Produktanforderungen an Komponenten für die Beleuchtungsanlage (z.B. Lampen, Leuchten und Steuerungseinheiten) beschrieben werden; dabei ist zu berücksichtigen, dass Hersteller im Abschnitt Benutzerinformation der Norm aufgefordert werden, die notwendigen Angaben zur bestimmungsgemäßen Verwendung und wenn möglich zu Risiken beim Einsatz der Beleuchtungsanlage zu machen.
  • Hersteller und Händler für künstliche, biologisch wirksame Beleuchtungssysteme müssen innerhalb der Benutzerinformation über mögliche Gefährdungen informieren.
  •  Inhalte der bereits veröffentlichten DIN SPEC 67600:2013-04 (Fachbericht) „Biologisch wirksame Beleuchtung – Planungsempfehlungen“ basieren zum Teil auf nicht ausreichend gesicherten Erkenntnissen, daher
    • ist eine Fehlinterpretation bei deren Anwendung nicht ausgeschlossen;
    • sollte folgerichtig nicht in anderen Normen oder Spezifikationen auf die DIN SPEC 67600 (Fachbericht) verwiesen werden;
    • bilden die Planungsempfehlungen der DIN SPEC 67600 (Fachbericht) keine gesicherte Grundlage für die Umsetzung der Technischen Regel für Beleuchtung ASR A3.4 im Betrieb.
  • Der geplante Einsatz der biologischen Wirkung von künstlichem Licht ist nur gestattet, wenn Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit ausreichend berücksichtigt sind; das bedeutet u.a., dass
    • der gezielte Einsatz der biologischen Wirkung von künstlichem Licht nicht zu zusätzlichen gesundheitlichen Gefahren im Vergleich zu herkömmlicher Beleuchtung führen darf;
    • der gezielte und geplante Einsatz der biologischen Wirkung von künstlichem Licht Sehkomfort und Sehleistung gewährleisten muss.
  • Es muss überprüft werden, welche Erkenntnisse im Bereich der biologischen Wirkung von künstlichem Licht als hinreichend gesichert gelten und welche mit hoher Vermutung angenommen werden können:
    • Es muss überprüft werden, aus welchen dieser Erkenntnisse Gefährdungen für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten und Chancen für die Prävention abzuleiten sind.
    • Relevante Erkenntnisse müssen in Informationspapiere des Arbeitsschutzes für unterschiedliche Adressaten (z.B. Betreiber, Planer, Beschäftigte) einfließen.
    • Die KAN begrüßt, dass das DGUV-Sachgebiet Beleuchtung und die zuständige AStA-Arbeitsgruppe die Arbeit an Informationspapieren aufgenommen haben.
  • Arbeitsschutzrelevante Forschung sollte betrieben werden.
  • Der Dialog aller beteiligten Kreise sollte fortgeführt werden.

Die Künstliche Welt des Künstlichen Lichts

Die am häufigsten missverstandene Berufsgruppe ist nicht die der Psychologen, die unser Bestes wollen, sondern der Lichttechniker. Der will nur Gutes, wird aber nicht verstanden. Er hadert mit den Ahnungslosen, die Lux für ein Maß für die Lichtstärke halten, beantragt die Exkommunizierung von Professoren mit grauen Haaren, die dem Wort „Leuchtstoff“ die Endung „röhre“ folgen lassen, straft Leute, wie man mit bösen Blicken eben strafen kann, die „500“ für eine profane Zahl halten. Wer gar von Neonlicht spricht, wird nicht einmal eines bösen Blickes gewürdigt.

Warum sind die Leute so doof, dass sie unser fein formuliertes Konzept zur Erleuchtung aller, die die sie nicht wollen, eingeschlossen, einfach nicht verstehen wollen? Ich hatte neben Lichttechnik noch gelernt, dass, wenn einer nicht verstanden wird, der Doofe im Prinzip der Unverstandene ist. Erst wenn er sich selbst gegenüber alle Zweifel ausräumt, darf er den Doofen bei den anderen suchen. Ansonsten, doppelt doof.

Wieso ich gerade heute daran denke? Mich hat heute morgen jemand gefragt, warum ein Licht mit einer höheren Farbtemperatur kälter sei. Als ich das erklärte, ging dieser jemand Kopf schüttelnd weg. Doof? Ja, die Definition der Farbtemperatur. Damit qualifiziert man ein Licht bzw. eine Lampe. Wessen Temperatur ist aber gemeint? Das ist die Temperatur des Strahlers, der das Licht erzeugt. Hat also mit dem Licht nicht direkt zu tun. Und die Lampen mit hohen Farbtemperaturen sind gar nicht so warm.

Oder doch? Mit etwas Phantasie kann man die Farbtemperatur verteidigen: Etwas, was wärmer ist, hat mehr Energie. So hat z.B. blaues Licht (= höhere Farbtemperatur als bei rotem Licht) mehr Energie. Wieso ist es dann kalt? Ja, das hat mit der Energie nichts zu tun, sondern mit unserer Empfindung. Rotes Licht assoziieren wir mit Feuer oder Kerze. Warm! Sonne? Dass deren Licht kälter ist als das einer Kerze, weil höhere Farbtemperatur, wird kein Mensch verstehen, bei dem alle Tassen noch im Schrank sind und die Dachlatten feste geschraubt.

Mit dem Begriff Farbtemperatur gehen hingegen Fachleute problemlos um, z.B. Foto- und Fernsehleute. Währenddessen bleibt sie den anderen ein Rätsel, das sie glauben können oder auch nicht. So ist es mit allen Größen der Lichttechnik. Sie sollen einer Empfindung entsprechen, so z.B. Beleuchtungsstärke, die nach landläufiger Meinung für das Beleuchtungsniveau steht. Tut es aber nicht. Die Leuchtdichte soll der Helligkeit entsprechen. Tut es noch weniger.

Jedes Fachgebiet, sogar jede isolierte Gruppe von Menschen, schafft seine eigene Begriffswelt, sofern die übliche Sprache nicht ausreicht. Wenn dieses Fachgebiet tatsächlich etwas Neues hervorgebracht hat, wird die Umgangssprache i.d.R. nicht ausreichen. Dies geht so lange problemlos, solange die Fachleute aus dem betreffenden Gebiet unter sich sind. So muss kein Mensch außer Materialkundlern wissen, was eine Wöhlerkurve ist. Damit wird die Dauerfestigkeit von einem Objekt gemessen. Natürlich auch Maschinenbauer, die müssen es auch wissen. Sie bauen die Maschinen, die schütteln und rütteln. In den 1980ern mussten aber andere erfahren, was es damit auf sich hat. Einige Bürodrehstühle explodierten: „Unter Millionen Büromenschen lauert Gefahr: Ihr Stuhl kann explodieren.“ Stand im Spiegel vom 16.05.1983. Etwa 3,5 Millionen Stühle mussten eingesammelt und unschädlich gemacht werden. Man hatte eine weitere Weisheit aus dem Maschinenbau vergessen: Kerbwirkung. So kam es dazu, dass Millionen deutscher Büromenschen auf Bomben mit fünf Rollen darunter saßen. Damit keiner glaubt, nur den doofen Stuhlbauern unterlaufe so ein Missgeschick: auch die Erbauer der letzten deutschen Kernkraftwerke hatten damit zu schaffen. Beim Studium hätten sie das erste Semester so nicht absolvieren können. Ihre Turbinenwellen mussten wegen der Kerbwirkung, bzw. vergessenen Kerbwirkung, ausgetauscht werden. Wer ein Kernkraftwerk baut, hat ja sein erstes Semester Maschinenbau lange hinter sich.

Da der Begriff Beleuchtungsstärke – das unverstandene Wesen – im Laufe der Zeit Kinder gekriegt hat, die sich in Normen und Vorschriften eingeschlichen haben, gibt es noch mehr lustige Slapstick-Geschichten zu lesen. So hat ein Gremium im Auftrag des Arbeitsministeriums eine Technische Regel zur Beleuchtung geschrieben (ASR A3.4). Die konkretisiert die Verordnung für Arbeitsstätten und ist eine ziemlich heilige Schrift: „Die Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR) geben den Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Arbeitshygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse für das Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten wieder.“ Also muss man die einhalten, will man sich nicht dem – ebenso heiligen - Zorn der Behörden aussetzen. (mehr dazu hier und dort)

Das ist auch gut so. Dummerweise steht dort was von einer horizontalen Beleuchtungsstärke, die man sonst so nicht liest. Deswegen wird der Begriff erklärt. Das ist die B. in einer horizontalen Ebene gemessen. Verstanden. Dann gibt es auch eine vertikale B. Die wird in einer vertikalen Ebene gemessen. Logo! Auch verstanden? Nicht ganz, denn ich weiß nicht, wozu das dient. Das erklärt eine BG-Schrift mit der Modellierung von Gesichtern. Natürlich in übertragenem Sinne. Gesichter müssen so beleuchtet werden, dass man sie richtig sieht. Dazu später noch was.

Ganz dumm, dass die Verfasser der ASR vergessen haben, die vertikale Ebene anzugeben. Davon gibt es nämlich Millionen, während es eine einzige horizontale gibt. Damit Millionen, die die Sache anwenden sollen, richtig handeln, schob eine Arbeitsschutzorganisation die fehlende Ebene nach: Keine. Denn niemandem kann zugemutet werden, in jeder Richtung, in die ein erleuchteter deutscher Arbeitnehmer blicken will, auch die Beleuchtungsstärke zu messen. Ergo: Ein weiterer Begriff aus dem Arsenal der Lichttechnik soll helfen: Die zylindrische Beleuchtungsstärke. Die ist wieder so eindeutig wie die horizontale. Leider, leider, kann sie niemand verstehen. Kann eine Ebene zylindrisch sein?

Die Menschen müssen geholfen werden. Also malt man schöne Bilder. Sie sehen eindeutig aus. Stimmt! Dummerweise sitzen deutsche Arbeitnehmer sehr häufig in Karnickelställen mit dem Rücken zur Wand. Und deutsche Bürowände strahlen nur wenig Licht ab. Und wenn der Mensch in der weiten weiten Prärie säße, das Licht, das von hinten kommt, modelliert weder sein noch ein anderes Gesicht. Es macht das Gesicht eventuell sogar schlechter sichtbar. Das gilt auch für den Arbeiter mitten in der Fabrikhalle. Die Sache nennt sich Gegenlicht und ist jedem (Amateur)Fotografen bekannt. Jede halbwegs gute Kamera hat einen Einstellungsknopf, der die Störung beseitigt. Nur dem menschlichen Auge fehlt der Knopf.  

Was wäre perfekt? Z.B. die halb-zylindrische Beleuchtungsstärke. Um Gottes Willen! Wer soll denn das verstehen? Mmmh, einige Leute im Labor tun es. Die planen dummerweise nicht die Beleuchtung für 40 Millionen Arbeitnehmer. Und wenn sie es denn wirklich täten, eine vertikale Beleuchtungsstärke werden sie im echten Leben nie erzeugen, weil in der Arbeitswelt die Leuchten fast immer an der Decke hängen. Das heiß ersehnte Ding gibt es nur im Labor, im Theater und nördlich des Polarkreises durch die Sonne, die immer flach einfällt. Ansonsten hat man ein mehr oder wenig schräg von oben nach unten abgestrahltes Licht. Wenn man damit einen Wassertopf erwärmen will, ist es egal, unter welchem Winkel es kommt (außer bei Totalreflexion). Will man hingegen Gesichter modellieren, gibt es immer lange Nasen, weil das Licht von oben kommt. Bei Downlights dunkle Augenhöhlen dazu.